16.57

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die Worterteilung! Vielen, vielen Dank auch an Sie, Frau Ministerin, für die Beantwortungen und für Ihre einführenden Worte, die mir die Möglichkeit ge­ben, replizierend die wichtigsten Themen einmal zu behandeln! Vielen Dank auch für Ihre Aufregung – ob echt oder gespielt – über den Vorwurf der Scheinheiligkeit seitens des Kollegen.

Das gibt mir auch die Möglichkeit, diesen schönen Begriff Scheinheiligkeit ein bisschen zu analysieren, zu aktualisieren und anhand der heutigen Vor­kommnisse zu erläutern. (Bundesrat Buchmann: Zu relevieren! – Die Bundesrät:in­nen Preineder und Zwazl: Zu relativieren!) Ich verwende das schöne deut­sche Wort erläutern.

Frau Minister, Sie haben durchaus richtig gesagt: Das System ist gescheitert, es kann nicht sein, dass die Schlepper da herrschen! – Auf die naheliegende Frage: Okay, welches System ist denn gescheitert, was machen wir denn dann?, fällt Ihnen nichts anderes ein, als zu sagen: Ja, die Vorschläge, die von den anderen kommen, sind ja Träumereien, denn das geht alles nur im europäischen Kontext. (Bundesministerin Edtstadler: Ja, genau!)

Liebe Frau Ministerin, was ist es denn anderes als Scheinheiligkeit, zu sagen: Das System ist gescheitert, wir stehen vor einem Trümmerhaufen, es herrschen die Schlepper, aber wenn gesagt wird, dass man etwas tun muss, dann ist das al­les eine Träumerei, weil das alles nicht geht, denn das geht alles nur im europäischen Konzert oder im europäischen Konzept oder im europäischen Ver­bund oder wie immer. Dann beantworten Sie 21 Fragen, und dabei kommt heraus: Das, was geschehen ist, ist, dass Sie eine Allianz mit einigen Ländern ge­schmiedet haben, die einen Brief an den Kommissionspräsidenten geschrie­ben haben, und dass es Ihnen gelungen ist, nach über eineinhalb Jahren verschärfter Asylkrise das Thema auf eine Ratssitzung zu bringen, in der es eine vage und substanzlose Zusage der Kommission gegeben hat, mehr Geld für den Außengrenzschutz zu verwenden. – So ist es, ja. Das haben Sie selbst in Ihren Fragebeantwortungen in etwa so gesagt.

Jetzt, um zur Scheinheiligkeit zurückzukehren, schauen wir einmal, wo das Pro­blem seine Wurzeln hat. Hat das in den anderen Mitgliedsländern seine Wurzeln? – Vielleicht auch.

Wir sind es schon im letzten Jahr einmal durchgegangen: 2022 hat es in der ge­samten EU 923 000 Asylanträge gegeben, in Österreich ungefähr 110 000 – das sind über 12 Prozent aller in der EU gestellten Anträge bei einem Anteil der österreichischen Bevölkerung von 2 Prozent. Sie haben es richtig gesagt, wir haben damit pro Kopf die zweithöchste Asylwerberquote in der ganzen Uni­on, die höchste hat aus naheliegenden Gründen der Kleinstaat Malta, aber kein Flächenstaat am europäischen Kontinent hat annähernd solche Zahlen wie Österreich.

Frankreich hat 153 000, ein bisschen mehr als wir. Spanien, umgeben von – wie soll man sagen? – Asylquellländern, umgeben von Meeren, Spanien hatte 116 000, gerade um 5 730 mehr als das Binnenland Österreich. Wer ist denn da gescheitert, welches anonyme System, das Sie herangezogen haben? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Schwarzen! Die ÖVP!) – Gescheitert ist die Ver­waltung der Republik Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Wer, wenn nicht die Bundesregierung, personifiziert durch die Bundesminister, ist dann gescheitert? Wie anders soll man es bewerten, wenn man vom Scheitern spricht, aber sich selbst als erfolgreich, super innovativ und dynamisch darstellt, wie anders soll ich das bezeichnen als mit dem schönen Wort Scheinheiligkeit? (Beifall bei der FPÖ.)

Das Mindeste, was ich erwartet hätte, ist, zu sagen: Schengen ist gescheitert, die EU ist gescheitert, aber insbesondere sind wir gescheitert. Insbesondere ist die österreichische Bundesregierung gescheitert, denn wir haben ein System in­stalliert, das Österreich zu dem Pullfaktor für illegale Einwanderung in die Europäische Union oder auf den europäischen Kontinent gemacht hat.

Für kein Land gibt es mehr Interesse, gibt es mehr Schlepperwerbung für die Ein­wanderung als für Österreich. Wenn Sie abgefangene Unterhaltungen von Schleppern, abgefangene – unter Anführungszeichen –„Webseiten“ von Schlep­pern – egal ob in Indien, Pakistan, Somalia oder Mali – lesen, dann ist als erstes Zielland immer Österreich genannt. Das ist ja kein Zufall, dass die nach Europa kommen und hier in so großer Zahl landen.

Das schöne Ungarn, wie Sie immer sagen, ist natürlich ein klassisches Transit­land. Das grenzt ja an Länder wie die Ukraine, Rumänien, Serbien und Kroatien, in denen die Schlepper ihre Ströme durchbringen. Dort hat es aber, obwohl es wahrscheinlich über 150 000 illegale Einreisen gegeben hat, heiße 43 Anträge gegeben, weil genau die Schlepper sagen: Überallhin, aber nicht nach Ungarn, dort ist es so ungünstig, dort gibt es so wenig Unterstützung, dort sind die Chancen, Asyl zu bekommen, sehr gering.

In Österreich haben wir bis 2021, vom letzten Jahr habe ich noch keine Statisti­ken, eine Asylanerkennungsquote von fast 50 Prozent gehabt. Das heißt, der Schlepper konnte das mit einer 50-prozentigen Aussicht, dass man auf Dau­er in der Europäischen Union bleiben kann, verkaufen (Zwischenruf des Bundesrates Preineder): Geh nach Österreich! 50 Prozent Wahrscheinlichkeit! – Na ja, da kann man schon einmal 8 000 Euro, 10 000 Euro in den Schlep­per investieren, wenn er eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit versprechen kann, mit seiner Geschichte, wie immer sie gedreht ist, durchzukommen.

Daher noch einmal: Wer ist gescheitert? – Die Bundesregierung, aber vor allem der österreichische Steuerzahler und die Österreicher, die das alles bezahlen müssen. Bezeichnenderweise gibt es ja keine – zumindest keine öffent­lich zugänglichen – Aufstellungen, was dieser Asylwahnsinn, was diese illegale Einwanderung, ihre Bekämpfung und Bearbeitung Österreich im Jahr kos­tet. Das sind ja nicht nur Bundeskosten, das sind Kosten, die der Bund aus ver­schiedensten Töpfen hat, das sind Kosten, die die Gemeinden haben, die die Länder haben.

Bei den Ländern waren es 2021 750 Millionen Euro, da gibt es noch Zahlen. Die letzte einigermaßen nachvollziehbare Schätzung, die ich gefunden habe, war die vom Fiskalrat für das Jahr 2017. Da wurden die Kosten auf 2,7 Milliar­den Euro geschätzt. Andere Berechnungen – das sind aber ganz konservative Zahlen (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), in denen viele Dinge, wie die Kosten von Abschiebungen, gar nicht einberechnet sind –, andere konserva­tive Schätzungen, die auch nur für 2017 vorliegen, gehen von einem Rah­men von 2,5 bis 3,3 Milliarden Euro im Jahr aus.

Das betrifft aber Jahre, in denen wir 35 000, 40 000 Asylwerber hatten. Im letzten Jahr hatten wir jedoch 110 000. Ich sehe mich nicht in der Lage, diese Zahlen hochzurechnen, aber ich überlasse es der Fantasie aller Zuhörer, was diese Kosten ausmachen. Das ist deutlich mehr, als die Gesamtkosten des österreichischen Hochschulwesens ausmachen – Richtung SPÖ interes­sant –, das ist deutlich mehr, als zum Beispiel für die Pflege aufgewendet wird. Das sind Zahlen, bei denen man – wenn man sich nicht dem bösen Wort scheinheilig aussetzen will – sagen muss: Da sind wir gescheitert. Wir ha­ben die Interessen unserer Bevölkerung, die Interessen der Ärmsten der Armen, die das tragen müssen, die Interessen der Sicherheit, die Interessen der Rechtsstaatlichkeit auf dem Altar einer Hörigkeit gegenüber gewissen europäi­schen Kreisen geopfert.

Jetzt zur Frage: Was tut die EU? Sie haben uns ein bisschen isoliert dargelegt: genau gar nichts – denn mit einem Brief und einer Tagesordnung und einem Wunsch passiert überhaupt nichts. (Bundesministerin Edtstadler: ... zuhö­ren!) Was Europa bräuchte, Frau Ministerin, haben Sie alles erwähnt, nur kommt das ja nicht. Das wäre natürlich ein entschlossenes Auftreten gegenüber allen Migrantenquellländern, das heißt: Wer nicht ohne Wenn und Aber seine Staatsbürger zurücknimmt (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edt­stadler), ohne Wenn und Aber, der wird alle Handelsprivilegien, alle Zu­schüsse und allen Goodwill der Europäischen Union verlieren.

Etwas Ähnliches ist im österreichischen Parlament seit Jahren nicht einmal mehrheitsfähig gewesen, geschweige denn in der Europäischen Union. Ich habe selbst noch im Nationalrat solche Anträge eingebracht, aber da hieß es: Nein, das darf nicht verbunden werden, das ist Handel, das sind die Ärmsten der Armen! Wenn man dann betreffend die Frage: Was soll passieren?, auf der linken Seite hört: Ja man muss die Gründe der Migration bekämpfen und man muss dafür sorgen, dass niemand sein Quellland verlässt!, dann sage ich: Viel Vergnügen, liebe Leute von der SPÖ! Ich rate euch, saniert einmal Pakistan, saniert einmal Äthiopien, die Sahelzone, Bangladesch – ich rede jetzt, weil ich nicht böse bin, gar nicht von Syrien oder Afghanistan, aber saniert einmal die­se Länder! Bringt sie einmal auf 40 Prozent des Lebensstandards von Europa oder auf 20 Prozent, dann werden die Gründe für die Massenmigration wegfallen.

Ich will Ihnen jetzt weiter keine Zahlen servieren, aber schauen Sie sich einmal an, wie weit der Weg ist, Afghanistan oder Syrien oder andere Staaten, die ich genannt habe, auf 20 Prozent des durchschnittlichen europäischen Lebens­standards zu bringen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: In den nächsten hun­dert Jahren wird das nicht möglich sein. Programme und Fantasien, bei denen man über hundert Jahre denken muss, um ein Problem, das heute ange­gangen werden muss, zu lösen, die sollten wir hier sozusagen nicht ernsthaft in den Mund nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister! Jetzt kehren wir zurück zu den möglichen Lösungen, zu den Träu­mereien, wie Sie das so erfolgsorientiert sagen. Was muss man tun? – Na ja, das sind natürlich Änderungen der EU-Asylverfahrensrichtlinie, die es uns ermöglichen, eine vernünftige Asylpolitik zu machen. (Zwischenruf des Bun­desrates Preineder.) Das Erste ist: Asyl ist ein Recht auf Zeit. Obligatorisch muss festgelegt werden, dass Asyl maximal für eineinhalb, zwei oder zweieinhalb Jahre gewährt werden darf, dann verfällt dieser Titel und damit das Recht, sich im Land aufzuhalten. Dann ist allenfalls ein neues Verfahren anzustrengen. – Erste Voraussetzung.

Zweite Voraussetzung: Wer über sichere Drittländer in ein Land einreist, hat hier kein Recht auf ein Asylverfahren. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn man über zwei oder zwanzig sichere Länder kommt, dann darf es hier kein Recht auf ein Asyl­verfahren geben. Dann ist dieser Antrag zurückzuweisen und der Antrag­steller an der Grenze in Gewahrsam zu nehmen und abzuschieben.

Drittens muss erste Priorität sein, alle Leute, die sich illegal im Inland aufhalten, unverzüglich außer Landes zu schaffen.

Die Kosten dafür sind gewaltig, das weiß ich, denn das System (Zwischenruf des Bundesrates Preineder), das wir hier mit massiver Hilfe der Europäischen Kommission und der europäischen Institutionen, aber auch aus eigenem Ver­schulden und aus permanentem Verschulden der österreichischen Regie­rungen seit Jahrzehnten etabliert haben, hat dazu geführt, dass Abschiebungen sehr, sehr, sehr teuer sind und dass die rechtlichen Schritte, die erforderlich sind, um das zu machen, sehr, sehr aufwendig, sehr, sehr bürokratisch und sehr, sehr kostspielig sind.

Ja, wenn man daher heilig sein will – verwenden wir das schöne Wort noch ein­mal – und das, was man fordert, was man kritisiert, was man als falsch er­kennt, auch mit Lösungsvorschlägen besetzen will, dann darf man nicht davon reden, dass alles, was einem jetzt gerade nicht in den strategischen Kram passt, Träumereien sind, sondern dann muss man diese sogenannten Träume­reien auf ihre Machbarkeit prüfen und muss zumindest dafür sorgen, dass bei den europäischen Institutionen nicht Brieferl geschrieben werden, dass über Tagesordnungspunkte nicht nur geplaudert und gemeinsam mit befreunde­ten Ländern gespeist wird, sondern dass diese Forderungen auf dem Tisch liegen und dass man auch sagt: Solange diese Grundforderungen nicht erfüllt sind, wird Österreich alle Entscheidungen auf europäischer Ebene, die es blockieren kann, blockieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das haben schon einige Länder gemacht, und glauben Sie mir, das – das! – wäre eine europäische Vorgangsweise, das hätte Gewicht, und das wäre etwas, bei dem ich das Wort scheinheilig sofort zurücknehmen würde. Derzeit, aus na­heliegenden Gründen, kann ich das nicht. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.11

Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Preineder zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.