19.08

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sie ha­ben gerade gesagt, die Elementarpädagogik liegt Ihnen am Herzen. – Na ja, so arg kann es nicht sein, denn wenn man die Beantwortung der Fragen, die wirklich grundlegende Fragen sind und die jetzt einer Antwort geharrt hätten, derartig lapidar vornimmt, dann kann einem die Elementarpädagogik nicht so besonders am Herzen liegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Elementarpädagogik – und das ist glaube ich in diesem Saal unumstritten – ist die Grundlage und die Orte ihrer Vermittlung die erste Bildungsstätte, die so wesentlich ist. Wir brauchen den Ausbau der Elementarpädagogik, um Kindern Chancen zu geben. Wir wollen die beste Bildung für unsere Kinder. Wir wollen Chancen für die Eltern in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und wir wollen für Frauen Chancen, damit sie am Arbeitsleben in der Stundenanzahl, die sie wollen, teilnehmen können. Das sind die Zielrichtungen.

Wir sagen das seit Jahren: Es braucht den Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtungen!, und wir fordern einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbil­dungsplatz ab dem ersten Lebensjahr, mit Arbeit in Vollzeit vereinbar, flächendeckend in ganz Österreich und leistbar. Das ist die Grund­lage. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sehen – und da sind die ideologischen Grenzen ganz eindeutig –, dass das in den sozialdemokratisch geführten Ländern funktioniert: Da sind die Kinder wichtig, da bekommen sie die erste elementarpädagogische Bildung im besten Ausmaß. Schauen wir nach Wien: Seit zehn Jahren gibt es den Gratiskin­dergarten mit Öffnungszeiten, von denen andere Bundesländer nur träumen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir ins Burgenland: Die tollsten Einrichtungen auch dort für die beste Möglichkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und jetzt zieht Kärn­ten nach – das ist wirklich großartig (Beifall bei der SPÖ) –: Gratiskindergarten, Ausbau der Einrichtungen. So macht man es, das ist beispielgebend!

Ganz ehrlich, bei so einer Beantwortung, da fragt man sich schon: Alles ist gut, alles ist gut; es funktioniert? – Nein, es funktioniert nicht. Wir brauchen, um den Rechtsanspruch umsetzen zu können, 1 Milliarde Euro im Jahr. Das braucht man, um das umzusetzen zu können. Und wir brauchen jetzt endlich Ausbildungsschritte. Sie können nicht erzählen, dass Sie genug getan haben, weil Sie das nicht haben.

Sie hatten zuerst die Chance, den Resilienzfonds der EU dafür zu nützen, dass man die Elementarpädagogik ausbaut. Das haben Sie nicht oder nur in einem kleinen Ausmaß gemacht. Das war dieser Regierung nicht wichtig. Sie hatten zweitens die Chance, mit der 15a-Vereinbarung wirklich einen großen Booster zu zünden, damit man den Rechtsanspruch umsetzen kann. Das haben Sie nicht gemacht. Es ist nicht erfolgt. Es war eine kleine Erhöhung. Sie wollten sie auch noch als Milliarde verkaufen und haben halt das, was Sie über Jahre da hinlegen, zusammengerechnet und gesagt: Das ist jetzt die Milliarde. – Das ist sie nicht.

Sie setzen nicht jene Ausbildungsschritte, die wir jetzt dringend brauchen. Es geht um die Kinder. Es geht um die Chancen der Eltern. Es geht um die Frage, wie wir die Regionen stärken können, damit es nicht zur Abwanderung kommt, weil es eben die Kinderbildungseinrichtungen gibt, und es geht um die Frage: Wie geht es denn den Beschäftigten in diesem Bereich? – Ganz ehr­lich, die wurden in der Coronazeit von dieser Regierung völlig im Stich gelassen.

In allen Coronakommissionen, in alle Richtungen, haben die Wissenschaftler getagt, aber die Elementarpädagog:innen und ihre Arbeit wurden nie an­gesprochen, in keiner Weise, sie wurden jedes Mal vergessen. Die Pädagog:in­nen waren wirklich fertig. Sie konnten keine Maske tragen, weil man im Kontakt mit Kindern keine Maske tragen kann. Viele haben sich angesteckt, für viele war das eine schwierige Situation, und sie haben sie toll gemeistert.

Die Elementarpädagoginnen – es sind nun einmal hauptsächlich Frauen – sind eine sehr geduldige Gruppe. Wenn man mit ihnen spricht, dann sagen sie, dass sie ihren Job lieben, weil es ein toller Job ist – mit Kindern zu arbeiten, Kin­der wachsen zu sehen, ihnen etwas beibringen zu können, das ist etwas Tolles –, aber sie können nicht mehr und sie wollen nicht mehr. Jede zweite Ele­mentarpädagog:in oder Assistent:in überlegt, aus dem Berufsfeld auszuscheiden.

So gut ist das alles nicht, da muss man handeln. Und darum finde ich es so großartig, was jetzt in Kärnten passiert: dass man eben nicht nur darauf schaut, die Plätze auszubauen, sondern auch, wie man bessere Bedingungen für die Arbeitnehmer: innen in diesem Bereich schafft. Das ist wirklich großartig (Beifall bei der SPÖ), aber ganz ehrlich, die Länder können ja nicht alles überneh­men. Die Länder übernehmen derzeit die Ausfallhaftung für das, was der Bund nicht schafft, aber es wäre jetzt dringend notwendig, da zu handeln.

Ich sage ganz ehrlich: Wenn Sie jetzt bei den Finanzausgleichsverhandlungen nicht den Booster für den Ausbau der Elementarpädagogik hin zu einem Rechtsanspruch zünden – denn die Auswirkungen dauern einige Jahre, das geht nicht von heute auf morgen, das hat mindestens fünf Jahre Vorlaufzeit –, dann haben Sie wieder verschlafen. Dann soll uns bitte nicht mehr irgendein Ar­beitsminister oder Wirtschaftsminister oder was immer er ist, ausrichten: Wir hätten aber gerne, dass die Frauen nicht mehr so viel Teilzeit arbeiten; sie sollen mehr Stunden arbeiten. – Wohin sollen sie ihre Kinder geben?

Eltern haben das Recht darauf, für ihre Kinder die beste Bildung zu bekommen und zu wissen: Wenn man sein Kind in diese Bildungseinrichtung gibt, dann ist es gut aufgehoben, dann bekommt es gute Anregungen, dann lernt es Neues, dann lernt es vielleicht auch Dinge, die man zu Hause nicht so ma­chen kann, dann hat es soziale Kontakte; und man hat die Sicherheit, dass das Kind etwaige Defizite im Kindergartenalter noch ausgeräumt be­kommt, noch Bildung erfährt, damit es dann gut in die Schule übergehen kann.

Wenn wir von Integration reden – und das ist eine wesentliche Frage –, dann ist der Kindergarten auch die erste wichtige Einrichtung, um Integration zu ermöglichen. Sprachliche Integration, soziale Integration, Werteintegration: Das alles passiert im Kindergarten.

Die Tanten, wie man früher gesagt hat – so wollen die Elementarpädagoginnen nie mehr wieder genannt werden, darum sagen wir: elementarpädagogische Einrichtungen –, haben eine gute Ausbildung, sie leisten großartige Arbeit, aber sie wollen auch gut bezahlt werden und sie wollen gute Arbeitsbedingungen. Auch da darf ich wieder Kärnten nennen, das jetzt mit dieser Initiative sagt: Wir setzen einen Schritt, um die Gruppengröße in den Kindergärten einfach kleiner zu machen. Das ist ganz, ganz wichtig, damit die pädagogische Arbeit auch funktionieren kann.

Im Kindergarten arbeiten nicht nur Pädagog:innen, da arbeiten auch pädagogi­sche Assistent:innen, da arbeiten Assistent:innen, und alle zusammen ar­beiten gemeinsam mit den Kindern. Es ist ein guter Platz für die Kinder und es soll auch künftig ein guter Platz für die Kinder sein. Wenn Sie jetzt nicht die Initiative ergreifen, dann haben Sie wieder verschlafen, und jedes Jahr, das man verschläft, macht die Situation im Bereich der Elementarpädagogik noch einmal schwieriger.

Lassen Sie mich zur FPÖ zurückkommen. Es sind eh nicht viele hier, denn die Kinder interessieren sie nur bei Partikularinteressen (Oho-Rufe der Bundesrätin Steiner-Wieser), wo es halt gerade in ihr Programm hineinpasst. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Kinder sind Ihnen völlig gleichgültig. Ich sehe niemanden, also die Fraktion hat sich wunderbar aufgelöst, denn was ist der Kindergarten? – Das ist Ihnen doch völlig wurscht.

Nein, Sie haben eine noch viel bessere Idee: Die FPÖ wird heute einen Antrag nach dem Berndorfer Modell – übersetzt: die Herdprämie – einbringen: Liebe Frauen, bleibt zu Hause, dann geben wir euch Geld. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist keine Herdprämie!) Das ist doch absolut die Herdprämie, eins zu eins umgesetzt. (Bundesrätin Grossmann: Zurück ins 19. Jahrhundert!) So macht man das, aber natürlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Nächstes sagt man: Bitte schickt die Kinder nicht in die Schule; ihr kriegt Geld, wenn ihr die Kinder nicht in die Schule gebt! – Wenn man nicht zum Arzt geht, kriegt man auch Geld. Was ist das für ein Zugang zu Leistungen, um Himmels willen?! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wir wissen ja, wie die FPÖ über die Frauen denkt, das ist uns doch völlig klar.

Kickl hat gesagt, die erste Handlung, wenn er Kanzler wird, ist, dass er die - - (Bundesrätin Steiner-Wieser: So ein Schwachsinn!) Ja, das stimmt, das ist wirklich ein Schwachsinn, denn er hat gesagt: Das Erste, was er machen wird, ist, die Töchter aus der Bundeshymne wieder herauszunehmen. (Neuerliche Zwi­schenrufe der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Liebe Töchter in Österreich, euch muss klar sein: FPÖ möchte euch nicht sichtbar haben, FPÖ möchte euch gerne am Herd haben, mit Herdprämie. So schaut’s aus, das ist die Realität. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Schreuder und Schwarz-Fuchs.)

Herr Bundesminister, wir werden Ihnen diese Fragen natürlich noch einmal schriftlich stellen. So eine oberflächliche Beantwortung können wir nicht durchgehen lassen, denn wir wollen wirklich Antworten bekommen.

Zum Beirat für Elementarpädagogik: Wenn Sie sagen, dass Sie die wesentlichen Player im Beirat versammelt haben, dann ist das ja schön für Sie, dann sagen Sie aber auch, dass die Arbeitnehmer:innenvertretung kein wesentlicher Player ist, denn diese haben Sie explizit aus dem Beirat ausgeschlossen. Von daher muss man schon fragen: Ob das so gescheit ist, dass man gerade jene Gruppe, die genau weiß, wie es den Pädagog:innen und Assistent:innen geht, aus einer Arbeitsgruppe ausschließt, die über die Zukunft der Elementarpädagogik spricht? – Na, das ist aber wirklich keine gute Idee.

Herr Bundesminister, zünden Sie jetzt wirklich den Ausbildungsbooster! Das ist auf den verschiedensten Ebenen mehr als notwendig. Wir müssen uns da­rüber unterhalten – Kollege Appé hat es ja schon richtig gesagt –, warum viele, die die Bafep absolvieren, dann nicht in das Berufsfeld gehen. Das müssen wir uns fragen.

Wir müssen uns fragen: Wie können wir intensivieren, dass jemand auf dem zweiten Bildungsweg in die Elementarpädagogik wechselt? Wir müssen natürlich die Ausbildungsstätten erweitern, da ist großer Bedarf, weil natürlich auch in diesem Bereich die Menschen in Pension gehen werden. Also da ist viel zu tun: Herr Bundesminister, packen Sie es an!

Es ist manchmal klug, auch auf die Sozialpartner zu hören. Es war für diese Republik schon sehr oft klug, und auch in diesem Zusammenhang ist es klug. Die Sozialpartner haben das Papier sowie den Rechtsanspruch auf einen Kin­derbildungsplatz gemeinsam ausgearbeitet – gemeinsam, alle Sozialpartner, ge­meinsam mit der IV –, und sie sagen, dass es wichtig ist, dass man jetzt die Elementarpädagogik ausbaut. Das ist keine Spielerei, sondern wir wissen es aus den verschiedenen Blickwinkeln, wie wichtig es ist, dass wir diese elemen­tarpädagogischen Einrichtungen haben.

Das so derartig zu ignorieren und nicht einmal den Kontakt zu suchen, auch das ist nicht besonders klug. Wenn Ihnen die Elementarpädagogik so am Her­zen liegt, dann gilt es jetzt ganz dringend zu handeln. Herr Bundesminister, da kann man sich nicht mit dem Schmäh drüberarbeiten, das ist einfach über­prüfbar. Wenn jetzt nicht etwas passiert, dann haben Sie wieder eine Chance verpasst mit Auswirkungen auf Jahre, und die Eltern sind die Leidtragenden. Das wollen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf keinen Fall. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.19

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte, Frau Bundesrätin.