20.05
Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir gedacht, dass wir uns bei den Themen Kinder, Kinderbetreuung, Kindeswohl doch fraktionsübergreifend einig wären. Bei dem, was ich hier jetzt aber alles gehört habe, vor allen Dingen dabei, wie Frau Schumann hier ausgezuckt ist, denke ich mir, dass sich die Geister da doch ganz gewaltig scheiden. (Bundesrätin Schumann: Das glaub’ ich! Gott sei Dank!) Das Wohl des Kindes, der Kleinen, steht bei manchen vom linken Flügel da wohl nicht im Vordergrund.
Während SPÖ und Grüne eine ideologiebedingte Politik der externen Kinderbetreuung fordern und fördern, dreht und windet sich die ÖVP ein bisschen zwischen traditioneller Familienpolitik (Bundesrätin Schumann: Und ihr fordert die Herdprämie!) und dem Wunsch, doch lieber ein bisschen Koalitionsfrieden zu haben, und unterstützt somit die institutionelle Kinderbetreuung.
Kollegin Eder-Gitschthaler hat den Gratiskindergarten in Salzburg angesprochen, und es ist tatsächlich so, dass wir diesen ab 1. April in Salzburg haben (Bundesrätin Gruber-Pruner: Halbtags!), halbtags. Es war ein einstimmiger Beschluss, aber bei der Frage, wer der Erfinder dieses Gratiskindergartens für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr war, war es grotesk. Plötzlich hat sich nämlich der Herr Landeshauptmann zum Erfinder des Gratiskindergartens ausgesprochen, obwohl ja eigentlich eine andere Fraktion, nämlich die NEOS, für dieses Ressort verantwortlich ist und nicht die ÖVP; und es war auch schon lange eine Forderung der Sozialdemokraten. Diese Sitzung war also recht grotesk, als es darum ging, wer jetzt tatsächlich der Erfinder des Gratiskindergartens für Kinder bis sechs Jahre ist.
Für mich ist die Conclusio: Für Landeshauptmann Haslauer ist das nur Wahlkampfgeplänkel, weil er sich nicht mehr anders zu helfen weiß und jetzt also doch dem Druck nachgibt und sich einen Gratiskindergarten auf die Fahnen heften möchte. Es war aber nicht seine Idee, und wenn die Schwarzen wirklich so zu den Kindern stehen, dann hätten sie in den letzten Jahren ein bisschen anders agieren müssen. (Beifall bei der FPÖ.)
Wie gesagt, wir Freiheitlichen in Salzburg haben dem Gratiskindergarten bis zum sechsten Lebensjahr aber zugestimmt. Vor allem jetzt, in Zeiten von extremen Preissteigerungen, in denen die Menschen ja wirklich nicht mehr ein und aus wissen und nicht wissen, wie sie über die Runden kommen, ist dieser Schritt doch zu begrüßen.
Wenn man sich die Stadt Salzburg anschaut, sieht man nämlich, dass das nicht gerade ein billiges Pflaster ist: Da kostet ein Kindergartenplatz ein Vielfaches von dem, was man in einer Landgemeinde dafür zahlt, und da ist man dann schon einmal locker bei 400 Euro – und jeder, der arbeitet, weiß: Um 400 Euro für einen Kindergartenplatz übrig zu haben, muss man viele, viele Stunden arbeiten gehen. Darum war das zu begrüßen.
Und weil von den Roten, also von den Sozialisten, dieser Angriff kam: Schuld an diesen eklatanten Preisunterschieden zwischen den Ballungszentren und den Landgemeinden sind zum Großteil schon die Sozialisten, das muss ich schon sagen, denn die haben die soziale Schieflage in vielen Landeshauptstädten zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Was? Was? Also bitte!)
Ich erinnere da nur an die ganzen Wiener Skandale. (Bundesrätin Schumann: Genau! Und wenn es morgen regnet, sind wir auch schuld! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist Sozimanier, dort wurden nämlich sozialistische Systeme – soziale sozialistische Systeme – ausgelagert, und das wird jetzt von SPÖ-nahen Vereinen getragen. (Bundesrätin Gruber-Pruner: Also komm, Marlies!) Das heißt, das trägt sowieso wieder eine sozialistische Handschrift. Und wir wissen ja, dass dort, wo die Roten regieren, das Geld ausgeht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Genau, die sozialistische Weltverschwörung!)
Wo die Freiheitlichen von allen anderen Parteien jedoch Welten trennen, ist bei der Kinderbetreuung von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr. SPÖ, Grüne, NEOS und leider Gottes auch die ÖVP (Bundesrätin Schumann: Ja, unser Lieblingskoalitionspartner ...!) befürworten die Fremdbetreuung dieser Kinder, unserer Kleinsten. Manche Forderungen erinnern mich ja sogar an Kindsweglegung.
Ich meine, ich höre immer: Elementarpädagogik. – Ich bin die Erste, die sagt, man muss unseren Kindern gute Bildung mitgeben. Bildung ist das Wichtigste, das man einem jungen Menschen mitgeben kann. Aber, bitte gar schön: Kinder von null bis drei Jahren sind, wenn sie als so Kleine in Betreuung kommen, Wickelkinder. Was braucht man denn bei einem Kleinstkind bitte großartig an Schulung, an Pädagogik? (Rufe bei der SPÖ: Na! Oh! Oje!) Das braucht Wärme, das braucht Nestwärme. (Beifall bei der FPÖ.)
Sie bemühen ja mit jedem Satz und mit jedem Wort die Wahlfreiheit, jedoch meinen Sie da lediglich den Ausbau von staatlicher institutioneller Kindererziehung. (Bundesrätin Hahn: Alles gut! Passt schon!) Für die unter Dreijährigen schwebt uns als einziger Partei ein ganz anderes Konzept vor, und darum lehnen wir auch die Halbierung der Beiträge oder gar die Abschaffung der Beiträge für Krabbelgruppen ab – dem erteilen wir eine klare politische Absage.
Abgesehen davon, dass ohnehin immer gejammert wird, dass weder Personal noch Infrastruktur vorhanden ist, frage ich mich schon (Bundesrätin Schumann: Das muss man ihnen vorspielen, die wählen euch in hundert Jahren nimmer!), warum uns Eltern die Fähigkeit, unseren eigenen Nachwuchs zu erziehen, abgesprochen wird. Das ist ja eine Farce, bitte, eine Farce! (Beifall bei der FPÖ.)
Wir als Eltern sind doch wohl Eltern genug, um unseren Nachwuchs selbst aufzuziehen. Passt auf, es wird uns auf den Kopf fallen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wird uns auf den Kopf fallen. (Bundesrätin Hahn: Habt ihr schon einmal etwas vom sozialen Lernen, miteinander und voneinander, gehört?) Es wird uns auf den Kopf fallen. In traditionellen Familien kümmern sich die Eltern um die Jungen. (Bundesrätin Hahn: Wie wär’s mit einem Kochrezept, das ...?) Wenn dann die Eltern noch älter geworden sind, kümmern sich die Jungen um die Älteren. So sollte es sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Wir jammern, wir haben keine Seniorenbetreuungsplätze, wir haben keine Kinderbetreuungsplätze. – Ja, ihr bei den Sozialisten, wundert euch doch nicht! Wundert euch doch nicht, wenn ihr die Kinder abschiebt, wenn ihr, wenn ihr einmal alt seid, selber nicht gepflegt werdet oder keine Unterstützung habt, wenn keiner mehr zu euch kommt! Das ist es. (Beifall bei der FPÖ.)
Wir – wir haben es ja heute schon gehört – unterstützen das Berndorfer Modell: Mütter und Väter, die ihre unter Dreijährigen selbst betreuen wollen, müssen finanziell auch wertgeschätzt und unterstützt werden. Wir wollen Eltern damit mehr Zeit mit den Kindern geben und mit diesem finanziellen Zuschuss einfach auch ihre Existenzängste lindern. Die gemeinsame Zeit mit den Kindern – jeder hier im Saal, der Kinder hat, ich weiß nicht, wer aller, wird das sicherlich genossen haben – ist einfach die schönste Zeit.
Wenn sich die Eltern für eine externe, institutionelle Betreuung entscheiden – das ist ja jedem freigestellt –, kostet es die Kommunen oder die öffentliche Hand pro Betreuungsplatz bis zu 1 100 Euro pro Kind. Damit sich die Eltern die familieninterne Kleinkinderbetreuung zu Hause leisten können, erhalten sie nichts – null, nada –, keine Unterstützung von der öffentlichen Hand. Bei einer Drittelteilung – Bund, Land und Gemeinden – in der Höhe von jeweils 150 Euro plus dem Kinderbetreuungsgeld kommen wir auf weniger Kosten für die öffentliche Hand, aber auf eine höhere Unterstützung für die Familien.
Darum – es wurde ja schon von den Sozialisten vorab angekündigt – bringe ich den Antrag zum Berndorfer Modell ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zusammen mit den Ländern, auf Grundlage des sogenannten ‚Berndorfer Modells‘ ein Förderkonzept zu erarbeiten und umgehend umzusetzen, welches die finanzielle Unterstützung von Eltern, die keine institutionelle Kinderbetreuung in Anspruch nehmen, vorsieht.“
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Ich hoffe doch auf breite Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: An den Herd zurück!)
Ich habe es aber ja vorhin schon gehört, ich habe es gespürt: Dieser Beißreflex der Sozialisten und dieses Schnappatmen der Linken war ja echt spannend zu sehen. (Bundesrätin Schumann: Frauen entrechten und zurück an den Herd! Danke, FPÖ!) Der Vorwurf, uns Freiheitliche würden Kinder nicht interessieren: ja, mitnichten! – Auch der Vorwurf, das sei eine Herdprämie: mitnichten! (Bundesrätin Schumann: Eine Herdprämie, genau!)
Erstens steht das Berndorfer Modell nicht nur Müttern offen, sondern auch Vätern. Zweitens ist es entscheidend, eine echte Wahlfreiheit zu ermöglichen, ob ich sofort nach der Geburt wieder arbeiten gehen will oder die ersten drei Lebensjahre mein Kind betreue, frei nach dem Motto: Das eine tun, das andere aber nicht lassen. – Wir vertreten halt mit unserer Meinung eine schweigende Mehrheit der Eltern, die gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchte. (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist kein Rückschritt, das ist Realität, denn laut einer aktuellen Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung bleiben 79 Prozent der nicht berufstätigen Mütter nicht deswegen bei ihren unter dreijährigen Kindern zu Hause, weil sie irgendwo hineingedrängt werden, sondern weil sie das freiwillig so wollen. 79 Prozent der Eltern oder Mütter der unter Dreijährigen wollen zu Hause bleiben. (Bundesrätin Schumann: Eltern oder Mütter, was jetzt?) Andere Faktoren spielen da kaum eine Rolle, jedoch fordern Grüne, NEOS, die Roten und leider auch die ÖVP aus ideologischen Gründen: Vom Kreißsaal an die Arbeit!
Argumentiert wird das in typisch wirtschaftsliberaler und sozialistisch-kommunistischer Manier mit dem von der EU vorgeschriebenen Barcelonaziel von 33 Prozent familienexterner institutioneller Betreuung. (Bundesrätin Schumann: Was? Ihr wollt, dass wir Frauen verarmen und an den Herd ...!) Da muss man aber Folgendes wissen: Der Erfinder des Berndorfer Modells – er ist übrigens ein ÖVP-Bürgermeister, allerdings mittlerweile außer Dienst; ihr könnt ihn euch gerne einladen, er hält wunderbare Vorträge – beschreibt das passend damit, dass die Familien durch die institutionelle Kinderbetreuung einfach auf dem Altar der Wirtschaft geopfert werden. Das ist keine Familienpolitik, die ihr betreibt, das ist keine. (Beifall bei der FPÖ.)
Seid doch ehrlich! Für euch alle, die ihr da sitzt, glückt Erziehung doch nur dann, wenn man als Frau funktioniert und brav arbeiten geht. Ich bin echt enttäuscht von der ÖVP. Ihr wart einmal eine Familienpartei, aber ihr seid der Ansicht, dass man finanziell etwas nicht abgelten kann, wenn keine Leistung in Anspruch genommen wird. Ja, das klingt irgendwie ein bisschen grotesk. Das heißt, wenn Mütter also die staatliche Leistung nicht Anspruch nehmen – sprich institutionelle Kinderbetreuung; sie schicken die Kinder in den Kindergarten, damit die unter Dreijährigen da betreut werden –, haben sie keinen Anspruch, dass das irgendwie abgegolten wird.
Im Umkehrschluss heißt das, dass Kinder unter drei Jahren selbst zu betreuen keine Leistung ist. Das ist aber schon eine Verhöhnung. Das ist eine absolute Verhöhnung von Eltern, die sich entscheiden, ihre Kinder zu Hause selbst zu erziehen. Betreuungsleistung zählt bei euch nur dann, wenn sie bei fremden Kindern verrichtet wird, bei den eigenen Kindern ist sie wertlos.
Wir wollen aber Familien, in denen Kinder nicht abgeschoben werden, in denen Kinder das Wichtigste sind. Was wir nicht wollen, ist eine Politik, die den Eltern – ich betone: beiden Elternteilen – die Kinder wegnimmt. Was ihr da betreibt, das ist wirklich keine Familienpolitik, das ist knallharte Wirtschaftspolitik.
Den Vogel abgeschossen hat diese Woche aber – er war heute schon hier – Teilzeit-ÖVP-Minister Kocher, der wirklich, also allen Ernstes – das ganze Zurückrudern nützt ihm nichts, auch seine Erklärungen heute nützen nichts –, Teilzeitkräften gewisse Sozialleistungen streichen will. Auf der Strecke bleiben unsere Kleinsten, auf der Strecke bleiben die Familien. Es geht nicht darum, dem Kind ein Recht auf einen Betreuungsplatz zu geben, sondern dass wir den Kindern ein Recht auf ihre Eltern geben, ein Recht auf Liebe, ein Recht auf Zuneigung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Euer ideologischer Anspruch ist: Vom Kreißsaal sofort in die Betreuungseinrichtung, am besten 24 Stunden, sieben Tage die Woche! – Ich bin aber total baff und überrascht (Ruf bei der SPÖ: Wir sind überrascht!), weil mir kürzlich eine Kollegin – Sozialdemokratin! – gesagt hat, sie verstehe ja eigentlich unsere Forderungen, aber dieses Berndorfer Modell (Bundesrätin Schumann: Nein danke, zurück!) werde so viel und gerne in Anspruch genommen, dass sie dem dann doch nicht zustimmen könne. – Das finde ich bitter, wenn man wirklich mit Scheuklappen durch die Welt rennt und nicht an die Kinder denkt. Fragt einmal Kinder, wo sie sein möchten: Sie möchten bei den Eltern sein.
So, Herr Minister, Sie sind ja schon ganz zappelig, Sie möchten auf den Opernball in die teure Loge, 26 000 Euro, oder? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sollten Sie am Opernball landen, wünsche ich Ihnen einen schönen Ballabend. Schauen Sie, dass Sie das Berndorfer Modell unterstützen! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Polaschek.) – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
20.19
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Der von den Bundesräten Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Ich begrüße Staatssekretär Florian Tursky aus dem Finanzministerium bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. Ich erteile ihr dieses.