11.27
Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Lieber Präsident! Frau Minister! Liebe Kollegen! Ja, Frau Kollegin Hahn, wir stimmen Ihrem Antrag, Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates zu erheben, eh zu. Trotzdem aber, zu dem, was Sie gesagt haben: Also zuerst bin ich sehr erfreut, dass sich die SPÖ zu einer so konservativen, um nicht zu sagen reaktionären Partei entwickelt hat und im Jahr 2023 mit Vorlesungen aus dem Jahr 1703 und mit Verdiensten aus dem Jahr 1848 argumentiert. (Bundesrätin Schumann: Du hast es nicht begriffen! Das war die erste Zeitung!)
Ich muss sagen, so konservativ ist auch in unserer Partei kaum jemand, also gratuliere. (Beifall bei der FPÖ. – Die Bundesrätinnen Schumann und Grimling: Lernen Sie Geschichte!) – Frau Kollegin! Lernen Sie Geschichte: Besser nicht, denn Sie haben gesagt, das Jahr 1703 ist die Zeit von Karl VI. Das ist nicht einmal die Zeit seines Vorgängers Joseph I., sondern es ist noch die Zeit seines Vorvorgängers Leopold I. gewesen. (Bundesrätin Schumann: Nein, das ist Karl VI.!) – Ja, ja, Leopold I ist 1705 gestorben und 1703 ist die Zeitung erschienen.
Wir wollen aber da jetzt nicht beckmessern – ja, beckmessern ist das richtige Wort –, das machen wir sicher nicht, ich glaube, das ist nicht das wesentliche Thema. Kommen wir einmal zum Jahr 2023: Anders als Kollege Zauner es heute gesagt hat, sind die Gesamteinnahmen aus den Pflichteinschaltungen der „Wiener Zeitung“ nicht – Anführungszeichen – „nur“ – Anführungszeichen geschlossen – 20 Millionen Euro gewesen, sondern laut gestriger Auskunft der Vertreterin des Bundeskanzleramtes im Ausschuss waren es im Jahr 2021 28,9 Millionen Euro und im Jahr 2022 über 30 Millionen Euro.
Das heißt, der Abgang dieser Tageszeitung beträgt daher jedenfalls über 30 Millionen Euro, denn selbst bei 30 Millionen Euro durch Pflichtinserate hat die „Wiener Zeitung“ noch keine Gewinn gemacht, sondern musste weitere Bundeszuschüsse bekommen.
Jetzt zur Wichtigkeit der „Wiener Zeitung“ für den Medienmarkt, zur Wichtigkeit als Kulturerbe und so weiter: eine Zeitung, die 8 000 bis 8 500 – ich sage nicht verkaufte, sondern – in Verkehr gebrachte Exemplare hat, wovon 6 000 Abonnenten laut gestriger Auskunft der Vertreterin des Bundeskanzleramtes und auch heutiger Einräumungen ganz überwiegend öffentlichen Stellen, Bundes- und Landesstellen und dem öffentlichen Bereich zuzurechnende Stellen sind. Ich darf Ihnen aus Erfahrung sagen, es gibt auch einige Firmen, vor allem Aktiengesellschaften, die dieses Blatt aufgrund der Pflichtveröffentlichung noch abonniert haben.
Die tatsächliche Leserzahl, also die Verbreitung tendiert nicht gegen null, aber liegt im Bereich von wenigen Tausend.
Jetzt haben wir ein Problem: Tatsächlich ist die „Wiener Zeitung“ die älteste Zeitung, tatsächlich hat diese Marke einen Wert, und tatsächlich wäre es schön, die Zeitung zu erhalten, aber sicherlich nicht so, wie Sie meinen, nämlich als Tageszeitung, wobei die öffentliche Hand jetzt einmal die 30 Millionen Euro gibt. In Wirklichkeit sind es 34 Millionen Euro, so hoch waren die Kosten insgesamt, um diese Zeitung unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter zu publizieren. – Das kann es nicht sein!
Jetzt wundern Sie sich wahrscheinlich, warum wir Ihrem Antrag trotzdem zustimmen. (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.) Die Lösung, die Sie, liebe Regierungspartei, jetzt getroffen haben, ist nämlich fast noch schlechter. Das kostet nämlich auch 16,6 Millionen Euro, wie die Frau Ministerin heute eingeräumt hat, und das entspricht auch den diesbezüglichen Informationen. Da bleibt allerdings journalistisch überhaupt nichts mehr übrig. Da wird es jetzt wirklich nur noch eine wie auch immer zu beurteilende Onlinepublikation geben, und zwar unter den Fittichen des Bundeskanzleramtes und gewisser Akademien, die, würde ich sagen, merkwürdig sind im Sinne der Meinungsvielfalt, der Pressefreiheit und so weiter. Das Ganze ressortiert zum Bundeskanzleramt, dort werden die Journalisten ausgebildet und der Content gesammelt. Das ist also schon sehr, sehr merkwürdig.
Wenn man schon solche Scheinlösungen trifft, indem man sagt: Wir sperren die „Wiener Zeitung“ nicht zu, sondern wir lassen sie online modern weiterleben!, allerdings solche medienfreiheitstechnisch mehr als problematischen und auch extrem teuren Dinge vorschlägt, dann wundert es mich, warum es keine wirklichen Versuche gegeben hat, diese „Wiener Zeitung“ zu privatisieren oder jemanden zu finden, der dieses große Kulturgut erhält. Laut SPÖ ist es ein solches, und ich teile die Ansicht sogar teilweise, dass diese Zeitung zwar einen großen, bekannten Namen, aber halt keine Leser mehr hat und nicht mehr zeitgemäß ist.
Dazu, warum man dieses Kulturgut nicht wirklich zu verwerten und eine Fortsetzung zu schaffen versucht hat, hat die Vertreterin des Bundeskanzleramtes gestern mitgeteilt, dass ihr keine Bestrebungen oder Anstrengungen bekannt sind, die Zeitung anderweitig zu verwerten und Interessenten beziehungsweise Investoren und dergleichen zu finden.
Da also die geplante und in Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse voraussichtlich auch zustande kommende Lösung noch schlechter ist als die jetzige und nicht einmal versucht wurde, die „Wiener Zeitung“ in irgendeiner Weise an Interessenten zu verkaufen oder zu übergeben, werden wir in diesem Fall den Einspruch unterstützen und diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
11.32
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Andreas Babler. – Bitte, Herr Kollege.