12.54

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte heute mit dem anfangen, was Christoph Leitl vor zehn Jahren zum 310. Geburtstag der „Wiener Zeitung“ gesagt und auch geschrieben hat:

„Von der ältesten Zeitung der Welt zur ersten Zeitung Europas!

Die ‚Wiener Zeitung‘ feiert stolze 310 Jahre und ist nicht nur die älteste noch erscheinende Tageszeitung Österreichs, sondern der“ ganzen „Welt. Eine solche verdienstvolle Vergangenheit ist ein Anlass zum Feiern, sie bedeutet aber insbesondere auch eine große Verantwortung für die Zukunft – zumal in beweg­ten Zeiten, wie wir sie in der Wirtschaft wie in der Medienbranche derzeit erleben. Angesichts der schier unermesslichen Informationsflut bedarf es mehr denn je der fundierten Analyse, der objektiven Einordnung von Fakten und der Bereitstellung von Hintergründen und unterschiedlichen Meinungen.

Namens der österreichischen Wirtschaft gratuliere ich der ,Wiener Zeitung‘ zum 310. Geburtstag sehr herzlich und wünsche weiterhin viel Erfolg. Zudem er­laube ich mir angesichts dieses besonderen Jubiläums eine Vision für die Zukunft: Aus der ältesten Zeitung der Welt könnte die erste ‚europäische‘ Zeitung unseres Kontinents werden!“

Das hat Christoph Leitl vor zehn Jahren gesagt und es ist auch in manchen Medien niedergeschrieben. Und da muss man ganz ehrlich sagen: Dass man jetzt diese „Wiener Zeitung“ zu Grabe trägt, ist einfach eine Schande!

Ich habe mir auch noch ein paar Zitate rausgesucht, weil wir gesagt haben, wir suchen uns von überall ein paar Zitate raus, um Ihnen näherzubringen, was alles in der Zeitung gestanden ist. Ich gehe chronologisch vor, die von mir herausgesuchten Zitate betreffen das 74er-, das 77er- und das 84er-Jahr. Da­mals ist über den autofreien Tag, über Zwentendorf und über Hainburg berichtet worden.

„Tages-Pickerl nicht ‚für alle Ewigkeit‘ notwendig

Kaum eingeführt, zeichnet sich auch schon wieder das Ende des autolosen Tages ab. Handelsminister Dr. Staribacher erklärte am Montag vor Journalisten in Wien, daß der autolose Tag nur eingeführt werde, um für den Sommer Reserven von 200.000 t anzulegen. Sobald diese Reserven da sind, werde er, Stariba­cher, den autolosen Tag wieder abschaffen. Über den Zeitpunkt könne er sich freilich nicht festlegen. Heute wird der Ministerrat auch formell den ‚Ener­gienotstand‘ ausrufen, freilich handelt es sich keineswegs um einen wirklichen Notstand, sondern um die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen zur Abschaltung von Straßen- und Reklamebeleuchtungen.“

Dieser Text aus der „Wiener Zeitung“ stammt vom 15. Jänner 1974, sehr ge­ehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Am 28. Oktober 1977 stand Folgendes in der „Wiener Zeitung“ zu lesen:

„Atomangst plus Ho Tschi-minh

Der Nationalfeiertag ist heuer (1977) zu einem Tag der Proteste und Demonstrationen geworden. So fanden sich auf dem Wiener Ballhausplatz laut polizeilicher Schätzung rund 2500 Demonstranten ein, die gegen die Inbetriebnahme des Werkes Zwentendorf auftraten. Diese Kundgebung wurde jedoch in einigen ihrer Phasen von linksextremen Gruppen umfunktioniert. Man hörte Sprechchöre wie Ho-Ho-Ho-Tschi-minh und ähnliche Parolen, ferner wurden Transparente mitgeführt, auf denen zu lesen war: ‚Die parlamenta­rische Regierung ist ein Betrug.‘“

Am 8. Mai 1984 wurde berichtet:

„Aktivitäten gegen KW Hainburg

DDr. Günther Nenning, als Platz- und ‚Rothirsch‘ verkleidet, Wiens VP-Stadtrat Jörg Mauthe im Federgewand eines Schwarzstorches, Schriftsteller Peter Turrini als Rotbauchunke und VP-Nationalrat Othmar Karas als Kormoran“ (Hei­terkeit bei der SPÖ) „waren Montag Vormittag die drei prominentesten Ver­treter aus Politik, Kunst und Kultur, die bei einer ‚Pressekonferenz der Tiere‘ in farbenprächtigen Verkleidungen gegen das geplante Donaukraftwerk Hain­burg auftraten. Während der Pressekonferenz wurde ein Volksbegehren gegen das umstrittene Bauprojekt angekündigt, das unter der Patronanz von Nobelpreisträger Konrad Lorenz stehen wird.“

Historisch betrachtet, sehr geehrte Damen und Herren, sehen viele in diesem Protest gegen zuerst Zwentendorf und dann Hainburg die Geburtsstunde der Grünen. Damals hätte wahrscheinlich niemand gedacht, dass die Grünen 39 Jahre später mit zu den Totengräbern der „Wiener Zeitung“ gehören würden. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Zeitung also wollen Sie zerstören, dieser Tradition wollen Sie ein Ende bereiten. Im Nationalrat ist der Tag des Gesetzesbeschlusses über – man könnte auch sagen: gegen – die „Wiener Zeitung“ zu Recht „ein schwarzer Tag für den Qualitätsjournalismus“ und „ein schwarzer Tag für die Medienviel­falt“ genannt worden.

Lassen Sie mich jetzt noch ein Thema streifen, das heute auch nicht zu kurz kommen soll: Kampf gegen die Inflation. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube beziehungsweise glaube ich das nicht, sondern das wissen wir alle miteinander, dass die Bundesregierung viel zu wenig dagegen tut und dass die Bundesregierung etwas tun muss, weil die Menschen sich das Leben nicht mehr leisten können. Es gehört schon längst eine Mietpreisbremse, es gehört schon längst ein Energiepreisdeckel und es gehört schon längst ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel implementiert! Wenn Sie das nicht machen, werden Sie sehen, dass die Menschen das jetzt nicht mehr länger aushalten werden.

Deshalb lautet mein Appell: Bitte reden Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, reden Sie mit Ihrem Bundeskanzler, dass sie da endlich etwas tun! (Beifall bei der SPÖ.)

13.01

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Bundesrat.