9.44

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei Sicherheit zu entscheiden ist relativ einfach, bei Unsicherheit zu entscheiden birgt gewisse Risiken. Um unter Risiko entscheiden zu können, ist es wichtig, zumindest die Eintrittswahrscheinlichkeiten zu kennen. So gesehen ist die heutige Aktuelle Stunde, dank der wir uns mit Lieferkettenforschung auseinandersetzen, durchaus von Relevanz: für die Österreicherinnen und Österreicher, aber auch für die Steirerinnen und Steirer.

Liebe Kollegin Schartel, mich hat sehr betroffen gemacht, was du heute hier von dir gegeben hast: Zu sagen, dass das Thema Lieferketten keine Relevanz (Bundesrätin Doppler: Die Forschung der Lieferketten!) für den Wirtschaftsstandort - - (Bundesrätin Schartel: Es geht um die Forschung!) – Schau, die am lautesten dargebotene Meinung zeugt meistens nicht vom größten Durchblick, also hör mir wenigstens zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.) Hör mir wenigstens zu, damit die Steirerinnen und Steirer wissen, dass das schon von Relevanz für den Wirtschaftsstandort Steiermark – wir sind eine Länderkammer – ist!

Ich denke daran, dass wir den seinerzeitigen Automotivecluster zu einem Mobilitätscluster weiterentwickelt haben. Die Zulieferbetriebe und die Lieferketten, in Summe also die gesamten Wertschöpfungsketten, haben für mehr als 40 000 Beschäftigte in der Steiermark Relevanz – und das nicht nur im Automotivesektor, sondern auch in der Bahn- und Schienensystemtechnik und in der Luftfahrttechnik.

Kollege Schachner – weil ich ihn gerade sehe – weiß, dass wir in unserem Bundesland auch in anderen Clusterbereichen sehr viele Beschäftigte haben. Ich denke an den Green Tech Valley Cluster, da spielen der grüne Wandel und der Green Deal eine wichtige Rolle, damit sind auch zukünftige Arbeitsplätze verbunden. Auch da sieht man, dass die Lieferketten natürlich eine Rolle spielen.

Sie tun so, als ob die Halbleiterindustrie in Österreich – aber insbesondere in der Steiermark – keine Relevanz hätte: Ich denke an Leitbetriebe wie AT&S, wie Infineon – im Übrigen auch in unserem Nachbarbundesland Kärnten ein ganz wesentlicher Player – oder an Ams, NXP und viele weitere. Da sieht man, dass sie eine große Relevanz hat.

Die Beforschung der Lieferketten ist aus meiner Sicht ganz, ganz wichtig, und ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister für diese Initiative im Zusammenwirken mit dem Bundesland Oberösterreich. Das wird uns helfen, zu validen Daten zu kommen, und es wird uns in der Entscheidungsfindung helfen, um möglichst frühzeitig entscheiden zu können – nicht erst bei Unsicherheit. Wir werden dann zumindest unter der Einbeziehung von Risikobedingungen Eintrittswahrscheinlichkeiten evaluieren können, um damit zu einer möglichst zielgerechten Entscheidung zu kommen.

Die Fragilität unserer Lieferketten hat nicht nur für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze eine Signifikanz, sondern sie hat auch Auswirkungen auf uns als Konsumenten, etwa in Bezug auf die Lebensmittelversorgung. Auch das ist ein wesentliches Thema: Unsere heimische Landwirtschaft kann nicht alles für uns erledigen. Wir alle sind hin und wieder auch Patienten: Die Lieferketten im Pharmabereich spielen auch eine große Rolle. Wer aktuell in die Apotheke geht und nach bestimmten Medikamenten fragt, wird wissen, dass manches nicht verfügbar ist. Das hat viele Gründe, hängt aber auch damit zusammen, dass wir bei den Lieferketten auf europäischer Ebene im Hinblick auf eine globalisierte Wirtschaft möglicherweise manches zu kurz gedacht haben.

Es wurde angesprochen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass auch Europa sich mit Lieferketten auseinandersetzt. Es ist eine eigene Direktive – also eine Richtlinie – in Diskussion, die sich Corporate Sustainability Due Diligence nennt. Auf europäischer Ebene gibt es diesbezüglich heftige Diskussionen. Ich werbe sehr dafür, dass wir ernst nehmen, was wir uns gemeinsam vorgenommen haben: den Wirtschaftsstandort Europa resilienter zu machen und eine Reindustrialisierung Europas vorzunehmen.

Wenn wir das wollen, spielen dabei auch die kleinen und mittelständischen Unternehmungen eine ganz große Rolle. Wenn wir die Sorgfaltspflichten in der Corporate-Sustainability-Due-Diligence-Direktive so intensivieren, dass sie überschießend sind und nicht gehandhabt werden können, dann werden wir unseren klein- und mittelständischen Unternehmungen keinen Dienst tun.

Ich möchte noch etwas Zweites sagen, was diese Richtlinie betrifft: Ja, Lieferketten sind wichtig. Der erweiterte Begriff der Wertschöpfungskette beinhaltet die vorgelagerten Bereiche und die nachgelagerten Bereiche. Wenn wir unseren Unternehmungen Sorgfaltspflichten auferlegen wollen, vor allem auch im Bereich der nachgelagerten Bereiche wie Verkauf, Vertrieb, Transport, Lagerung und auch Abfallentsorgung, werden wir insbesondere die klein- und mittelständische Wirtschaft und die kleinere Industrie überfordern.

Das wird überschießend sein und jene negativen Effekte nach sich ziehen, die wir alle nicht wollen, nämlich dass diese Sektoren aus Europa abwandern und wir damit Arbeitsplätze und somit Wohlstand verlieren. Das kann nicht Sinn und Zweck einer solchen Richtlinie sein. (Beifall bei der ÖVP.)

9.50

Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Andrea Michaela Schartel zu Wort gemeldet. – Frau Bundesrätin, bitte sehr.