10.03

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher! Im Grunde genommen war ich in der Früh eh sehr gespannt, wie die Debatte zu diesem Thema sein wird, weil ja grundsätzlich die Lieferkettenproblematik und die Diskussionen, die wir diesbezüglich auf der politischen Ebene geführt haben, uns alle betreffen und eigentlich auch alle Parteien da immer recht konstruktiv zusammengearbeitet haben, muss ich sagen.

Aus irgendeinem Grund scheint allerdings immer dann, wenn das Wort Wissenschaft auf einem Institut steht, eine Fraktion gleich ein bisserl allergisch zu werden. Ich glaube aber, dass sich das Supply Chain Intelligence Institute Austria, egal wer in Zukunft in Österreich regieren wird – weil gerade ein bisserl Bewegung in der Innenpolitik ist, das sehen wir ja auch jeden Tag (Bundesrätin Schumann: Aber!) –, in Zukunft lohnen wird, das ist eine Investition, die sich auf jeden Fall lohnen wird, auch für die Zukunft, auch für andere Regierungen, denn wirklich Daten zu erfassen, um zu wissen: Wo gibt es die nächsten Engpässe?, Welche Produkte fehlen uns?, Welche Rohstoffe werden knapp?, Wo gibt es einen Krieg, der uns in Bezug auf Lieferketten beeinflussen könnte?, also das vorab zu wissen und wissenschaftlich zu erforschen, das ist ja eine irrsinnig kluge Idee. Deswegen kann ich auch nicht ganz verstehen, warum man da sagt, dass man das nicht haben möchte. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Die europäischen Grünen haben ja nicht nur ganz klar für das europäische Lieferkettengesetz gestimmt, sondern sie haben es auch maßgeblich verhandelt – das war ja auch eine ganz starke Handschrift der europäischen Grünen –, und deswegen möchte ich hier schon auch sagen, wie wichtig es ist, dass wir europaweite Standards für Menschenrechte und für die Umwelt festlegen, wenn es um die Lieferketten geht.

Die Lieferketten von Produkten auf dem europäischen Markt, und nicht nur auf diesem, sondern auch auf dem globalen Markt, sind, wie wir wissen, wahnsinnig komplex. Sie laufen über eine Vielzahl von Regionen, Ländern, Firmen, Tochterfirmen, Branchen und so weiter. Von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen entlang dieser Lieferketten hören wir immer wieder. Da stehen auch manchmal österreichische Betriebe, europäische Betriebe in der Kritik. Wir denken – Kollegin Schumann hat es schon gesagt – an die Textilfabrik in Bangladesch, wir können aber auch an die Platinminen in Südafrika denken. Bisher sind die Lieferketten solcher Produkte intransparent, und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten waren bis jetzt in der EU noch nicht verbindlich. Und da jetzt eine Verbindlichkeit zu schaffen ist auch deswegen so wichtig – man darf das, glaube ich, nie vergessen, man muss das immer wieder betonen; manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Leute das vergessen –, weil der europäische Binnenmarkt der größte Binnenmarkt der Welt ist. Und wenn der europäische Binnenmarkt Regeln aufstellt, hat das absolut globale Auswirkungen.

Ich darf ein Beispiel nennen, auch wenn es gerne gescholten wird: die Datenschutz-Grundverordnung. Die Datenschutz-Grundverordnung hat nicht nur dazu geführt, dass wir Standards in Europa – in Österreich auch –, in der Europäischen Union haben, sondern der Markt ist so wichtig, dass die Produkte an diese Datenschutz-Grundverordnung angepasst werden, was dann globale Auswirkungen hat, weil das global wirkt.

Ich denke, dass dieses Lieferkettengesetz eine ähnliche Bedeutung haben wird, wenn nicht sogar eine viel größere. Das Lieferkettengesetz wird für viele, viele Branchen relevant werden, eine möchte ich herausgreifen: Der Abbau von Rohstoffen wie Kobalt ist oft mit Umweltzerstörung verbunden, mit Menschenrechtsverletzungen verbunden. NGOs und Wissenschaftler:innen sagen uns das ja schon lange immer wieder und warnen vor den Zuständigen, zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo. Aber nicht nur für Kobalt, sondern auch für Rohstoffe wie Aluminium, wie Stahl, Kupfer gibt es sehr wenig Transparenz über ihre Herkunft.

Kleine Nebenbemerkung: Frau Kollegin Doppler – jetzt habe ich kurz nachdenken müssen, Frau Kollegin Doppler, wie Ihr Name jetzt lautet –, wie Österreich bei diesen Produkten autark sein möchte, das müssen Sie mir einmal erklären.

Die Richtlinie bezieht sich auf die gesamte Wertschöpfungskette. (Bundesrat Steiner: ... für Lebensmittel!) Anders als die Lieferkette beinhaltet diese alle vor- und nachgelagerten Akteure, die von der Herstellung bis zum Verkauf eines Produkts notwendig sind.

Es ist mir schon auch wichtig zu betonen, weil da auch von Unternehmensverbänden immer wieder auch ein bisschen missverständliche Informationen gebracht werden: Unternehmen sind nur bei fahrlässigen Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht haftbar. Sie sind es nicht bei jeglichem Auftreten. – Ich finde, es ist wichtig, das zu sagen, weil diesbezüglich tatsächlich Falsches gesagt wird.

Auch die umweltbezogenen Sorgfaltspflichten möchte das Europäische Parlament mit diesem Gesetz stärken. Unternehmen müssen sicherstellen, dass es in ihren Lieferketten keine Umweltverbrechen gibt. Da werden Verpflichtungen für Unternehmen aus verschiedenen internationalen Abkommen abgeleitet, unter anderem übrigens auch vom Pariser Klimaabkommen, denn die Klimakrise ist jetzt schon ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und bedroht Natur und Menschen.

Ich war in der Tourismusschule Bad Ischl, und in den Achtzigerjahren hat mein Marketingprofessor, dem ich für diesen einen Satz ewig dankbar sein werde, richtigerweise immer gesagt: Ökologie ist Langzeitökonomie.

Die Zerstörung von Ressourcen wird die Wirtschaft mehr vernichten, als ihr manchmal bewusst sein will, was manche Branchen betrifft auf jeden Fall. Die meisten Unternehmen haben aber längst begriffen, dass da nachjustiert werden muss. Und wenn man die Betriebe besucht, dann sagen sie einem auch, dass sie ganz klare Regelungen brauchen.

Wir sind der größte Binnenmarkt in der Welt. Nützen wir diese Chance! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.09

Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.