10.35

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Wir verhandeln jetzt TOP 3, den Beschluss des Nationalrates vom 25. Mai, wie wir gerade gehört haben. Die vorliegende Sammelgesetznovelle BAG und GuKG schafft die rechtliche Grundlage für die Einführung von Lehrberufen in den Pflegeassistenzberufen: eine dreijährige Ausbildung zur Pflegeassistenz und eine vierjährige Ausbildung zur Pflegefachassistenz.

Wir lehnen die Ausbildung zu den Pflegeassistenzberufen als Lehrberuf ab, weil es ausreichende Alternativen gibt. Ein weiteres Ausbildungsmodell für Pflegeassistenzberufe ist nicht sinnvoll, da die bestehenden Strukturen schon ausreichende Alternativen vorsehen. Es gibt bereits jetzt für die Zielgruppe Pflege ab 14 die Möglichkeit, nach Abschluss der allgemeinen Schulpflicht Fachschulen mit Schwerpunkt Gesundheit oder Soziales zu besuchen, um die Zeit bis zur klassischen Pflegeassistenz- oder Pflegefachassistenzausbildung zu überbrücken, wobei die erworbenen Kenntnisse auf eine weitere Ausbildung angerechnet werden.

Der zweite Punkt: Es gibt keine Durchlässigkeit. Bei der vorliegenden Pflegelehre sind keine Modalitäten der Durchlässigkeit und der Anrechnung vorgesehen (Bundesrat Kornhäusl: Das stimmt nicht! Das ist nicht wahr!), um einen Umstieg zwischen dieser Ausbildungsform zu ermöglichen. Das heißt, wer die Ausbildung zur Pflegefachassistenz nicht schafft, kann nicht auf Pflegeassistenz umsteigen. Das Ziel muss aber eindeutig sein, Ausbildungsabbrüche zu verhindern.

Immer wieder wird das Schweizer Modell als Vorbild genannt, immer wieder wird diese Pflegeausbildung der Schweiz als Vorbild herangezogen: Dieses seit 2004 bestehende Ausbildungsmodell unterscheidet zwischen einer dreijährigen Lehre zur:zum Fachfrau:Fachmann Gesundheit und einer zweijährigen Alternative der Ausbildung zum Assistenten Gesundheit und Soziales. Dabei können die Jugendlichen bereits im Alter von 15 Jahren mit der Ausbildung starten. Andere Startwege in der Pflege sind im Unterschied zu Österreich nicht möglich. Ihr Abschluss ermöglicht einen verkürzten Zugang zur Diplomausbildung. Diesem Modell wird eine hohe Drop-out-Rate zugeschrieben, so soll drei Jahre nach dem Lehrabschluss nur noch ein Drittel der Ausgebildeten in diesem Beruf auch tätig sein.

Zum Punkt billige Arbeitskräfte: Der Mehrwert der vorgeschlagenen Lehrberufe ist nicht ersichtlich, dauern diese noch jeweils zwei Jahre länger als die klassischen Ausbildungen: zwei Jahre bei der Pflegeassistenz und zwei Jahre bei der -fachassistenz. Die Vermutung liegt nahe, dass junge Menschen als billige Arbeitskräfte über einen längeren Zeitraum ins System gebracht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein wesentlicher Punkt ist auch die Ökonomisierung der Pflege. Problematisch bei der Schaffung der Pflegelehrausbildung ist auch, dass Lehrberufe in der Regel von Vertretungsorganen der Wirtschaft strukturiert und organisiert werden, und gerade in Zeiten einer zunehmenden Ökonomisierung der Gesundheits- und Pflegeversorgung ist das ein falsches Signal. Diese unbedingt zu kritisierende Ökonomisierung kommt beispielsweise darin zum Ausdruck, dass nur zwei Mitglieder der Prüfungskommission für die Lehrabschlussprüfungen über eine entsprechende pflegerische Expertise verfügen müssen. Diese Nichtberücksichtigung beziehungsweise Außerachtlassung der notwendigen Fachexpertise in der Prüfungskommission steht im Widerspruch zu den hohen Anforderungen an das Berufsbild.

Zum Standard in den Berufsschulen: Wenn Berufsschulen Pflegeassistenzausbildungen anbieten, müssen sie ganz klar auch die Standards der Gesundheits- und Krankenpflegeschulen erfüllen. Das ist auch nicht erkennbar. Im vorliegenden Entwurf findet sich kein Lehrplan der Berufsschulen. Dies müsste jedoch genau geprüft werden, insbesondere ist zu prüfen, ob alle Inhalte erfüllt werden.

Personalmangel für die Ausbildung: Mit der Einführung der Lehrberufe für die Assistenzberufe kann eine qualitativ hochwertige Betreuung von Lehrlingen im laufenden Betrieb in mehrfacher Hinsicht nicht sichergestellt werden. Es ist nicht möglich, eine zusätzliche Gruppe an Auszubildenden im Akutbereich praktisch anzuleiten, durch den Ausbau an Ausbildungsplätzen und der Kooperation im Rahmen der HBLA-Schulen sind die Praktikumskapazitäten erschöpft. Die Qualität der praktischen Anleitung ist sehr wichtig, und daher kann die Zahl der Praktikant:innen in den einzelnen Bereichen nicht einfach erhöht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme zum Personalaufwand: Der Personalaufwand im Rahmen der Anleitung von Auszubildenden ist sehr groß und wird neben der Patientenversorgung hauptsächlich durch den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege durchgeführt. Es ist den Mitarbeiter:innen in den bestehenden Strukturen nicht zumutbar, eine weitere Gruppe Auszubildender mit unterschiedlichen Anforderungen anzuleiten. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist von vornherein alles schlecht, oder!?)

Ein zentrales Element jeder erfolgreichen Lehre ist ein geeigneter Ausbildner mit facheinschlägiger Ausbildung. Neben der fachlichen Qualifikation erfordert die Tätigkeit als Lehrausbildner auch eine pädagogische Expertise. Aufgrund des generellen Personalmangels stehen im Pflegebereich nicht die notwendigen Ressourcen zur Verfügung, um Personal entsprechend den Anforderungen an Lehrlingsausbildner:innen auch qualifizieren zu können.

Weiters zur besonderen Fürsorgepflicht: Der Lehrbetrieb hat allen Lehrlingen gegenüber einer besonderen Fürsorgepflicht nachzukommen. Lehrlinge fallen unter anderem aufgrund ihres Alters unter die besonders schutzwürdigen Berufsgruppen. Die erhöhte Fürsorgepflicht steht aber im Widerspruch zu diversen Gefahrensituationen, in die ein Lehrling – vorrangig Minderjährige – durch die praktische Ausübung von Tätigkeiten in der Pflege unverschuldet gelangen kann.

Lehrlinge unterliegen darüber hinaus, solange sie minderjährig sind, einer strengen Arbeitszeitregelung. Auch da kann die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeitregelung zum Beispiel beim Einsatz in der mobilen Hauskrankenpflege nicht garantiert werden.

Dann: fehlende Ausbildungsvorschriften. Ein weiterer Faktor sind das sehr vage gehaltene Berufsbild beziehungsweise die fehlenden Ausbildungsvorschriften. Es ist nicht erkennbar, welche Kompetenzbereiche zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Lehrlingsausbildung absolviert sein müssen und wie sich das mit Beschränkungen hinsichtlich Minderjährigkeit oder Arbeitszeitregelung vereinbaren lässt.

Ich darf aber seitens unserer Fraktion noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Günter Kovacs, Kolleginnen und Kollegen betreffend „endlich wirksame Maßnahmen gegen den Pflegepersonalmangel setzen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, umgehend Maßnahmen zur Verbesserung der Personalsituation im Pflegebereich zu ergreifen. Insbesondere muss eine echte Ausbildungsreform angegangen werden, indem die Ausbildung zu einem Pflegeberuf, ähnlich anderen Ausbildungen (z. B. Polizei), durch echte Entlohnung attraktiviert und eine Arbeitsplatzgarantie nach der Ausbildung geschaffen wird. Die Ausbildungsplätze müssen aufgestockt und kostenfrei gestellt werden. Zusätzlich müssen weitere finanzielle Mittel für höhere Entlohnung und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal zur Verfügung gestellt werden.“

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Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.42

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kornhäusl. – Bitte, Herr Kollege.