12.54

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:innen hier, zu Hause oder via Livestream! Sie werden sich denken, jetzt kommt wieder die Daniela Gruber-Pruner und redet über Kinderarmut (Bundesrat Kornhäusl: Das würden wir nie!), aber ich kann Ihnen versichern, ich würde mich auch gerne einem anderen Thema widmen.

Tatsache ist, Kinderarmut ist im Steigen begriffen. Das ist eine traurige Tatsache. Wir wissen, dass jedes fünfte Kind in Österreich von Kinderarmut betroffen ist. Das sind fünf Kinder pro Schulklasse oder fünf Kinder pro Kindergartengruppe. Das ist schon eine bedeutende Anzahl, die man nicht ignorieren kann.

Kollege Gross, du hast vorhin gemeint, wir müssen zur Kenntnis nehmen, was die Regierung alles an Maßnahmen setzt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Ja, das tun wir, aber man muss auch zur Kenntnis nehmen: Armut existiert und Kinderarmut existiert (Beifall bei der SPÖ), und solange das der Fall ist, werden wir Sozialdemokrat:innen uns an die Seite dieser Menschen, dieser Kinder stellen (Bundesrat Schennach: Jawohl!), müssen wir auf dieses Thema aufmerksam machen. (Bundesrat Schennach: So ist es!) Das liegt in unserer DNA und daher habe ich mich heute dazu zu Wort gemeldet.

Wir haben vor einer Woche – ich glaube, es war vor einer Woche – mit viel Aufmerksamkeit und auch ein bisschen Vorfreude die Sondersitzung im Nationalrat mitverfolgt, für die ein Paket gegen die Kinderarmut angekündigt wurde und in der es auch vorgelegt wurde. Wir waren wirklich neugierig und hatten gehofft, dass da ein großer Wurf kommt, aber leider wurden wir enttäuscht.

Es wurde ein erstes Maßnahmenpaket vorgestellt, das wiederum, erneut mit Sonderzahlungen arbeitet, die zeitlich begrenzt sind, und das wiederum keine nachhaltige strukturelle Lösung für Familien, die von Armut betroffen sind, bedeutet.

Wir wissen, dass man sich mit Einmalzahlungen nicht dauerhaft auf ein anderes Leben vorbereiten kann, weil diese Einmalzahlungen irgendwann wieder auslaufen werden, und es handelt sich um Zuwendungen von sage und schreibe 2 Euro pro Tag. Ihr alle wisst, Sie alle, meine Damen und Herren, wissen, was man sich um 2 Euro pro Tag in Zeiten der Teuerung wirklich kaufen kann, wirklich leisten kann. Das sind keine nachhaltigen Veränderungen, die sich für die Kinder positiv auswirken werden.

Bei der Frage, wer denn diese Sonderzahlungen überhaupt bekommen wird, wurde bei der Nationalratssitzung tatsächlich auch nur eine Bezieher:innengruppe genannt. Zum Glück, muss ich sagen – und wir anerkennen das –, wurde das dann gestern im Familienausschuss ausgeweitet, und tatsächlich sind jetzt mehrere Bezugsgruppen genannt, nämlich Bezieher:innen von Mindestsicherung und Sozialhilfe, auch die Bezieher:innen von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Mindestpensionist:innen, Alleinerzieher:innen, Alleinverdiener:innen. Ich möchte also positiv anmerken, dass das gestern dann noch ausgeglichen und repariert wurde.

Allerdings gibt es auch da einen Wermutstropfen: Das Schulstartgeld, das auch in diesem Paket beinhaltet ist, gilt wiederum nicht für alle Bezieher:innengruppen. Mir fehlt das Verständnis dafür, dass man nicht für alle Bezugsgruppen beides, diese Einmalzahlungen und dieses Schulstartgeld, aufmachen konnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir natürlich weiterhin zu Recht kritisieren werden, weil es ganz unmittelbar im Zusammenhang mit der Kinderarmut steht, ist, dass vonseiten der Regierung kaum Maßnahmen gesetzt werden, die aktiv eingreifen, um Preise zu senken. Wir haben derzeit eine Inflation, die bei 8,8 Prozent liegt. Irgendwann wird diese Inflation hoffentlich sinken, aber wir gehen davon aus, dass die Preise in dieser Höhe bestehen bleiben, und dementsprechend muss eingegriffen werden, damit es zu einem Sinken der Preise kommt.

Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wären gute Partner, wenn es darum geht, gute Lebensbedingungen für alle Kinder zu schaffen. (Bundesrat Schennach: Richtig!) Wir arbeiten da mit Expert:innen wie beispielsweise der Volkshilfe zusammen, die dazu forscht, die weiß, wie sich Kinderarmut in Familien auswirkt, aber auch, wie es sich auswirkt, wenn man diese Armut dauerhaft aus Familien herausnimmt (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), was es nämlich bei den Eltern selber, aber auch bei den Kindern bewirkt, wie Stress reduziert wird und wie Kindern damit Türen geöffnet werden.

Wir als Sozialdemokratie haben auch ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das darauf abzielt, die Kinderarmut dauerhaft zu bekämpfen. Da geht es einerseits darum, endlich die Unterhaltsgarantie einzuführen und damit Einelternhaushalte abzusichern. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht in einem zweiten Punkt darum, endlich eine Kindergrundsicherung einzuführen, ein nachhaltiges Modell zur Armutsbekämpfung, weg von Einmalzahlungen hin zu Maßnahmen, die tatsächlich dauerhaft das Familiensystem entspannen und Perspektiven eröffnen; und es geht um einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz ab dem ersten Lebensjahr, weil wir wissen, dass elementare Bildung, wenn sie gut gemacht ist, wenn sie qualitativ hochwertig ist, ein Armutsbekämpfungsinstrument sein kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern eine vierte Maßnahme, wir fordern ein warmes Mittagessen für jedes Kind in Österreich, wie es in Finnland seit, glaube ich, mittlerweile 15 Jahren gang und gäbe ist und wie es nun auch das Bundesland Wien durchzuführen beschlossen hat.

Außerdem hat Wien heute im Bildungsausschuss noch weitere Maßnahmen beschlossen, nämlich die Neubemessung für Förderungen von Essens- und Betreuungsbeitragssenkungen. Davon profitieren ganz viele Familien in Wien jetzt noch mehr; und es wurde beschlossen, dass die Winter- und Sommersportwochen, Projektwochen besser gefördert werden, dass auch da Kinder nicht ausgeschlossen werden, denn genau an diesen Punkten zeigt sich, wer arm ist und wer nicht, wer dort mitmachen kann und wer nicht. Auch da ist Wien Vorreiterin. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde gern dem Herrn Sozialminister noch einen Punkt mitgeben, auf den ich auch schon mehrfach hingewiesen habe, bei dem aber einfach nichts weitergeht: Das ist die Europäische Kindergarantie, die nämlich genau darauf abzielt, Kinderarmut in Europa zu beseitigen. Sie fordert jeden Nationalstaat auf, dazu einen Nationalen Aktionsplan vorzulegen.

Österreich bleibt es seit Frühjahr vergangenen Jahres, seit Frühjahr 2022, schuldig, diesen Nationalen Aktionsplan abzuliefern. Wir sind mittlerweile – seit einer Woche – eines von drei Ländern in Europa, die diesen Plan noch nicht abgeliefert haben! (Bundesrat Schennach: Buh!) Kürzlich haben Polen und Ungarn abgeliefert, wir sind deutliches Schlusslicht, und das ist eigentlich schon traurig und beschämend. (Bundesrat Schennach: Unglaublich!)

Ich habe auch den Verdacht oder ich weiß aus Quellen, dass es nicht am Sozialminister und nicht an den Grünen liegt, sondern dass es da schon einen Plan gibt. Er liegt im Familienressort und die Familienministerin blockiert, dass endlich dieser Nationale Aktionsplan beschlossen werden kann. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Es ist traurig, wenn man bei der Bekämpfung der Kinderarmut spart. – ÖVP, bitte fasst euch ein Herz und lasst diesen Nationalen Aktionsplan endlich zu! Es wäre an der Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Thema möchte ich an der Stelle einbringen, weil es so aktuell ist und weil es wieder im Bereich der Bildung von Kindern anfängt, Qualität zu senken. Es ist diese Idee aus dem Bildungsministerium, Assistenzpädagog:innen einzuführen. Ich weiß, wir haben einen Pädagog:innenmangel, ich weiß, die Not, wie man diese Stellen besetzen kann, ist groß, und jetzt wird aus einer Not heraus ein neues Berufsbild geschaffen, das in anderen Bereichen Pädagog:innen abzieht und Lehrer:innen zweiter Klasse einführt.

Das wird diesem Bildungssystem nicht guttun, weil wir Lehrer:innen haben werden, die nach einem Schnellsiedekurs unterrichten dürfen. Das kommt unseren Kindern nicht zugute. Und es wird bewirken, dass Freizeitpädagog:innen, dass Aktionen wie zum Beispiel die Summer City Camps in Wien, aber auch schulische Nachmittagsbetreuung in allen Bundesländern zurückgefahren werden – und wer bleibt wieder über? – Unsere Kinder und Jugendlichen.

Das können wir nicht zulassen, darum stellen wir als SPÖ uns ganz klar auf die Seite der Freizeitpädagog:innen und zeigen uns auch solidarisch mit den Streiks nächste Woche. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, im Regierungsprogramm Ihrer Bundesregierung steht, die Kinderarmut solle in dieser Regierungsperiode halbiert werden! Das, was jetzt am Tisch liegt, wird nicht reichen. Die Kinderarmut ist im Steigen statt im Fallen. So wird das nichts werden. Wir müssen Kinderarmut nachhaltig bekämpfen, damit Tausenden Kindern eine unbeschwerte und glückliche Kindheit nicht verwehrt wird. – Danke. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

13.05

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte, Frau Bundesrätin.