13.37

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Besucherinnen und Besucher hier im Saal und Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Wir beschließen heute eine Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz. Abfallwirtschaft betrifft uns alle täglich, einerseits weil gutes Abfallmanagement die Voraussetzung für ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft und damit essenziell für Umwelt- und Klimaschutz ist, andererseits weil wir alle als Konsument:innen durch unser Konsumverhalten im Übermaß Abfall produzieren und wir alle es in der Hand haben, das zu ändern.

Ein besonders prekärer Bereich sind Lebensmittelabfälle. Alle Lebensmittel, die bis Mitte März produziert werden, werden für den Müll produziert, denn in Österreich wird entlang der gesamten Produktions- und Vermarktungskette etwa ein Fünftel aller Lebensmittel – das sind knapp 1 Million Tonnen jährlich –, zum Großteil genussfähige Lebensmittel, einfach weggeworfen. So eine Vergeudung ist gerade in Zeiten wie diesen, der hohen Inflation alleine deswegen schon inakzeptabel, von der Vergeudung wertvoller Ressourcen und unnötigem Tierleid ganz zu schweigen.

Österreich hat sich mit der Unterzeichnung der UN-Nachhaltigkeitsagenda unter anderem dazu verpflichtet, vermeidbare Lebensmittelvergeudung bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Das ist ein ambitioniertes Ziel, das durchaus mit Herausforderungen verbunden ist. In den vergangenen Jahren gab es schon zahlreiche Maßnahmen, die wir gesetzt haben, beispielsweise die Aktion United Against Waste, die sich der Lebensmittelvergeudung in der Gastronomie annimmt.

Auch bezüglich der Vergeudung in privaten Haushalten wurden Initiativen und Kampagnen gestartet, und die zeigen auch Wirkung. Viele von uns verwenden möglicherweise die Plattform Too Good To Go, über die man gegen Geschäftsschluss noch gute Lebensmittel günstiger kaufen kann, damit sie nicht entsorgt werden müssen. Gerade diese Plattform zeigt auch, dass der Handel einen wesentlichen Anteil an der überbordenden Entsorgung genussfähiger Lebensmittel hat. Im Bereich des Handels wurde auch schon einiges getan, beispielsweise mit der freiwilligen Vereinbarung zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Diese hat nämlich zu einer Verdreifachung der vom Handel weitergegebenen Menge an Lebensmitteln geführt, unter anderem auch über die Plattform Too Good To Go.

Gleichzeitig fehlt uns noch die Transparenz. Uns fehlen die Zahlen dazu, wie viele Lebensmittel vom Handel tatsächlich gespendet werden und wie viele, aus welchen Gründen auch immer, noch entsorgt werden.

Worum geht es in der vorliegenden Novelle? – Wir verpflichten Betriebe ab einer bestimmten Größe, nämlich ab 400 Quadratmetern Verkaufsfläche oder fünf Verkaufsstellen, bekannt zu geben, welche Mengen sie tatsächlich spenden und welche Mengen sie entsorgen. Kleine Betriebe – die Greißler und die Direktvermarkter – sind davon ausgenommen, die sind natürlich nicht betroffen.

Gerade in letzter Zeit gab es verstärkt Klagen von Betreibern von Sozialmärkten – ich bin öfter in Kontakt mit ihnen – und auch die Tafeln klagen in letzter Zeit massiv oder vermehrt darüber, dass sie zu wenig Sachspenden für die steigende Anzahl der Menschen, die ihr Angebot in Anspruch nehmen müssen, bekommen. Die bessere Transparenz durch diese Novelle liefert uns einerseits diese Zahlen, Daten und Fakten, die wir für weitere Maßnahmen benötigen. Wir werden sehen, wie viel der Handel spendet, wie viel er spenden könnte und warum er möglicherweise zu wenig spendet: Gibt es ein Problem mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum? Gibt es Lebensmittel, die länger haltbar sein könnten? Diese bessere Transparenz soll andererseits auch ein Anreiz für Betriebe sein, mehr zu spenden.

Wir haben den Entschließungsantrag der SPÖ gehört, über den wir jetzt auch debattieren. Darin ist wieder einmal die Forderung nach einem Aussetzen der Mehrwertsteuer enthalten. Auch ich weise auf die Probleme hin, die mit preissenkenden Maßnahmen einhergehen, denn es sind immer Lösungen, die als einfach propagiert werden, aber keine einfachen Lösungen sind. (Bundesrätin Schumann: Wir haben derzeit 10 Prozent rollierende Inflation!) Das belegen auch internationale Beispiele, bei denen solche Versuche genau zum Gegenteil geführt haben. (Bundesrätin Schumann: Ihr werdet bei den Kollektivvertragsverhandlungen ein Wunder erleben! Wir haben eine rollierende Inflation von 10 Prozent!)

Auf ein Problem habe ich schon in meinem vorigen Redebeitrag hingewiesen – da können Sie noch so viel reinreden, Frau Kollegin, es wird nicht wahrer (Bundesrätin Schumann: Es ist aber so!) –, nämlich auf die schlechte Treffsicherheit solcher preissenkender Maßnahmen. Das ist ein Gießkannenprinzip – genau das, was ihr in anderen Bereichen immer so massiv kritisiert –, das Gießkannensystem par excellence, über alle drüber. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: 10 Prozent rollierende Inflation!)

Wo ist die Sicherheit, dass der Handel diese Preisreduktion weitergibt? Da können wir uns einfach nicht sicher sein. (Bundesrat Schachner: Da setze ich Kontrollen ein in Österreich! Ist ganz einfach!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lebensmittel sind wertvoll – ich glaube, da sind wir uns alle einig. Sie binden entlang der gesamten Produktions- und Vermarktungskette wertvollste Ressourcen und sollten nicht für den Müll produziert werden. Die vorliegende Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz ist ein weiterer Schritt und sicher nicht der letzte zur Reduzierung von Lebensmittelvergeudung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.43

Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte.