13.53

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Liebe Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich muss ehrlich sagen, ich habe ein bisschen ein ungutes Gefühl bei diesem Tagesordnungspunkt, bei dem wir Änderungen im Abfallwirtschaftsgesetz beschließen werden, und ich sage euch auch, warum: weil es mir ehrlich gesagt ein bisschen schwerfällt, wenn wir über Lebensmittel reden, die zum großen Teil noch unverdorben und genießbar sind, diese dann im Abfallwirtschaftsgesetz zu behandeln.

Das heißt, wir sprechen bei hochwertigen Lebensmitteln von Abfall, von Müll, und das ist auch eine ethische und moralische Frage für mich. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Da sträubt sich so ein bisschen etwas in mir, aber es ist halt nun einmal so, und das ist mir auch wichtig, zu sagen.

Mir geht es auch darum, dass das Wegwerfen von Lebensmitteln zum einen dem Klimaschutz widerspricht, es bedeutet eine enorme Verschwendung von Ressourcen, es verursacht zusätzliche Energiekosten für Produktion und für Kühlung, für die vielen Transporte, für die Verpackung und so weiter und so fort, und es verursacht zum anderen auch hohe Kosten, die wir alle gemeinsam bezahlen, weil ja Produktion Geld kostet. Es schadet der Nachhaltigkeit und dem Klima und ist mit Blick auf die Teuerung und die Inflation nicht zu akzeptieren.

Eines steht fest, wir müssen uns stärker darauf besinnen: Lebensmittel sind kostbar, Lebensmittel sind wertvoll, Lebensmittel sind Mittel fürs Leben und verdienen mehr Wertschätzung! Dieses Bewusstsein, glaube ich, ist in unserer Wohlstandsgesellschaft in den letzten zehn, 20 Jahren doch etwas abhandengekommen. (Bundesrat Kornhäusl: Da hast du recht!)

Ich bedanke mich wirklich bei allen Bäuerinnen und Bauern, die tagtäglich mit Fleiß und Engagement in ganz Österreich hochwertigste Lebensmittel produzieren und so die Versorgungssicherheit gewährleisten – auch das ist nicht selbstverständlich. (Allgemeiner Beifall.)

Jetzt ein paar Fakten zur Gesetzesänderung: Welche Maßnahmen werden getroffen? Welche Ziele will man erreichen? – Es sind ja im Vorfeld schon viele Maßnahmen getroffen worden, aber bei dieser Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes geht es darum, dass der Lebensmitteleinzelhandel und der Lebensmittelgroßhandel in Zukunft verpflichtet werden, die Mengen der an soziale Einrichtungen gespendeten Lebensmittel und die Mengen der Lebensmittel, die weggeworfen, entsorgt werden, zu melden.

Wir brauchen mehr Transparenz. Wir wollen wissen, was mit den Lebensmitteln, die nicht verkauft werden, passiert, und die Lebensmittelverschwendung muss stark reduziert werden. Ausgenommen von der Meldeverpflichtung sind Geschäfte unter 400 Quadratmeter Verkaufsfläche oder kleine Greißler und die Direktvermarkter, Bauernhof und so weiter. Diese Meldungen müssen vierteljährlich erfasst werden, erstmals im vierten Quartal 2023, und dann auch veröffentlicht werden.

Wenn wir im Parlament über Lebensmittelproduktion und Versorgungssicherheit diskutieren, so müssen wir auch darüber nachdenken: Wie können wir das Bewusstsein für den richtigen, wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln fördern?

Da sind wir wirklich alle gefordert. Ich behaupte auch, wir haben alle mehr Möglichkeiten, als wir selber glauben – zum einen als Konsumentin und Konsument beim täglichen Einkauf, zum anderen aber gegenüber dem Handel und der Lebensmittelindustrie auch bei den vielen Aktionsangeboten, die dazu verleiten, Produkte aufgrund der Verpackung in zu großer Menge zu kaufen, die kleine Haushalte mit zwei, drei Personen nicht brauchen können, weil es zu viel ist.

Woher kommen die Lebensmittel überhaupt, die zum Teil im Überfluss in unseren Regalen zu finden sind? – Es ist leider festzustellen, dass immer mehr Menschen nicht wissen, wie Lebensmittel produziert werden und woher sie kommen. Ein Beispiel, das wirklich sehr viel aussagt, ist, wenn in einer Diskussion gesagt wird – und das habe ich selber miterlebt –: Ich trinke nur Heumilch, weil die nicht von der Kuh kommt! (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) – Das ist Tatsache, und da muss man sich vorstellen, wie sich das allgemein entwickelt. (Bundesrat Steiner: Das Bildungssystem ist ...!)

Wir haben in Österreich die strengsten Produktionsauflagen in Europa, was Tierschutz, Tiertransport, Umweltschutz betrifft, und trotzdem machen 90 Prozent der Betriebe freiwillig beim österreichischen Umweltprogramm mit. Das ist sehr positiv, weil sich die bäuerlichen Familienbetriebe zu einer nachhaltigen Produktion bekennen. Es ist aber auch schade, dass sich leider speziell in Salzburg, dem Bioland Nummer eins, 15 Prozent der Biobetriebe von der biologischen Wirtschaftsweise verabschiedet haben – nicht weil sie nicht mehr wollen, nein, sondern weil die Auflagen, Verordnungen und Richtlinien, die Umsetzung in der Praxis es nicht mehr möglich machen, biologisch zu wirtschaften.

Ich finde diese Entwicklung wirklich sehr, sehr schade. Liebe Frau Bundesminister, dieser Weideerlass ist ein Punkt, bei dem wir uns wirklich sehr schwertun; es kommen aber die Auflagen natürlich auch von der Europäischen Union.

Ich möchte hier auch den Appell an alle richten, bewusst und regional einzukaufen. Es muss nicht teurer sein, da gilt das Motto: Weniger ist mehr.

Eines sollten wir uns aber auch bewusst sein: Lebensmittel, die nicht verzehrt werden und als Abfall weggeworfen werden, verursachen Kosten und müssen bezahlt werden – von uns allen. Es werden 30 Prozent der Lebensmittel vernichtet oder verworfen, dabei muss man wissen, von diesen 30 Prozent kommen 60 Prozent aus dem privaten Haushalt.

Geschätzte Damen und Herren, ich frage mich auch oft: Warum kann es sein, dass in Österreich 1 Million Tonnen Lebensmittel im Müll landet, einfach entsorgt wird wie irgendein Müll, zum Teil originalverpackt, zum Teil das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht erreicht, zum Teil noch genießbar und zu einem Teil natürlich auch verdorben und nicht mehr genießbar? Wo bleibt die Wertschätzung für die Mittel fürs Leben, sprich Lebensmittel? Was sind Lebensmittel überhaupt wert und wie wertschätzend geht man mit Lebensmitteln um?

Eines ist auch klar: Die Handelsketten stellen das Produkt ins Regal, das sich gut verkauft, und das ist der Punkt: Wir als Kunden des Handels entscheiden mit jedem Griff in die Regale, was angeboten wird oder auch nicht. Produkte, die schwer verkaufbar sind, das unterschätzt man, verschwinden schneller aus den Regalen, als man glaubt. Das weiß ich aus eigener Erfahrung: Wenn Produkte nicht gut laufen und die Kunden sie nicht kaufen, dann verschwinden diese aus den Regalen.

Da können wir alle etwas Positives beitragen – und das unterschätzen wir –, wir können beitragen zum Klimaschutz, zur Nachhaltigkeit, zur Biodiversität, zur Erhaltung der Kulturlandschaft, die auch ein Produkt der Bauern ist. Sie schaffen durch Bewirtschaftung Kulturlandschaft, die wir alle so lieben und die so viele Menschen in Österreich und Gäste aus dem Ausland gerne als Erholungsraum vorfinden und auch brauchen. Dies kann nur durch eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, die wir seit Generationen betreiben, durch weniger Abhängigkeit und durch Herabsetzung des strengen Schutzstatus für Großraubtiere durch die Europäische Kommission sichergestellt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.03

Präsident Günter Kovacs: Danke, Herr Bundesrat.

Zu Wort ist nun Bundesrat David Egger-Kranzinger gemeldet. – Bitte, David.