13.20
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Bundesminister und Bundesministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Gäste im Bundesrat! Licht ins Dunkel – das möchte ich grundlegend vorausschicken – ist eine der großen und langjährigen sehr positiven Initiativen in unserem Land und hat viel Gutes dafür getan, dass Menschen mit Behinderungen unterstützt werden, dass Menschen in sozialer Notlage unterstützt werden. Viele Menschen in Österreich haben für Licht ins Dunkel gespendet, oft auch nur kleine Beträge, weil sie sich mehr nicht leisten konnten, aber es ist eine erfolgreiche Aktion.
Nun, ganz abgesehen davon gibt es dann halt leider die Problematik von Galaversprechen. Es hat im letzten November eine große Licht-ins-Dunkel-Gala stattgefunden, und da haben Kanzler und Vizekanzler spontan gesagt: Wir werden die Spendeneinnahmen der Licht-ins-Dunkel-Aktion 2023 verdoppeln! – Na ja, es ist halt so: Wenn man Dinge so ankündigt, wie das oft passiert, ist das nicht so wahnsinnig gescheit; und irgendwann kommt man dann drauf, dafür braucht man ein Gesetz! Jetzt haben wir Juni und jetzt müssen wir – oder sollten wir – dieses Gesetz beschließen.
Wir sind nicht glücklich damit, erstens mit der Art, wie es aufgesetzt wird, zweitens mit der Art, wie mit Ankündigungen umgegangen wird – das ist nicht die Art, wie man Projekten Geld hinzufügt –, auch nicht mit der Art, wie es umgesetzt wird.
Es geht um Menschen mit Behinderung, und zwar grundsätzlich. Es geht nicht, und das ist ganz, ganz wichtig, allein um die Frage: Wie mache ich Charityaktionen?, sondern es geht um die Würde der Menschen mit Behinderung.
Wir haben in Österreich 1,4 Millionen Menschen, die eine Behinderung haben, in den verschiedensten Formen, sei es eine körperliche Behinderung, eine psychische Behinderung, eine geistige Behinderung – das sind verschiedenste Behinderungsformen. Und es gilt unser Menschenbild, das der Sozialdemokratie, demzufolge wir sagen: Wir wollen, dass behinderte Menschen Rechte haben und nicht Charityaktionen. Wir wollen, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen und dass es ihnen in diesem Land gut geht, und nicht, dass sie von Spenden abhängig sind. Das ist eine grundsätzliche Frage! (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)
Betreffend die Situation von Menschen mit Behinderungen hapert es in vielen Punkten. Es hapert in der Frage der Inklusion – wir haben heute schon darüber geredet – im elementarpädagogischen Bereich und im Schulbereich. Es hapert am Zugang zum Arbeitsmarkt. Ich höre oft Beschwerden, dass es für Menschen mit Behinderungen ganz schwierig ist, Jobs zu bekommen, weil noch immer größte Ressentiments bestehen. Ich höre, dass es ganz, ganz schwierig ist und dass es Algorithmen in Großfirmen gibt, die behinderten Menschen keine Chance geben, überhaupt in den Bewerbungsprozess aufgenommen zu werden. Auf all das muss man schauen, da muss man hinschauen und da muss man Chancen geben.
Und: Die Teuerung ist ein großer Punkt, der besonders Menschen mit Behinderungen betrifft, weil viele von ihnen eben nicht ins Arbeitsleben integriert sind oder sie von Leistungen leben müssen, die ihnen das Leben ganz, ganz schwierig machen.
Wir stellen daher folgenden Antrag:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umfassende Maßnahmen zur Inklusion und Gleichstellung für Menschen mit Behinderungen“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage zur umfassenden Inklusion und Gleichstellung mit folgenden Maßnahmen zu übermitteln:
- Die Umstellung der Bezahlung in den Tagesstrukturen von einem Taschengeld auf einen Lohn/Gehalt und der damit einhergehenden umfassenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherung für die dort Beschäftigten. Zusätzlich dazu sollen neue Konzepte vorgelegt werden, wie Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können, um die reine Beschäftigungstherapie zu beenden.
- Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit von Menschen mit Behinderungen soll erst nach einer längeren Erprobungsphase und unter der Berücksichtigung der vielfältigen Unterstützungsangebote von AMS und Sozialministeriumsservice und unter der Einbeziehung einer berufskundigen Expertise stattfinden.
- Die Einrichtung eines Inklusionsfonds, der nach dem Vorbild des Pflegefonds von Bund und Ländern gespeist wird und aus dem eine einheitliche Förderung der persönlichen Assistenz nach österreichweit gleichen Kriterien erfolgt.
- Die Abschaffung der Ausgleichstaxen und die Schaffung eines echten Anreizsystems für Unternehmen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, bei der alle Unternehmen einen Beitrag leisten und jene, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, einen Bonus erhalten.
- Die Erarbeitung eines Konzepts, um die Persönliche Assistenz im Freizeitbereich österreichweit einheitlich zu regeln.
- Die Attraktivierung von Sozialbetreuungsberufen durch Verbesserung von Arbeitsbedingungen, um die Verfügbarkeit von Personen, die über die fachliche Qualifikation für die Persönliche Assistenz verfügen, zu steigern.
- Die Erarbeitung von Konzepten, wie mehr Jugendliche mit Behinderungen in Berufsausbildungen gebracht werden, um diesen eine gute Zukunft ermöglichen zu können.
- Die Minimierung von baulichen Barrieren im öffentlich zugänglichen Raum unter Beiziehung von Expert: innen mit dem Ziel, diese Barrieren langfristig gänzlich zu beseitigen.“
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Es ist im Bereich der Menschen mit Behinderung viel zu tun, und es ist wichtig – es geht um die Würde der Menschen. Um mit den Worten des Behindertenrates zu sprechen: „Nichts über uns ohne uns!“ – Das sagen die Menschen mit Behinderung, und das umzusetzen ist wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Bundesminister, jetzt über den Themenkreis hinaus, weil es natürlich gerade mir als Gewerkschafterin schon gelinde gesagt Schmerzen bereitet, wie Sie sich zum Thema Lohn-Preis-Spirale geäußert haben: Erstens ist irgendwie unbegreiflich, dass gerade ein Finanzminister sich um die sozialpartnerschaftliche Frage der Kollektivvertragsverhandlungen kümmert, und zweitens ist es eine wirkliche Ungerechtigkeit, denn die Lohn-Preis-Spirale ist nicht unser Problem!
Unser Problem ist die Gewinn-Preis-Spirale (Beifall bei der SPÖ), und ganz ehrlich gesagt, die Sozialpartner haben im letzten März gesagt: Wir sehen, dass die Inflation steigt und steigt. Liebe Regierung, tun Sie etwas! Machen Sie einen Mietpreisdeckel! Machen Sie etwas bei der Mehrwertsteuer! Machen Sie etwas bei den Energiepreisen, bei den Gaspreisen! Tun Sie etwas! – Es ist nicht gehandelt worden, und wenn gehandelt wurde, sehr spät oder so, dass es die Inflation nicht gesenkt hat.
Wir haben jetzt noch eine extrem hohe Inflation im Vergleich zum Euroraum, und da sind alle Hilfen, die Sie heute genannt haben und die die ÖVP-Bundesrät:innen so wunderbar beschrieben haben, Tropfen auf den heißen Stein.
Was wir brauchen, sind Strukturänderungen, damit die Inflation hinuntergeht. Ich kann Ihnen ganz ehrlich sagen: Die Gewerkschaften verhandeln großartig, aber wir haben bereits jetzt, wenn wir die rollierende Inflation anschauen, wenn wir das Jahr rückwirkend betrachten, eine Inflationshöhe von 10 Prozent. Das ist ganz, ganz schwierig in den Verhandlungen. Wir brauchen ein Sinken der Inflation!
Es ist auch eine Tatsache, dass die Gewerkschaften nicht sagen werden: Wir werden jetzt im Herbst nachlassen, weil der Herr Finanzminister gesagt hat, es gibt eine Lohn-Preis-Spirale, und daher dürfen wir uns jetzt nicht wirklich aufregen und für die Menschen kämpfen! – Nein! Zuerst steigen die Preise und dann müssen die Löhne steigen! Dafür kämpfen wir, das ist doch selbstverständlich! (Beifall bei der SPÖ.)
Menschen haben jetzt größte Probleme, ihren Alltag zu finanzieren. Jede vierte Person weiß nicht, wie sie zukünftig ihre Miete zahlen soll. Ja wie soll denn das gehen? Natürlich muss man hinschauen und natürlich muss man Übergewinne abschöpfen, und zwar nicht ein bisschen, sondern ordentlich.
Und natürlich kann man es nicht hinnehmen, wenn der Handel sagt, wie es der Fall war, kurz bevor Sie das Interview im „Report“ gegeben haben: Also wir sind nicht schuld an den Preissteigerungen! Und die Energiewirtschaft hat gesagt: Wir sind nicht schuld an den Preissteigerungen! – Ganz ehrlich: Die Leute gehen doch nicht ins Geschäft und sagen: Bitte, ich möchte gern, dass die Tiefkühlpizza jetzt um einige Euro teurer ist, denn das fände ich gerecht!
Das ist doch lächerlich! Die Leute leiden unglaublich unter diesen Preiserhöhungen. Rechnen wir: Eine Tiefkühlpizza der Billigmarke hatte in einem Jahr eine Preissteigerung von 90 Prozent! Das kann man nicht lösen mit: Wir tun da einmal ein bissl was, und da geben wir ein bissl was her!, es braucht ein Senken der Inflation, und zwar ganz, ganz dringend (Beifall bei der SPÖ), und es muss auf jeden Fall geschaut werden, wer sich jetzt das Geld in die Tasche streift! (Präsident Kovacs übernimmt den Vorsitz.)
Herr Bundesminister! Dieser Kampf muss geführt werden, auch wenn er nicht angenehm ist. Man muss den Unternehmen nähertreten. Man muss die Wirtschaft stützen und stärken, das ist keine Frage, jene aber, die jetzt große, große Gewinne machen und die anderen, die Menschen, ohne Rücksichtnahme zurücklassen, muss man bekämpfen, und dort muss man hinschauen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
13.29
Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.
Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „umfassende Maßnahmen zur Inklusion und Gleichstellung für Menschen mit Behinderungen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Wir setzen die Debatte fort, und ich darf jetzt Herrn Bundesrat Ernest Schwindsackl das Wort erteilen. – Bitte.