13.41

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident, ich möchte mich auch noch einmal herzlich bei Ihnen für Ihre Präsidentschaft bedanken, die Sie sehr sympathisch geführt haben. Vielen Dank!

Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­her:innen vor den Bildschirmen! Kommen wir wieder zum Tagesord­nungspunkt zurück, bei dem es um die Bundeszuwendung an den Verein Licht ins Dunkel – Verein für Menschen mit Behinderungen und sozialer Benach­teiligung geht. Ich finde es sehr schade, dass dieser Tagesordnungspunkt einerseits von Kollegin Schumann von der SPÖ, andererseits von Kollegen Pröller von der FPÖ eben genau nicht oder nur sehr wenig diesem sehr wichtigen Thema gewidmet wurde.

Ja, Menschen mit Behinderung oder sozialer Benachteiligung dürfen in unserer Gesellschaft keine Bittsteller:innen sein. Ihr Bedarf muss mittels staatlicher Leistungen abgedeckt werden können, genauso müssen eine barrierefreie Infra­struktur, sei es beim Wohnen, sei es im Internet, bei den Öffis, im Gesund­heitswesen oder in der digitalen Welt, sowie besser bezahlte Arbeit eine Selbst­verständlichkeit sein.

Vielleicht ein kleines Beispiel, das recht veranschaulichend ist: die Nivellierung von Straßen. Wir waren vor zwei Wochen in Bregenz. Dort wurde die Innenstadt komplett nivelliert. Das tut genau diesen Menschen mit Behinderungen sehr gut, denn sie können sich dort frei bewegen – relativ frei bewegen –, und das ist wichtig.

In Wien gibt es auch so etwas: die Begegnungszonen. Da ist es sehr traurig – und ich schaue da auch wieder zur SPÖ –, weil das genau in Wien von rot geführten Wiener Bezirksvorsteher:innen nicht umgesetzt wird. (Bundesrat Schennach: Das ist ein roter Bürgermeister in Bregenz!)

Ja, wie im Entschließungsantrag angeführt wird, hinken die Geschäfte dieser Barrierefreiheit hinterher und viel zu wenige haben barrierefreie Eingänge. Das klingt nach einer Kleinigkeit, ist es aber nicht, denn es ist ein Teufelskreis. Gibt es barrierefreie Infrastruktur im weitesten Sinn, wird sie genützt, gibt es sie nicht, kann sie natürlich nicht genützt werden. Die Menschen aber, die dieser bedür­fen, werden ausgeschlossen und werden unsichtbar gemacht, was zu der falschen Annahme führt, es wäre ja gar kein Bedarf da. Das zeigt: Eigentlich behindern wir die Menschen mit Behinderung, vor allem in ihrer Selbstbe­stim­mung.

Wir vergessen dabei, dass die Menschen mit Behinderung wir alle sind. Wir alle sind Menschen mit Behinderung, denn es kann jedem und jeder von uns passieren. Barrierefreiheit ermöglicht es erst, dass man sich innerhalb und außerhalb der vier Wände bewegen und am alltäglichen sozialen Leben teil­neh­men kann. Da geht es ums Einkaufen und Kaffeetrinken, vielleicht auch ums Flanieren oder darum, ins Kino zu gehen, und um eine digitale Barrierefreiheit. Das alles brauchen wir, um ein selbstbestimmtes und glückliches Leben führen zu können.

Die Bundesregierung tut auch etwas dafür. Sie hat im letzten Jahr 130 Mil­lionen Euro für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung beschlossen, ebenso haben wir die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung bis 25 Jahre ausgesetzt, damit junge Menschen mit Behinderung bessere Unterstützung durch das AMS und das Sozialministeriumservice erhalten.

Genauso werden gerade Konzepte für die Berufsausbildung erarbeitet. Und ja, auch wir wollen Lohn statt Taschengeld in den Tagesstrukturen. Sie wissen, das wird gerade angegangen.

Zum ersten Mal hat die Bundesregierung den Bundesländern 100 Millionen Euro für die persönliche Assistenz im Freizeitbereich zur Verfügung gestellt, ein extrem wichtiger Beitrag für Selbstbestimmung.

Liebe Bundesländervertreter:innen, vor allem jene in Wien: Holen Sie sich diese Gelder ab! Machen Sie bei diesem Pilotprojekt mit! Es liegt in Ihrer Kompetenz.

Wir bringen auch einen Inklusionsfonds im Rahmen der Finanzausgleichs­ver­handlungen ein. Und ja, das ist natürlich immer noch nicht genug, aber wir können die Versäumnisse vieler Jahre auch nicht sofort wieder gutmachen. Machen Sie daher nicht nur der derzeitigen Bundesregierung einen Vorwurf, sondern nehmen Sie sich hier alle, die einmal – und vor allem seit 2008 – in der Bundesregierung waren, selbst an der Nase! 2008 wurde die UN-Behindertenrechtskonvention eingeführt.

Nun zur Bundeszuwendung von 14,4 Millionen Euro, die an Licht ins Dunkel gehen soll: Dabei handelt es sich um die – ja, nachträgliche – gesetzliche Grundlage zur Umsetzung der von der Regierung anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Licht ins Dunkel versprochenen Verdoppelung der Spenden aus der Weihnachtsaktion 2022. Diese sollen in einen speziellen Innovationsfonds fließen, der den Fokus auf Sozialraumprojekte hat.

Was sind Sozialraumprojekte? – Das sind Projekte für Menschen mit Behin­derung oder sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, die genau das fördern sollen, was ich zuvor angesprochen habe: die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im weitesten Sinne. Der Terminus technicus dafür ist Inklusion – eben das, was die UN-Behindertenrechtskonvention von uns fordert, die wir, wie schon gesagt, 2008 unterzeichnet haben und in der wir uns zur Inklusion von Menschen mit Behinderung verpflichtet haben. Die Bundesregierung unterstützt das jetzt mit 230 Millionen Euro. Heute kommen knapp 15 Millionen Euro, die im Sinne dieser UN-Konvention genutzt werden sollen, für die Inklusion dazu, und Sie, liebe Opposition, stimmen dagegen. Das ist unverständlich.

Licht ins Dunkel wird auch und vor allem wegen seines Formats kritisiert. Zu Recht, denn es stellt Menschen mit Behinderung als Opfer dar, um ja viel Mitleid zu erzeugen. Das wird auch von Vertreter:innen der Behindertenorganisationen und der Betroffenen selbst schon lange kritisiert. Lautstark wird es durch ein neues Medium kritisiert, Andererseits heißt es. Bei Andererseits sind Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam journalistisch tätig und haben zu Licht ins Dunkel eine sehr sehenswerte und empfehlenswerte Filmdokumentation gemacht, diese nennt sich: Das Spendenproblem. Sie kritisieren dabei zu Recht die Almosenpolitik von Licht ins Dunkel und zeigen auf, dass es wichtig ist, mit Betroffenen zu reden und nicht über sie. Man möchte eigentlich meinen, dass das schon ein Anspruch des guten Benehmens ist.

Erst durch das mediale Auftreten dieses Vereins Andererseits und seine gute journalistische Arbeit wurde die Kritik am ORF-Format lauter und schließlich auch gehört.

Nun wird mit Vertreter:innen von Behindertenorganisationen das Format neu konzipiert und das ist gut so. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desrät:innen der ÖVP.)

13.49

Präsident Günter Kovacs: Danke, Frau Bundesrätin.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte sehr.