16.28

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen! Frau Präsidentin! Mir geht es ja so ähnlich wie Frau Schumann mit dieser doch – ich möchte den Ausdruck eigentlich auch verwenden, ich hatte ihn sogar notiert – Kraut-und-Rüben-Dringlichen, in die man einfach alle Themen, die man für ein kleines, schnelles Facebook- oder Tiktok-Posting gerade braucht, hineinschmeißt, damit man dann zu allen Themen irgendetwas parat hat, um wieder irgendwelche Likes zu generieren.

Das ist keine seriöse Politik und ich muss leider schon auch sagen, dass man auf diese Dringliche Anfrage nur reagieren kann, indem man eine Kraut-und-Rüben-Rede hält, weil man zu allen Themen reden kann, die da drinnen stehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Eines finde ich schon auffällig, nämlich wie unlogisch die FPÖ reagiert: In der einen Rede werfen Sie uns vor: Wie könnt ihr diesen Wahnsinn der ÖVP überhaupt noch mitmachen, liebe Grüne?, und in der nächsten Sekunde wird gesagt: Wie, liebe ÖVP, könnt ihr diesen Wahnsinn der Grünen überhaupt noch mitmachen? (Ruf bei der ÖVP: Schizophrenie! – Bundesrat Himmer: Sonst wäre es ja nicht Kraut und Rüben!) – Tja, ihr wisst es nicht genau, gell? Hauptsache, ihr könnt irgendetwas behaupten, damit ihr irgendwie das Gefühl habt: So, jetzt hauen wir einen Keil in diese Bundesregierung hinein! (Bundesrat Spanring: Den brauchen wir nicht reinhauen!) – Doch, doch, das versucht ihr ja (Bundesrat Spanring: Das machen die E-Mails von der ÖVP!), aber es gelingt euch nicht. Wir werden weiterregieren, das sei hier ganz deutlich gesagt. Wisst ihr, warum wir das machen? – Weil wir nicht die FPÖ sind! (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.) Denn: Immer dann, wenn die FPÖ in diesem Land regiert hat, gab es danach Chaos, wurde das Land verscherbelt, wollte man Zeitungen an irgendwelche nicht vorhandenen Oligarchennichten verscherbeln, oder man hat sich, so wie davor, in irgendwelchen Korruptionsskandalen in Luft aufgelöst – man hat sich in Knittelfeld gespalten. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.) Keine einzige Regierung mit FPÖ-Regierungsbeteili­gung hat bis zum Ende durchgehalten. Wir werden es tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Und warum werden wir das tun? – Weil die Leute nicht jedes halbe Jahr wählen wollen. Sie wollen, dass wir hier stehen, dass wir hier Gesetze machen, dass wir uns hier mit diesen Gesetzen, mit diesen unterschiedlichen Konzepten auseinandersetzen. Da dürfen die verschiedenen Meinungen hier im Plenum diskutiert werden. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Bitte, alle haben andere Meinungen, da kann man sich auch einmal beschimpfen, ich verstehe das eh. Auch ich habe schon einmal einen Ordnungs­ruf bekommen. Das verstehe ich alles – das ist mit Emotionen verbunden –, aber es soll zumindest eines sein: Es soll redlich sein, und die jetzigen Debatten sind nicht mehr redlich, sie sind unredlich geworden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ein Grund, warum wir weiterregieren werden – das werdet ihr, liebe FPÖ, nicht gerne hören –, ist: Weil ihr immer dann, wenn es ums Klima geht – ihr kommt selber aus Regionen, wo es Gletscher gibt; ihr seht die Gletscher schmelzen, ihr seht, wie die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen verschwindet –, noch immer den Kopf in den Sand steckt und so tut, als ob das eine Lüge wäre. Wenn es irgendeine Sekte gibt, dann sind es die Klimaleugner, die nicht auf die Wissenschaft hören. Das ist derzeit die gefährlichste Sekte auf diesem Planeten. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Doppler und Spanring.) Wir werden nicht müde werden, hier zu agieren.

Auch uns ist es manchmal zu wenig, ja, es ist halt so in einer Koalition: Da gibt es unterschiedliche Meinungen, man ist nicht immer einer Meinung, man versucht zusammenzuhalten, aber sogar ich – ich bin ja so ein Zuwandererkind – habe eines gelernt: Als ich nach Österreich gekommen bin, habe ich gelernt, dass dieses Land stolz darauf ist, dass Menschen zusammensitzen und am Ende eine Entscheidung herauskommt. Die Sozialpartnerschaft wurde von Frau Kollegin Schumann zu Recht als ein Beispiel dafür genannt. Man war stolz darauf, dass man Kompromisse schließt und dass es Verhandlungen gibt und am Ende etwas Gemeinsames herauskommt.

Wenn wir wegen jeder ungleichen Meinung Koalitionen platzen ließen, würde es in diesem Land nie wieder irgendeine Regierung geben. So funktioniert Politik ganz sicher nicht, und das wollen die Österreicherinnen und Österreicher auch nicht. Es ist nämlich so viel zu tun.

Während hier irgendwie unter der Gürtellinie Politik diskutiert wird, wurde gleichzeitig das Informationsfreiheitsgesetz präsentiert, auf das ich ganz beson­ders stolz bin. Ich bin seit 20 Jahren politisch aktiv, und ich kann mich erinnern: Ich musste in Wien, im Wiener Landtag, noch erklären, was Open Data überhaupt ist. Das kannten viele überhaupt nicht, dass man Dinge aus Transparenzgründen automatisch veröffentlicht, und jetzt, 20 Jahre später – heute, an diesem Tag, an diesem Tag, an dem der Bundesrat stattfindet –, wurde zum allerersten Mal ein ganz konkretes Gesetz präsentiert, und das lasse ich mir sicher nicht von einer Freiheitlichen Partei in irgendeiner Art und Weise schlechtreden. Das ist ein Meilenstein in dieser Republik – ein Meilenstein! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Da ist die ÖVP ...!)

Es ist ja auch traurig, zu sehen, wie eine Partei, die sich immer so gerne auf die Werte der Revolution 1848 beruft, in keinster Weise mehr in eine liberale, demokratische Richtung marschiert, sondern sich immer mehr an Diktaturen, immer mehr an Terroristen und immer mehr an Regime anbiedert, die nicht davor zurückscheuen, das Völkerrecht zu brechen (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler), ein anderes Land zu überfallen, Schulen zu zerstören, Theater zu zerbomben.

Gerade heute, so habe ich gehört, sind in der Ukraine wieder wahrscheinlich 48 Menschen bei einem Raketenangriff getötet worden, und ihr kritisiert, dass wir mit einer leidenden Bevölkerung solidarisch sind (Bundesrat Spanring: Nein, wir kritisieren, dass ... geschickt werden!) Das ist unredliche Politik! Und dann setzt ihr euch mit den Taliban zusammen. Das ist übrig geblieben von der bürgerlichen Revolution 1848: dass man sich mit den Taliban zusammensetzt. Das ist wirklich zum Totschämen, das ist wirklich zum Schämen, FPÖ! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Ich musste lachen, weil Frau Schumann das quasi jetzt schon vorweggenommen hat, denn eines finde ich auch auffällig: Wenn wir von Sprache sprechen – von gerechter Sprache, von gewaltfreier Sprache, von einer Sprache, die der Würde dieses Hauses entspricht, von einer Sprache, die gerecht ist, von einer Sprache, die die Vielfalt der Geschlechter berücksichtigt (Bundesrat Spanring: Es gibt nur zwei!) –, dann sind es immer die Freiheitlichen, die das ganz oben auf ihrer Prioritätenskala haben. Also wenn irgendjemand hier in diesem Land von diesem Thema besessen ist, dann ist es die Freiheitliche Partei, die das ständig zum Thema macht. Wir empfehlen – ihr in Nieder­österreich bestraft. Das ist der große Unterschied!

In dieser Dringlichen Anfrage sind auch wieder einmal homophobe Äußerungen gegen die LGBTIQ-Community gerichtet. Ich bin ein Mitglied dieser Community, ich möchte das hier auch ganz deutlich sagen. Es wird zum Beispiel kritisiert, dass es im Gesundheitsministerium Safer-Sex-Aufklärung gäbe. Ich kann mich erinnern – es war in den Neunzigerjahren –: Ich kam nach Wien, das war noch in der schlimmsten Aids-Zeit, und Freunde von mir sind damals noch wie die Fliegen gestorben. Ich glaube, man kann sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen, wie das damals war. Damals wurden auch Aids- und Safer-Sex-Broschüren an den Grenzen zu Deutschland, die dort verteilt worden sind, beschlagnahmt, weil das pornografisch wäre.

Wir haben lange, lange – ich bin ja selber ein Aktivist – kämpfen müssen, um klarzumachen: So eine ganz offene Aufklärung, die zeigt, wie man sich, sein eigenes Leben schützen kann, rettet Leben, und zu skandalisieren, wenn ein Gesundheitsminister die Menschen und die Jugend heute darüber aufklären möchte, wie sie sich schützen können, um keine Krankheiten zu bekommen, um für ihr Leben einzutreten, das finde ich so schäbig – das finde ich so schäbig! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Das bedeutet, euch sind Jugendliche mit Krankheiten lieber als aufgeklärte Jugendliche. Dagegen werde ich mich, solange ich politisch aktiv bin, mit aller Vehemenz wehren, aber mit aller Vehemenz wehren. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: ... mit der Volkspartei! Ja, ja, ja!)

Wir haben noch viel zu tun. Ich weiß, ihr hättet gerne, dass wir nicht weiter­arbeiten – den Gefallen werden wir euch nicht tun! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.37

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel zu Wort gemeldet. – Bitte schön.