Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Frau Minister!

1950/M-BR/2023

„Welche Strafzahlungen sind durch die mit der aktuellen Politik nicht erreichbaren Klimaziele zu erwarten?“

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Mein Anspruch ist es ja nicht, Zahlungen an andere Länder zu leisten, sondern – ganz im Gegenteil – die Klimaziele zu erreichen. Das aktualisierte Klimaziel für Österreich aus der Effortsharingregulation ist minus 48 Prozent CO2-Emissionen bis 2030. Dafür braucht es Maßnahmen.

Sie wissen, im ersten Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans stehen wir derzeit bei einer Zielerreichung von minus 35 Prozent. Das heißt, uns fehlen noch minus 13 Prozent. Mein deklariertes Ziel ist – nur, dass ich es jetzt auch gesagt habe –, dass wir bis Mitte Juni 2024 einen finalen Nationalen Energie- und Klimaplan an die Kommission übermitteln, der selbstverständlich die Zielerreichung sicherstellt.

Für all diese Maßnahmen, die wir in Plänen, in Strategien und in anderen Dokumenten vorsehen, braucht es am Ende Mehrheiten im Hohen Haus, in ganz vielen Fällen – Sie wissen es, im Energiebereich, im Wärmebereich, überall dort, wo wir Bundesländerkompetenzen berühren – braucht es Zweidrittelmehrheiten im Hohen Haus. Auch an diesen arbeiten wir, aber man muss auch so ehrlich sein: Eine über viele Jahre und Jahrzehnte wenig ambitionierten Klimapolitik in Österreich kann man nicht in drei Jahren komplett wiedergutmachen. Das heißt also, es wird jetzt angebracht sein, genau so weiterzumachen, wie wir das in der Klimapolitik in den letzten drei Jahren getan haben. Wir sind bei den Emissionen laut Nowcast 2022 auf dem tiefsten Stand seit 1990, mit einem Trend nach unten. Das muss so weitergehen.

Im NEKP sind zwei Szenarien – die Kosten lassen sich dementsprechend nur in Kosten für die Zertifikate ausdrücken – von Preisannahmen für Zertifikate bis 2030 enthalten: eine mit 100 Euro über die gesamte Periode, eine mit 200 Euro bis 2030. Das hängt aber sehr von der Entwicklung des ETS-Markts auf europäischer Ebene ab. Wie gesagt, mein Ziel ist es, dass wir die Ziele erreichen und dass wir die Lücke bis 2024 schließen.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Schachner: Ja, bitte!) – Bitte.

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Was sind die konkreten Gründe, weshalb Sie dem Nationalrat und dem Bundesrat das Klimaschutzgesetz nach wie vor nicht vorgelegt haben?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie wissen es aus der langjährigen Erfahrung in Bundesregierungen (Bundesrat Schennach: Na ja, ein bisschen genauer!): Man braucht für jedes Gesetz eine gemeinsam getragene, im Ministerrat abgestimmte Vorlage zur Zuleitung an den Nationalrat. Sobald ich diese habe, bin ich die Erste, die sich an dieser und an jeder anderen Stelle darüber freut. (Bundesrat Schennach: Offene Worte, bitte!)

Es ist ein Gesetz, das ein Fundament für die nächste Dekade Klimapolitik in Österreich liefert, ein Gesetz, das insbesondere für die gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Bundesländern und auch für die Planungssicherheit von Unternehmen wichtig ist. Deswegen arbeite ich weiterhin mit Hochdruck daran, dass wir es baldmöglichst auch in diesem Rahmen hier diskutieren können. (Bundesrat Schennach: Übersetzt: Da blockiert jemand! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Schennach – in Richtung Bundesrat Schachner –: Hast du die Übersetzung gehört? Da blockiert jemand!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Philipp Kohl zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Philipp Kohl (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Welche Mittel wurden zur Verfügung gestellt, um Städte in Österreich am Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben für die Unterstützung von Städten und Gemeinden schon in den letztjährigen Budgets, aber auch im jetzt kommenden und zu diskutierenden Budget, eine Vielzahl von Initiativen und konkreten Unterstützungsmöglichkeiten vorgesehen. Das beginnt bei einem neuen Zugang sowohl in der Forschungsförderung als auch in der Umsetzungsförderung über die Mission Klimaneutrale Stadt. Dabei erarbeiten wir anhand von Vorzeigebeispielen größerer und auch mittlerer österreichischer Städte mit Pionierstädten den Weg zur Klimaneutralität in den Städten und unterstützen erstmals auch die Städte mit konkreten Personalleistungen, damit sie ihre Pläne für die Klimaneutralität auf den Weg bringen können.

Darauf abgestimmt gibt es Ausschreibungen sowohl im Rahmen der Innovationsförderungen der Innovationssektion als auch im Rahmen des Klima- und Energiefonds. Der Klima- und Energiefonds, um gleich darauf überzuleiten, ist einer der großen Ansprechpartner für Städte und Gemeinden im Bereich der Förderung und der Unterstützung am Weg zur Klimaneutralität. Insbesondere die Klima- und Energiemodellregionen und die Klimawandelanpassungsmodellregionen sind wichtige Vehikel – so nenne ich sie jetzt einmal – für die Gemeinden, um das Thema Klimaschutz zu bearbeiten.

Auch da finanzieren wir unter anderem Personal, also Kümmerer und Kümmerinnen, die die Gemeinden und Gemeindeverbünde auf dem Weg in die Klimaneutralität unterstützen.

Darüber hinaus gibt es in den unterschiedlichen Programmen Maßnahmen, die auch Gemeinden abrufen können. Da gibt es beispielsweise die Umweltförderung im Inland – in den letzten Jahren mit Rekordniveau dotiert –: Da kann man Projekte von der Wasserversorgung bis zum Flächenrecycling, von der LED-Umstellung bis zu raus aus Gas, rein in erneuerbaren Strom einreichen und auch gefördert bekommen. Wir haben da wirklich einen Zusagerahmen auf hohem Niveau. Ich ermutige auch alle Städte und Gemeinden, dort einzureichen.

Im Verkehrsbereich, um noch zwei Beispiele zu nennen, gibt es die Förderoffensive für die aktive Mobilität und das Mobilitätsmanagement, durch die Radverbindungen, Gehwege, Konzepte für aktive Mobilität unterstützt werden, beziehungsweise – gerade für Städte sehr wichtig – die Förderoffensive Ebin für den emissionsfreien Busverkehr – auch da Rekordabrufe.

Für alle Gemeinden gab es natürlich das kommunale Investitionsprogramm 2023, das einen großen Ökoschwerpunkt hat und auch mit allen vorhin genannten Förderungen kombinierbar ist. Für alle Gemeinden und Städte, die jetzt hier zuhören: Bitte holen Sie sich das Geld ab! Das sind wirklich außergewöhnliche Förderbedingungen, die wir derzeit bieten können.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Markus Leinfellner zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Es ist schon etwas schwer, jetzt eine Zusatzfrage zu stellen, da die Hauptfrage aus meiner Sicht noch nicht beantwortet wurde. Ich werde aber versuchen, das etwas umzuformulieren.

Sie haben die Schadenssumme bis jetzt nicht genannt; Sie reden von Zertifikaten in der Höhe von 100 Euro, 200 Euro. Es ist ja bekannt, dass die Klimaziele in der EU bis 2050, in Deutschland bis 2045 erreicht werden sollen. In Österreich haben Sie unser Land dazu verpflichtet, diese Ziele bereits 2040 zu erreichen. Wenn ich an die Antwort auf die Hauptfrage denke, so habe ich den Eindruck, dass Sie keine Ahnung haben, welchen Schaden Sie in Österreich oder welche Schadenssumme Sie in Österreich damit tatsächlich angerichtet haben.

Deswegen stelle ich die Frage noch einmal: Welcher Schaden entsteht durch die voraussichtliche Nichterreichung der Klimaziele für unser Land in diesen zehn Jahren, da Sie unser Land verpflichtet haben, die Klimaziele bereits früher zu erreichen?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben EU-rechtliche Verpflichtungen – über diesen Zeitraum reden wir jetzt – bis 2030. Bis 2030 haben wir eine EU-rechtliche Verpflichtung, und das gilt für jede Konstellation jeder Bundesregierung. Diese wollen wir erreichen, weil nur die Zielerreichung garantiert, dass wir die Chancen nutzen können, die im Klimaschutz liegen – Chancen auf eine bessere Lebensqualität, auf eine saubere Luft, auf ein sauberes, krisenfestes Energiesystem –, weil – und da unterscheiden wir uns – die Abhängigkeit von Russland uns offensichtlich in eine große Krise geführt hat. Ich weiß nicht, ob Sie die Kosten eines Lieferausfalls aus Russland beziffert haben – die sind enorm.

Die größten Schäden entstehen uns, wenn wir die Klimaziele nicht erreichen. Warum? – Weil schon jetzt die Schäden, die durch die Klimakrise in Österreich verursacht werden, pro Jahr in die Milliarden gehen. Denken Sie an die Landwirtschaft, denken Sie an die Überschwemmungen, denken Sie an die Extremwetterereignisse! Denken Sie an die vielen Menschen, die durch Murenabgänge vor den Trümmern ihrer Existenz stehen!

Mein Auftrag ist es, genauso wie der Auftrag der Bundesregierung, genauso wie der Auftrag aus der EU-rechtlichen Verpflichtung jeder Bundesregierung, diese Ziele zu erreichen, um den größten Schaden von dieser Republik abzuwenden – genau darum geht es. (Beifall bei den Grünen.)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Die Emissionshöchstmenge 2021 im Effortsharing wurde eingehalten, 2022 ist vorläufigen Daten zufolge sogar eine deutliche Emissionsreduktion eingetreten. Lässt sich daraus vielleicht schon eine Trendwende ableiten?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe diese Frage auch schon öffentlich mit einem Vergleich mit einem Marathon beantwortet. Klimaneutralität 2040, 2050 in der EU, ist nichts, was man in einem Jahr erreicht, sondern ist tatsächlich eine Aufgabe, die uns alle fordern wird, und zwar bis zur Zielerreichung 2040. Wie bei einem Marathon freut man sich natürlich, wenn man die ersten Kilometer in einer guten Zwischenzeit erledigt, und es ist tatsächlich so, dass die Emissionswerte 2022 aus dem Nowcast des Umweltbundesamts den niedrigsten Wert seit 1990, einen Rückgang um 6,4 Prozent und vor allem auch einen Rückgang in allen Sektoren zeigen – ja, in einem Jahr mit Ausnahmebedingungen, aber, ja, auch in einem Jahr mit starkem Wirtschaftswachstum. Das heißt, wir sehen 2022 eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen.

Das ist gut, und genau so müssen wir es jetzt weitermachen. Ganz viele der Maßnahmen, die in den letzten drei Jahren gesetzt wurden, wirken ja systemisch, wirken langfristig, sind Weichenstellungen, werden also auch weiterhin wirken. Deswegen sehen wir auch in den Prognosen, die unserem Nationalen Energie- und Klimaplan zugrunde liegen, dass wir derzeit bei minus 35 Prozent bis 2030 landen werden. Wir haben also noch einen Auftrag, wir haben noch etwas zu tun, aber ja, es zeigt zum jetzigen Zeitpunkt alles in die richtige Richtung, und das sind gute Nachrichten für unser Land.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1948/M-BR/2023.

Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Michael Bernard, um die Verlesung der Anfrage.