12.57

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Bundesrät:innen! Zuallererst möchte ich mich für das große Lob, das Sie ausgesprochen haben, auch im Namen der Mitarbeiter:innen bedanken. Wir werden dieses Lob selbstverständlich weitergeben. Sie können mir glauben, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich auch darüber.

Die Zahlen wurden schon angesprochen. Wir haben einen Zuwachs an Beschwerden über die Verwaltung verzeichnet. Wir haben aber auch jede Menge unangekündigter Besuche im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle – Jahr 2022: 481 Kontrollbesuche – durchgeführt, und wir haben in etwa 70 Prozent der Fälle etwas zu beanstanden gehabt.

Das muss weniger werden, weil diese Beanstandungen Mängel in der Einhaltung der Menschenrechte betreffen! Diese sind einmal schwerer, einmal leichter zu beheben, all diese Beanstandungen bedeuten aber, dass in den Einrichtungen entweder Menschenrechte verletzt werden oder eine potenzielle Verletzung der Menschenrechte droht. Wir haben verschiedene Schwerheitsgrade, wenn Sie so wollen. Das Schlimmste, was wir festgestellt haben, waren – es wurde schon angesprochen – Dehydrierung, Unterernährung, unversorgte Wunden in Pflegeheimen. Vieles davon ist, und auch das wurde schon angesprochen, auf einen Mangel an Pflegepersonal, einen Betreuungsmangel zurückzuführen. Wir kritisieren in den wenigsten Fällen die Arbeit des Pflegepersonals. Wir kritisieren in der Regel die Rahmenbedingungen, unter denen es zu arbeiten hat.

In der präventiven Menschenrechtskontrolle stellen wir auch fest, dass in den Jugendeinrichtungen zu wenig Personal vorhanden ist und dass das vorhandene Personal in sehr vielen Fällen nicht die richtige Ausbildung hat. Dazu haben wir eine Schwerpunkterhebung durchgeführt, die im Jahr 2022 gelaufen ist, die zutage gebracht hat, dass nur etwa 50 Prozent der in den WGs tätigen Betreuerinnen und Betreuer die dafür wirklich zu 100 Prozent passende Ausbildung haben. Wozu führt das? – Das führt zu einer Überlastung der Betreuungspersonen, das führt zu Burn-out-Fällen, das führt dazu, dass andere

einspringen und Überstunden machen müssen, die dann wieder Gefahr laufen, überfordert zu sein.

Diese Überforderung – nicht nur in den Jugendeinrichtungen, sondern auch in den Pflegeeinrichtungen – führt dann sehr oft zu nicht gemeldeten Freiheitsentziehungen. Diese Freiheitsbeschränkungen, dieser Freiheitsentzug findet heutzutage zumeist nicht mehr dadurch statt, dass man die Leute einsperrt, sondern sehr oft durch Medikamente: Medikamentöse Freiheitsbeschränkungen nehmen extrem zu – auch jene, die nicht gemeldet werden. Auch darauf müssen wir einen Fokus legen.

Der zweite Bereich, auf den ich eingehen will, ist der Bereich der Heimopferentschädigungen. Es gab nach wie vor ungefähr 500 Anträge pro Jahr von Menschen, die zwischen 1945 und 1999 in Kinder- und Jugendeinrichtungen Opfer von Gewalt wurden und Entschädigung beantragten. 200 dieser Fälle werden der Kommission der Volksanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt, und ich muss Ihnen leider sagen, dass die Zahl derzeit noch nicht zurückgeht.

Zuletzt sind erst die Opfer in den sogenannten Taubstummenanstalten darauf aufmerksam geworden, dass auch in ihren Einrichtungen derartige Vorkommnisse die Regel waren – muss ich leider sagen – und beantragen jetzt Entschädigung. Da sieht man: Obwohl dieses Entschädigungsprogramm schon fünf Jahre läuft, hat sich das zu den Opfern noch nicht hundertprozentig durchgesprochen; und in manchen Fällen zögern die Opfer auch noch, das Ganze noch einmal aufzuwärmen und geltend zu machen.

Ich bitte also, uns auch weiterhin die Mittel zur Verfügung zu stellen, damit wir die Auszahlung dieser Heimopferrente vollziehen können. Wir können leider nicht davon ausgehen, dass sich jetzt schon alle gemeldet haben, denen so etwas zusteht.

Bei der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung möchte ich auf einige wenige Punkte besonders eingehen. Verzeihen Sie mir, dass ich halt auf jene Punkte eingehe, zu denen aus unserer Sicht noch nicht genug geschehen ist, wohl wissend, dass in vielen Fällen die Verwaltung auf unsere Kritik positiv und richtig reagiert, die Dinge ins Reine bringt, und dass in vielen Fällen auch die Politik reagiert und bei Gesetzen, die zu unbilligen Ergebnissen führen, Novellen vornimmt.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen eine Reaktion leider nicht so schnell erfolgt und in denen wir schon über Jahre verstärkt Beschwerden und ein großes Ungerechtigkeitsgefühl bei den Betroffenen beobachten.

Einer dieser Bereiche ist der Vollzug des Kinderbetreuungsgeldes, vor allem dann, wenn ein Elternteil im Ausland arbeitet. Dann hat der in Österreich verbleibende Elternteil – zumeist ist das die Mutter – einen Hürdenlauf zu bewältigen, an dem man in vielen Fällen scheitert. Man wird aufgefordert, im Ausland diverse Anträge zu stellen, um festzustellen, ob nicht eine ausländische Behörde für die Leistung der Kinderunterstützung zuständig ist. Das übersteigt die vom Gesetz geforderte Mitwirkungspflicht. An sich müsste die österreichische Behörde sich darum kümmern.

Natürlich müssen die Eltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitwirken. Man sollte aber nicht von den Eltern verlangen, dass sie im Ausland, womöglich in einer Fremdsprache, Anträge stellen, Formulare ausfüllen, Bestätigungen beibringen, die es manchmal im Übrigen gar nicht gibt. Sie werden sogar dazu aufgefordert, Entscheidungen ausländischer Behörden zu bekämpfen und laufen drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht Jahre dem Kinderbetreuungsgeld nach.

Das Kinderbetreuungsgeld braucht man dann, wenn das Kind klein ist. Dann findet der Einkommensentfall statt, dann ist die Familie in einer besonders schwierigen Situation, und dann sollte das auch rasch bezahlt werden.

Die Rechtsansicht der Volksanwaltschaft ist übrigens inzwischen von mehreren Gerichten und auch mehrfach vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden, aber die Verwaltungspraxis beim Vollzug des Kinderbetreuungsgeldes hat sich auf Anweisung des Familienministeriums noch nicht geändert. Vollzugsbehörden sind die Krankenkassen. Diese handeln aber auf Anweisung des Familienministeriums und dort hat sich noch nichts getan. Wir drängen daher wirklich darauf, dass sich das ändert; und wenn es sich nicht im Verwaltungshandeln ändert, dann wäre der Gesetzgeber gefordert, dafür zu sorgen, dass Jungfamilien rasch zu ihrem Geld kommen.

Beim angesprochenen Mutter-Kind-Pass besteht jetzt noch eine Übergangsfrist, bis diese elektronische Lösung in Kraft tritt, und auch in diesem Bereich können leider noch die Probleme auftauchen, die wir schon kennen: Jungeltern lassen die Untersuchungen durchführen, sind dann schlampig beim Nachweis dieser Untersuchungen und bezahlen dafür einen sehr, sehr hohen Preis. Das sollte eigentlich nicht sein, wenn man erheben kann, dass die Untersuchungen durchgeführt wurden.

Die Bemerkungen über die Jugendhilfe kann ich bestätigen. Es wäre wirklich gut, wenn man die Rechtsgrundlagen, vor allem was Ausbildung und Personalschlüssel, Betreuungsschlüssel betrifft, bundesweit vereinheitlichen würde.

Ein Thema möchte ich noch ganz kurz ansprechen, weil es auch ein Thema zwischen den Bundesländern ist: Wir haben immer wieder große Probleme, wenn Menschen von einem Pflegeheim im Bundesland A in ein Pflegeheim in Bundesland B wechseln wollen, weil dort die Kostentragung dann nicht gewährleistet ist, da jedes Bundesland bei der Finanzierung des Pflegeheimaufenthalts andere Regeln hat und die Regeln untereinander nicht zusammenpassen.

Das führt dazu, dass, wenn man beispielsweise von Salzburg nach Niederösterreich wechselt – weil die Kinder, die Angehörigen halt dort sind und man dann öfter Besuch bekommen kann –, die Salzburger sagen: Na ja, in Salzburg würden wir dich unterstützen, aber wenn du nach Niederösterreich gehst, zahlen wir nicht. Die Niederösterreicher hingegen sagen: Wenn du Niederösterreicher:in wärst, würden wir dich unterstützen, aber da du Salzburger:in bist, zahlen wir nicht.

Die Folge ist: Man muss mindestens sechs Monate selber bezahlen, bis die Niederösterreicher sagen: Na ja, jetzt giltst du quasi als niederösterreichischer Landesbürger, jetzt bist du schon sechs Monate hier, jetzt übernehmen wir die Kosten! – Sechs Monate Pflegeheim kosten aber rund 35 000 Euro bis 40 000 Euro, und das ist natürlich für die meisten nicht tragbar, das ist unzumutbar. Das hat im Übrigen vor wenigen Wochen auch der Verfassungsgerichtshof festgestellt. Daher ersuche ich Sie, in Ihren Bundesländern darauf zu drängen, dass es da zwischen den Ländern möglichst rasch eine Vereinbarung gibt, sodass die Regelungen zusammenpassen und die Menschen nicht auf den Kosten sitzen bleiben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

13.07

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Stellungnahme hat sich Herr Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz gemeldet. – Bitte.