14.21
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Es ist das jetzt ein Thema, das uns alle sehr betroffen gemacht hat, weil sich – und das muss man auch in dieser Deutlichkeit sagen – der 7. Oktober ungefähr so in unsere Herzen und in unser Verständnis von Geopolitik eingebrannt hat wie manch andere Daten, an die wir uns auch erinnern können.
Der 7. Oktober ist ein bisschen ein unschuldiges Datum, sage ich einmal – ich weiß nicht, was am 7. Oktober in der Geschichte sonst noch so passiert ist –, und ab diesem Jahr werden wir uns immer am 7. Oktober daran erinnern, dass in einer der brutalsten Aktionen, die ich jemals erlebt habe - - Ich suche auch dieses Wort. Es ist schon richtigerweise vorhin vom Kollegen der ÖVP gesagt worden: Sagt man Mörderbanden, sagt man Terroristen? Der Herr Bundespräsident hat von einer Schoah gesprochen – nicht von einer Schoah, von einem Pogrom hat er gesprochen. Wie nennt man es? Wie nennt man es wirklich, das, was passiert ist? Es fehlen einem tatsächlich die Worte.
Wir sehen, wie schwierig dieser Konflikt ist. Mein Vorredner der FPÖ hat gerade auch vom Frieden gesprochen. Frieden ist natürlich das, was wir uns alle am meisten wünschen und was wir uns alle erhoffen, aber: Wenn eine Gruppe, die Hamas, die Vernichtung des anderen möchte, wenn eine Gruppe die Tötung des anderen zum Ziel hat und eine andere Seite, nämlich Israel, dieses Töten verhindern will, dann muss man schon auch in dieser Deutlichkeit sagen, dass das die Balance dieses Konflikts ist.
In der Charta der Hamas – und ich möchte Ihnen wirklich empfehlen, wenn Sie die noch nicht gelesen haben, diese zu lesen; das ist quasi das Parteiprogramm, das Grundsatzprogramm der Hamas – steht wortwörtlich drinnen, dass internationale Friedensverhandlungen umsonst sind und nichts bringen, weil es das Ziel der Hamas ist, nicht nur Israel als Staat zu vernichten, sondern auch jeden Juden zu töten. Das steht wirklich so drinnen, und das muss man auch einmal in dieser Deutlichkeit hier sagen.
Da geht es nicht um einen Konflikt eines Staates gegen einen anderen Staat. Es geht hier um einen Judenhass, der wirklich durch nichts zu rechtfertigen ist, und diese bestialischen Attacken vom 7. Oktober haben gezeigt, wohin dieser führt. So gesehen ist die Solidarität Österreichs mit Israel in dieser Frage absolut richtig.
Herr Kollege Spanring, ich verstehe ja Ihre Äußerungen sehr und ich habe mich, seit ich in der Politik bin, immer darum bemüht, weil mir die Themen Antisemitismus, übrigens auch Homophobie, auch Frauenfeindlichkeit – es gibt ja auch andere Felder, über die man immer wieder sprechen muss, auch wenn es um Integrationspolitik geht – wirklich enorm wichtig sind. Es geht hier übrigens um Maßnahmen, das möchte ich auch betonen, die ich immer und immer wieder gefordert habe, und wenn wir sie zum Beispiel in Wien umgesetzt haben, war es interessanterweise die FPÖ, die dagegengestimmt hat, gegen diese Programme gestimmt hat. Das möchte ich auch einmal in dieser Deutlichkeit sagen.
Ich habe nicht so viel Erfahrung wie meine Kollegin Hauschildt-Buschberger, aber ich habe auch meine Erfahrung in der Betreuung von Asylwerbern und Asylwerberinnen, und ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass viele mit Judenhass erzogen worden sind, die haben das so gelernt: Juden sind der Satan, der Teufel, das sind die bösen Menschen, die sind gegen uns, deshalb müssen wir gegen Juden sein. Die sind erzogen worden mit dieser Idee, dass das Judentum etwas Teuflisches ist, aber es ist lohnenswert, diesen Gedanken zu bekämpfen. Es ist lohnenswert, den Antisemitismus zu bekämpfen. Es ist lohnenswert, unermüdlich jede Maßnahme in den Schulen, egal wo, zu ergreifen, um gegen dieses Gedankengut anzugehen. Was nicht hilft, ist, wenn wir den Menschen sagen: Du bist ein böser Mensch! Damit werden wir den Antisemitismus nicht bekämpfen. Es ist lohnenswert, den Antisemitismus zu bekämpfen, und das ist das Wichtigste, finde ich.
Ich tue mich da auch schwer, weil man nicht vergessen darf, dass Antisemitismus ja nicht nur einer ist, den wir hier, wie es immer so schön heißt, importiert hätten. Antisemitismus hat in dieser Republik leider eine lange Geschichte. Ich erinnere an den Wiener Bürgermeister Karl Lueger, und wir fragen uns ja schon seit Jahrzehnten, wie wir mit den Denkmälern umgehen sollen, völlig zu Recht. Das Kippen des Denkmals hat mir ganz gut gefallen, das Kontextualisieren finde ich ganz wichtig, um den Menschen zu sagen, was zum Beispiel Karl Lueger für die Juden und Jüdinnen in Wien am Ende des 19. Jahrhunderts bedeutet hat. Ich glaube, wir müssen uns bewusst sein, dass Antisemitismus auch in unserem Lande immer schon ein weit verbreitetes Phänomen gewesen ist.
An dieser Stelle möchte ich schon sagen, Herr Kollege Spanring: Ich würde mir wünschen, wenn man Mitglieder in deutschnationalen Burschenschaften hat, die diesem Antisemitismus frönen und diesen mit Gesängen bejubeln (Bundesrat Leinfellner: Jetzt hör aber auf!), die „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ singen, dass man auch hier deutliche Worte findet und sagt: Diesen Antisemitismus lehnen wir zutiefst ab. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Spanring: Da müssen Sie mir die zeigen, die das machen!)
Meine Damen und Herren! Ohne Schoah würden vermutlich noch über 200 000 Menschen in Österreich leben, die sich als Juden oder Jüdinnen sehen – heute sind es um die 10 000 Menschen. Das sind schon immer noch erschütternde Zahlen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir – und da bin ich froh, dass das alle Parteien machen – zu diesen 10 000 Menschen sagen: Wir wollen nicht, dass ihr eure jüdischen Symbole, eure Ketterln, eure Davidsterne, was auch immer ihr tragt, verstecken müsst. Deswegen werden wir und müssen wir auch gegen jeglichen Antisemitismus vorgehen, ganz egal von welcher Seite. Es gibt viele, viele Formen des Antisemitismus, sei es als Antiimperialismus getarnter Judenhass, sei es ein rechtsextremer Judenhass, sei es ein deutschnationaler Judenhass oder sei es ein muslimischer Judenhass. Es ist eine Bedrohung, gegen die wir alle aufstehen müssen.
Ich möchte hier schon auch, weil es um dieses Gesetz geht, meine persönliche Freude kundtun. Ich habe ja schon öfter Mitglieder des Bundesrates eingeladen, den jüdischen Friedhof in Währing zu besuchen. Wie viele von Ihnen wissen, war ich damals ein recht junger Landtagsabgeordneter und Gemeinderat in Wien und habe zufällig über diesen Währinger jüdischen Friedhof, der völlig vergessen war, in einem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“ gelesen, den damals Charles Ritterband geschrieben hat, und habe dann angefangen, mich für diesen wunderschönen Währinger jüdischen Friedhof zu engagieren.
Es ist ein wunderschöner Biedermeierfriedhof aus dem späten 18. und dem 19. Jahrhundert, wo man Leute kennenlernt, die in Wien unter anderem den Musikverein gegründet haben, das Palais Epstein, das jetzt zum Parlament gehört, erbauen ließen – Herr Epstein liegt auf diesem Friedhof –, auch die Gründer der Nordwestbahn, der Westbahn oder der Südbahn liegen dort, die Gründer der Rudolfstiftung liegen dort, ebenso wie Mitbegründer des Musikvereins oder Mitbegründer der Sozialdemokratie. Die Geschichte dieser Juden und Jüdinnen, die am Währinger Friedhof liegen, ist auch die Geschichte der dritten jüdischen Gemeinde. – Es ist auch wichtig, das zu wissen: Das war die dritte; wir haben jetzt die vierte jüdische Gemeinde. So oft haben wir schon Juden aus der Stadt vertrieben. Es ist auch wichtig, dass man sich immer wieder daran erinnert, dass schon im Mittelalter, in den 1670er-Jahren und 1938 Vernichtungsfeldzüge gegen Juden in Österreich und in Wien stattgefunden haben.
Ja, und dass dieser Friedhof, der so lange in einem Dämmerschlaf lag und so vergessen war und für den ich mich so eingesetzt habe – und ich möchte in diesem Zusammenhang auch einen Namen besonders erwähnen, nämlich jenen von meiner Kollegin im Wiener Landtag Jennifer Kickert, die, als ich dann einmal aus der Politik rausgegangen bin, dieses Engagement übernommen hat und in besonderem Ausmaß für die Rettung dieses Friedhofs gekämpft hat –, jetzt saniert wird und zugänglich gemacht wird, dass wir jetzt und jedes Jahr wieder Summen dafür beschließen, ich glaube, dass genau diese Sichtbarkeit der jüdischen Geschichte auch so wichtig ist im Kampf gegen Antisemitismus.
So schwierig das Thema heute ist, ich erlaube mir, mich darüber zu freuen, dass wir diesen Friedhof sanieren. Ich freue mich auch, dass wir das allumfassend, vonseiten aller Parteien unterstützen. Herr Kollege Arlamovsky möchte sich ja auch zum Beispiel jetzt in diesem Verein zur Rettung des Währinger jüdischen Friedhofs einsetzen, worüber ich mich sehr freue. Das ist wichtig.
Ich glaube, es ist uns ein gemeinsames Anliegen, den Antisemitismus zu bekämpfen. Der heute vorliegende Gesetzesbeschluss ist dazu ein ganz wesentlicher Schritt, auch wenn ich dazusagen muss: Diese Summen, die wir für den Schutz jüdischer Einrichtungen zur Verfügung stellen, und da geht es nicht nur um religiöse Einrichtungen, sondern da geht es um Schulen, um Kindergärten und dergleichen, auch um Sportstätten – denken wir zum Beispiel an die Hakoah-Gründe –, haben wir uns natürlich vor diesem 7. Oktober überlegt. Wir sollten daher vielleicht an die jüdischen Communities auch das Signal aussenden: Wenn ihr etwas braucht, dann kommt zu uns! – Ich glaube, wir alle hier sind bereit, mit ihnen darüber zu reden, was zum Schutz von jüdischen Einrichtungen in diesem Land notwendig ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
14.32
Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Karoline Edtstadler. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.