16.30

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist mehr als bedauerlich, dass der Kanzler der Republik es nicht für wert befindet, zur Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage in den Bundesrat zu kommen. (Rufe bei der SPÖ: Wieder einmal!) Das ist wirklich sehr, sehr bedauerlich, weil wir alle gemeinsam ja darum kämpfen, für den Bundesrat eine möglichst hohe Wertschätzung zu erzielen. Dass der Kanzler es nicht für wert befindet, herzukommen, ist sehr bedauerlich. – Frau Staatssekretärin, Sie haben die Antworten wunderbar vorgelesen, alles bestens. Man merkt richtig, dass Sie nur bei einzelnen Teilen wirklich mitleben. Das ist halt so, wenn man in der Materie nicht sattelfest ist, aber da kann man nichts machen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Das Problem der Bundesregierung ist, dass sie es nicht geschafft hat, die Inflation zu dämpfen. Das ist das Hauptproblem. Das ist das Problem in der Mietfrage und das ist das Problem in der Lohnfrage. Das ist auch das Problem in vielen Fragen der sozialen Leistungen. Ihr Scheitern bei der Inflationsbekämpfung fällt uns an allen Ecken und Enden auf den Kopf und macht die Situation schwieriger und schwieriger (Beifall bei der SPÖ), im Besonderen was das Thema Mieten betrifft. Die Mieten sind ein riesiges Problem für die Menschen. Die Erhöhung der Mieten in den letzten Jahren – teilweise wurden sie in den letzten Jahren dreimal erhöht – bringt viele Menschen an den Rand ihrer Existenzmöglichkeiten. Wenn die Mieten einen so riesigen Anteil des monatlichen Einkommens einnehmen, dann haben die Menschen keine Chance, außer den lebensnotwendigen noch irgendwelche anderen Ausgaben zu tätigen.

Für uns war es wichtig, von Anfang an zu sagen: Es braucht eine Mietpreisbremse und keine Schmähpartie wie die, die jetzt voraussichtlich kommen wird, die vor vier Monaten angekündigt wurde. Bis jetzt liegt noch immer nichts vor. Wir wissen nicht, was die Regierung vorhat. Wir wissen nicht, was für einen Mietpreisdeckel sie machen wird. Anscheinend hat aber auch die Bundesregierung erkannt, dass wir ein Problem bei den Mieten haben. Wir haben das schon wesentlich früher erkannt. Es wäre klug gewesen, bei den Mieten einzugreifen, und zwar äußerst klug und dringend notwendig, um die Menschen zu entlasten. (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP vor allen Dingen interessiert das Thema nicht, das ist mir völlig klar, aber es ist ein Problem für 4,4 Millionen Menschen, die in einer Mietwohnung wohnen, und zwar ein riesiges Problem: Wie sollen wir das jetzt schultern? Wie sollen wir das jetzt machen? Mich hat neulich ein Kollege angesprochen und gesagt: Meine Miete haben sie jetzt das dritte Mal erhöht, ich weiß jetzt nicht, was für Packerl für meine Kinder unter dem Weihnachtsbaum liegen sollen, weil ich schauen muss, dass ich meine Fixkosten bei der Miete abdecke. – So schaut es in der Realität aus.

Hätte es nicht die Eingriffe in die Mietstrukturen besonders der sozialdemokratisch geführten Länder gegeben, dort, wo sie es können – bei den geförderten Mietwohnungen, bei den sozialen Mietwohnungen, – würde es in vielen Ländern noch viel schlechter aussehen. In den von der ÖVP geführten Ländern, auch gemeinsam mit der FPÖ, schaut das aber anders aus, dort gibt es keinen Deckel.

In Wahrheit geht es doch darum: Die ÖVP – und die Grünen haben da mitgespielt – wollte auf keinen Fall in den Markt eingreifen. So schaut es aus! Die Hausbesitzer und die Immobilienspekulanten haben sich unendlich gefreut, dass man die Mieterhöhungen hat durchlaufen lassen und keine Mietpreisbremse eingesetzt hat, denn für sie heißt das Gewinne; ganz einfach, ganz simpel Gewinne – und das auf Kosten der Menschen, die sich ihre Mieten nicht leisten können. (Beifall bei der SPÖ.) Ich meine, so kann man doch mit Leuten nicht umgehen, das ist ja unglaublich.

Ganz ehrlich – das muss man schon sagen –, wenn man an die Leute denkt und wenn einem wichtig ist, wie es ihnen geht, dann agiert man anders. Das ist so in der Kinderbildung bei den rot geführten Ländern und das ist so beim Mietpreisdeckel. Ich erinnere nur daran, dass das Burgenland die Mieten für 3 000 Genossenschaftswohnungen auf dem Niveau von Dezember 2022 eingefroren hat, dass Kärnten die Mietsteigerung in gemeindeeigenen Wohnungen in Klagenfurt, Villach, St. Veit und Wolfsberg auf maximal 2,5 Prozent von 2023 bis 2025 herabsetzt. Davon profitieren 20 000 Menschen. In Wien werden jetzt die Mietpreisanpassungen für insgesamt 185 000 Gemeindewohnungen für 2024 und für 2025 eingefroren. Davon profitieren 370 000 Menschen. Außerdem gibt es in Wien noch erhöhte Wohnbeihilfen, weil der Stadt, der rot geführten Stadt, auch mit Unterstützung der NEOS, völlig klar ist, dass es wichtig ist, die Menschen jetzt bei den Mieten zu unterstützen. Die Mieten sind Inflationstreiber, ganz eindeutig. Hätten Sie früher gehandelt, hätten wir jetzt viele Probleme nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe, dass Sie, wenn Sie jetzt Ihr kleines Mietpreisbremserl umsetzen, dann bitte auch nicht auf die kleinen Geschäfte vergessen. Auch sie brauchen eine Mietpreisbremse. Es ist klar, dass die Erhöhung der Geschäftsmieten für die Betreiber ein unglaubliches Problem ist. Sie werden diese Erhöhungen wieder an die Kundinnen und Kunden weitergeben, und damit haben wir wieder einen Inflationstreiber. Ich hoffe also, dass Sie nicht auf den Einzelhandel vergessen haben, denn das wäre ganz, ganz wichtig.

Die Bauwirtschaft im Gesamten liegt jetzt, ganz ehrlich, extrem darnieder. Wir haben ein riesiges Problem in der Bauwirtschaft insgesamt. Sie haben schon richtig gesagt, junge Menschen können es sich nicht mehr leisten, ein Haus zu bauen. Wie bitte sollen sie das angesichts dieser unglaublichen Teuerungsraten finanzieren? Sie können es sich einfach nicht mehr leisten. Was haben Sie unternommen, als es darum ging, sie zu unterstützen? Die Kreditmöglichkeiten, diese vergünstigten Kreditmöglichkeiten, die man ganz mühsam mit der Europäischen Union ausverhandelt hat, hat Kanzler Kurz binnen kürzester Zeit abgedreht, das wollte man nicht. Es wäre eine Chance für junge Menschen gewesen, einfach einen günstigeren Kredit zu bekommen, damit sie sich Eigenheim schaffen können, aber das wollte man nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn das Baugewerbe jetzt nicht wirklich ordentlich stimuliert wird, haben wir ein riesiges Problem – nicht nur ein bisschen, sondern ordentlich. Klar ist, wir haben ein Plus von 13 Prozent bei den Insolvenzen im Baubereich, und wir haben in diesem Monat einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um plus 14 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des letzten Jahres. Wenn es im Baugewerbe mit der Arbeitslosigkeit losgeht, dann passiert das auch in allen anderen Branchen. Das färbt auf alle anderen Branchen ab. Da muss man einen Rettungsschirm einziehen, und zwar ganz dringend, das ist ganz wichtig.

Wir müssen den sozialen Wohnbau stärken. Jetzt, da wir wissen, dass Mietwohnungen sozusagen die einzige Möglichkeit für junge Menschen sind, sich alleine irgendwie eine eigene Existenz aufzubauen, es keine neuen Bauvorhaben gibt und der soziale Wohnbau zurückgefahren wird, siehe Beispiel Niederösterreich, ist natürlich der Druck auf die Mieten und die Mietpreise noch einmal höher. Wo sollen sie denn anders unterkommen? Es bleibt nur, sich eine Mietwohnung zu nehmen und dann wieder abhängig zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Anzahl der Mieten, die befristet sind, ist, ganz ehrlich, unglaublich hoch, und befristete Miete heißt immer Abhängigkeit. Das heißt, wenn der Mietvertrag ausläuft, muss man darum betteln, dass er wieder verlängert wird, und das bedeutet, die Mieten können wieder angehoben werden. So passiert das am freien Mietmarkt. Wenn man nicht wirklich eingreift und sagt, es braucht auch bei den frei zu vergebenden Wohnungen einen Mietpreisdeckel, der wirklich wirkt, dann wird nichts passieren. Wenn Sie jetzt dieses kleine Deckelchen mit 5 Prozent machen, dann hoffen Sie doch in Wahrheit darauf, dass die Inflation doch noch so weit sinkt – wenn wir Glück haben, wenn das irgendwie geht –, dass es nicht mehr schlagend wird. Das ist ja keine Mietpreisbremse, das ist eine absolute Schmähpartie! So kann man mit den Menschen nicht umgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Ihrer Ausrede, Frau Staatssekretärin, ganz ehrlich – Sie haben sich da wirklich sehr bemüht –, eine Erhöhung der Leerstandsabgabe sei nicht möglich, das müssten die Länder regeln: Nein, die Länder – soweit es ihnen in ihrem gesetzlichen Rahmen möglich ist –, jene, die besonders von Leerständen betroffen sind, haben sie schon hinaufgesetzt. Jetzt braucht es eine Regelung auf Bundesebene, damit man wirklich eine Leerstandsabgabe machen kann, die wehtut, damit die Wohnungen auf den Markt kommen und junge Menschen die Chance haben, eine Wohnung zu mieten.

Ich weiß schon, auch da tut sich die FPÖ sehr schwer. Ich kann mich noch erinnern, als wir den Antrag zu einer Erhöhung der Leerstandsabgabe gestellt haben, ist die FPÖ damals nicht mitgegangen. Wir wissen, die FPÖ ist eine laute und eine sehr energische Partei, aber wenn es um Lösungen geht oder wenn es um die Frage geht, wo man in den Markt eingreifen kann, damit es den Menschen besser geht, wenn es darum geht, dass die anderen, die viel haben, etwas abgeben könnten, na dann tut sich die FPÖ schon sehr schwer. Dafür haben wir viele, viele Beispiele, keine Frage. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Man kann viel reden, aber man weiß, was passiert. Also auch das ist ganz klar: Wir sehen, da stehen Sie sicher nicht auf der Seite jener Menschen, die wirklich Unterstützung brauchen. (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Doppler und Spanring.)

Weil sehr viele von uns heute diesen Button gegen Gewalt an Frauen tragen: Das ist ein wichtiges Thema. Für Frauen stellt sich die Frage: Wie können sie aus Beziehungen, die schlecht für die Frauen sind, hinauskommen? Das führt aber auch zur Frage: Kann sich eine Frau eine eigene Wohnung leisten? Kann sie es sich leisten, ihren eigenen Weg zu gehen?

Ich habe jetzt mit vielen Frauen gesprochen, auch mit Frauen, die von Gewalt bedroht sind, und die haben mir gesagt: Ganz ehrlich, bei dieser Teuerung und bei diesen Mieten kann ich nicht gehen, auch wenn ich es möchte, weil ich es mir nicht leisten kann!

Das ist schon bedrückend. Umso wichtiger ist es, zu schauen, dass man jetzt wirklich eine Mietpreisbremse einzieht, die den Menschen hilft, die entlastet und die den Menschen die Sorgen nimmt. Daher stellen wir den folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mietpreisstopp jetzt“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage betreffend umfassendes Reformpaket für leistbares Wohnen.

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen für einen Mietpreisstopp enthalten, insbesondere“ – und darum geht es jetzt –

„- die Rücknahme der Indexierungen der Richtwertmieten vom 1. April 2023 sowie der Kategoriemieten vom 1. Juli 2023

- das Einfrieren sämtlicher Mieten bis Ende 2025

- ab 2026 erfolgt die Indexierung nicht mehr nach VPI, sondern richtet sich am Leitzinssatz der EZB aus, maximal jedoch“ – und darum geht es jetzt – „2% p.a.“

*****

So muss man das deckeln, um wirklich den Menschen zu helfen.

Ganz ehrlich: Wir können alle schön schwadronieren. Frau Staatssekretärin, Sie haben wunderbar geredet, aber der Punkt ist: Hätte man früher eingegriffen, hätte man wirklich eine Mietpreisbremse eingezogen, dann wären viele Menschen von vielen Sorgen befreit und würden sich jetzt leichtertun. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir können alle nur hoffen, dass es nicht wieder – wie die große Ankündigungsgeschichte, es werde eine Mietpreisbremse geben; vier Monate haben Sie gebraucht, und noch immer liegt nichts da – so eine kleine Schmähpartie wird, sondern wirklich eine gescheite Mietpreisbremse, mit der man die Menschen entlastet. Die Situation für die Menschen wird nämlich nicht leichter, auch nicht im nächsten Jahr. Wir haben jetzt gesehen, unter welchen Belastungen die Menschen stehen.

Wenn die Belastungen für sie noch größer werden, dann wird die Gefahr für die Demokratie größer, auch das muss einem klar sein. Menschen, die Probleme mit ihrem Einkommen haben, die Probleme haben, ihren Alltag irgendwie auf die Reihe zu kriegen, haben kein Vertrauen in die Demokratie. Das ist leider die Schlussfolgerung, die man ziehen muss, das muss einem klar sein.

Darum braucht es keine Entlastungspakete für die Unternehmen, die großen Unternehmen, die eh schon wirklich sehr, sehr gut unterstützt wurden, sondern es braucht jetzt ganz dringend Entlastungspakete für die Menschen, damit sie wieder Vertrauen und die Sicherheit haben, dass sie ein gutes Leben führen können. Es braucht aber auch Entlastungspakete für die Kleingewerbetreibenden, für all jene, die ein Geschäft haben, für all jene, die sich bemühen. Auch da braucht es Entlastungspakete.

Die Großen sind von Ihnen übermäßig ausgestattet worden. Jetzt sind die Menschen dran, die es wirklich brauchen. Ich fürchte aber, bis zum Ende dieser Bundesregierung wird das nicht mehr geschafft werden, und dann braucht es bei all der Schuldenlast, die Sie uns jetzt mitgeben, einfach einen neuen Aufbruch. Das ist notwendig. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.43

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Mietpreisstopp jetzt“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte schön.