16.50

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir kommen nun zu der Dringlichen Anfrage mit dem Titel: „Was tun Sie gegen Schlepperkriminalität, Herr Innenminister?“, die wir heute eingebracht haben.

Wir hatten heute, denke ich, schon sehr, sehr viele wichtige Tagesordnungspunkte. Bei diesem Tagesordnungspunkt, bei dieser Dringlichen Anfrage, geht es um sehr, sehr viel. Da geht es um Menschen, die gestorben sind, um Tote; da geht es um Schwerverletzte aus den letzten Jahren; da geht es um Polizisten, die mit der Arbeit überlastet sind; da gibt es viele, die beim Bundesheer arbeiten, die mit der Situation überlastet sind.

Seit Jahren und Monaten, Herr Minister, ist das Problem der Schlepperkriminalität im Burgenland bekannt. Vor allem im letzten halben Jahr kam es zu sehr, sehr vielen Aufgriffen von Schleppern, aber auch zu An- und Übergriffen durch Schlepper auf die Exekutive, wie ich schon vorhin angemerkt habe.

Damit ich einige Zahlen dazu nenne: Bis Jahresende 2023, und halten Sie sich jetzt fest, kam es alleine im Burgenland zu 30 000 Aufgriffen von Geflüchteten sowie zu 289 Verhaftungen von Schleppern. Das ist annähernd die Hälfte aller rund 600 Verhaftungen bundesweit. Um es noch ein bisschen deutlicher zu machen: Die Justizanstalt in Eisenstadt hat eine Insassenbelegung von ungefähr 200 Personen. Von diesen 200 Insassen sind momentan 170 Schlepper. – Nur damit wir wissen, von welchen Dimensionen wir da schon sprechen.

Das Burgenland ist speziell in den Grenzregionen zum Hotspot der internationalen – nicht der nationalen, sondern der internationalen! – Schlepperkriminalität gemacht worden, weil die zuständigen Innenminister in den vergangenen Jahren ihrer Verantwortung unserer Ansicht nach nicht nachgekommen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Während die verantwortlichen ÖVP-Politiker im Bund fälschlicherweise immer behauptet haben, die Balkanroute sei geschlossen, und der ehemalige FPÖ-Innenminister Kickl – das kann ich hier auch nicht auslassen – sich zwar damit brüstete, der Zuwanderung ein Ende zu machen, aber über den Tausch des Taferls in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen, wir wissen es noch, und der Anschaffung von Pferden für die Polizei nicht hinauskam, wurde die Bevölkerung, die tatsächlich vom Problem der Schlepperkriminalität betroffen ist, ganz alleine gelassen.

Da halfen auch zahlreiche Bilder, die haben wir auch noch gut im Kopf, von Migrationsgipfeln zwischen Bundeskanzler Nehammer mit seinem Amtskollegen aus Serbien, Aleksandar Vučić, und Viktor Orbán aus Ungarn in Wahrheit gar nichts. Auch wenn diese öffentlichkeitswirksam suggerieren sollten, dass da Lösungen gefunden wurden, sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache. Das lässt sich auch an einigen Beispielen aufzeigen.

Ich werde jetzt einige Zahlen nennen: Über hundert Mal durchbrachen Schlepper 2023 Verkehrskontrollen an der österreichisch-ungarischen Grenze zum Burgenland, anstatt bei den Grenzen anzuhalten – über hundert Mal! Im Mai 2023 wurden Verkehrsteilnehmer durch Schlepper auf der Flucht gefährdet und zwei parkende Fahrzeuge in Oberpullendorf beschädigt. Im Juli 2023 wurden im Bezirk Güssing Schlepper festgenommen, die in Litzelsdorf auf ein Taxi warteten, nachdem sie einen Kastenwagen mit zwei Geflüchteten in Ollersdorf zurückgelassen hatten.

Im September 2023 kam es an den Grenzübergängen in Pamhagen und Klingenbach zu Verfolgungsjagden, wobei Polizeikontrollen durchbrochen wurden. Durch Warnschüsse wurden die Schlepper gestoppt. In einem Kastenwagen befanden sich 42 Personen. Im Oktober 2023 kam es zu einem Unfall mit mehreren Verletzten, als ein Schleppertransporter nach einem Unfall über die Leitschienen geschleudert wurde.

In den letzten zwei Jahren, werte Kolleginnen und Kollegen, starben im Burgenland durch die Brutalität der Schlepper fünf geflüchtete Menschen und Dutzende wurden schwer verletzt. Es passieren Übergriffe auf die Exekutive, Verfolgungsjagden und Verkehrsunfälle, auch mit Todesfolge, was klarerweise wiederum die Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung erhöht.

Da müssten ja in Wahrheit im dafür zuständigen Innenministerium schon lange die Alarmglocken schrillen. Die Situation ist für die betroffene burgenländische Bevölkerung und, das habe ich vorhin auch schon erwähnt, für die Exekutivbeamten und das Bundesheer unzumutbar geworden. Eine effektive Lösung für die hohen Asylantragszahlen kann nur auf europäischer Ebene verhandelt werden, weshalb der EU-Asyl- und Migrationspakt ein wichtiges Element zur Lösung der Herausforderungen im Bereich der ungleichen Verteilung innerhalb der EU ist.

Der darin vorgesehene Solidaritätsmechanismus würde mit einem Schwung dazu führen, dass auch in Österreich die Antragszahlen endlich sinken würden. Österreich hat seit Jahren eine der höchsten Zahlen im Bereich der Asylanträge und bewältigt diese auch. Sie wissen es, 2022 waren es 100 000, 2023 an die 60 000. Der Innenminister und der Bundeskanzler posieren aber lieber für Fotos mit ihren Amtskollegen, und das sage ich auch, mit Amtskollegen, die die geltenden Gesetze brechen.

Nach wie vor gibt es keine Konsequenzen, die aus dem fortlaufenden Bruch von EU-Recht, der durch die Nichtzulassung von Asylverfahren in Ungarn täglich geschieht, gezogen werden. Der ÖVP geht es ganz offensichtlich nicht um die Lösung der Frage, wie man ein funktionierendes europäisches Asylsystem auf die Beine bekommt, sondern um eine Polarisierung im aufkommenden Wahlkampf – das ist eindeutig –, um mit der FPÖ quasi in ein Rennen zu kommen. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Steiner: Da können wir jetzt auch nix dafür!)

Aufgrund dessen hat der Burgenländische Landtag bereits am 25.1. einen Dringlichkeitsantrag beschlossen – dafür möchte ich dem Landeshauptmann natürlich danken, dass er da mit Klubobmann Dr. Roland Fürst die Initiative ergriffen hat –, im Zuge dessen der Innenminister aufgefordert wird, endlich zu handeln. Zentrale Punkte darin sind, Sie wissen es: „unverzüglich einen Aktionsplan gegen die eskalierende Schlepperkriminalität vorlegen und“ auch „umzusetzen“; „die Kapazitäten für Kontrollen der Polizei und des Bundesheeres an den Grenzübergängen, der ‚grünen Grenze‘ sowie im grenznahen Bereich im Burgenland erhöhen und damit auch die Rahmenbedingungen für die Polizeibeamten im Grenzeinsatz verbessern und auf EU-Ebene sicherstellen, dass der EU-Migrationspakt rasch zu einer wirksamen Anwendung gelangt.“

Da jeden Tag erneut Gefahr durch die Schlepperkriminalität besteht, stellen die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte nachfolgende dringliche Fragen. Ich habe lange überlegt, ob ich jetzt auch alle Fragen hier über das Mikrofon praktisch nachfragen werde. Ich werde das machen, damit auch Sie als Bundesrätinnen und Bundesräte wissen, was gefragt wird, die Bevölkerung draußen weiß, was gefragt wird, und ob Sie, Herr Minister, auch die für uns ordentlichen Antworten darauf haben.

Frage 1: „Wie viele Polizist:innen sind zur Grenzsicherung im Burgenland im Einsatz?“

„Wie viele von ihnen sind an den Grenzstationen postiert?“

„Wie gestalten sich diese Zahlen für die anderen österreichischen Bundesländer?“

Frage 2: „Wie viele Angehörige des Bundesheers sind im Rahmen eines Assistenzeinsatzes zur Grenzsicherung im Burgenland im Einsatz?“

„Wie viele von ihnen haben die Grundausbildung bereits absolviert?“

„Welchem Dienstgrad gehören diese an? Listen Sie bitte diese“ auch „in absoluten Zahlen auf.“

„Wie viele von ihnen sind an den Grenzstationen“ tatsächlich „postiert?“

„Wo sind jene Angehörige des Bundesheers positioniert, die nicht an Grenzstationen im Einsatz sind?“

„Wie gestalten sich diese Zahlen für die anderen österreichischen Bundesländer?“

Frage 3: „Inwieweit stehen“ die bekannte „Operation Fox, die Sie ja als Vorzeigeprojekt von Österreich in Kooperation mit Ungarn verkaufen, und die Freilassungsaktion Orbans im vergangenen Frühjahr, bei dem er weit über 1.000 Schlepper aus der Haft entlassen hatte, sofern diese sofort im Anschluss das Land verlassen“, also Ungarn verlassen, „in Widerspruch zueinander?“

Frage 4:„Wurden in Folge der Freilassungsaktion Orbans Schlepper in Österreich festgenommen, die zuvor bereits in Ungarn auf Grund von Schlepperei inhaftiert waren?“

„Wenn ja: Wie viele?“

„Wenn ja: Was geschah in weiterer Folge mit diesen?“

„Wenn nein: Liegen Ihnen Daten vor, wie viele der inhaftierten Schlepper in Ungarn nach ihrer Freilassung nach Österreich ausgereist sind?

„Wenn nein: Wie können Sie sicherstellen, dass keiner dieser Schlepper in Österreich wieder mit den Schleppereidelikten kriminell wird?“

Frage 5: „Wie viele verurteilte Schlepper werden nach Verbüßung der Haftstrafe nachweislich außer Landes gebracht?“

Frage 6: „Sie haben in einer Anfragebeantwortung [...] angegeben, dass es 2022 insgesamt 712 Aufgriffe von Schleppern gegeben hat, 2023 660 Schlepper festgenommen wurden (Stand 18.12.2023), wovon 282 im Burgenland festgenommen wurden. Wie hoch war die Anzahl der festgenommenen Schlepper im Jahr 2023 gesamt?“

Frage 7: „Wie hoch ist die Anzahl der im Jahr 2024 aufgegriffenen bzw. festgenommenen Schlepper und wo wurden diese aufgegriffen?

Frage 8: „Sie haben in derselben Anfragebeantwortung angegeben, dass es keine Auswertungen zu erweiterten Fällen von Straftaten (Sachbeschädigung, Gefährdung an Leib und Leben, Unfällen mit Schleppern, Todesfälle, etc.) im Rahmen von Schlepperkriminalität gibt. Aus welchem Grund werden diese Statistiken nicht geführt und ist das für die tatsächliche, realistische Gefahreneinschätzung durch Schlepper nicht essentiell?“

Frage 9: „Sie haben angegeben, dass Österreich rund 120 Polizist:innen nach Ungarn und Serbien entsendet sowie im Rahmen von Frontex in Albanien, Kosovo, Bulgarien, Griechenland, Italien, Kroatien, Litauen, Malta, Montenegro, Nordmazedonien, Rumänien und Serbien eingesetzt. Wie wird sich diese Zahl im Jahr 2024 entwickeln?“

Dazu eine Zusatzfrage: „Kam es im Rahmen dieser Einsätze zu Verletzungen der eingesetzten Polizist:innen im Dienst?“

Und: „Wie viele Delikte von Schlepperkriminalität konnte durch diesen Einsatz verhindert werden?“

„Wie hoch sind die Kosten für diese Einsätze für Österreich?“

Frage 10: „Sie haben angegeben, dass Österreich in migrationsrelevanten Drittstaaten Projekte initiiert hat und führen dazu das gemeinsame Engagement mit Dänemark in Tunesien an. Was konkret geschieht dort und wie viele österreichische Einsatzkräfte stehen dort im Einsatz?“

Frage 11: „Welche weiteren Projekte gibt es im Rahmen der Zusammenarbeit mit migrationsrelevanten Drittstaaten? Listen Sie diese bitte konkret auf und geben Sie an, inwieweit Österreich dabei involviert ist bzw. wie viele Kräfte dort im Einsatz stehen.“

Frage 12: „Haben Sie im Gegensatz zu Ihren Vorgängern auch Projekte, die sogenannte ,Hilfe vor Ort‘ leisten, umgesetzt, oder geht es ausschließlich um sicherheitspolizeiliche Maßnahmen?“

Frage 13: „Sie geben an, dass Ende 2023 rund 40 Polizist:innen im Rahmen der Operation Fox – einer ,Maßnahme im internationalen Grenzkontrollraum‘ im Einsatz standen. Im Jahr 2024 soll diese Anzahl auf 60 Polizist:innen anwachsen, wobei bereits 180 Schlepper durch die Operation Fox in Ungarn festgenommen werden konnten. Können Sie auf Grund der Lage in Ungarn sicherstellen, dass diese ihrer gerechten Strafe zugeführt werden und nicht in der Lage sind, weiterhin Menschen nach Österreich zu schleppen?“

Dazu die Zusatzfrage: „Wenn nein: Welchen Sinn hat die Operation Fox, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Schlepper, die in deren Rahmen festgenommen werden konnten, dann auch ihre Strafe verbüßen müssen?“

Frage 14: „Ist Ihnen bekannt, ob von den 180 Schleppern im Rahmen der ungarischen Freilassungsaktion solche freigekommen sind, die zuvor mühsam dingfest gemacht werden mussten?“

„Falls ja: Wie viele?“

Und: „Falls ja: Haben Sie bzw. der Regierungschef im Rahmen ihrer vitalen Kontakte zu Ungarn ihr Missfallen darüber kundgetan und entsprechende Schritte eingefordert, dass dies nicht mehr geschieht?“

Frage 15: „Wie hoch ist die Zahl der Schlepper, die im Jahr 2024 im Rahmen der Operation Fox bereits festgenommen werden konnte?“

Frage 16: „Wie hoch sind die Kosten für die Operation Fox seit Beginn ihres Bestehens im Jahr und wie ist der Budgetpfad im kommenden Jahr bis Mai?“

Zusatzfrage a: „Welche Mehrkosten sind bei der Operation Fox für Personal entstanden und wie setzten sich diese zusammen?

b: Welche Beschaffungen wurden im Rahmen der Operation Fox getätigt und welche Kosten entstanden damit für die jeweiligen Beschaffungen?“

Frage 17: „Wie hoch sind die Mehrkosten beim Personal für alle Auslandseinsätze und gelistet nach den einzelnen Ländern? Woraus setzen sich diese Mehrkosten im Detail zusammen?“

Zusatzfrage: „Wurde im Rahmen der Auslandseinsätze Beschaffungen getätigt? Falls ja, welche und wofür bzw. zu welchen Kosten?“

Frage 18: „Wird die Operation Fox nach Mai 2024 weiterlaufen?“

„Wenn ja: Aus welchen konkreten Gründen und für wie lange?“

„Wenn nein: Wieso nicht?“

Frage 19: „Führen Sie bzw. ihr Ministerium regelmäßig Gespräche mit der ungarischen Regierung und den ungarischen Behörden zur Evaluierung des laufenden Betriebs der Operation Fox?“

„Falls ja: Wer führt diese auf welcher Ebene und in welchen Abständen?“

Und: „Falls ja: Was sind die bisherigen Ergebnisse dieser Besprechungen und welche wurden bereits umgesetzt?“

Punkt c: „Falls nein: Wieso nicht?“

Dann die Frage 20, die mir als Bundesrat aus dem Burgenland sehr, sehr wichtig ist: „Der Burgenländische Landtag hat erst in seiner Sitzung am 25. Jänner 2024 einen Dringlichkeitsantrag [...] an Sie gerichtet, in dem ein Aktionsplan gegen die eskalierende Schlepperkriminalität gefordert wird. Werden Sie einen derartigen Aktionsplan vorlegen und wenn ja bis wann?“

Frage 21: „Werden Sie sich dafür einsetzen, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten, den EU-Asyl- und Migrationspakt ehestmöglich zu einem positiven Abschluss zu bringen, um damit auch den Solidaritätsmechanismus in Europa in Kraft zu setzen?“

„Wenn ja: Wie werden Sie das konkret tun?“

Und: „Wenn nein: Warum nicht?“

Jetzt zur letzten Frage, die Frage 22: „Mit wie vielen und welchen Staaten konnten in dieser Legislaturperiode neue Rückführungs- bzw. Rückübernahmeabkommen abgeschlossen werden?“

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.04

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.