9.15
Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Gäste und Zuseher:innen zu Hause! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Einen schönen guten Morgen! Ich werde meine Rede ganz der Elementarbildung widmen. Die Lehrer:innen kommen ja zu einem späteren Zeitpunkt, bei einem eigenen Tagesordnungspunkt noch einmal dran. (Präsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)
Ich möchte mit meinen Eindrücken beginnen, weil ich gestern Nachmittag in einer Elementarbildungseinrichtung, in einem Kindergarten in meinem Heimatbezirk, in der Donaustadt, sein durfte, ich wurde eingeladen. Es ist jedes Mal ein Highlight, in so einer Einrichtung zu Gast zu sein. In diesem Bezirk, wo ich wohne, und in diesem Kindergarten kommen natürlich Familien aus dem Bezirk, aber schlussendlich aus allen Ländern dieser Erde zusammen – so bunt, wie dieser Bezirk und wie Wien eben sind. Etwas verspätet, aber doch haben wir gemeinsam mit den Eltern, den Kindern und den Kolleg:innen Ostern und gleichzeitig Iftar gefeiert. Alle Eltern haben etwas zu essen mitgebracht, wir haben gemeinsam gegessen, gespielt, gesungen. Es war ein wunderbarer Nachmittag.
Kinder lernen bei solchen Aktivitäten und im Alltag (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) den Respekt vor Kulturen, den Respekt vor jedem Kind und seiner Familie, und das ist die Grundlage für ein gutes Zusammenleben hier in Wien und überall in unserem Land.
Die Pädagog:innen und die Assistent:innen, die in diesem Kindergarten und in jeder einzelnen Krabbelstube und in jedem Kindergarten in Österreich arbeiten, leisten Unglaubliches und Hervorragendes. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Wir reden übrigens von ungefähr 67 000 Mitarbeiter:innen in diesem Bereich, und diese Mitarbeiter:innen leben Kindern vor, wie ein gutes Zusammenleben funktioniert. Sie fördern jedes einzelne Kind, damit es ihm gut geht. Sie bereiten jeden Tag Lernangebote vor.
Ich werde einfach nicht müde – und ich sage das auch in jeder Rede zu diesem Thema –, zu bestaunen, wie im Kindergarten gelernt wird: Kinder lernen beim Spielen, beim Entdecken, beim Ausprobieren, und das ohne Noten, ohne Stress, ohne Druck. Darum finde ich, dass der Kindergarten das Modell für Lernen ist und eigentlich auch Modell für alle anderen Bildungseinrichtungen sein sollte.
Warum erzähle ich das alles hier im Bundesrat? – Der Kindergarten ist erwiesenermaßen eine Einrichtung, die im Leben eines Kindes einen bedeutenden Unterschied machen kann. Diese Investitionen zu diesem frühen Zeitpunkt im Leben eines Kindes rechnen sich, sie rechnen sich auch volkswirtschaftlich, und zwar achtfach, wie uns die Wissenschaft bewiesen hat. Das alles wissen wir schon seit längerer Zeit, und obwohl wir diese Bedeutung kennen, ist die elementare Bildung unserer Kinder in Österreich eine Baustelle, eine große Baustelle, die von dieser Bundesregierung schon so lange nicht bearbeitet wird.
Ich möchte die Probleme jetzt benennen, und der Kinderbetreuungsmonitor, der gestern präsentiert wurde, gibt mir recht:
Problem Numero eins: Wir haben nicht genug Plätze für jedes Kind. Bei den unter Dreijährigen sind wir gerade einmal bei einem Drittel aller Kinder, die einen Platz haben. Damit erfüllen wir nicht einmal die alte Quote, die sich die EU-Staaten selbst auferlegt haben. Über 33 Prozent in institutioneller Betreuung erreichen zurzeit die Länder Wien, das Burgenland und Vorarlberg. Nach wie vor hat also nicht jedes Kind, das gerne einen Platz hätte, einen Kinderbildungsplatz. Das ist ein Problem, denn der Kindergarten ist die erste Bildungseinrichtung, und jedes Kind hat das Recht auf Bildung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Jagl. – Ruf bei der SPÖ: Genau!)
Es geht aber noch weiter: Nur die Hälfte der Kinder, die einen Platz haben, haben einen Ganztagesplatz. Die Hälfte dieser Kinder kann also nur halbtags in eine Kinderbetreuungseinrichtung gehen. Oberösterreich und Niederösterreich sind dabei trauriges Schlusslicht. Das bedeutet auch, dass nicht einmal die Hälfte der Eltern, deren Kinder einen solchen Kindergartenplatz haben, Vollzeit berufstätig sein können. Das heißt auch: Wir sind weit weg von dieser – meine Vorrednerin hat sie schon erwähnt – sogenannten Wahlfreiheit, die immer propagiert wird. Es gibt nichts auszuwählen, wenn das entsprechende Angebot nicht vorhanden ist.
Daher sagen wir als Sozialdemokrat:innen: Jedes einzelne Kind in diesem Land soll einen Bildungsplatz haben, es hat das Recht auf solch einen Platz und es soll einen Anspruch darauf haben. Darum reden wir von einem Rechtsanspruch für jedes Kind auf einen entsprechenden Bildungsplatz.
Besonders ärgerlich in diesem Zusammenhang ist, dass wir schon einmal kurz davor waren, diesen ganztägigen Ausbau von Kinderbetreuung zustande zu bringen, bis Ex-Kanzler Kurz dazwischengegrätscht ist und Bundesländer gegeneinander aufwiegeln wollte – das ist tatsächlich zum Schaden unserer Kinder und zum Schaden unserer Familien, und das ist nicht akzeptabel. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Weil wir alle SMSen interpretieren können, nicht?)
Ein weiteres Problem, das wir in diesem Bereich haben, sind die Kosten. (Bundesrat Himmer: Was würden wir interpretieren, wenn wir die SMSen der Sozialdemokratie hätten? Da täten wir auch gescheit schauen!) Nicht alle Kinder haben einen kostenlosen Bildungsplatz. Es ist von der Postleitzahl abhängig, wie viel ein ganztägiger Bildungsplatz in Österreich kostet, und das ist unfair. Dabei hätten die Elementarbildungseinrichtungen das Potenzial, Talente zu fördern, die wir in allen Branchen brauchen, sie hätten das Potenzial, Kinderarmut entgegenzuwirken.
Jedenfalls ist eines fix: Dort, wo wir als SPÖ regieren, ist die Kinderbildung gratis, und zwar im Burgenland, in Kärnten und in Wien! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir als Sozialdemokrat:innen gehen noch weiter und sagen: Der nächste Schritt muss sein, dass diese Angebote nicht nur kostenlos sind, sondern auch ein warmes vollwertiges Mittagessen für jedes Kind beinhalten. (Beifall bei der SPÖ.)
Ein drittes Problem, mit dem wir konfrontiert sind, sind die Öffnungszeiten, die Öffnungszeiten pro Tag und die Öffnungszeiten pro Jahr, denn was machen berufstätige Eltern in den Ferien? Es gibt in vielen Bundesländern mehr Schließtage, als berufstätige Eltern Urlaubstage haben. Und auch diesbezüglich gibt es gravierende Unterschiede je nach Bundesland, auch da ist es wieder von der Postleitzahl abhängig.
Ein weiteres Problem, Frau Ministerin, ist die Tatsache, dass nicht alle Kinder den Kindergarten besuchen können, speziell dann, wenn es Kinder sind, die eine Behinderung haben. Inklusive Plätze sind in unserem Land wirklich Mangelware.
Wir als Kinderfreunde führen zurzeit einen inklusiven Leuchtturmkindergarten und haben 80 Familien auf der Warteliste, die ganz dringend für ihr Kind mit Behinderung einen Platz suchen.
Noch ein Thema, noch ein Problem, mit dem wir konfrontiert sind: der akute Personalmangel. Wir sind ehrlicherweise, was diesen Personalmangel betrifft, näher beim Schließen der Gruppen als beim Ausbau und beim Öffnen von Einrichtungen. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist leider eine traurige Tatsache.
Was brauchen wir also ganz dringend in der Elementarbildung? – Wir brauchen mehr Menschen, wir brauchen mehr Köpfe, die in diesen Einrichtungen arbeiten können und mit unseren Kindern arbeiten.
Dafür brauchen wir einerseits dringend eine Ausbildungsoffensive, die wirklich wirkt, und wir brauchen gleichzeitig, damit junge Menschen in diesen Beruf gehen, damit die Kolleg:innen im Beruf bleiben, bessere Arbeitsbedingungen, sonst können wir das Personal nicht finden und nicht halten.
Ich weiß, was sicher helfen würde – das haben mir auch die Kolleg:innen gestern mitgegeben –: Eine Arbeitszeitreduktion würde helfen, denn man stelle sich vor, man ist jeden Tag mit mindestens 20 Kindern mehrere Stunden in einem Raum. Das bedeutet, dass diese Kolleg:innen auch mehr Erholung brauchen, mehr Erholungsphasen und mehr Zeit, um sich vorzubereiten, um sich für jedes einzelne Kind vorzubereiten, um Zeit für Gespräche mit Eltern zu haben, um Zeit zu haben, um die Aktivitäten zu planen, um Zeit zu haben, um Kinderschutz umzusetzen und vieles andere mehr.
Vieles davon machen die Elementarpädagog:innen nebenbei, und sie brennen langsam aus. Es wird knapp, es verlassen viele ihren Job, weil sie einfach nicht mehr können und zu wenig Zeit für das haben, wofür sie eigentlich ausgebildet wurden.
Das heißt, mein Plädoyer ist: Investieren wir in unsere Kinder in diesen jungen Jahren, denn es macht sich später mehrfach bezahlt. Und es ist gut und auch ein Stück weit mutig, Frau Ministerin, dass wir heute dieses Thema auf dem Tisch haben, denn die Zeit drängt. Der Monitor von gestern hat aufgezeigt, welche Lücken wir in diesem Bereich haben. Bisher ist von dieser Regierung nicht allzu viel gekommen, und es steht nur mehr ein halbes Jahr zur Verfügung, um all diese Lücken zu schließen.
Das wird knapp, aber machen wir das gemeinsam! Sie können mit uns rechnen, wir unterstützen Sie, damit wir weiter voranschreiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
9.25
Präsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Doppler. – Bitte sehr.