16.46

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsi­dentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren zu Hause via Livestream! So manchen Beitrag der FPÖ kennt man jetzt und ist man auch schon gewohnt, was das Niveau betrifft. Heute hat sich die FPÖ aber wieder durchaus ausge­zeichnet und sogar das eigene Niveau noch untergraben. (Heiterkeit bei Bundes­rät:innen der ÖVP.) Wir haben da jetzt gehört, dass in Schulen Schüler gefangen gehalten werden, und solche Dinge. Tiefer geht es also kaum mehr. (Ruf bei der FPÖ: Was sprechen Sie? – Bundesrat Spanring: Sinnerfassend zuhören, Frau Kollegin, sinnerfassend zuhören, gerade als Lehrerin! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Wir haben jetzt gehört, dass das ach so hohe Christentum euch ja so wichtig ist. Da muss ich euch schon bitten, da vielleicht einmal ehrlich zu sein und zuzuhören. (Bundesrat Spanring: Sinnerfassend zuhören!) – Nachher kannst du dich sehr gerne noch einmal zu Wort melden, jetzt wäre Zuhören angesagt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Ihr habt das Christentum für euch auserkoren als offensichtlich einzig wahre Religion. (Bundesrat Steiner: Das christliche Abendland! – Bundesrat Span­ring: Nein, haben wir nicht!) Spannenderweise nehmt ihr euch dann nur Teile he­raus, die euch so in den Kram passen, denn – ich weiß nicht, ob ihr es schon einmal gehört habt – meines Wissens sind schon einige Werte im Chris­tentum wichtig, von denen ihr offensichtlich relativ wenig haltet. Wie schaut es da mit Nächstenliebe aus? Wie schaut es mit Toleranz aus? – Davon ist bei euch überhaupt nichts zu hören und zu spüren. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Eines muss man euch schon sagen: Ich habe in den beiden Reden, die wir bis jetzt von euch gehört haben, noch keine einzige Lösung gehört, keine einzige Skizzierung, wie sich die FPÖ die Bildungspolitik tatsächlich vor­stellt. (Bundesrat Spanring: Ja, weil du nicht zugehört hast!) Wir haben nur Kritik, Kritik, Kritik und vor allen Dingen viel Hass gehört. Eines muss man auch sagen: Mit Hass löst man kein einziges Problem – auch nicht die FPÖ. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Aha, die Einheitspartei! – Bundesrat Spanring: Da helfts ihr wieder alle zusammen!)

Mit dieser Dringlichen Anfrage, mit der wir uns heute beschäftigen (Bundesrat Steiner: Ich werdet euch noch alle grausen!), wurde in Wahrheit nur in eine einzige Richtung geframet, nämlich dahin gehend, dass ihr eure Social-Media-Accounts bedienen könnt. Das war spätestens ab der dritten Zeile des Anfragetextes und spätestens in der ersten Minute der ersten Rednerin von eurer Seite klar. (Bundesrat Spanring: Für das, dass du keine Aufrufe hast, können wir nichts!) Gut, dann nutzen wir die Gelegenheit und reden wir wirklich einmal über Bildung und über Bildungspolitik. (Bundesrat Steiner: Nur weil sich für dich niemand interessiert! Für deine Reden interessiert sich halt niemand, aber da kann ich nichts dafür!) – Du brauchst dich gar nicht so aufzuregen. Es ist nur schade um deinen Blutdruck. Ich wollte es nur gesagt haben. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Steiner: Der passt schon ganz gut! Ja, aber du hast auch immer ein bissl ...!)

Aus meiner Sicht ist Bildung das wirklich zentralste und wichtigste politische Thema überhaupt, denn – und darüber müssen wir uns alle klar sein – Bildung macht Zukunft (Bundesrat Steiner: Wer im Glashaus sitzt, wollte ich sagen!), Bildung gibt Chancen und Bildung muss Chancen geben. Daher ist eine gute, nachhaltige und zukunftsgerichtete Bildungspolitik auch so wichtig.

Schauen wir es uns einmal an: Wie gut war denn Ihre Bildungspolitik in den letzten Jahren, Herr Minister? (Bundesrat Spanring: Na, wie oft haben wir den Bildungsminister gestellt?) Die gesamte Regierungsmannschaft hat von den „Oberösterreichischen Nachrichten“ für ihre Leistungen in der abge­laufenen Regierungsperiode sozusagen Noten bekommen, Beurtei­lungen bekommen. Am 5. Juli schreiben die „Oberösterreichischen Nachrichten“ über Sie: „In den Schulen herrscht weiter Stillstand und Mängelverwal­tung“ – und Sie sind das einzige Regierungsmitglied mit einem glatten Nicht genügend. Das sagt aus meiner Sicht schon sehr viel aus, und das muss ich als jemand, der aus diesem Bereich kommt und in diesem Bereich arbeitet, leider bestätigen.

Glauben Sie mir, mir wäre es viel, viel lieber, wenn wir hier eine wesent­lich bessere Note verteilen könnten, denn – das muss man schon sagen –: Leid­tragende in diesem nicht funktionierenden Bildungssystem sind schlicht und einfach die Kinder, sind die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Lehrkräfte und all jene Personen, die in diesem Bereich tätig sind.

Schauen wir uns einmal unterschiedliche Bereiche an, in denen es Bau­stellen gibt! Stichwort Elementarpädagogik – eine der größten Baustellen in Österreich, wie ich finde (Beifall bei der SPÖ) –: Die Politik muss die ele­mentarpädagogischen Einrichtungen endlich als erste Bildungseinrichtung wahrnehmen und als solche auch entsprechend finanziell und perso­nell ausstatten. (Beifall bei der SPÖ.) Da wird eben nicht nur ein bisschen gespielt, sondern da werden Grundlagen für die weitere Bildungslaufbahn gelegt, und daher braucht es dort auch eine bestausgebildete Mannschaft, Frauschaft an Elementarpädagoginnen und -pädagogen, auch mit entsprechender Bezahlung, mit wesentlich kleineren Gruppen, ja ganz generell einfach mit besseren Arbeitsbedingungen, die das Berufsbild dann auch entspre­chend attraktiver machen müssen.

Wien macht es vor und hat zum Beispiel auch die Assistent:innenstunden in der Elementarbildung erhöht, um die Kolleg:innen zu entlasten. Da hat Wien ganz enorm viel Geld in die Hand genommen, weil vom Bund in diese Richtung leider gar nichts kommt. – Mein Dank an Wien und meine Gratulation! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)

Liebe FPÖ, noch zu eurer Herdprämie, die ihr ja in vielen Bundesländern so pro­klamiert (Ruf bei der FPÖ: Salzburg!) und die ihr in Salzburg, in Niederöster­reich gerne hättet; ich weiß es eh, das brauchst du mir nicht hereinzuschreien, das weiß ich auch so. Das habt ihr ja ins Regierungsabkommen hineinge­schrieben, und dem muss man ganz klar eine Absage erteilen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), denn das wäre das absolut Schlechteste, was man vor allen Dingen – und das kritisiert ihr ja so – in puncto Integration überhaupt nur machen könnte; von den schwindenden Chancen für die Frauen ganz abgesehen. Ihr seid in Wahrheit, und das ist ganz klar zu erkennen, gar nicht da­ran interessiert, dass man in irgendeiner Form Probleme – weder im Bereich Bildung noch im Bereich Integration (Bundesrat Steiner: Remigration! Remigration!) – löst und in den Griff kriegt, weil euch dann das Wahlkampfthema fehlt. (Bundesrat Steiner: Remigration!) Um nichts anderes geht es der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrät:innen Gross und Sumah-Vospernik.)

Stichwort Deutschförderklassen, weil es gut zum Themenbereich Integration passt: Sie haben die Deutschförderklassen vorhin selbst angespro­chen und stellen ihnen doch ein gutes, ein positives Zeugnis aus. Dem muss ich leider komplett widersprechen, und nicht nur ich, sondern auch zahl­reiche Bildungsexpertinnen und -experten tun das (Zwischenruf bei der ÖVP), denn wir wissen heute, nach den ersten Jahren nach Umsetzen dieses Modells, dass sie jeglichen evidenzbasierten Erkenntnissen widersprechen, was die Sprachentwicklung betrifft. Wir alle wissen: Kinder, Jugendliche lernen Sprache am besten miteinander, voneinander und nicht segregiert und separiert in einzelnen Gruppen. (Zwischenruf des Bundesrates Zauner.) Deutschförderklassen begünstigen die soziale Ausgrenzung und sie sind in den Schulen irrsinnig schwer zu organisieren (neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Zauner – Bundesrätin Schumann: Der Herr Zauner wird zum Bildungsexperten!), daher ist auch das weiterhin eine Baustelle. (Beifall bei der SPÖ.)

Stichwort Lehrkräftemangel: Jetzt gibt es die Initiative Klasse Job und, ja, man muss schlicht und einfach sagen, das ist in irgendeiner Form, glaube ich, ein Ausdruck einer gewissen Verzweiflung, denn man weiß ganz genau, was sie gekostet hat und was sie bringt beziehungsweise was sie gebracht hat. Ich bin da – kleiner Sidestep – schon sehr gespannt auf Ihre Beantwortung der Anfrage meinerseits, die ja in wenigen Tagen eintrudeln müsste; also ich bin da schon sehr auf Zahlen, Daten, Fakten gespannt.

Was den Lehrermangel betrifft: Ja, wen wundert es eigentlich? – Ich kann mich noch gut erinnern, als ich überlegt habe, wo es studienmäßig hingehen soll, also vor etwas über 20 Jahren, hat es eine Ministerin namens Gehrer gege­ben, die einmal gemeint hat: Liebe Jugendliche, werdet bitte bloß nicht Lehrerinnen oder Lehrer, wir haben ja eh so viele! – Heute sehen wir, wir haben den Salat, es gibt nämlich schlicht und einfach kaum mehr Lehrkräfte. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Es gibt kaum mehr eine Schule, an der nicht zumindest eine Lehrkraft fehlt; offene Stellen werden oft so­gar mehrmals ausgeschrieben; Fächerkombinationen, die man eigentlich braucht, können aufgrund der Ausschreibungen nicht abgedeckt werden – und eine Besserung der Situation ist aufgrund von Pensionierungswellen und so wei­ter in den nächsten Jahren definitiv nicht in Sicht.

Stichwort Digitalisierung: Es gibt – das Positive zuerst – mittlerweile an den meisten Schulen digitale Endgeräte für alle Schülerinnen und Schüler, und diese werden auch entsprechend eingesetzt und genutzt; das kann ich auch aus eigener Erfahrung im eigenen Haus berichten. Das Problem ist aber, dass die Digitalisierung auch viel Betreuung und viel technische Unter­stützung erfordert, und die ist schlicht und einfach nicht gegeben. 1, 2, maximal 3 Absetzstunden für die IT-Betreuung an einem Schulstandort: Das ist nicht einmal der viel zitierte Tropfen auf den heißen Stein. Wenn man einen großzügigen Schulerhalter hat, dann hat man vielleicht Glück und irgend­eine externe Firma übernimmt das tägliche Troubleshooting – und das ist bei 150, 200 oder mehr digitalen Endgeräten in einem Haus einfach dringend nötig. Da werden die Lehrkräfte leider völlig alleingelassen.

Sie werden mit vielen anderen Dingen ebenfalls alleingelassen, Stichwort Ent­lastungspaket für Pädagog:innen sowie für Schulleiter:innen. Sie haben ja erst vor wenigen Wochen ein großes Zehnpunktepaket angekündigt, worauf­hin dann auch die Personalvertretung der FCG sehr schnell und flott entsprechende Aussendungen (ein Schriftstück in die Höhe haltend) getätigt hat. Da ist von Administratorenstunden an Pflichtschulen die Rede, da ist von „Verbesserungen im SPF-Verfahren“ die Rede, da ist von zahlreichen ande­ren Dingen die Rede. Allerdings geben Sie dann schon auch zu – und das steht hier auch schwarz auf weiß –: „Legistische Anpassungen [...] sind dazu erforderlich“. – Allein die sind noch nicht erfolgt.

Ich frage mich, ob sich das bis zum Ende der Ferien und bis zum Beginn des neuen Schuljahres noch ausgehen kann. Ich vermute ja einmal, dass diese Ankündigung eher der kommenden Personalvertretungswahl im Herbst geschuldet ist und der Minister da der FCG einen Dienst erweisen wollte; aber das ist nur meine Interpretation des Ganzen.

Stichwort Inklusion: Auch das ist eine weitere Baustelle. Viele, viele Jahre ist es her, dass Österreich die UN-Konvention ratifiziert hat. Nach wie vor ist Österreich Schlusslicht, was die Inklusion betrifft. Trotz Ratifizierung und trotz Bekenntnis zu einem inklusiven Schul- und Bildungssystem sind wir nicht in der Lage, alle Kinder, die einen entsprechenden Bedarf haben, gleichermaßen mitzunehmen. Die Realität sieht leider ganz, ganz anders aus, denn es werden – und das weiß ich als Niederösterreicherin aus erster Hand – Sonderschulen ganz, ganz eindeutig noch weiter einzementiert und ge­fördert (Zwischenruf des Bundesrates Zauner – Bundesrätin Schumann: Der Herr Zauner wird zum Bildungsexperten! Schau ihn an!), anstatt dass in ge­eignete Rahmenbedingungen für eine wahre und echte Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung investiert wird. Das ist leider die Wahrheit. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Fragt einmal Betroffene! So ist es leider, also da hält sich der soziale Teil der ÖVP leider auch in Grenzen.

Stichwort Sozialarbeit und Schulpsychologie: Wir sehen, dass die Heraus­forderungen für junge Menschen in den letzten Jahren eklatant gestiegen sind. Es gibt zahlreiche Krisen, die die jungen Menschen auch zu verarbeiten haben, sei es die extreme Teuerung, seien es finanzielle Schwierigkeiten der Eltern, der Krieg in der Ukraine, Corona; die sozialen Medien, die immer schwieriger zu handeln sind, tragen das Übrige dazu bei. Jugendliche brauchen oftmals psychologische Unterstützung in irgendeiner Form, bloß ist die an den Schulen nicht gegeben und nicht vorhanden. Aus meiner Sicht ganz, ganz dringend notwendig ist eine Schulsozialarbeiterin, ein Schulsozialarbeiter an jedem Schulstandort, fix stationiert, damit, wenn Bedarf gegeben ist, auch wirklich gehandelt und unterstützt werden kann (Beifall bei der SPÖ), denn am Ende bleiben die Lehrkräfte mit solchen Problemen oftmals alleine. Ich selbst habe als Lehrerin immer wieder gesehen: Nicht jeder Jugendliche öffnet sich einer Lehrkraft immer so, wie es vielleicht nötig wäre und für die Un­terstützung auch hilfreich wäre; daher sind derartige Personen und unter­stützendes Personal ganz, ganz dringend notwendig.

Von den viel zu langen – wirklich viel, viel zu langen – Wartezeiten in den Ambu­lanzen und stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychologie brauche ich nicht mehr zu sprechen, das haben wir an dieser Stelle schon wiederholt gemacht. Das ist leider, leider hinlänglich bekannt.

Ich könnte jetzt noch viele, viele weitere Baustellen – unzählige Baustellen – anführen. (Bundesrat Spanring: Das habt ihr mitverursacht mit Corona! Nicht Kindesweglegung betreiben!) Unter dem Strich gibt es leider für keine Baustelle eine nachhaltige, längerfristige Lösung. Es gibt lediglich das eine oder andere Pflaster, das irgendwohin geklebt wird; Stichwort VWA, Stichwort Digitalisierungspaket, das wir ja morgen noch beschließen sollen.

In Wahrheit, und da müssen wir ehrlich sein, ist aber kein Bildungssystem in Europa so ungerecht und hängt so stark vom sozioökonomischen Hinter­grund der Eltern ab wie das in Österreich. In keinem Bildungssystem wird Bildung also so stark vererbt wie in Österreich.

Das Schulsystem in Österreich ist auf Segregation ausgelegt, auf Trennung ausgelegt. Dabei bestätigen uns zahlreiche namhafte Bildungsexperten seit Jahren, dass die frühe Trennung mit zehn Jahren einfach bildungspolitischer Humbug ist und Chancen nimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das sehen wir auch ganz eindeutig an aktuellen Zahlen von Arbeiterkammer, Statistik Austria und vielen anderen: 57 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Universitätsabschluss haben, erreichen in Österreich ebenfalls einen Hochschulabschluss, während es aber nur 7 Prozent der Schüler von Eltern mit Pflichtschulabschluss sind, die einen akademi­schen Abschluss erreichen. Da klaffen also wirklich Welten auseinander.

Das Traurige ist – das muss man offen so ansprechen –: Bildung ist in Österreich schlicht und einfach Glückssache, und die Bildungspolitik respektive der Bildungsminister nimmt das achselzuckend zur Kenntnis. – Aus meiner Sicht kann es und darf es das nicht sein.

Es muss Fördern statt Trennen heißen, das muss im Zentrum stehen, wenn wir wirklich eine ordentliche Bildungspolitik machen wollen (Bundesrat Steiner: Remigration ...!); denn – und das ist auch klar – wenn Bildungschancen nicht ergriffen werden können, weil die Möglichkeit dazu gar nicht besteht, erzeugt das Druck. Das erzeugt auch finanziellen Druck. Wir sehen das Jahr für Jahr: Im letzten Jahr waren es beispielsweise 120 Millionen Euro, die die Eltern in Österreich für Nachhilfe ausgeben mussten – 120 Millio­nen Euro in einem einzigen Schuljahr! Noch dazu steigt Jahr für Jahr auch die Nachhilfequote um einige Prozentpunkte.

Ich darf hier an dieser Stelle, weil es gut dazu passt, eine Bildungsexpertin der Arbeiterkammer, Ilkim Erdost, zitieren, die ganz klar sagt: „Ein Schulsys­tem, das auf Lernen zu Hause und Elternunterstützung“ aufbaut, ist „nicht mehr zeitgemäß. Bildungsungerechtigkeit“ wird „damit einzementiert. Bestes Gegenmittel ist [...] die verschränkte Ganztagesschule. Es braucht aber auch ge­nügend Fördermöglichkeiten, eine drastische Senkung der Schulkosten und Entlastungen für armutsgefährdete Familien und Alleinerzie­hende.“ (Bundesrat Kofler: Also doch ...!)

Ganz offen: Wien hat das erkannt und hat das umgesetzt und entsprechende Maßnahmen gesetzt, wozu man nur gratulieren kann und wofür man wirklich Danke sagen kann. (Beifall bei der SPÖ.) Die machen vor, wie es eben geht. Wien macht vor, wie man mit Problemen, die vonseiten des Bun­des nicht gelöst werden, umgeht (Bundesrat Himmer: Aber da lachen ja die Hühner!), und das kann und muss als Vorbild für alle anderen Bundesländer gelten. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, ich muss Sie noch ganz persönlich ansprechen. Sie haben kürzlich den „Oberösterreichischen Nachrichten“ ein Interview gegeben und dabei Folgendes gesagt – und ich zitiere wieder –: „Wir haben im vori­gen Jahr alle Unterrichtsstunden abhalten können und wir werden auch in diesem Unterrichtsjahr alle Stunden abhalten – es ist nicht leicht, aber wir haben es im Griff.“ – Klingt gut, aber ich muss Sie ein bisschen enttäuschen: Nicht Sie haben das im Griff. Es funktioniert, ja, es läuft. Bildung und Schule funktionieren, aber nur aus einem einzigen Grund: weil wir in Österreich nämlich Tausende irrsinnig engagierte, fleißige, oftmals weit über das dienstlich erforderliche Ausmaß tätige Lehrkräfte und Schulleiter:innen haben, die weit mehr machen, als sie müssten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ruf.)

Es funktioniert nur deshalb, weil Lehrkräfte Zigtausende Überstunden machen, damit Klassen besetzt werden können und damit der Unterricht auf­rechterhalten werden kann. (Zwischenruf des Bundesrates Kofler.)

Es funktioniert nur deshalb, weil Lehrkräfte freiwillig und völlig unbe­zahlt mit den Schüler:innen Exkursionen machen, Projekte machen, zu sport­lichen Turnieren, Wettkämpfen fahren und vieles mehr. Sie überneh­men gleichzeitig auch die Verantwortung, die Aufsichtspflicht, und bekommen für diese Teilnahmen an sogenannten schulbezogenen Veranstaltungen keinen Cent vom Dienstgeber bezahlt.

Es funktioniert deshalb, weil Pädagoginnen und Pädagogen sich ihrer Verant­wortung bewusst sind und die Kinder und Jugendlichen sowie ihre Eltern und Erziehungsberechtigten – auch im übertragenen Sinne – nicht alleinlassen und alles, egal um welches Problem es sich handelt – um Stundenreduzie­rungen, um Lehrkräftemangel und vieles andere mehr –, so gut es geht auffangen, auch auf die Gefahr hin, sich damit selbst auszubrennen. Und das sehen wir leider tagtäglich, Kündigungen sind im Lehrberuf leider keine Seltenheit.

Daher auch von dieser Stelle und von meiner Seite ein Danke, ein großes, großes Dankeschön an alle Pädagoginnen und Pädagogen in unserem Land, an alle meine Kolleginnen und Kollegen, an die Schulleiterinnen und Schulleiter: Sie halten in Wahrheit unsere Schulen am Laufen, und dafür gilt es, wirklich Danke zu sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Hauschildt-Buschberger, Jagl und Ruf.)

Abschließend: Eines ist klar, und da, glaube ich oder hoffe ich, sind wir uns frak­tionsübergreifend einig: Bildung ist eine Grundlage, eine ganz wichtige Grundlage für ein selbstbestimmtes, für ein geglücktes, für ein gesundes Leben und ist insofern auch eine immens wichtige volkswirtschaftliche Grundlage. Das muss uns klar sein, und das muss es uns in Österreich auch schlicht und ein­fach wert sein.

Wir wissen ja, vergleichsweise ist das österreichische Bildungssystem ein eher teures, die Frage ist aber nur, wie viel von dem Geld, das in das Bildungssystem gesteckt wird, auch tatsächlich bei den Schülerinnen und Schülern ankommt. – Das ist leider viel, viel zu wenig. Es bleibt zu einem großen Teil im System hängen.

Daher mein Appell an Sie – (in Richtung Bundesminister Polaschek) Ihre Amtszeit ist ja nur mehr eine vergleichsweise kurze, aber dennoch –: Jedes Kind in Österreich, ganz egal mit welchem Hintergrund und ganz egal, woher es kommt, verdient die beste Bildung. Es geht darum, dass allen Kindern alle Chancen offenstehen, und daran müssen wir arbeiten! Dazu gehört die ganztägige Betreuung, dazu gehört ein warmes Mittagessen, dazu gehören interessen- und begabungsorientierte Angebote, mehr echte Schulauto­nomie – die vermisse ich bis dato noch – und die besten Pädagoginnen und Pädagogen.

Ich habe jetzt mit Freude gelesen, Sie wollen auch die verschränkte Ganztagesschule forcieren und weiterentwickeln. – Ja, das ist etwas, was wir schon über viele, viele Jahre hinweg fordern und als Modelle immer wieder irgendwo vorstellen, wie auch beispielsweise an meiner Schule. Es hat lange gedauert, aber man kann immer klüger werden. Insofern freue ich mich sehr.

Ich bin mir sicher, in der nächsten Legislaturperiode mit einem oder einer so­zialdemokratischen Bildungsminister oder -ministerin werden wir es umsetzen. – In diesem Sinne: Vielen Dank und Glück auf! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Das haben wir ja noch nie gehabt, oder?)

17.06

Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.