12.10
Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Schreuder: Du hast einen Zettel mit!) Es ist ja fast schon aufgelegt: Gerade vorhin hat man dem Arbeitsminister gesagt, ihn interessiert gar nicht, was am österreichischen Arbeitsmarkt passiert. Jetzt reden wir über drei Gesetze, für die die Legistik aus seinem Ministerium kommt – und er ist schon wieder weg. (Bundesrätin Hahn: Quod erat demonstrandum! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Er ist schon wieder weg – und er schickt schon wieder seine Staatssekretärin, die jetzt bei mir zum Handkuss kommt und sich die Kritik der Opposition anhören muss. Er selbst nimmt sie nicht wahr, es ist ihm wieder einmal egal – und das bestätigt nur alles, was wir gerade vorhin gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir haben auch gesagt, das habe ich besonders stark hervorgehoben, dass sich Minister Kocher dadurch hervorgetan hat, dass er immer wieder Angriffe gegen Arbeitnehmer:innen reitet. Dieser ist eher schleichend, weil er nicht wirklich wie ein Angriff daherkommt. Es ist mehr eine vertane Chance. Sie können sich vielleicht erinnern, während der Covid-Pandemie hat sich das Homeoffice sehr verbreitet. Die Bundesregierung hat sich dann nach sehr, sehr langem Zögern dazu entschlossen, dem vielleicht legistisch ein bisschen nachzugehen und ein Homeofficepaket zu schnüren – ein Homeofficepaket, das das Minimum dargestellt hat.
Man hat es extrem eng beschränkt; diese Regelungen galten nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den eigenen vier Wänden beziehungsweise bei nahen Angehörigen wie der Lebensgefährtin, und nicht darüber hinaus. Wenn man zum Beispiel bei einem Freund oder im Café gearbeitet hat, war das nicht mehr abgedeckt, und die Sonderregelungen galten alle nicht. Das hat für Kritik gesorgt – quer durch, egal, wer es war, in der Wissenschaft, in der Lehre, überall wurde das kritisiert. Jetzt, nach einiger Zeit, hat man sich dazu entschlossen, das zu öffnen.
Man nennt das Ganze jetzt Telearbeitsgesetz – und man weitet es eben auf genau diese Örtlichkeiten aus. Was man dabei aber nicht tut, ist, all die anderen offenen Dinge mitzuregeln, die man regeln könnte. Was wissen wir nämlich auch? – Es gab eine Befragung. Das Ministerium hat ja in diesem Fall tatsächlich davor etwas gemacht. Man hat L&R Sozialforschung betrieben, hat die Leute gefragt – und 70 Prozent der Arbeitnehmer:innen im Homeoffice haben gesagt, sie kriegen keinen angemessenen Kostenersatz für all das, was sie selbst zur Verfügung stellen, wofür sich der Arbeitgeber auch die Kosten erspart, weil er ja nichts mehr zur Verfügung stellen muss (Zwischenrufe bei der SPÖ) – die Personen arbeiten von zu Hause aus –; also er muss nicht, er kann – das ist offen –, aber er muss prinzipiell nicht.
Das ist so spannend, weil im Gesetzestext nur drinsteht, es ist ein angemessener Kostenersatz für digitale Arbeitsmittel zu leisten. Was ist denn bitte angemessen? – Niemand weiß es so recht, deswegen war es auch schon beim Obersten Gerichtshof. Es gab eine Formel, zu der der Oberste Gerichtshof gar keine Stellung bezogen hat, weil er gesagt hat, das wurde nicht ausreichend gerügt, dass er dazu inhaltlich etwas sagen muss. Wir wissen es daher weiter nicht.
Was macht die Bundesregierung? – Sie schaut sich das an und sagt: Nein, das regeln wir wieder nicht! Das Gesetz enthält wieder keine klare Regelung. Wir werden wieder darauf angewiesen sein, dass Gerichte für uns sagen, was dieses Gesetz überhaupt bedeutet. Das ist zu wenig.
Wir haben zusätzlich die Sache, dass Homeoffice und dann Telearbeit praktisch aus Beweisgründen schriftlich vereinbart werden muss. Das ist zivilrechtlich ein Wahnsinn, ein Blödsinn. Das gibt es ja gar nicht. Entweder ist etwas schriftlich zu vereinbaren, dann ist es Voraussetzung dafür, dass es gilt – oder es ist etwas aus Beweisgründen zu machen, dann ist es nicht Voraussetzung dafür, dass es gilt. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Wir haben einfach beides widersprüchlich im Gesetzestext drin. Auch das wurde im Rahmen der Evaluierung kritisiert. Das wurde nicht geändert. Der Kostenersatz wurde nicht geändert. All diese Fragen wurden offengelassen.
Zusätzlich hat man sich noch die sozialversicherungsrechtliche Absicherung dieser Arbeitnehmer:innen angesehen – und da geht es um den Unfallversicherungsschutz. Man hat nicht gesagt, dass die Personen während der Telearbeit geschützt sind. Nein, man versucht, eine künstliche Barriere zu machen mit Telearbeit im engeren Sinn und Telearbeit im weiteren Sinn. Wenn man ein bisschen weiter fährt als bis zur Arbeitsstätte – zu dem Telearbeitsplatz –, dann ist man auf einmal nicht mehr in Bezug auf das Wegerisiko abgesichert.
Spannend dabei ist ja: Wenn man auf diesem Weg sein Handy in der Hand hat und eine Mail schreibt, dann hat man sehr wohl Unfallversicherungsschutz. Ja, egal, ob es Telearbeit im weiteren Sinne ist oder nicht – ich habe ihn trotzdem. Warum macht man so eine Regelung überhaupt, wenn man von vornherein weiß, sie ist extrem missbrauchsanfällig, sie ist nicht praxistauglich? Auch da werden die Gerichte bei Beweisfragen feststellen müssen, ob es Unfallversicherungsschutz gab oder nicht.
Warum machen wir solche Gesetze? Warum wird so etwas beschlossen, wo wir von vornherein wissen, es wird danach Wickel geben, weil es unklar ist? Und warum? – Ja, weil die Arbeitgeberseite nicht mitgehen wollte. Und Minister Kocher zeichnet sich dadurch aus, dass er nichts macht, was gegen die Interessen der Industriellenvereinigung geht (Bundesrat Schmid: Genau ...!), und das zeichnet sich auch bei diesem Gesetzespaket wieder ab. (Beifall bei der SPÖ.)
Damit will ich es zu diesem Tagesordnungspunkt lassen. Wir beschließen da unter anderem eben tatsächlich auch eine Verbesserung, basierend auf einer Sozialpartnereinigung in der Baubranche. Die finden wir gut, da werden wir mitgehen. Beim Theaterarbeitsgesetz gibt es auch Änderungen, die wir im Wesentlichen als nicht weitreichend genug sehen. Auch da hätte ich viel zu sagen. Ich werde es an dieser Stelle unterlassen, weil es noch einen wichtigeren Punkt gibt.
Wir haben gestern in der Plenardebatte eines erlebt, nämlich dass hier alle parteiübergreifend applaudieren, wenn es darum geht, sich dafür zu bedanken, dass Menschen im Katastropheneinsatz tätig sind – und das mit vollem Recht. Da müssen wir uns wirklich herzlich bedanken, weil diese Menschen Großartiges für dieses Land leisten. (Ruf bei der SPÖ: Richtig!) Deswegen haben wir 2019 eine Initiative gestartet, dass Arbeitgeber:innen eine Entschädigung erhalten, wenn sie ihren Arbeitnehmern für solche Tätigkeiten freigeben.
Unsere Initiative wurde aufgegriffen – und das ist jetzt im Gesetz. Es gibt allerdings unverändert keinen Rechtsanspruch darauf, dass diese Personen das machen können; auch wenn es zum Beispiel ihr eigenes Haus betrifft, wird es schwierig. Wir wollen das deswegen mit diesem Rechtsanspruch regeln. Da alle gestern so brav in die Hände gepascht haben und gesagt haben, das ist so super, dass sie das machen – was ich auch finde –, schlage ich vor: Unterstützen wir diese Leute doch gemeinsam!
In diesem Sinn bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einsatzkräfte und Betroffene beim Katastropheneinsatz im Beruf absichern!“
Worum geht es? – Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen folgenden Entschließungsantrag:
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit“ – der nicht hier ist – „wird aufgefordert, umgehend dem Nationalrat und dem Bundesrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der ein Rechtsanspruch auf Freistellung und Entgeltfortzahlung für im Katastrophenschutzeinsatz stehende Einsatzkräfte geschaffen wird. Zugleich ist sicherzustellen, dass für im Einsatz befindliche ehrenamtliche Einsatzkräfte, auch eine pauschale Abgeltung etwaiger Verdienstausfälle aus selbständiger Tätigkeit geschaffen wird. Für von Katastrophen Betroffene soll ein Schadensbeseitigungs-Urlaubsanspruch geschaffen werden.“
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Ja, und ähnlich wie schon während der Coronapandemie, als alle gefunden haben, man muss – auch da wiederum zu Recht – den Pflegerinnen und Pflegern und allen Leuten, die in den Spitälern tätig waren, Applaus spenden und Dank aussprechen, bietet sich jetzt auch da die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass dieser Dank tatsächlich auch gesetzgeberische Folgen nach sich zieht. Bei den Pfleger:innen im Gesundheitsbereich haben Sie es nicht gemacht. Vielleicht machen Sie es beim Katastrophenschutz? Sie haben die Chance, Sie können einfach zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)
12.17
Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Mag. Sascha Obrecht, Horst Schachner, Genossinnen und Genossen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Einsatzkräfte und Betroffene beim Katastropheneinsatz im Beruf absichern!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Ruprecht. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.