13.37

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Geschätzte Besucher:innen hier im Sitzungssaal und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, schade, heute hätten wir zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage die Möglichkeit gehabt, über Bildung zu sprechen, aber der Herr Minister ist nicht da – na gut. Ah (in Richtung des den Saal betretenden Bundes­ministers Polaschek), er trifft gerade ein, dann lassen wir ihm doch glatt die Zeit! Das ist schön, es freut mich sehr, dass wir diese Gelegenheit heute noch einmal haben.

Worum geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf? – Wir müssen leider wie so oft wieder einmal feststellen: Wir haben es mit einem auf den ersten Blick vielleicht eher unscheinbaren Gesetz zu tun, mit einer unscheinbaren Sammel­novelle, aber doch mit einigermaßen unterschiedlichen Themen. Diese Themen müssen aus meiner Sicht auch ganz unterschiedlich betrachtet und vor allen Dingen bewertet werden. Man muss auch dazusagen: Wir haben wieder einmal festzustellen, dass es eine sehr, sehr kurze Begutachtungszeit gegeben hat, aber das ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass wir knapp vor einer National­ratswahl stehen; das ist womöglich nicht ganz ohne Grund passiert.

Man muss dazusagen – und das stelle ich immer wieder fest, wenn ich alles, was so zum Bereich Bildung gehört, Revue passieren lasse –, dass in den letzten fünf Jahren unter der aktuellen Regierung, Schwarz-Grün, im Bildungsbereich nicht wirklich etwas weitergegangen ist. Man will offensichtlich den Anschein wahren, indem man jetzt noch schnell, auf den letzten Drücker irgendetwas umsetzt. So kommt es mir jedenfalls vor.

Schauen wir es uns aber einmal genauer an: Worum geht es denn? – Da geht es zum einen um den Bereich der Digitalisierung. Es soll zum Beispiel unter anderem das Portal bildung.gv.at als zentrales Bildungsportal digitale Schule implementiert und sozusagen zu einem Datenverbund ausgebaut werden. Da sind wir auch ehrlich: Da gibt es durchaus positive Ansätze. Dass die Stammdaten der Schülerinnen und Schüler in Zukunft direkt aus dem Melde­register übernommen werden können, ist aus meiner Sicht zum Beispiel durchaus sinnvoll und erspart den Lehrkräften das mühsame händische Eingeben in den Computer, das bis dato immer wieder erfolgen muss. Das Zeugnis soll nun digital ausgestellt werden können und mittels digitaler Signatur fälschungs­sicher ausgestaltet werden – so hat man es mir zumindest auch im Ausschuss versichert. – So weit, so in Ordnung, und da können wir auch noch einigermaßen mitgehen, aber es gibt durchaus noch einige Dinge, die für uns unklar sind und über die man noch einmal reden muss.

Was beispielsweise für uns nicht klar ist: Es sollen dadurch nicht nur adminis­trative, sondern auch unterrichtsbezogene Abläufe vereinfacht werden. Was man sich allerdings darunter jetzt konkret vorstellen kann und soll, geht zumindest für mich aus dem Gesetz in keinster Weise hervor. Ich frage mich, ob da nicht irgendwo wieder sozusagen ein Pferdefuß versteckt ist und sich nicht irgendwo ein Mehraufwand für die Schulen versteckt.

Dazu kommt, dass in den Schulen die unterschiedlichsten Ausgangslagen gegeben sind, was die digitale Infrastruktur betrifft, auch was die Nutzung von Software, Verwaltungs- und Kommunikationssoftware, betrifft. Die einen arbeiten mit SchoolFox, die anderen vielleicht mit Teams oder Untis, die einen verwalten ihre Daten mit Sokrates, andere mit Edwin oder anderen möglichen Softwareanwendungen.

Das heißt, ich habe die Befürchtung, die Schulen werden da ein bisschen alleingelassen. Es wird diesbezüglich einfach Schulungen brauchen, wenn es zu einer Umstellung kommt.

Eines dürfen wir auch nicht vergessen: Es geht auch um Eltern, es geht um Erziehungsberechtigte, und da könnte es auch an der einen oder anderen Stelle Unterstützungsbedarf geben. Wir dürfen nicht vergessen: Nicht jeder ist ein Digital Native und nicht für jeden ist es so ganz easy und einfach, mit digitalen Medien, Handysignatur und ID Austria und wie auch immer diese digitalen Dinge jetzt alle heißen, umzugehen. Da könnte es also durchaus noch Bedarf an Unter­stützung geben.

Im Ausschuss haben wir gehört, dass technisch mit dem Edtech Hub – das ist ein etwas sperriger Begriff – alles bereits längst fertig und technisch umgesetzt ist. Deshalb frage ich mich umso mehr, warum man nicht eine längere Begutachtungs­frist vorgesehen hat und es nicht noch mehr Austausch auch im Vorfeld mit allen Stakeholdern, die da infrage kommen, gegeben hat.

Auf einiges wurde aus meiner Sicht gänzlich vergessen. Es wird jetzt von den Schulen sozusagen verlangt, dass sie dem digitalen Wandel auch entsprechend Rechnung tragen – gut. Es wird sowohl auf unterrichtlicher, aber auch auf Verwaltungs- und administrativer Ebene verlangt, auf digitale Endgeräte zurück­zugreifen, auf digitale Inhalte, digitale Methoden umzustellen. – Ja, natürlich – darüber brauchen wir nicht zu reden –, das ist natürlich wichtig und ein Zeichen der Zeit, aber das muss begleitet werden. Ich frage mich jetzt aber: Wo sind diese zusätzlichen Ressourcen für die IT-Betreuung? Wer soll denn die Technik betreuen, wenn irgendetwas nicht so funktioniert, wie es soll?

Die Schulen brauchen bereits heute weit mehr Unterstützung dabei, als sie tatsächlich haben, denn die Lehrkräfte – und da mache ich ein großes Rufzeichen am Ende des Satzes – sollten ihre Arbeitszeit in erster Linie darauf verwenden können, wofür sie ausgebildet sind, nämlich für die Bildung ihrer Schülerinnen und Schüler. (Beifall bei der SPÖ.) Lehrkräfte sind keine Netzwerkadministratoren und Lehrkräfte sind keine Sekretariatskräfte, aber von zusätzlichem IT-Support ist Ihrerseits eigentlich nie die Rede gewesen, und ist es auch jetzt nicht.

Unverständlich ist für uns auch ein weiterer Punkt, nämlich dass es im Bildungs­dokumentationsgesetz keine Anpassung hinsichtlich des Informationsfreiheits­gesetzes gegeben hat. Das klingt jetzt auch ein bisschen sperrig. Was meine ich damit?

Wir haben die große Befürchtung, dass nämlich ohne gesetzliche Regelung vermutlich zahlreiche Informationsbegehren an die Schulen herangetragen werden. Da könnte es zum Beispiel um das Abschneiden einer Schule bei einer IKM-Plus-Kompetenzmessung gehen oder um eine Abfrage, was die Zusam­mensetzung der Schülerinnen und Schüler betrifft, sei es, was die Religion, den Migrationshintergrund und dergleichen mehr anbelangt. Da fragt man sich dann schon, was unter Umständen mit diesen Daten und Informationen dann in weiterer Folge passieren kann.

Für uns ist das jedenfalls ein absolutes No-Go. Ohne eine klare gesetzliche Rege­lung öffnet das aus unserer Sicht Tür und Tor für öffentlich zugängliche Schul­rankings, und das geht einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Denn: Jede Schule hat unterschiedliche Gegebenheiten und Problemstellungen. Vergleiche wären da aus meiner Sicht unter Umständen gar nicht angebracht und würden womög­lich in einer völlig aus dem Zusammenhang gerissenen Form politisch genutzt und instrumentalisiert werden.

Ein ganz anderer Teil dieser Sammelnovelle betrifft die vorwissenschaftliche Arbeit, die VWA. Dem Gesetzentwurf entsprechend sollen die Schülerinnen und Schüler jetzt zwischen verschiedenen Formen von Abschlussarbeiten im Rahmen der Matura wählen können. Auch das sehen wir grundsätzlich einmal positiv, dass da jetzt der Überarbeitungsprozess in Gang gekommen ist und eine Verände­rung angedacht ist.

Dass man über das Format der Matura auch ganz generell nachdenken muss, sagen wir nicht erst seit gestern. Da hat sich aber in den letzten Jahren aufseiten der Regierung nicht wirklich etwas getan. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Es hat sich in den letzten Jahren einfach der Zugang zu und der Umgang mit Information radikal und drastisch verändert, und das wird auch noch weiterhin der Fall sein. Wohin sich das entwickelt, wissen wir alle miteinander noch nicht – Stichwort KI, Stichwort Chat-GPT und so weiter.

Das heißt, man muss sich die Matura an sich generell einmal anschauen: wie man sie moderner gestalten kann, zeitgemäßer gestalten kann und den heutigen Gegebenheiten anpassen kann. Das ist in den letzten fünf Jahren nicht passiert. Was jetzt vorliegt, ist ein einzelner kleiner Baustein, aber in Wahrheit ein Schnellschuss. Da hätte es wirklich ein großes, umfassendes Paket gebraucht, das wäre sinnvoller gewesen.

Grundsätzlich muss ich festhalten: Es gibt in letzter Zeit zahlreiche Ankündi­gun­gen – das habe ich Ihnen auch gestern schon gesagt –, zuletzt eben dieses große Entlastungspaket, wie Sie es genannt haben, von dem Sie ja selbst gesagt haben, dass Sie hoffen, noch vor dem Sommer zu einem Beschluss zu kom­men. – Gut, das ist jetzt im Nationalrat nicht passiert, zumindest meines Wissens nicht. Ich habe auch noch einmal recherchiert, ob ich nicht irgendetwas in irgendeiner Form übersehen habe, aber: Nein, das ist nicht der Fall.

Man muss sagen, Planungssicherheit für die Schulleiterinnen und Schulleiter, wenn es dann um das nächste Schuljahr geht, schaut anders aus. Das nächste Schuljahr beginnt ja auch schon in einigen wenigen Wochen. Bis dahin kann ich mir schwer vorstellen, dass es noch zu den entsprechenden Gesetzesbeschlüssen kommt.

Noch dazu muss ich feststellen – ich habe mich jetzt auch in den Medien noch einmal schlaugemacht –, dass sich jetzt das BMBWF, respektive Sie, Herr Minister, und das BMKÖS, respektive Herr Vizekanzler Kogler, in Wahrheit gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben. Der Bildungsminister sagt, das liegt jetzt alles beim BMKÖS, ist alles quasi umsetzbar und wartet sozusagen nur mehr auf Umsetzung. Vizekanzler Kogler dürfte davon offensichtlich noch nichts mitbekom­men haben, der hat davon noch nichts gesehen und gehört. – Gut, es riecht also unterm Strich ein bisschen nach Wahlkampf. Änderungen hat es noch keine gegeben.

In Summe handelt es sich auch bei diesem Gesetzentwurf – so wie ich es auch gestern im Rahmen der Debatte zur Dringlichen Anfrage schon gesagt habe – in Wahrheit wieder einmal nur um eine Nacht-und-Nebel-Aktion und um durch­gepeitschte kleine Flicken, kleine Pflaster, mit denen eben versucht wird, das Bildungssystem ein bisschen zu flicken, offene Stellen, Lücken zuzukleben. Ein wirkliches Gesamtkonzept, um die Bildung in Österreich weiterzuentwickeln, habe ich in Ihrer Regierungszeit leider nicht gesehen.

Wenn ich über die Bildungspolitik der schwarz-grünen Regierung noch einmal Resümee ziehen darf, dann fällt mein Resümee, freundlich formuliert, eher ernüchternd aus. Nur mehr in aller Kürze, nachdem wir es gestern auch schon sehr zeitintensiv besprochen haben: Es bleiben Baustellen über Baustellen. Es gibt keine wesentlichen Verbesserungen im Bereich der Elementarpädagogik, keine besseren Bedingungen für die Pädagoginnen und Pädagogen. Bei der Inklusion sind wir nach wie vor rückschrittlich unterwegs – ich habe es auch gestern schon gesagt: Die UN-Konvention ist in Österreich nach wie vor nicht umgesetzt. Der Lehrkräftemangel: Mit einer Alibiaktion namens Klasse Job sollen jetzt Quereinsteiger sozusagen die Schulen retten, und trotzdem sind tagtäglich fachfremder Unterricht und Mehrdienstleistungen der Lehrkräfte an der Tagesordnung. Was das Entlastungspaket betrifft, so kann ich nur sagen: Ja, schauen wir einmal!

Dazu kommt noch ganz erschwerend – und ja, da kann man auch ein Auge aufmachen –: Selbst der Rechnungshof kritisiert so manches. Da geht es zum Beispiel um die Bildungsdirektionen und eine Kompetenzzersplitterung, wie der Rechnungshof kritisiert. Oder auch: Der Rechnungshof kritisiert zu wenig administratives Unterstützungspersonal an den Pflichtschulen und so weiter und so fort.

Eine Baustelle hat der Herr Minister dann auch selbst noch aufgemacht, nämlich die verschränkte Ganztagsschule. Wir haben diese jahrelang gefordert und tun das immer noch. Zunächst sind wir dafür belächelt und in Wahrheit verteufelt worden – jetzt erkennt plötzlich auch der Bundesminister, dass das ein gutes, ein sinnvolles und richtiges Modell ist, mit dem man die Schülerinnen und Schüler auch entsprechend gut und richtig fördern kann. – Warum erst jetzt, zwei Monate vor der Wahl?, frage ich mich. – Aber gut, okay. (Bundesrat Himmer: Man kann es dir einfach nicht recht machen, oder? Wenn man es nicht macht, passt es nicht, und wenn man es macht, passt es auch nicht!)

Zusammengefasst: Passiert ist nicht viel. Die nächste Regierung muss vieles reparieren, das die jetzige Regierung leider verabsäumt hat. Ich muss feststellen: So wichtig kann der ÖVP die Bildung nicht gewesen sein, aber leider – und das tut mir schon weh – auch den Grünen offensichtlich nicht.

Die Prämisse für die nächste Bundesregierung muss einfach sein: Jedes Kind verdient es, die beste Bildung zu erhalten. Mit einem sozialdemokratischen Bildungsminister oder einer sozialdemokratischen Bildungsministerin wird das auch passieren – mit Herz und mit Hirn für Österreich! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Oje, oje, oje!)

13.49

Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Ruf. Ich erteile ihm das Wort.