15.33
Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich glaube, wir sind alle froh, dass es endlich gelungen ist, diesen Verteidiger:innenkostenersatz zu erhöhen. Warum sage ich das? – Ich sage das, weil es wirklich einfach rechtsstaatlich notwendig und wichtig war, denn Freisprüche und Einstellungen von Strafverfahren zeichnen einen gut funktionierenden Rechtsstaat aus.
In unserem Rechtsstaat – und das ist wirklich ein hart erkämpftes Recht – ist es nicht so, dass, wenn die Staatsanwaltschaft anklagt oder wenn es eine Anzeige gibt, das Ganze automatisch einen Schuldspruch bedeutet. Nein, so ist es nicht. (Ruf bei der SPÖ: Genau!) Es gibt die Staatsanwaltschaft, die in Österreich – das ist ja nicht in allen Ländern so – verpflichtet ist, den Wahrheitsbeweis anzutreten. Das heißt, sie muss die Wahrheit ermitteln.
In anderen Ländern gibt es die Möglichkeit des Plea Bargainings, bei dem man es sich mit der Partei ausmachen kann: Machen wir das, oder machen wir das nicht? Zu welchen Konditionen nimmt man die Strafe an, und zu welchen Konditionen nimmt man sie nicht an?
Das ist bei uns nicht der Fall, sondern die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, jedem Verdacht nachzugehen. Natürlich bedeutet das nicht automatisch einen Schuldspruch. Wenn aber die Staatsanwaltschaft überzeugt ist, dass die Schuld mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit erwiesen ist, dann hat sie die Verpflichtung, anzuklagen, und dann muss das Gericht – und das ist unabhängig davon, welches Verfahren gerade geführt wird, ob es um Körperverletzung, um Korruption geht oder ob es ein Wirtschaftsstrafverfahren ist – in jedem Fall eine fast 100-prozentige Schuld feststellen, denn nur dann kann es verurteilen. Sonst muss es freisprechen. Das sind unterschiedliche Standards, die die Staatsanwaltschaft hat und die das Gericht hat.
Es ist, glaube ich, eine historische Errungenschaft und ein zentrales Element der Demokratie, dass eben nicht jedes Ermittlungsverfahren oder jede Anklage automatisch einen Schuldspruch bedeutet. Das bedeutet aber für mich gleichzeitig, dass es bei einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens auch einen notwendigen Ersatz von Kosten geben muss, denn dazu sind wir als Rechtsstaat all jenen Menschen verpflichtet, die sich zum Teil jahrelang einem Ermittlungsverfahren stellen müssen.
Dass wir ein ungerechtes System hatten – und nach wie vor würde ich mir eigentlich einen kompletten Kostenersatz wünschen –, hat man ja auch schon vor zehn Jahren gesehen, als es die Tierschützer:innenprozesse gab. Da wurden die Tierschützer:innen teilweise in den finanziellen Ruin getrieben und am Ende freigesprochen. Alle haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass es eine Erhöhung des Kostenbeitrags braucht, aber geschehen ist nichts.
Ich erinnere daran: Es waren ÖVP-Justizminister zur damaligen Zeit, und es war auch die ÖVP, die das damals nicht wollte. Ich freue mich aber wirklich, dass es gelungen ist – und da danke ich auch dem Finanzminister, der das erkannt hat –, dass wir von den 2,5 Millionen Euro, die der Justiz zur Verfügung gestanden sind, jetzt auf 70 Millionen Euro erhöht haben. Vielleicht gelingt es uns in der Zukunft, dass wir es noch weiter erhöhen. Ich glaube, dass das für den Rechtsstaat wichtig ist. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Und ja, es ist nicht jedes Verfahren gleich. Es gibt aber Verfahren, die lange dauern und sehr komplex sind. Genau dazu haben wir uns mit dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag zusammengesetzt, um einmal auszurechnen, was ein komplexes Verfahren bedeutet und was es insbesondere finanziell bedeutet.
Deswegen haben wir auch diese Unterscheidung getroffen: Verfahren vor einem Bezirksgericht, Verfahren vor einem Landesgericht, Verfahren vor einem Einzelrichter, Verfahren vor einem Geschworenen- oder Schöffengericht. Bei einem besonders komplexen Verfahren vor einem Geschworenen- oder Schöffengericht gibt es einen Ersatz von bis zu 60 000 Euro.
Es gibt jetzt auch – und das halte ich schon für wichtig, weil es Ermittlungsverfahren gibt, die lange dauern, und da braucht es meines Erachtens auch einen Ersatz – für das Ermittlungsverfahren erstmalig einen Ersatz von bis zu 6 000 Euro und bei besonders komplexen Verfahren von bis zu 12 000 Euro. Ich glaube, dass das ein wichtiger Schritt, ein Riesenerfolg für den Rechtsstaat und auch für die Betroffenen ist.
Vielleicht gelingt es uns in der Zukunft wirklich, dass wir diese zur Verfügung gestellten 70 Millionen Euro um weitere Millionen erhöhen, damit wir zu einem tatsächlichen Kostenersatz sowohl bei Einstellungen als auch bei Freisprüchen kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
15.39
Vizepräsident Dominik Reisinger: Vielen Dank.
Es gibt eine weitere Wortmeldung: Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.