RN/90
18.39
Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Berichtszeitraum liegt ja jetzt schon einige Zeit zurück und ich würde sehr gerne berichten, dass sich alles, was wir da angeregt haben, aufgezeigt haben, inzwischen erledigt hat. – Es ist leider nicht ganz so.
Ich erlaube mir daher, ein paar Dinge herauszuheben, die von zeitloser Schönheit sind, das heißt, die noch immer aktuell sind, und werde mich da vor allem auf jene konzentrieren, bei denen es politischen Handlungsbedarf gibt, bei denen die Behörden von sich aus die Probleme nicht lösen können.
Ich beginne mit der Heimopferrente. Wir haben im Jahr 2023, und übrigens auch 2024, über 500 Fälle von Menschen behandelt, die in ihrer Jugend schwere Gewalt erlebt haben. Der Staat Österreich hat sich dazu bereit erklärt, ihnen eine Entschädigung in Form einer Heimopferrente zu zahlen, weil es ein gewisses Mitverschulden gibt, wenn man von der Jugendhilfe in eine Einrichtung eingewiesen wird und dort dann schlecht behandelt wird. Das heißt, der Staat nimmt seine Verantwortung wahr. Darüber hinaus nehmen auch die Betreiber dieser Einrichtungen in der Regel ihre Verantwortung wahr. Das heißt, wenn der Betreiber dieses damaligen Kinderheims das Land Oberösterreich war, dann kann man sich auch ans Land Oberösterreich wenden und zusätzlich zur Heimopferrente vom Land Oberösterreich noch eine Entschädigung bekommen.
Im Berichtszeitraum 2023 waren wir vor allem beschäftigt mit Anträgen von Menschen, die in ihrer Jugend in sogenannten Taubstummenanstalten im Internat waren. Und wenn sie in Salzburg waren, dann bekommen sie eine Heimopferrente und eine Entschädigung vom Land Salzburg, weil das Land Salzburg der Betreiber dieser sogenannten Taubstummeneinrichtung war. Wenn sie allerdings in Speising oder in Kaltenleutgeben waren, dann bekommen sie zwar die Heimopferrente, aber darüber hinaus keine Entschädigung, weil die zwei Einrichtungen Bundeseinrichtungen waren und der Bund hat die Entschädigungszahlungen eingestellt. Wir hoffen, dass der Bund die Entschädigungszahlungen wieder aufnimmt. Wir sind in guten Gesprächen mit dem Bildungsministerium. Dort besteht auf Beamtenebene der Wille, das zu tun. Wir hoffen, dass wir das bald finalisieren können und dass der Bund für die Opfer der Einrichtungen, deren Träger er war, wieder Entschädigungen zahlt.
Als Zweites möchte ich auf eine Problematik eingehen, die schon Bundesrat Sandro Beer angesprochen hat. Es betrifft die Arbeitslosenversicherung. Stellen Sie sich vor, Sie zahlen jahrelang in die Versicherung ein, werden dann arbeitslos, bekommen Arbeitslosengeld. Wenn Sie unglücklicherweise länger arbeitslos sind, bekommen Sie Notstandshilfe. Der Gesetzgeber hat entschieden, dass ein Partnereinkommen inzwischen nicht mehr auf die Notstandshilfe angerechnet wird. Das betrifft zum Großteil Frauen, weil sie noch immer weniger als Männer verdienen. Ich schildere das jetzt also aus Sicht einer Frau: Sie werden arbeitslos, Ihr Partner verdient sehr gut. Sie bekommen Arbeitslosengeld, das Partnereinkommen wird nicht angerechnet. Sie sind länger arbeitslos, Sie bekommen Notstandshilfe, das Partnereinkommen wird nicht angerechnet, Sie bekommen nach wie vor die Notstandshilfe. Auch wenn Sie sich scheiden lassen, trennen und Unterhaltszahlungen von Ihrem Partner bekommen, wird diese Unterhaltszahlung nicht auf die Notstandshilfe angerechnet, Sie bekommen die Notstandshilfe in voller Höhe.
Sie dürfen nur nicht das Pech haben, dass Ihr Partner stirbt, denn dann bekommen Sie eine Witwenpension – und siehe da, auf einmal wird die Witwenpension auf die Notstandshilfe angerechnet. Das ist eine gesetzliche Schwäche, die die Menschen als extrem ungerecht empfinden. Wir können nachvollziehen, dass sie das als ungerecht empfinden, und haben daher bei der Politik angeregt, das zu beheben und das zu ändern. Das ist bisher noch nicht geschehen. Ich hoffe, es geschieht in dieser Legislaturperiode.
Ein weiteres Problem aus dem Bereich des Familienrechts: Das Kinderbetreuungsgeld war heute in diesem Gremium schon Thema, wurde auch schon angesprochen. Da wurde auch etliches verbessert, die sogenannte Wochengeldfalle wurde beseitigt. Allerdings gibt es über das Kinderbetreuungsgeld in der Volksanwaltschaft noch immer unverhältnismäßig viele Beschwerden. Das eine betrifft die komplizierten Regelungen mit Einkommensgrenzen, mit verschiedenen Varianten, die man beim Kinderbetreuungsgeld wählen kann. Wenn man sich da nicht rechtzeitig entscheidet, fällt man auf irgendeine allgemeine Variante zurück – sehr unerfreulich –, aber das größte Manko, das wir sehen, ist die Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes, wenn ein Ehepartner im Ausland arbeitet. Da ist der Vollzug, die Rechtslage eigentlich klar. Man müsste schauen: Gibt es eine ausländische Leistung? Wenn es eine ausländische Leistung gibt, hat die ausländische Leistung den Vorzug. Wenn es keine ausländische Leistung gibt, hat der Staat Österreich die Leistung zu erbringen. Und wenn die ausländische Leistung geringer als die österreichische ist, ist die Differenz zu erbringen. Die Behörde müsste sich eigentlich darum kümmern, zu schauen, ob es diese ausländische Leistung gibt, wie hoch sie ist und was daher der Staat Österreich zu bezahlen hat. – Das tut sie nicht.
Die Volksanwaltschaft hat in diesem Bereich schon zweimal eine Missstandsfeststellung gemacht, beide Male das Familienministerium betreffend, für das die Krankenversicherungsträger tätig werden. Die schicken die Leute im Kreis, um das einmal salopp zu sagen. Die sagen nämlich: Kümmere dich selber im Ausland darum und frage, ob du dort Anspruch auf eine Leistung hast, und solange du das nicht schaffst, bekommst du von uns kein Kinderbetreuungsgeld. – Das führt dazu, dass bei uns in etlichen Fällen, die wir verfolgt haben, das Kinderbetreuungsgeld am Schluss bezahlt wird – zu einem Zeitpunkt, zu dem das Kind schon in die Schule geht, und das ist sicher nicht Sinn und Zweck der Übung. Auch da gehört dringend politisch klargestellt, dass eine Bestimmung, die so gestaltet ist, auch familienfreundlich vollzogen werden muss.
Ein weiteres Problem, das ich ansprechen will, ist der Kostenzuschuss zu Impfungen. Es gibt einen österreichischen Impfplan, der wissenschaftlichen Erkenntnissen folgt und der vorgibt, wann für wen eine Impfung empfohlen ist. Bei Kindern und Jugendlichen funktioniert das sehr gut; sie kriegen dieses Impfangebot, können es in Anspruch nehmen, müssen es nicht in Anspruch nehmen. Wenn sie es in Anspruch nehmen, ist die Inanspruchnahme gratis. Wenn man einmal dem Kindesalter entwachsen ist und Impfungen auffrischen sollte oder Impfungen bekommen sollte, die für Menschen höheren Alters empfohlen sind, dann ist von gratis keine Rede mehr, und teilweise kosten diese Impfungen dann sehr viel Geld. An der Spitze steht die Impfung gegen Herpes Zoster, auch Gürtelrose genannt, eine sehr unangenehme, sehr schmerzhafte Krankheit, die man mit zwei Teilimpfungen verhindern kann. Die zwei Teilimpfungen kosten miteinander über 500 Euro. Für viele Pensionistinnen und Pensionisten ist das abschreckend, weshalb sie diese Impfungen nicht in Anspruch nehmen. Deswegen ist unsere Empfehlung, die Impfungen, die im österreichischen Impfplan empfohlen sind, auch kostenfrei oder zumindest mit einem so geringen Selbstbehalt anzubieten, dass der Kostenfaktor die Leute nicht mehr von der Impfung abhält.
Ein letztes Thema aus der nachprüfenden Kontrolle möchte ich ansprechen: Das ist das Problem, das beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten haben, die zu Hause betreut werden wollen. Wenn Sie das Pech haben, einen Unfall zu erleiden, eine Querschnittlähmung davonzutragen und zusätzlich noch Unterstützung beim Atmen zu benötigen, dann sind Sie gestraft genug. Es gibt entsprechende Heimplätze, die auch gar nicht so einfach zu bekommen sind, aber zumeist stellen das die zuständigen Bundesländer zur Verfügung. Wenn Sie dann allerdings sagen: Nein, meine Familie nimmt das auf sich, die will mich zu Hause betreuen!, dann kostet das natürlich sehr, sehr viel. Sie brauchen technische Geräte, Sie brauchen Fachpersonal rund um die Uhr, und dann stehen Sie teilweise vor unlösbaren Problemen, denn zuständig sind sowohl die Bundesländer im Rahmen der Pflege- und Behindertenhilfe als auch die Sozialversicherung im Rahmen der Krankenbehandlung, und die müssen sich einigen, wer wie viel zahlt – aber einer schupft den Ball zum anderen und beide zahlen vorerst einmal nicht. Die Leute stehen dann da und fragen: Na ja, ins Heim kann ich gehen, aber zu Hause behandelt werden kann ich nicht? – Zuletzt ist das so in Salzburg geschehen, aber wir hatten auch schon Fälle aus Niederösterreich, aus Wien, die sich dann alle gelöst haben, aber eben erst nach unserem Einschreiten. Es wäre doch bitte sinnvoll und notwendig, da eine generelle Lösung zu finden, dass die Finanzierung im Hintergrund geklärt wird und die Betreuung dieser Leute zuerst einmal sichergestellt wird.
Betreffend Präventive Menschenrechtskontrolle wurde schon sehr viel angesprochen.
Schmerzmanagement: Dazu brauche ich, glaube ich, nichts mehr zu sagen.
Hinweisen möchte ich auf die vielen Fehlplatzierungen, die wir bei unseren Kontrollen feststellen. Das ist nämlich auch etwas, was die Träger der Einrichtungen, also vor allem die Länder betrifft. Wir stellen einerseits fest, dass sehr junge Menschen, die Pflegefälle werden und eben keine Angehörigen haben, die sie zu Hause betreuen, in Altenheimen untergebracht sind – das heißt, Sie finden dann einen 35-Jährigen als Pflegefall, der umgeben ist von lauter Menschen, die über 80 Jahre alt sind. Das ist ein menschenrechtliches Problem; das sollte nicht vorkommen. Für solche Menschen braucht es eigene Einrichtungen, eigene Betreuungsangebote.
Auf der anderen Seite wiederum finden wir in Alten- und Pflegeheimen ältere Menschen mit psychischen Problemen, die eigentlich psychiatrische Behandlung bräuchten, also eigentlich in eine Psychiatrie gehören. Die Betreuerinnen und Betreuer in den Pflegeheimen sind ziemlich überfordert mit ihnen, aber es gibt keinen Platz in der Psychiatrie. Apropos Psychiatrie: Da finden wir wiederum in der Erwachsenenpsychiatrie Kinder und Jugendliche, was natürlich ein Wahnsinn ist. Diese sind sowieso schon sehr schwierig zu behandeln und dann auch noch umgeben von Problemfällen Erwachsener. Auch das gilt es zu vermeiden.
Daher: Sie sehen, die Anliegen, die wir in den Berichten formulieren, sind nach wie vor aktuell, es gibt Handlungsbedarf. Alle und auch die Politik – vor allem die Politik – können da viel beitragen. – Herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
18.51
Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für diese sehr interessanten Stellungnahmen.
Jetzt darf ich Kollegen Ferdinand Tiefnig um seine Rede bitten.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.