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9.17

Bundesrätin Gabriele Kolar (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Frau Kanzleramtsministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Haus und via digitale Kanäle! Wie eingangs von meiner Vorrednerin schon erwähnt: 30 Jahre ist es nun her, dass Österreich durch eine klare Entscheidung seiner Bürgerinnen und Bürger Teil der Europäischen Union wurde – 30 Jahre Integration, 30 Jahre ein gemeinsamer Weg. Und heute, drei Jahrzehnte später, können wir mit Überzeugung sagen: Die Europäische Union ist ein Erfolgsmodell, ganz besonders für unsere Regionen. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für viele Menschen ist Europa heute selbstverständlich, doch wenn wir ehrlich sind, dann ist dieses Europa alles andere als selbstverständlich. Gerade im ländlichen Raum ist Europa mehr als nur ein politisches Projekt, es ist ein Lebens- und Zukunftsprojekt. Und wenn wir auf unsere Regionen blicken, dann sehen wir: Europa wirkt, Europa hilft und Europa verbindet. 

In ganz Österreich, vom Mühlviertel bis ins Südburgenland, von der Weststeiermark bis ins Waldviertel, von Osten bis nach Westen spüren die Menschen, was die EU für sie bedeutet: Investitionen in Nahversorgung, in Landwirtschaft, in Digitalisierung, in Klimaschutz, in die Lebensqualität aller und noch vieles mehr. 

Allein aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds, Eler, fließen bis 2027 über 4 Milliarden Euro nach Österreich. Das stärkt unsere ländlichen Räume, sichert Arbeitsplätze und hält unsere Regionen lebendig. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Mit dem Efre, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, fördern wir Innovation, Digitalisierung, Breitband und Tourismus und geben kleinen und mittleren Unternehmen Kraft und vor allem eine Perspektive. 

Das Förderprogramm Leader, das für die regionale Entwicklung im ländlichen Raum zuständig ist, unterstützt Projekte, mit denen Menschen ihre eigene Heimat gestalten können – vom Dorfladen bis zum Jugendzentrum, vom Radweg bis zur nachhaltigen Energieversorgung.

Ebenso bedeutend ist das Interreg-Programm, das grenzüberschreitende und internationale Zusammenarbeit unterstützt. Ob in Tirol und Südtirol, in Kärnten und Slowenien oder im Burgenland und Ungarn, durch Interreg wachsen Regionen über Grenzen hinweg zusammen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Umwelt- und Naturschutzprojekten, von gemeinsamen Flussschutzmaßnahmen bis hin zu grenzüberschreitenden Biosphärenparks und Klimaanpassungsprojekten. 

Diese Förderungen bedeuten aber nicht nur Geld, sie bedeuten Vertrauen: Vertrauen in unsere Ideen, in unsere Lebensweise und in unsere Zukunft. Und ich denke, wie auch meine Vorrednerin, an unsere jungen Menschen, an Schülerinnen und Schüler aus Bregenz, aus Linz, aus dem Südburgenland und so weiter, die über Erasmus plus ein Praktikum in Spanien oder in Finnland machen, an Lehrlinge aus Salzburg, die in Frankreich oder in Dänemark neue Arbeitskulturen erleben und – was besonders wichtig ist – durch ihre Aufenthalte als weltoffene, aber trotzdem heimatverbundene Europäer zurückkommen. Diese Erfahrungen prägen die jungen Menschen ein Leben lang. 

Viele europäische Betriebe profitieren vom gemeinsamen Binnenmarkt. Sie exportieren ihre Produkte, kooperieren mit europäischen Partnern und schaffen Arbeitsplätze. Der Maschinenbau, die Lebensmittelverarbeitung, die Holzwirtschaft, der Tourismus, all diese Bereiche wachsen durch europäische Zusammenarbeit. Europa bedeutet mehr Austausch, mehr wirtschaftliche Stabilität, insbesondere auch in schwierigen Zeiten, wie wir sie gerade erleben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrät:innen Schreuder [Grüne/W] und Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Doch bei all diesem Konkreten dürfen wir eines nicht vergessen, nämlich das Größte: Europa steht für Frieden. In einer Welt, in der Kriege wieder nahe kommen, ja, in Europa angekommen sind, ist das ein kostbares Gut. Gerade wir in Österreich – mit unserer Geschichte und Lage im Herzen Europas – wissen: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Nachbarn wie Tschechien, Slowenien, Ungarn oder Italien waren nicht immer selbstverständlich. Heute ist dies aber möglich, weil wir Europäer sind.

Aber, auch das muss gesagt sein, Europa ist nicht perfekt. Manches ist zu kompliziert, manches wirkt weit weg vom Alltag, und die vielen großartigen Förderprogramme, die ich gerade erwähnt habe, sind mit enormem bürokratischen Aufwand verbunden – Anträge, Fristen, Förderrichtlinien sind oft kompliziert –, sodass viele erst gar nicht versuchen, daran teilzunehmen. Das muss sich ändern. 

Wir brauchen ein Europa, das verständlich ist, ein Europa, das nicht abschreckt, sondern einlädt, ein Europa, das nicht nur gefördert, sondern auch verstanden wird. Die Bürokratie rund um Agrarförderungen kann für Bauern und Bäuerinnen zur echten Belastung werden, das höre ich immer wieder in zwischenmenschlichen Gesprächen, und die Sorgen vieler Menschen – etwa rund um Energie, Migration und Umweltschutz – finden noch immer nicht genug Gehör.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen eines nicht vergessen: Europa ist nicht irgendwo da draußen. Europa sind wir alle! Europa beginnt in unseren Schulen, in unseren Betrieben, in unseren Gemeinden. Es zeigt sich im Austausch, in der Zusammenarbeit und in der Solidarität. Und Europa ist ein Versprechen, ein Versprechen für Frieden, Freiheit und eine gute Zukunft. 

Wir sind froh – seit gestern wissen wir es –, dass unser wichtigster Handelspartner, nämlich Deutschland, eine stabile Regierung hat, und wir sind dankbar, dass wir mit dem zukünftigen Vizekanzler Lars Klingbeil von der SPD einen tollen Vizekanzler bekommen. 

30 Jahre Österreich in der Europäischen Union ist nicht nur ein Jubiläum, das ist ein Auftrag: nicht nachlassen, nicht aufgeben, nicht zurückblicken, sondern nach vorne schauen. In einer Zeit, in der Nationalismus und Spaltung wieder lauter werden, sagen wir: Wir halten dagegen – für starke Regionen, für eine starke Jugend und für ein starkes, geeintes Europa. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

9.26

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Samt. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.