RN/75
14.45
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Danke sehr, Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Lieber Herr Karacsony, wir kennen uns ja eigentlich gar nicht, ich will jetzt auch nicht flegeln oder so, aber: Wissen Sie eigentlich, zu welchem Tagesordnungspunkt Sie sich zu Wort gemeldet haben? (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.]: Bravo!) Da geht es um den Bericht der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend EU-Arbeitsprogramm und nicht um ländliche Entwicklung oder Elga oder was auch immer. (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Ich muss kurz noch einmal Herrn Thoma ansprechen. Herr Thoma hat in seiner Rede – wahrscheinlich, weil der Bildungsminister da ist – eine extreme Leseschwäche in einer Gruppe hier festgestellt. Liebe Frau Partl, diese Leseschwäche scheint epidemisch zu sein, denn Sie haben gesagt, Sie finden nichts zu Migration. – Schauen Sie einmal Kapitel 9 an – wir können es Ihnen auch gerne vorlesen –, es geht über Seiten (Beifall bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]) und es endet mit „einheitlichen [...] Asyl- und Migrationssystems“, also es ist sogar das Wort drinnen; es beginnt übrigens mit A, Asyl- und Migrationssystem, ist also relativ leicht zu finden. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].)
Ich möchte am Anfang noch etwas sagen, weil mir das ein Bedürfnis ist – sie weiß es, die Frau Außenministerin, aber ich sage das jetzt ganz gezielt –: Ich denke, wir alle sollten uns in einem Punkt schützend vor unsere Außenministerin stellen. Die Angriffe des Herrn Dodik gegen unsere Außenministerin sind untragbar. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].) Das hat in Europa mittlerweile System, ich denke zum Beispiel an die frühere deutsche Außenministerin; aber auch die österreichische Außenministerin wurde als Erste mit einer Dringlichen Anfrage bedacht, die eine Kraut-und-Rüben-Anfrage war, aber mit viel Flegelei vorgetragen wurde. – Das geht nicht. Hört auf – am rechten Ufer –, Außenministerinnen mit Fakes und mit Hass zu verfolgen! Das geht nicht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Bundesrät:innen der Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Herr Karacsony, ich gehe jetzt schon ein bisschen auf den wirklichen Inhalt des Berichtes ein. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ich glaube, du hast ihn ja mitverhandelt im Europa...!) –Ja, ist okay, dazu werde ich Frau Sumah-Vospernik dann extra etwas sagen, falls sie das auch interessiert, aber gehen wir einmal auf den Bericht ein: Wozu ich mir – und das sage ich jetzt ganz ehrlich, Herr Minister – ein bisschen mehr Leidenschaft in diesem Bericht erwartet hätte, das sind die wirklich großartigen Errungenschaften der Europäischen Union: die Wiederherstellung des Schengenraums, das kommt in diesem Bericht mit zu wenig Leidenschaft und zu wenig Zielsetzung heraus.
Das Zweite – und da sind Sie jetzt wieder der Richtige –: Wenn wir irgendetwas wirklich geschafft haben, dann ist es das Erasmus-Programm. Das Erasmus-Programm ist unvorstellbar toll, und ich kann nur sagen: Ich habe noch nie so viele glückliche Gesichter bei Studierenden gesehen – das war bei jenen, die ein halbes Jahr auf Erasmus waren. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Ich habe immer gesagt: Es ist schön, dass Studierende diese Chance haben, aber – Stichwort Ängste vor Europa – opfern wir nicht die Lehrlinge! Mit Leonardo gibt es da ein weiteres Programm, und ich finde, auch das ist großartig. Wichtig ist, dass auch unsere Lehrlinge von diesem Duft von Europa, von dieser Möglichkeit profitieren. Wir müssen einfach schauen – Barroso hat es verstanden, aber er hat es nicht umgesetzt –, dass wir das duale Bildungssystem in Europa ausrollen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Jetzt komme ich zum dritten Punkt, was mir ein bisschen zu wenig ist – (in Richtung Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]) sie schaut mich schon so an, sie kann sich wahrscheinlich denken, was jetzt kommt –: Ich glaube, in einer einzigen Zeile steht die Neutralität. – Bitte, also die Neutralität ist das, worauf Österreich fußt, dieses ganz klare Bekenntnis zu unserer Neutralität. Sie ist zwar keine Neutralität der totalen Abstinenz, aber eine militärische Neutralität. Ich glaube, es ist wichtig, immer und immer wieder auch in Europa zu betonen, dass in unserem Beitrittsvertrag zur Europäischen Union dieser wunderbare Satz steht: Die österreichische Neutralität ist die unverwechselbare eigene Marke Österreichs für Frieden und Sicherheit in Europa. – Und das soll auch so bleiben! (Beifall bei der SPÖ.)
Kollege Kofler, ich weiß nicht, ich saß hier, habe Ihnen aufmerksam zugehört und mir gedacht: der Sprecher der fünften Kolonne von Putin. (Heiterkeit der Bundesrätin Göll [ÖVP/NÖ].) Das ist so eine Realitätsverweigerung Ihrerseits, das macht mich eigentlich sprachlos. Ein Land in Europa überfällt ein anderes Land, und was ist die normalste Sache der Welt? – Dass das restliche freie Europa diesem überfallenen Land beisteht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].) Deshalb gibt es die Sanktionen gegenüber Russland. (Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Und was haben sie genutzt?) Deshalb gibt es die Sanktionen gegenüber Russland und es gibt auch die Sanktionen gegenüber Belarus – zu Recht, denn die Opposition hätte schon längst die Präsidentschaft in diesem Land. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Knieschusssanktionen, gratuliere! Ein Schuss ins Knie, gratuliere, gut gemacht! – Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ].) – Ja, ja, ist okay. Es ist immer so: Wenn man in einer Kolonne marschiert, dann sieht man meistens nicht, was vorne los ist. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Ja, das merkt man gerade an euren Zwischenrufen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Haben uns die Sanktionen nicht geschadet?)
Irgendjemand hat gerufen: Europarat! Was machen wir im Europarat seit dem vierten Gipfeltreffen von Reykjavik? – Wir erstellen ein Schadensregister, das Schadensregister dessen, was Russland an Zerstörung anrichtet. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, und wir müssen es zahlen!) Warum ist dieses Schadensregister vor dem Internationalen Strafgerichtshof ein ganz wichtiges Dokument? – Weil Russen auf der ganzen Welt über ein Milliardenvermögen an Immobilien verfügen. Mit diesem Schadensregister haben wir die rechtliche Möglichkeit, auf dieses Vermögen zuzugreifen und den Schaden, der durch diesen brutalen Krieg eingetreten ist, auch wieder gutzumachen.
Frau Sumah-Vospernik, zum Europarat: Sie haben gesagt, es wird Zeit, dass die EU endlich der Europäischen Menschenrechtskonvention beitritt. Wir verhandeln jetzt, glaube ich, seit zwölf Jahren darüber. Ja, das soll auch so sein, aber wissen Sie, ich bin da relativ entspannt, weil jedes einzelne Land der Europäischen Union Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, so wie Österreich Mitglied ist und so weiter. Also jeder, der im Europarat ist, hat die Europäische Menschenrechtskonvention unterschrieben, ratifiziert. Das Hauptproblem der EU ist, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte steht mit seinen Urteilen und Erkenntnissen über der gesamten europäischen Justiz, und das zu akzeptieren, schaffen sie psychologisch noch nicht ganz. Was ich höre, ist man aber guter Dinge.
Dann sind noch ein paar Dinge gefallen, aber jetzt ein ganz ernstes Wort. Altbundespräsident Fischer hat sich vor wenigen Tagen gemeldet. Vielleicht können sich einige erinnern, dass ich hier bei der Regierungserklärung gesagt habe, dieser Genozid in Gaza muss gestoppt werden. Ich wiederhole das heute in aller Inbrunst: Das kann nicht sein! Ich erwarte von der österreichischen Außenpolitik, da einzuschreiten und klarzumachen: Das, was dort passiert, kann die Welt nicht hinnehmen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]. – Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Ihr seids ja die Regierung! – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, ihr seid in der Regierung!) – Ja, ja, ist okay. Ja, ich habe euch sehr gut zugehört. Ich weiß, es kommt immer, immer wieder.
Was in diesem Bericht übrigens, Herr Karacsony, auch ganz wichtig ist – das sollten Sie unbedingt nachlesen –: die Maßnahmen zur Agenda 2030, mit der gesamten Nachhaltigkeit, mit den SDGs, mit der Jugend – eine ganz fantastische Geschichte, die wir voll und gerne unterstützen.
Worüber wir froh sind, ist, dass in diesem Bericht auch klar ist, liebe Frau Kollegin Partl: Die Welt ist nur eine Welt, und die eine Hälfte der Welt kann ohne die andere nicht überleben. Deshalb ist die Entwicklungszusammenarbeit mit allen Teilen der Welt von substanzieller Bedeutung. Wenn in der einen Welt das Überleben nicht möglich ist, der Klimawandel das Leben unmöglich macht oder die Frauen in der Armutsfalle sitzen oder die Kinder in der Nichtbildung festsitzen, dann stehen diese Menschen vor der Tür, und dann bin ich neugierig, ob die FPÖ sagt: Na, wir verstehen das, wir haben euch nie geholfen, also bitte kommt herein! – Das werdet ihr nicht tun.
Deshalb ist es richtig und wichtig, die österreichische, die europäische Entwicklungszusammenarbeit zu intensivieren und weiterzuführen. Das ist richtig. Das ist ein Zeichen der internationalen Solidarität. Österreich hat sich vor vielen Jahren schon verpflichtet, 0,7 Prozent seines BIPs dafür einzusetzen. Wir sind zwar noch immer weit davon entfernt, aber ich gebe die Hoffnung da nicht auf.
Ein Letztes noch zu den Makrosynergien – ich glaube, meine Kollegin Schwarz-Fuchs hat darüber gesprochen –: Ich habe mir unsere verschiedenen Projekte in der Donauraumstrategie angesehen, insbesondere was Österreich in Moldawien tut, die Hebung des Humankapitals, also das heißt tatsächlich Ausbildung, Lehrlingsausbildung, schauen, dass die jungen Leute vor Ort eine Ausbildung, eine Zukunft, eine Perspektive haben. Das ist großartig.
Die Alpenkonvention hat ihren Sitz in Innsbruck. Die Alpenkonvention umfasst übrigens Bayern bis Monaco, das ist ein gemeinsamer Kulturraum und das ist großartig. Dadurch, dass sie den Sitz in Österreich hat, in dem Fall in Innsbruck, sind wir da mittendrin. Die Donauraumstrategie und die Alpenraumstrategie, das sind genau die Dinge, um die es geht. Das ist alles in diesem Bericht, den wir auch gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
14.58
Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.