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Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier bei uns im Saal und auch liebe Zuseher via Livestream! Wir haben bereits von der Frau Bundesministerin gehört, es gibt weltweit sehr viele Krisenherde. 

Stellen Sie sich vor, ein österreichisches Unternehmen kann seine Produkte plötzlich nicht mehr exportieren, weil in einem Partnerland ein Konflikt ausgebrochen ist! Lieferketten reißen, Aufträge bleiben aus und österreichische Arbeitsplätze geraten in Gefahr. Genau aus solchen Gründen ist Außen- und Sicherheitspolitik kein abstraktes Thema, sondern betrifft uns alle ganz konkret. 

Österreich ist ein kleines, exportorientiertes Land. Unser Wohlstand hängt davon ab, dass unsere Unternehmen, darunter viele Klein- und Mittelbetriebe, ihre Produkte und Dienstleistungen in stabile, sichere Regionen der Welt exportieren können. Fehlt diese Sicherheit, hat das ganz konkrete Auswirkungen, auch bei uns im Inland. 

Als Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ist es mir daher ein besonderes Anliegen, die außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit offen anzusprechen und dabei mitzugestalten. 

Außenpolitik ist kein abgehobenes Thema – die Frau Außenministerin hat es bereits gesagt; sie wird auch oft gefragt –, sie ist ein konkretes Thema. 

Sicherheit ist nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch. 

In einer Welt, die sich rasant verändert, wächst auch die Verantwortung Österreichs. Unser außen-, sicherheits- und verteidigungspolitisches Handeln steht heute im Zeichen wachsender Herausforderungen und zugleich im Zeichen verstärkter europäischer und internationaler Zusammenarbeit. Es geht darum, zu Sicherheit, Stabilität und Frieden beizutragen, sowohl im nationalen Interesse als auch im Rahmen unserer europäischen und internationalen Verantwortung. 

Österreich bekennt sich, wie es auch im Regierungsprogramm „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich.“ verankert ist, ausdrücklich zu seiner verfassungsmäßigen Neutralität und engagiert sich aktiv in multilateralen Organisationen wie den Vereinten Nationen und der OSZE. 

Österreich ist ein militärisch neutraler Staat – das ist ein klarer verfassungsrechtlicher Auftrag –, aber diese Neutralität bedeutet nicht politische Gleichgültigkeit. Wenn Völkerrecht gebrochen wird, wenn Staaten angegriffen, Grenzen verschoben und Zivilisten bombardiert werden, dann ist unsere Stimme gefordert, denn wir stehen auf der Seite des Rechts, der Menschenwürde und der internationalen Ordnung. 

Seit dem EU-Beitritt 1995 engagiert sich Österreich aktiv in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, in der Gasp, sowie in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, GSVP, der Europäischen Union. Als verlässlicher Partner beteiligt sich Österreich seither an zivilen und militärischen Missionen der EU und der Nato-Partnerschaft für den Frieden. Dieses Engagement steht im Einklang mit der österreichischen Neutralität, die nicht nur gewahrt bleibt, sondern zugleich Verantwortung für Dialog, Vermittlung und Stabilität in Europa mit sich bringt. 

Ich durfte selbst inzwischen bereits mehrfach an den regelmäßig stattfindenden Gasp-GSVP-Treffen aller EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, was mir wertvolle Einblicke in die gemeinsamen sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene ermöglicht hat. Auch in Zukunft wird Österreich seine Möglichkeiten zur Mitgestaltung in diesen Politikbereichen gezielt nutzen, um europäische wie auch nationale außen- und sicherheitspolitische Interessen wirksam zu vertreten.

Weiters – ich habe es auch bereits erwähnt – ist die OSZE, also die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, für mich ein sehr wesentliches Instrument für den Erhalt von Sicherheit und Frieden in Europa und darüber hinaus. Ihre Rolle als Dialogforum für alle Mitgliedsländer macht sie gerade in Zeiten geopolitischer Spannungen unverzichtbar. Besonders schätze ich die breite Expertise der OSZE in zentralen Bereichen wie Monitoring, vertrauensbildenden Maßnahmen, Rüstungskontrolle, Reformunterstützung und dem Konzept umfassender Sicherheit. Diese Kompetenzen werden auch in einer künftigen Postkonfliktphase in der Ukraine von entscheidender Bedeutung sein.

Ich durfte selbst bereits im Rahmen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE aktiv mitwirken. So habe ich etwa an einer Konferenz in Armenien teilgenommen und war im Rahmen von Wahlbeobachtungsmissionen in Usbekistan und erst vor Kurzem in Albanien im Einsatz. Diese Erfahrungen haben meine Überzeugung gestärkt, dass die OSZE ein unverzichtbares Instrument für Frieden, Stabilität und demokratische Entwicklung bleibt.

Angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lage steht Europa vor einer Vielzahl komplexer Herausforderungen, die ein hohes Maß an Zusammenhalt und strategischer Weitsicht erfordern. Die anhaltende Aggression Russlands gegen die Ukraine zeigt deutlich, wie ernst die sicherheitspolitische Lage ist. Laut dem am 19. März 2025 veröffentlichten Weißbuch zur europäischen Verteidigung wird Russland auch langfristig eine zentrale Bedrohung für Europas Sicherheit bleiben. Gleichzeitig sieht sich Europa einer Vielzahl hybrider Gefahren gegenüber – wir haben es auch bereits gehört –: von Cyberangriffen über Sabotageakte und gezielte Desinformationskampagnen bis hin zur Instrumentalisierung von Migration; aber auch sicherheitspolitische Folgen des Klimawandels dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Hinzu kommen geopolitische Spannungen, der globale Wettlauf um Schlüsseltechnologien und kritische Rohstoffe sowie die anhaltende Gefahr von terroristischen Bedrohungen. Auch die strategische Neuausrichtung der USA und die damit verbundene Infragestellung ihrer traditionellen Rolle als Sicherheitsgarant Europas stellen die europäische Sicherheitsarchitektur auf die Probe.

Die sicherheitspolitische Lage ist also herausfordernder denn je, und Österreich reagiert. Wir haben es auch von der Frau Bundesministerin bereits gehört: Wir investieren unter anderem mehr in unsere Landesverteidigung und beteiligen uns aktiv an der Weiterentwicklung der europäischen Verteidigungsunion. Zugleich setzen wir auch auf unsere Stärke als Brückenbauer, etwa – die Frau Ministerin hat es am Schluss noch gesagt, und ich finde das auch sehr wichtig – durch unsere Bewerbung für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Jahre 2027 und 2028, denn Sicherheit ist nicht nur militärisch, sie ist auch diplomatisch, ökonomisch, sozial und humanitär.

Ein umfassendes Sicherheitsverständnis heißt aber auch: Wir müssen unsere Bevölkerung einbinden. Sicherheit beginnt im Bewusstsein der Menschen. Deshalb brauchen wir mehr sicherheitspolitische Bildung, mehr öffentliche Debatten und eine stärkere Einbindung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch den geplanten Sicherheitsdialog in den Bundesländern. Das dient auch der Bewusstseinsbildung für Risiken und Bedrohung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal das Wesentliche betonen: Außen- und Sicherheitspolitik betrifft nicht nur die Politik, sie betrifft Unternehmen, Familien, jeden Einzelnen von uns. Sie entscheidet mit über unseren Wohlstand, unsere Freiheit und unsere Zukunft. In einer Zeit globaler Umbrüche braucht es mehr denn je eine klare Haltung, vorausschauendes Handeln und den Willen zur Zusammenarbeit auf europäischer wie internationaler Ebene. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Außen- und Sicherheitspolitik kein abstraktes Konzept ist, sondern gelebte Realität – für Österreich, für Europa und für eine friedliche Welt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

9.44

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.