RN/71

18.37

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wenn man ein Vierteljahrhundert einer gesetzgebenden Kammer angehört, dann geht man nicht einfach zur Hintertür hinaus. Auch ich bin einer jener, die, obwohl Fraktionsvorsitzender, nicht wissen, ob sie in Zukunft wieder hier sein werden oder nicht. Harry Himmer und ich gehören bis auf ein Jahr – ich glaube, du hast ein Jahr Vorsprung – in etwa dieselbe Zeit diesem Haus an. Der Unterschied zwischen uns zwei: ich durchgängig, er mit Unterbrechung. (Bundesrat Schreuder [Grüne/W]: Aber von zwei Parteien! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich gehöre, er gehörte auch dem Europarat in Straßburg an. 

Es war für mich immer ein unglaublicher Stolz, im Bundesrat zu sein und aus dem Bundesrat heraus europäische und internationale Politik zu gestalten, ganz egal ob in der OSZE, in der Cosac, im Europarat oder in der UNO, und zu zeigen, dass man auch als Bundesrat – man muss nicht Nationalratsabgeordneter sein – international die höchste parlamentarische Funktion einnehmen kann. Ich war immerhin acht Jahre Präsident der Union für den Mittelmeerraum. Das war eine Zeit, für die ich mich bei allen des Internationalen Dienstes bedanken muss, denn diese Zeit war an die Grenzen gehend, auf beiden Seiten des Mittelmeers.

Wenn ich heute nachdenke, was in dieser Zeit denn wirklich gut gelungen ist, dann muss ich sagen, es bleiben zwei Meisterstücke übrig.

Wir haben es wirklich geschafft, zwischen Israel, Palästina und Jordanien eine Wasserteilungslösung zustande zu bringen. Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viele graue Haare bekommen wie damals.

Das Zweite: Ich hatte eine Weisung Österreichs in meiner Tasche, als ich nach Tunis gefahren bin: Es ist dir verboten, an der euromediterranen Universität mitzuwirken. – Ich sitze in Tunis und sehe dieses unfassbare Projekt einer euromediterranen Universität – das Mittelmeer als gemeinsame Wiege der Kultur, der Religionen und so weiter. Dann habe ich mir gedacht – ich sage es jetzt einmal so –: Scheiß auf diese Weisung! (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), und bin Gründungsmitglied der euromediterranen Universität geworden. Und noch besser: Das Außenministerium schreibt seit 2009 in jeden Jahresbericht hinein: Österreich war von der ersten Minute an der Gründung der euromediterranen Universität beteiligt. – Das ist etwas, was einen einfach freut.

Was vielleicht wichtig ist: Wir haben in diesen 25 Jahren viel über die Reform des Bundesrates diskutiert. Unsere Fraktionen sind da gar nicht so amused, mancher Landeshauptmann oder manche Landeshauptfrau war da ein bisschen weiter, aber dann kam die große Reform: der Vertrag von Lissabon. Der Vertrag von Lissabon hat diesen Bundesrat weitergebracht, und ich war so begeistert davon, dass ich ihn dann an der Uni zu einem jährlichen Prüfungsgegenstand für meine Studierenden gemacht habe.

In Europa schmunzelt man, denn es gibt einen italienischen Außenminister, der am Ende seiner politischen Karriere einen Führer über die Diskotheken in Europa herausgegeben hat. Ich könnte etwas anderes anbieten: einen Führer durch die Gefängnisse Europas. Insgesamt habe ich über 3 000 Menschen aus Gefängnissen herausgeholt, die nicht in diesen Gefängnissen sein sollten. Bereits am 9. Juni bin ich bei einer neuen Gefängnisaktion in der Türkei unterwegs, denn mit meinen Augen gehen in der Türkei die Gefängnistüren auf.

Ich habe das unlängst in Edirne probiert, das ist ein Hochsicherheitsgefängnis. Ich habe gesagt, ich schaue jetzt dort hin, und dann geht die Türe auf. Ich war im Gefängnis für Terroristen und habe dort Kurdenführer Demirtaş besucht, den noch niemand von außerhalb der Türkei besuchen durfte, und er hat gesagt: Wie sind Sie da reingekommen, sind Sie eingebrochen? – Ich habe gesagt, ich bin ein verrückter Hund, aber mit meinen Augen gehen auch hier die Türen auf. – Letzte Woche noch war ich in Gefängnissen in Polen und so weiter.

Man kann als Bundesrat also international viel, viel bewegen. Ich habe mindestens acht Wahlbeobachtungsmissionen geleitet, war in speziellen Missionen in Nordmazedonien, Bosnien, Moldawien und Serbien, und so manche politische Persönlichkeit wie die Präsidentin Moldawiens Maia Sandu oder den Ministerpräsidenten von Albanien Edi Rama habe ich sehr, sehr lange auch politisch begleitet.

In dieser Zeit habe ich in einigen Parlamenten gesprochen: in der Milli Məclis in Baku, in der Duma in Moskau, in der Werchowna Rada in Kiew, im Deutschen Bundestag oder in Tiflis. Das heißt, man muss einfach nur sagen: Ja, es ist egal, in welcher Kammer du bist. Ich wäre nie – und ich habe gestern so ein Gespräch gehabt – in einen Landtag oder in den Nationalrat gegangen, weil es aus dem Bundesrat heraus einfach ganz, ganz tolle Möglichkeiten gibt.

Ich möchte hier auch ein paar Freundschaften aus der Vergangenheit anführen: Eine sehr enge Freundschaft verbindet mich mit Jürgen Weiss und Edgar Mayer oder mit Ingo Appé und Günther Novak, aber auch mit Ruperta Lichtenecker.

An zwei Dinge des Bundesrates denke ich noch immer zurück – wir waren auch einmal verrückte Hunde im Bundesrat.

Wir hatten als Bundesrat beim EU-Beitritt von Slowenien den Auftrag, Slowenien in Bad Radkersburg zu begrüßen. Wir haben diese Begrüßung etwas zu impulsiv genommen. Dort gibt es eine Brücke – da ist die Zollstation von Österreich, dort ist die Zollstation von Slowenien. Bei dieser Feier haben wir die Zollstation von Österreich abgebaut. Nur: Die waren noch gar nicht Mitglied von Schengen. Nach unserer impulsiven Feier musste dann der österreichische Zoll in die slowenische Zollstation hinüber übersiedeln, weil es nicht anders ging.

Das Zweite war mit Jürgen Weiss: Wir waren auserkoren, nach Oberösterreich zu fahren und Orte für Grenzübergänge zur Tschechischen Republik zu suchen. Wir sind durch den Gatsch gefahren und haben gesagt: Diese Straße können wir aufmachen, die können wir auch aufmachen! – Das war eine sehr, sehr spannende Zeit.

Was mir sehr fehlen würde, sollte ich nicht wieder nominiert werden, ist die Demokratiewerkstatt. Das ist etwas, was ich mit ganz, ganz großer Begeisterung den jungen Menschen ein bisschen mit auf den Weg gebe: Demokratie ist es wert. Kämpft, geht wählen, versteht, dass das Wahlrecht so hart erkämpft wurde, und so weiter und so fort!

So weit, so gut, jetzt noch zu Kollegen Spanring (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Gott sei Dank!) – nein, nein, ich bin harmonisch, keine Sorge –: Kollege Spanring, ich weiß, aus niederösterreichischer Sicht ist Wien immer das Letzte. Das muss nicht sein, aber Wien hat ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. Tirol ist stagnierend durch die Pharmaindustrie, aber sonst haben wir in ganz Österreich ein Minus von 1 Prozent. Außerdem gibt es in Wien das stärkste Beschäftigungswachstum. – Das nur zu deiner Rede angemerkt, ich muss hier keine tatsächliche Berichtigung machen.

Bevor wir die Regierungserklärung hatten, liebe Kollegen und Kolleginnen, habt ihr nicht verstanden, dass ich diese Staatssekretärin so gelobt habe und dass ich gesagt habe: eine Tapferkeitsmedaille für den Finanzminister! – Wir haben eine wunderbare Staatssekretärin. Ich kann nur eines sagen (in Richtung Staatssekretärin Eibinger-Miedl): Ihr zwei seid einfach das Dreamteam, und man merkt, ihr habt etwas geschafft: dass sogar eine Dringliche der FPÖ heute knallend in die Hose gerutscht ist. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

18.47

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Lieber Stefan, natürlich auch von meiner Seite alles, alles Gute! Wir wissen ja noch nicht, was die Zukunft bringt (Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Genau! Übermorgen Moldawien!), was immer kommen soll, aber natürlich bist du eine Institution für den Bundesrat. Wie auch immer es ausgeht: Alles Gute für dich persönlich! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Werner Gradwohl. – Bitte, Herr Bundesrat.