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Antrittsansprache des Präsidenten

Präsident Peter Samt: Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, im Hohen Haus! Geschätzte anwesende Zuseher sowie Zuseher und Zuhörer vor den Bildschirmen zu Hause via Livestream oder Tiktok! Es ist mir eine große Ehre, diesem Gremium in den kommenden sechs Monaten vorzusitzen und als Präsident dem Bundesrat vorzustehen. Ich bedanke mich beim Bundesland Steiermark und beim Landtag Steiermark, der mich hierher entsandt hat, für das in mich gesetzte Vertrauen. Und natürlich bedanke ich mich auch bei meiner eigenen Fraktion, obwohl ich bei der Amtsführung – und das ist mir sehr wichtig – selbstverständlich die präsidiale Unparteilichkeit wahren und ausüben werde.

Ich bedanke mich an dieser Stelle auch für die rege Teilnahme am sehr gelungenen Steiermarkfest vergangenen Dienstag, bei dem sehr viele der Anwesenden mit dabei waren. Auch bedanke ich mich hier noch einmal beim Land Steiermark, namentlich bei Landeshauptmann Kunasek, Landtagspräsidenten Deutschmann, der anwesend gewesen ist, bei der Polizeimusik Steiermark, bei allen Gästen und allen, die zum Gelingen dieser großartigen Veranstaltung beigetragen haben.

Auch ich nehme die langjährig gepflegte Tradition des Bundesrates auf, die Präsidentschaft unter ein Motto zu stellen, und dieses Motto wird lauten: „Brauchtum leben, Traditionen bewahren, Generationen verbinden“. In Zeiten der Globalisierung, in Zeiten der ständigen Veränderungen und in Zeiten von oberflächlichen und kurzlebigen Trends ist es mir wichtig, dass wir uns auf die eigene Kultur besinnen und so Halt und Werte vermitteln. Das mag für den einen oder anderen etwas verstaubt oder altmodisch wirken, in Wahrheit ist genau das Gegenteil der Fall. Unsere kulturellen Wurzeln, unsere Bräuche und unsere gewachsenen Gemeinschaften sind kein Anachronismus – sie sind Zukunft. Sie geben Halt, sie geben Identität, verbinden Generationen und schaffen somit sozialen Zusammenhalt. Genau diesen sozialen Zusammenhalt brauchen wir mehr denn je.

Mit großer Sorge beobachte ich seit geraumer Zeit eine schleichende Spaltung unserer Gesellschaft. Ich vermisse Solidarität, Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn. Das beginnt beim Generationenvertrag, der zusehends in Zweifel gezogen wird, und endet bei einer Welt, die egoistischer, beliebiger, austauschbar und somit uninteressant und kälter wird. Was hilft es uns, wenn wir die gleiche Designertasche in Wien, New York oder Bangkok in unpersönlichen Shoppingtempeln kaufen können, aber gleichzeitig lange suchen müssen, bis wir ein originäres Trachtenmodengeschäft in der Steiermark finden? – Da kann ich unserem Bundespräsidenten nur recht geben, der in einem Interview einmal gesagt hat, dass es das Recht der Frau ist, sich so zu kleiden, wie auch immer sie das möchte. Wobei ich ihm allerdings nicht recht geben kann, ist – das hat er auch gesagt –, dass „noch der Tag kommen“ wird, „wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun.“ – Das ist meiner Meinung nach der völlig falsche Ansatz. Nicht wir müssen uns jenen Menschen anpassen, die sich Österreich freiwillig oder unfreiwillig als neue Heimat ausgesucht haben. Unsere Aufgabe besteht darin, diesen Menschen eine Gesellschaft vorzuleben, in die sie sich gerne integrieren und wovon sie wertvolle Mitglieder werden wollen. (Beifall bei der FPÖ.) Das hat sehr viel mit Selbstbewusstsein und Wertebewusstsein zu tun: Nur wer die eigene Kultur schätzt, kann deren Werte auch leben.

Österreich ist mehr als nur ein geografischer Raum. Österreich ist eine gewachsene Kultur mit klaren Werten und Traditionen, die unsere Gesellschaft prägen und die wir selbstbewusst vertreten. Wer Teil dieser Gesellschaft werden möchte, sollte diese Werte verstehen und mittragen. Sie prägen das Gefühl von Heimat in besonderer Weise, sie verbinden Generationen und geben Halt in einer Zeit, die oft von Schnelllebigkeit und Orientierungslosigkeit geprägt ist. Ob mündlich überlieferte Traditionen, darstellende Künste, gesellschaftliche Feste und Bräuche, Naturwissen oder traditionelle Handwerkskünste: Dieses Kulturerbe ist lebendig und ein Teil von uns. Es wird von menschlichem Wissen und Können getragen und von einer Generation an die nächste weitergegeben. Immaterielles Kulturerbe, das ist der Terminus der Unesco, prägt das gesellschaftliche Zusammenleben und leistet einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung unserer Zukunft und unserer Gesellschaft.

Da der Bundesrat die sogenannte Länderkammer ist und unsere neun Bundesländer jede Menge an unterschiedlichsten regionalen Bräuchen und Traditionen haben, ist das von mir ausgesuchte Motto dazu gedacht, ein Zeichen für das Echte, für das Verbindende und für das, was Österreich ausmacht, zu setzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Schüren der Flamme. – Dieses Zitat, das häufig Gustav Mahler zugeschrieben wird, stammt wahrscheinlich vom französischen Politiker und Philosophen Jean Jaurès. Nicht konservieren, sondern leben! Es verdeutlicht, dass Brauchtum keine verstaubte Erinnerung ist, sondern eine lebendige Verbindung zwischen Menschen, Regionen und Generationen. Sei es die Erntedankprozession in Altaussee, der Almabtrieb in Tirol oder das Silvesterblasen in der Steiermark: All das schafft Heimat.

Ich trete für einen starken Föderalismus ein, denn es sind unsere Länder, Regionen und Gemeinden, in denen Traditionen gepflegt und Gemeinschaft erlebbar wird. Nicht alles lässt sich zentral regeln. Oft braucht es die Nähe und das Verständnis für die Menschen vor Ort.

Ich möchte an dieser Stelle auch ausdrücklich all jenen danken und meinen Respekt aussprechen, die durch ihr oft unermüdliches ehrenamtliches Engagement in unseren Vereinen, Trachtengruppen, Schützenkompanien, Musikkapellen, Dorfgemeinschaften einen unverzichtbaren Beitrag zum Zusammenhalt unserer Heimat leisten. Diese Menschen haben nicht nur meine persönliche Anerkennung, sondern – davon bin ich überzeugt – auch den Dank des gesamten Bundesrates. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

An dieser Stelle möchte ich auch gerne an meine Vorgängerin Andrea Eder-Gitschthaler anschließen, die ihre Präsidentschaft unter das Motto „Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“ gestellt hat. Ja, unsere Aufgabe ist es, Brücken zwischen den Erfahrungen der Älteren und den Hoffnungen der Jugend zu bauen, denn nur gemeinsam sichern wir die Zukunft unserer Heimat und seiner Menschen. Nicht umsonst wurde im Unesco-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes die Bestandsaufnahme sowie die Sichtbarmachung des immateriellen Kulturerbes der jeweiligen Staaten hervorgehoben.

Mit der Sichtbarmachung von bislang kaum mehr bekannten Bräuchen und Praktiken entsteht ein neues Verständnis für regionale Besonderheiten, funktionierende Gesellschaften sowie einen nachhaltigen Umgang mit lokalen Ressourcen und unserer Umwelt. Brauchtum und Tradition stärken auch die soziale Nachhaltigkeit und wirken als Bindeglied zwischen Jung und Alt. 

Unsere Traditionen sind das Fundament, auf dem unser Miteinander ruht. Sie zeigen, woher wir kommen, welchen Weg wir gemeinsam gehen und was uns als Österreicher ausmacht. „Tradition gilt nicht wegen ihrer erwiesenen Richtigkeit, sondern wegen der Unmöglichkeit, ohne sie auszukommen“, so hat es der deutsche Philosoph Hermann Lübbe einmal formuliert. In einer Welt, in der Wissen und Innovation sich rasant verändern, bieten Traditionen eine Art kulturelles Betriebssystem, das Orientierung und Stabilität ermöglicht.

Ich – genauso wie meine Fraktion und meine Partei – bekenne mich zur Verwurzelung in der Geschichte und in den Traditionen Österreichs. Diese kulturelle Identität ist die Grundlage für die Gestaltung der Zukunft und der Schutz vor gesellschaftlicher Beliebigkeit. 

Lassen Sie uns gemeinsam die kommenden Monate dazu nutzen, um ein Zeichen zu setzen: für kulturelle und regionale Vielfalt unserer Heimat, für die Einzigartigkeit unserer Regionen, für ein Österreich, das sich seiner Wurzeln bewusst ist.

Es ist üblich, dass jeder Präsident auch eine parlamentarische Enquete zu einem bestimmten Thema ausrichtet. Ich habe mich entschieden, den Landschaftsschutz, Naturschutz, Umweltschutz im Spannungsfeld von Bodennutzung, Bodenverbrauch und Energiegewinnung zu beleuchten. 

Naturschutz geht uns alle an. Die Natur ist die Grundlage unserer Kultur, unseres Staates, unseres blanken Überlebens. Ohne intakte Natur geht gar nichts mehr. Bei diesem Thema will ich auf Besonnenheit und Eigenständigkeit setzen. Landschaftsschutz, Naturschutz und Umweltschutz sind keine Erfindungen der heutigen Zeit, sondern werden seit Jahrhunderten wie selbstverständlich von Bauern, Landwirten und Grundbesitzern wahrgenommen. Wer die Natur und die Umwelt schützt, der schützt damit auch unsere Heimat. Eine parlamentarische Enquete mit Experten sollte abseits ideologisch geprägter Aufgeregtheit neue Perspektiven auf diesen Lebensnerv der Republik legen. 

Ich freue mich auf den respektvollen Austausch mit allen Fraktionen, denn Brauchtum, Tradition und Generationenverantwortung sind keine politischen Schlagworte, sie sind Teil unserer gemeinsamen Identität. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

9.12

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.