RN/70

17.54

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte zu Beginn meiner Rede zu diesem Tagesordnungspunkt auf den besonderen Rahmen eingehen, in dem dieser Tagesordnungspunkt vorige Woche im Nationalrat behandelt wurde. Manche haben es vielleicht mitbekommen, mitverfolgt, manche nicht, aber selbst wenn die Damen und Herren Zuseher:innen die Geschichte vielleicht nicht verfolgt haben, ist es eine, die es auf jeden Fall verdient, mehrfach erzählt zu werden, und auch mich hat sie tatsächlich tief berührt.

Kollege Spanring, glaube ich, war es – ich weiß jetzt gar nicht, ob Sie es waren. (Rufe bei der ÖVP: Kollege Ruf!) – Genau! Kollege Ruf hat den Nationalratsabgeordneten und Vorsitzenden des Justizausschusses im Nationalrat Klaus Fürlinger erwähnt, der maßgeblich am Entstehen dieser Gesetzesvorlage beteiligt war und dessen Sprache krankheitsbedingt stark eingeschränkt ist. Jetzt hat in der Nationalratsdebatte zu dem Tagesordnungspunkt quasi eine Premiere stattgefunden, Klaus Fürlinger hat sich nämlich, um sich trotzdem an der Debatte beteiligen zu können, dazu entschlossen, dass aus seinen früheren Reden quasi ein KI-basierter Stimmavatar erstellt wird, sozusagen eine digitale Nachbildung seiner eigenen Stimme. Mittels dieses Stimmavatars war es ihm möglich, letzte Woche eben im Nationalrat eine Rede zu halten. Die Rede stammt inhaltlich vollkommen, zu 100 Prozent, von ihm; vorgetragen wurde sie eben mithilfe dieses Avatars, während er selbst am Rednerpult stand. – Sehr geehrte Damen und Herren! Sollten Sie die Rede nicht mitverfolgt haben, man kann sie auf der Parlamentsseite in der Mediathek nachschauen; sie ist es auf jeden Fall wert. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Er hat in seiner Rede ja auch ausdrücklich darauf hingewiesen, quasi weniger auf das Entstehen der Rede zu achten, sondern auf das Inhaltliche, und das ist es auch wert, nachzuhören. 

Ermöglicht wurde diese ganze Sache übrigens durch eine Kooperation zwischen dem Parlament und dem Zero Project, das ist eine Initiative, die sich für Barrierereduktionen und inklusive Technologien einsetzt. Die Parlamentsdirektion hat in diesem Einzelfall das eben rechtlich und organisatorisch möglich gemacht, und als jemand, der Barrierefreiheit wirklich ein besonderes Anliegen ist, möchte ich mich dafür auch noch einmal ausdrücklich bei der Parlamentsdirektion bedanken. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Wie schon gesagt, Abgeordneter Klaus Fürlinger war maßgeblich am Entstehen der hier vorliegenden Gesetzesänderung beteiligt, und ich finde – auch da kann ich Kollegen Ruf nur recht geben –, er hat mit seinem Auftritt eine Stärke bewiesen, die wirklich ihresgleichen sucht. Das ist eine Art gelebte Hingabe, die meiner Meinung nach die Kraft hat, wirklich verlorenes Vertrauen in die Politik wiederherzustellen, weil sie zeigt, wie Verantwortungsbewusstsein in der Politik ausschaut. – Danke an dieser Stelle auch Klaus Fürlinger für diese Pionierarbeit! Wir konnten damit wirklich erleben, wie Inklusion funktionieren kann und welchen Beitrag moderne Technologien leisten können, wenn wir sie verantwortungsvoll und gezielt einsetzen. – So, nun zur vorliegenden Novelle! 

Sehr geehrte Damen und Herren – wir haben es heute schon ausführlich gehört –, wir reden nun über ein Gesetz, das nicht irgendwo im Abstrakten stattfindet, sondern die Situation von Betroffenen tatsächlich ändert. Das kann auch jedem demnächst einmal passieren – wir haben gehört, dass es Kollege Spanring schon selber erlebt hat, ich habe schon von Bekannten und Freunden gehört, dass sie das erlebt haben. Das ist ein Gesetz, das Betroffenen ganz konkret ab 1. Jänner 2026 hilft und sie schützt, also das ist jetzt nichts Abstraktes, das ist wirklich erlebbar für jeden und für jede.

Wir reden über eine Geschäftspraxis, die so dreist geworden ist, dass man sich das eigentlich gar nicht vorstellen kann, bis man einmal selber betroffen ist oder bis man jemanden kennt, der einem das erzählt – und dann glaubt man es wahrscheinlich immer noch nicht. 

Worum geht es? – Stellen Sie sich vor, Sie fahren auf der Suche nach einem Parkplatz ein paar Zentimeter in eine Einfahrt, weil Sie gerade reversieren. Möglicherweise gibt es da gar keine Beschilderung, keine Warnung. Zwei Wochen später flattert ein Schreiben nach Hause; der Vorwurf: Besitzstörung, der Tonfall: mehr oder weniger freundlich, aber sicher mit einem messerscharfen Unterton, der unmissverständlich klarmacht: Zahlen Sie jetzt – ich weiß nicht – 400 Euro oder riskieren Sie ein noch viel teureres Gerichtsverfahren! Der angebliche Beweis ist oft eine kurze Videoaufnahme oder vielleicht sogar gar nichts; die Botschaft zwischen den Zeilen: Wir haben Sie, und das wird teuer! 

Diese Briefe passieren nicht zufällig, das ist ein System, ein Geschäftsmodell. Einige Grundbesitzer und auch einige wenige Anwaltskanzleien spielen da mit der Angst der Menschen vor den Kosten, die eine Klage nach sich ziehen könnte. Viele zahlen, nicht, weil sie davon überzeugt sind, dass sie etwas falsch gemacht haben, sondern weil sie glauben, dass sie sonst finanziell noch schlechter aussteigen, oder weil sie tatsächlich richtigerweise dahin gehend beraten werden, dass es möglicherweise gar nicht so einfach ist.

Genau da setzen wir mit diesem Gesetz, mit dieser vorliegenden Novelle an: Wir entziehen diesem Geschäftsmodell quasi den Treibstoff, den Profit. Der Besitzschutz bleibt unangetastet, denn der ist wichtig, aber wir nehmen jenen die Spielräume, die diesen Besitzschutz missbrauchen. Wir zerlegen die Drohkulisse Stück für Stück. Einerseits senken wir den Streitwert, und damit sind die Anwaltstarife, auf denen dieses Modell basiert, weit weniger lukrativ. Wir reduzieren auch die Gerichtsgebühren, damit, sollte es doch zu einer Klage kommen, diese Androhung nicht mehr als Einschüchterungswerkzeug taugt. Auch schaffen wir Klarheit durch die Möglichkeit, Fälle bis zum OGH zu bringen, damit Leitentscheidungen entstehen, die diese Unsicherheiten eben beenden. Also: Wir lassen den rechtmäßigen Besitzschutz bestehen, aber wir drehen jenen, die ihn missbräuchlich verwendet haben, den finanziellen Hahn zu. Die Angst verschwindet, der Profit verschwindet und hoffentlich auch diese unsägliche Geschäftspraxis.

Genau so, finden wir, muss gute Gesetzgebung funktionieren: Wir schützen Menschen, wir schaffen Rechtssicherheit und wir stoppen Abzocke dort, wo sie entsteht.

Liebe Damen und Herren! Sollte künftig bei Ihnen so ein Brief ins Haus flattern, lassen Sie den auf jeden Fall prüfen, zahlen Sie nicht vorschnell, denn durch diese Gesetzesänderung ist das Risiko einer Klage klein und der Anreiz, solche Verfahren anzustrengen, ist wirklich geringer. In allen tatsächlich gerechtfertigten Fällen einer Besitzstörung bleiben die Kosten aber weiterhin hoch. Darum: Prüfen lassen, keine Angst haben! Dafür machen wir dieses Gesetz. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

18.02

Präsident Peter Samt: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Frau Minister Dr. Anna Sporrer gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.