RN/131

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden (298 d.B. und 351 d.B. sowie 11759/BR d.B.)

Präsident Peter Samt: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl. – Ich bitte um den Bericht.

RN/132

Berichterstatterin Barbara Prügl: Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2025 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden.

Im Wesentlichen geht es um das Kopftuchverbot und die Suspendierungsbegleitung.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Peter Samt: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittel. Ich erteile es ihr.

RN/133

18.32

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherin hier im Saal und liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Ja, ich glaube, Sie wissen es – ich habe es des Öfteren schon hier gesagt –, ich habe fast mein ganzes Leben in einem Gemeindebau im 20. Bezirk gelebt, und ich kannte dort die Mädchen, die total stolz darauf waren, endlich wie ihre Mutter ein Kopftuch zu tragen. Sie sahen aus wie kleine Prinzessinnen und sie wollten auch ein bisschen Erwachsenenluft schnuppern. Und ja, natürlich, je jünger man ist, desto eher gewöhnt man sich an etwas und desto schwerer legt man diese Gewohnheit im sprichwörtlichen Sinn ab.

Ich muss zugeben, als 2004 das Kopftuchverbot an Frankreichs Schulen kam, neben dem Verbot aller religiösen Symbole, dachte ich: Wenn in der Schule Kopftuchtragen verboten ist, bekommen die jungen Frauen und Mädchen einen Raum, wo sie spüren, wie es ist, kein Kopftuch in der Öffentlichkeit zu tragen. Heute aber denke ich: Was nehme ich mir eigentlich heraus, für andere zu bestimmen, was sie tragen sollen? Was würde mich dann von denjenigen unterscheiden, die sagen: Du musst ein Kopftuch tragen!? Den Zwang, kein Kopftuch zu tragen, gegen den Zwang, eines zu tragen, auszutauschen, ist meiner Meinung nach widersinnig.

Es sollte auch vollkommen egal sein, ob Mädchen ein Kopftuch tragen oder nicht. Das sollte allen egal sein, wirklich allen. Wenn wir in einer menschenfreundlichen Gesellschaft leben wollen, ist das Nichtbeachten von äußeren Merkmalen, solange sie nichts Verbotenes symbolisieren, essenziell im Umgang miteinander, im gegenseitigen Respekt und in der Würde des Menschen. Es muss egal sein, was wir anhaben, es sind Menschen, alle mit ihrer eigenen Geschichte, mit ihrem eigenen Charakter, egal ob sie ein Kopftuch aufhaben oder nicht.

Sie wissen – das habe ich auch hier öfter schon gesagt –, ich bin Feministin, und es schneidet mir ins Herz, wenn ich an Unterdrückung von Frauen und Mädchen denke. Und ja, das Kopftuch kann ein solcher Unterdrückungsmechanismus von Familien oder Peergroups sein – muss es aber eben nicht. Es kann auch von den Mädchen selbst gewollt sein, und das ist in den überwiegenden Fällen sicher auch so.

Haben Sie schon einmal mit einem Kind oder Teenager darüber diskutiert – oder besser: gestritten –, was es anziehen soll? Ich nicht, glücklicherweise. Dieser Kampf ist nämlich fast nicht zu gewinnen, und das ist wohl okay so, denn das ist die Freiheit, die in diesem Alter ins Leben tritt. Und jetzt soll ich diese Kinder zwingen, kein Kopftuch zu tragen? – Nein.

Und ich sage Ihnen, es geht mir auch wahnsinnig auf die Nerven, dass andauernd darüber diskutiert wird – vor allem von Männern, und im Nationalrat haben überwiegend auch Männer dazu gesprochen –, was Frauen anziehen sollen oder was sie anziehen dürfen: Kleider, die über oder unter das Knie gehen, BH tragen oder nicht, Haare kurz oder lang, offen oder zusammengebunden, vom Kopftuch bedeckt oder nicht. Und ich bitte euch: Lasst uns Frauen und Mädchen doch endlich in Ruhe damit, und das auf allen Seiten: in der Politik genauso wie im Privaten!

Ob ich ein Kopftuch trage oder nicht, muss als Mädchen und als Frau alleine meine Entscheidung sein – niemandes anderen, niemandes! Wenn es als religiöses Symbol gewertet wird, dann will ich Gleichbehandlung für alle religiösen Symbole. Juristisch übersetzt heißt das, das Kopftuchverbot verstößt gegen den Gleichheitssatz, also die Gleichbehandlung von Religionen, und es ist eine Diskriminierung von muslimischen Kindern. Damit verstößt es auch gegen die UN-Kinderrechtskonvention im Sinne der grundrechtlich anerkannten Fähigkeit eines Kindes zur Selbstbestimmung.

Das sage nicht nur ich, sondern das sagt die Bundesjugendvertretung, der Klagsverband, die Österreichische Liga für Menschenrechte, Amnesty International, der Frauenring, die katholische Kirche Österreichs, die Bischofskonferenz und auch – ich erinnere die SPÖ daran – die Roten Falken, die Kinder- und Jugendbewegung der SPÖ, und die sagen explizit: „Kinderschutz bedeutet nicht Verbote und Ausgrenzung. Kinderschutz bedeutet echte Unterstützung: kleinere Klassen, bessere Sozialarbeit, leistbare Freizeitangebote und psychische und soziale Förderung.“

Wenn das Kopftuch Unterdrückungsinstrument ist, dann ist es das nie alleine, dann geht es dem Mädchen oder der Frau an sich nicht gut, dann ist die Bedrohung nicht nur das Kopftuch, dann ist es wichtig, Räume zu schaffen und Aufklärung und Unterstützung zu geben, wie das Mädchen am besten aus dieser Situation rauskommt. Zusätzlich ist es für Mädchen wichtig, dass sie gefördert werden, um aus Abhängigkeiten zumindest im Erwachsenenalter herauszukommen. Da kann sicherlich die Schule einiges tun und da wird auch sicherlich bereits einiges getan.

Erst kürzlich hat Melisa Erkurt darüber geschrieben, dass migrantische Kinder so gut wie nie als Hochbegabte gefördert werden beziehungsweise diese Förderung in Anspruch nehmen können, da ihre Fähigkeiten leider nur an den Deutschkenntnissen gemessen werden. Da hinzuschauen und etwas zu ändern, wäre ein Projekt, das auch Mädchen in ihrer Selbstständigkeit weiterbringt.

Und ja, auch wir wollen eine gewaltfreie Schule, aber rufen dazu die Länder in ihrer Zuständigkeit auf, dafür zu sorgen.

Blamen und shamen wir nicht die Mädchen, sondern die, die sich herausnehmen, über den Kleidungsstil von Frauen permanent zu urteilen oder gar zu bestimmen! Stellen wir die Bubenarbeit in den Vordergrund, reden wir darüber, wie wir die Buben und Männer dazu bekommen, ihre Herrschafts- und Kontrollansprüche gegenüber Mädchen und Frauen ins Mittelalter zu verbannen, und wie wir es anstellen, dass softe und sorgende Männer weit cooler und weit zivilisierter wahrgenommen werden als die vermeintlich starken Männer! 

Daher möchte ich hier explizit jedem Mann und jeder Frau danken, die diesen gewaltvollen Geschlechterrollen widerstehen und gleichberechtigte Beziehungen im weitesten Sinn führen, wo beide Partner:innen stark und sensibel sein dürfen, genauso wie kämpferisch und fürsorglich. – Und mit dieser Fürsorge wünsche ich euch viel Erholung und viel Freude in den Weihnachtsferien. Auf ein Wiedersehen im neuen Jahr – und ein bissl Streit belebt die Sinne. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Mertel [SPÖ/Ktn.].)

18.39

Präsident Peter Samt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Ruf. Ich erteile es ihm.

RN/134

18.39

Bundesrat Mag. Bernhard Ruf (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, ob freiwillig oder unfreiwillig, hier im Saal und vor den Bildschirmen! Semper reformanda, also stets zu reformieren, habe ich in Anlehnung an das Zweite Vatikanum bei einer der letzten Sitzungen unser Schulwesen und unsere Bildungspolitik genannt. Im Gegensatz zur schmollenden, von Neid und Angst lebenden und unser Land und seine Schulen schlechtredenden FPÖ (Zwischenruf bei der FPÖ) reformieren wir es als aktive, verantwortungsvolle und liefernde Regierungsparteien.

Die heute vorliegende Schulrechtsnovelle ist ein wirklich wichtiger Schritt für mehr Chancengerechtigkeit, für mehr Sicherheit und für bessere Unterstützung an unseren Schulen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Hat schon einen Grund ...!) Dabei trifft diese Novelle zwei Kernbereiche: 

Punkt eins, die Suspendierungsbegleitung: Kinder und Jugendliche, die suspendiert werden, brauchen eine gute Begleitung und eine strukturierte Unterstützung bei der Reintegration. Dabei kommt eine besondere Bedeutung den Eltern und Erziehungsberechtigten zu, daneben auch der Schulsozialarbeit und der Kinder- und Jugendhilfe. Die Hauptverantwortung für die Erziehung der Kinder liegt aber nach wie vor bei den Eltern, für die Schule gibt es ja nur eine Mitwirkungspflicht an der Erziehung, und ich bin überzeugt davon, dass wir Eltern viel mehr in Verantwortung bringen müssen. Dazu werden auch die Perspektivengespräche beitragen, die mit jenen Schülerinnen und Schülern geführt werden sollen, die die Schule vorzeitig verlassen. Diese Gespräche sollen Gründe für den Schulabbruch klären, Feedback ermöglichen und – ganz wichtig – auch Alternativen aufzeigen.

Apropos Perspektiven: Es ist auch eine Frage der Perspektive, warum wir heutzutage Suspendierungen und Schulverweise beziehungsweise -abbrüche haben. Ich weise wie in der Debatte zur Dringlichen Anfrage an Minister Wiederkehr wieder darauf hin, dass sich der Medienkonsum der Jugendlichen dramatisch verändert und verschärft hat. Das belegt unter anderem eine Studie, die gestern in Oberösterreich von der Bildungslandesrätin und dem Bildungsdirektor gemeinsam mit dem Market-Institut präsentiert wurde. Gaming spielt für immer mehr Jugendliche eine immer größere Rolle und beschäftigt sie bis spät in die Nacht, das Mobiltelefon ist der ständige Begleiter der Jugendlichen. Das ist nur eine der Herausforderungen der Schule von heute, die es notwendig macht, für bessere Rahmenbedingungen, für strukturierte Begleitmaßnahmen zu sorgen – und das machen wir nicht nur mit dem schon beschlossenen Handyverbot, das machen wir auch jetzt und hier mit diesem Gesetz. Dieses Gesetz sorgt dafür, dass Schule ein Ort ist, an dem wir Werte wie Gleichstellung und Freiheit vermitteln und individuelle Entfaltung ermöglichen.

Damit wären wir beim zweiten Schwerpunkt dieser Novelle, dem Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14 Jahren: Ja, das ist ein Gesetz, das eine Gratwanderung zwischen Religionsfreiheit und gesellschaftlicher Freiheit bedeutet, aber im Gegensatz zu Kreuzen in den Klassen und dem Tragen religiöser Symbole greift das Kopftuch in die individuelle Entwicklung von pubertierenden Mädchen ein. Es ist gekoppelt an die Geschlechtsreife, es ist gekoppelt an patriarchale Strukturen, es ist gekoppelt an Fremdbestimmung durch Religionsgelehrte. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschler [SPÖ/Stmk.].) 

Ja, auch wir haben patriarchale Strukturen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen; ich denke wieder an den Begriff Mädchen, der Frauen von Geburt an verkleinert und neutralisiert. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.].) Das Kopftuch aber übt den Druck der männerdominierten Familien auf das weibliche Individuum, auf den heranwachsenden Menschen direkt aus, und deshalb ist es umso wichtiger, dass wir an unseren Schulen jungen Frauen einen Raum bieten, in dem sie sich ohne äußeren Druck in Freiheit entwickeln können. 

Wir haben im Vergleich zum letzten Anlauf das Gesetz verbessert: Diesmal wurde der Begriff Kopftuch nach islamischer Tradition eindeutig definiert, die Altersgrenze und der Geltungsbereich dieses Gesetzes wurden präzise und klar geregelt: Es gilt im Schulunterricht, in Schulgebäuden und auch in Schulsportstätten. Es gilt nicht nur an öffentlichen Schulen, sondern natürlich auch an Privatschulen.

Das Kopftuchverbot ist auch ein Zeichen gegen wachsenden Extremismus, der meint, Menschen bevormunden zu können, der in patriarchaler Selbstüberschätzung meint, zu freizügige Girlgroups mit bedingten Haftstrafen auf Staats- und Religionslinie bringen zu können. Das ist gerade diese Woche der Band Manifest in der Türkei passiert. Das Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14 Jahren soll hingegen ein Manifest für ein faires, gleichberechtigtes Miteinander sein und soll die jungen, heranwachsenden Frauen in ihrer Entwicklung schützen. 

Mein herzlicher Dank gilt hier unserem Minister Wiederkehr – ein herzliches Dankeschön – und auch unserer Ministerin Claudia Plakolm für den unermüdlichen Einsatz und die Weiterentwicklung dieses wichtigen Gesetzes. 

Ich danke aber vor allem allen Pädagoginnen und Pädagogen, die nicht nur diese Gesetze mit Leben füllen werden, sondern täglich durch ihren Mammuteinsatz von Zeit und Energie bewerkstelligen, dass unsere Zukunft, unsere Kinder und unsere nächsten Generationen, eine Zukunft haben, und zwar eine erfüllte und erfüllende Zukunft. Deshalb wünsche ich allen im Schulwesen Tätigen, allen Schülerinnen und Schülern, allen Österreicherinnen und Österreichern und vor allem euch, liebe Republikmitverantwortlichen, friedvolle, freudvolle, liebevolle Weihnachtsfeiertage, Zeit für Familie, für Regeneration, für Rekreation. Möge das neue Jahr 2026 von Gesundheit, von Lebensfreude, von Mut und Zuversicht erfüllt sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Mitgliedern des Bundesrates von der SPÖ sowie des Bundesrates Kober [FPÖ/Stmk.] und der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

18.46

Präsident Peter Samt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr.

RN/135

18.46

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste hier im Saal! Ich erinnere mich an die Zeit der Pandemie: Da mussten wir als eine Nebenwirkung der vielen Maßnahmen, die ergriffen wurden, auch erleben, dass eine große Zahl an Schülerinnen und Schülern regelrecht von den Bildschirmen – Sie erinnern sich an das Distance-Learning – verschwunden ist, und wir hatten große Sorge, wo diese jungen Menschen sind und wie es ihnen in der Pandemie geht, wie sie zu Hause zurechtkommen und wann sie wieder in den Schulalltag zurückfinden. Ich kann mich erinnern, dass es sehr schwer auszuhalten war, nicht zu wissen, wie es diesen jungen Menschen geht. 

Damals gab es noch keine Handhabe, wie die Schule proaktiv mit diesen jungen Menschen, mit den Familien in Kontakt treten kann, und das war aus meiner Sicht ein großes Problem. Ich finde, es ist neben der Verantwortung der Eltern schon auch eine Verantwortung des Staates und damit der Bildungseinrichtungen, zu wissen und Verantwortung dafür zu übernehmen, wo unsere Kinder sind und wie es ihnen geht. (Beifall bei der SPÖ.) In diesem Sinne, möchte ich gleich zu Beginn sagen, beruhigt es mich sehr, dass wir heute diese Maßnahmen, die sich in diesem Paket finden, beschließen werden; wir als SPÖ-Fraktion stimmen dem sehr, sehr gerne zu. 

Man unterscheidet in diesem Paket zwischen jenen Schüler:innen, die die Schule abbrechen, und jenen, die vorübergehend suspendiert werden müssen. Für beide Gruppen gilt aus meiner Sicht aber eben dieses staatliche Interesse, sie weiterhin zu begleiten, denn diese Menschen stehen nach wie vor am Beginn ihrer Bildungs- und auch beruflichen Karriere, und wir alle wollen, dass sie diese Zukunft für sich auch gut nutzen können. 

Bei den Schulabbrecherinnen geht es darum, dass wir gemeinsam mit ihnen einen neuen Weg, eine sinnvolle Beschäftigung, eine Arbeit oder eine nächste Ausbildung finden, denn es wäre fatal, wenn man sie ohne Begleitung in ihre Zukunft entlässt. Bei denjenigen jungen Menschen, die das Bildungssystem dermaßen herausfordern, dass man quasi vorübergehend eine Pause einlegen muss, zu ihrem Schutz, aber auch zum Schutz der restlichen Klassengemeinschaft oder Gruppengemeinschaft eine Distanz herstellen muss, geht es auch darum, diesen Kontakt nicht abbrechen zu lassen. Diese Pause muss nämlich auch genutzt werden, um nachzusehen: Was genau ist das Problem? Warum verhält sich dieser junge Mensch so? Und was kann in Zukunft anders gemacht werden, damit diese Kooperation wieder gelingen kann? 

Denn: Nach ein paar Tagen, nach ein paar Wochen kommen diese Schüler und Schülerinnen im Idealfall wieder zurück in die Schule, in die Klassengemeinschaft, und dann muss es in irgendeiner Form weitergehen und dann soll im Idealfall etwas besser sein als davor. Das heißt, wir brauchen in beiden Fällen, beim Schulabbruch und bei der Suspendierung, einen Blick auf das dahinter liegende Problem. In den meisten Fällen geht es nicht nur um ein schlechtes Benehmen, sondern um eine Themenstellung, die dieser junge Mensch mitbringt, die sich über viele Jahre aufgebaut hat und die man auch nicht in wenigen Tagen wegknipsen kann und dann ist alles gut und alle verstehen sich und das Zusammenleben funktioniert wunderbar. 

Das heißt in weiterer Folge: Um diese Sachlagen bearbeiten zu können, brauchen diese Menschen in erster Linie verlässliche Bezugspersonen, Menschen, die quasi einen Draht zu diesen jungen Menschen haben und mit ihnen in Beziehung treten können, ihnen etwas anbieten können. Dafür brauchen diese Pädagog:innen, die Schulsozialarbeiter:innen, die Stützkräfte vor allem Zeit, sich diesen Menschen widmen zu können, diese schwierigen Gespräche zu führen, oft auch mit den Eltern. 

Kollege Ruf, da habe ich ein bisschen eine andere Erfahrung: Meine Erfahrung ist, dass Eltern im Zweifelsfall oder im Normalfall ihr Bestes geben, um ihre Kinder zu erziehen. Sie in die Pflicht zu nehmen oder auch mit Sanktionen oder Strafen zu drohen, macht oft die Situation zu Hause nicht viel besser oder kann nicht einen schnellen Umschwung bringen. Das heißt, man muss auch die Eltern begleiten und mitnehmen und man muss ihnen neue Angebote setzen, damit sich in dieser Beziehung irgendetwas ändert, in der Klasse oder in der Kindergartengruppe. (Beifall bei der SPÖ.)

Was mich freut, was auch in diesem Paket verankert ist, ist, dass ein Monitoring vorgesehen ist, also ein Begleiten der Anzahl der Suspendierungen, auch ein Mechanismus, wie diese Suspendierung stattfinden kann, nach welchen Kriterien suspendiert werden darf und so weiter, denn das Schlimmste wäre, wenn dieses Instrument inflationär verwendet wird, dass immer, wenn ein Schüler, eine Schülerin unangenehm wird, gleich die Suspendierungskarte gezogen wird. Das will man durch diese Kriterien verhindern, und dieses Monitoring wird uns auch zeigen, wie dieses Modell verwendet wird und ob man vielleicht an irgendeiner Stelle auch gegensteuern muss, denn ich glaube, das Ziel muss nach wie vor sein, nicht mehr zu suspendieren oder mehrere Pausen einzulegen, sondern das Bildungssystem stark zu machen, die Ressourcen dorthin zu geben, wo sie gebraucht werden, damit die Kinder und Jugendlichen im System bleiben können und das Bildungssystem mit allen Kindern gut zurande kommt. Das müsste das nachhaltige Ziel sein. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP.)

Jetzt möchte auch ich noch ein Wort zum Kopftuchverbot wagen. Für mich ist das zugegebenermaßen gar nicht so leicht, aber mir geben immer die Kinderrechte – Kollegin Kittl hat sie auch schon ins Treffen geführt – Orientierung, um zu bewerten, wann eine Maßnahme gut ist oder nicht gut ist. Beim Kopftuchverbot gilt es, mehrere verschiedene und zum Teil widersprüchliche Kinderrechte gegeneinander abzuwägen, das macht es in diesem Fall so tricky.

Es gibt ein Recht auf freie Religionsausübung, und zwar egal, um welche Religionsgemeinschaft es sich handelt, und – das muss uns bewusst sein – dieses Recht haben auch junge Menschen und Kinder. Es geht auch um ein Recht auf Teilhabe, das jedem Kind zusteht, egal in welchem Alter und egal mit welchem Hintergrund. Es geht um ein Recht auf Schutz vor Diskriminierung, und es geht – und das ist in diesem Fall wohl eines der starken Rechte – um ein Recht auf Schutz vor Zwang und vor Gewaltausübung. Ich glaube, wir alle wollen, dass niemand jungen Mädchen vorschreibt, was sie tragen sollen, was sie anzuziehen haben. Wir kennen zum Teil die patriarchalen Strukturen, die dahinterstecken, und dem will man da entgegenwirken.

Es ist tatsächlich aber diese schwierige Abwägungsfrage, und das, was uns eint – Kollegin Kittl, da möchte ich dir ganz recht geben –, ist, dass diese Debatte um religiöse Symbole in der Öffentlichkeit nicht auf dem Rücken junger Mädchen ausgetragen werden darf. Ich möchte alle auffordern, vor allem im Bildungs- und Freizeitbereich, nicht mit dem Finger auf junge Mädchen zu zeigen, die in einer extrem schwierigen Situation sind, sondern im Gegenteil, junge Mädchen, junge Frauen müssen wir als Kollektiv stärken. Wir müssen sie bestärken, ihren eigenen Weg zu finden, ihren eigenen Weg zu gehen. Manchmal dauert es auch Generationen, bis tradierte Rollenbilder und Normen sich überholen oder auflösen, und diese Zeit sollten wir auch im Blick behalten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätinnen Hauschildt-Buschberger [Grüne/OÖ] und Deutsch [NEOS/W].)

Trotzdem muss ich in diesem Hause sagen: Wenn wir wirklich wollen – und ich hoffe, das eint uns –, dass Frauen gleichberechtigt sind und auch gleichberechtigt leben können, dann ist die Verwendung der Sprache ein Ding, das man nicht negieren kann. Sprache schafft Realität! (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Wenn auch hier im Haus – und ich richte mich jetzt dezidiert an die FPÖ – permanent verbal Frauen und weibliche Personen ignoriert werden (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja ein Unsinn!), wenn man ganz bewusst immer nicht Frauen, sondern nur Männer benennt und wenn man alles daransetzt, dass nur die männliche Version des Menschen Öffentlichkeit bekommt, dann ist das eine bewusste Form der Ignoranz (Zwischenrufe bei der FPÖ) und der Unterdrückung und ein Bekenntnis dazu, dass man Männer vor Frauen stellt – und das machen Sie seit gestern und natürlich schon viel länger, aber hier auch ununterbrochen. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W]. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Wir reden halt normal, das ist ganz einfach!)

Das kann man machen, das ist Ihre Entscheidung, aber dann ist es nicht legitim, jemals noch mit dem Zeigefinger auf andere patriarchale Strukturen zu zeigen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ] – erheitert –: Ja, genau! Genau!), sich an Communitys zu wenden, die patriarchal sind, und die gibt es. Das ist in diesem Fall nicht mehr legitim. Da muss man anfangen, vor den eigenen Türen zu kehren. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ich bin so froh, dass die hohe moralische Instanz das vorgibt! Danke!) – Frohe Weihnachten! (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].  Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Die hohe moralische Instanz ..., geh bitte!)

18.57

Präsident Peter Samt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrat Irene Partl. Ich erteile es ihr.

RN/136

18.58

Bundesrätin Irene Partl (FPÖ, Tirol): Danke, Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kollegen! Liebe Zuseher! Tun wir bitte heute nicht so, als hätten wir ein neues Problem erkannt. Dieses Problem ist seit Jahren bekannt, und es wurde ebenso lange auch verdrängt. (Beifall bei der FPÖ.) 

Dass wir jetzt über ein Kopftuchverbot für Kinder unter 14 Jahren reden, ist kein Fortschritt, sondern ein spätes Eingeständnis politischen Versagens. Diese Maßnahme ist längst fällig. Sie ist keine Erfindung dieser Regierung, sondern eine langjährige Forderung der FPÖ. (Beifall bei der FPÖ.) 

Dass man sie jetzt übernimmt, zeigt vor allem eines: Die Realität lässt sich nicht dauerhaft ignorieren. Das Problem ist hausgemacht. Es ist die direkte Folge unkontrollierter Zuwanderung, fehlender Integrationsbereitschaft und einer Politik, die Probleme lieber relativiert, statt sie zu lösen. 

Ich betone noch einmal: Wir reden heute über Kinder unter 14 Jahren, über Minderjährige. Für Kinder unter 14 gibt es kein religiöses Gebot, ein Kopftuch zu tragen. Was da passiert, ist keine Glaubensfreiheit, sondern sozialer und familiärer Druck auf Mädchen.

Familien, meist Väter, schicken ihre Mädchen mit Kopftuch zur Schule. – da ist schon etwas falsch gelaufen. Buben beschimpfen und bedrohen Mädchen, die sich nicht konform verhalten – schon da müssen Maßnahmen gesetzt werden. 

Ich zitiere den Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. Er sagt Folgendes: „Gerade in der muslimischen Community herrscht ein Kontrollwahn, und kontrolliert wird nicht nur in den Familien – vor allem die Mädels –, sondern es wird die ganze Community kontrolliert. Es gibt solche Phänomene wie die Sittenpolizei [...] et cetera. [...] Die jungen Menschen diesen Mechanismen zu überlassen, halte ich für fahrlässig. 

Ich sage ein Beispiel: Mir hat eine Wiener Lehrerin erzählt: Da ist ein muslimisches Mädchen das erste Mal nach Monaten ohne Kopftuch in die Klasse gekommen. Und die Klasse hat zuerst irgendwie verstört geschaut, und dann haben die Kinder alle applaudiert. Ich meine, [...] da kommen dir die Tränen. Und ich meine, genau solche Phänomene sollte man fördern, und nicht die, die Repressalien auf diese Kinder ausüben, damit sie sich gemäß einer Religion oder irgendeines kulturellen Reglements verhalten.“ – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ.)

Kinder brauchen Schutz vor religiösem Zwang, vor ideologischem Druck und vor einem Frauenbild, das mit unseren freiheitlichen Grundwerten unvereinbar ist. Schule muss ein geschützter Raum sein, in dem alle Kinder lernen und sich entwickeln können. Und noch etwas: Anders als das Kopftuch ist das Kreuz kein Symbol der Unterdrückung – ich erwähne das jetzt deswegen, weil Lena Schilling sich wieder einmal geäußert hat und die Kreuze aus den Schulklassen abnehmen oder weghaben will. – Also ich weiß nicht, was ihr fehlt. (Beifall bei der FPÖ.  Heiterkeit bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schwindsackl [ÖVP/Stmk.].)

Vielleicht hat sie aber auch den Artikel von Andreas Babler gelesen. Der hat 1996 als Mitglied des Gemeinderates von Traiskirchen in einem polemischen Artikel die katholische Kirche heftig kritisiert und unter anderem mit folgenden Sätzen zum Entfernen von Schulkreuzen aufgerufen – Zitat: „Wenn’s euch stört, nehmt es ab! Handschuhe verwenden – Ansteckungsgefahr. Nicht im Klassenzimmer verbrennen – schlechte Luft, eventuell giftige Gase.“ – Auf den Artikel angesprochen hat er dies dann 2023 als Satire bezeichnet. (Ruf bei der SPÖ: Stimmt ja!)

Wenn der Gesetzgeber erkennt, dass das Kopftuch schuld an Druck und fehlender Gleichstellung ist, dann ist es nicht nachvollziehbar, warum diese Erkenntnis bei Schülerinnen mit 14 enden soll. Lehrerinnen, schulische Mitarbeiterinnen – das sind ja dann die mit den Kopftüchern, deswegen sind jetzt die Damen gemeint, gelt? – sowie pädagogisches Personal haben Vorbildwirkung. Auch ältere Mädchen in öffentlichen Schulen sind Teil dieses Systems. 

Halbherzige Regelungen schaffen keine Integration, keine Sicherheit, sondern neue Konflikte. Wir stimmen dem Gesetz zu, weil es schon immer ein Teil unserer Forderungen war und ein erster Schritt gesetzt wird, aber wer Integration, Gleichstellung und den Schutz von Kindern ernst meint, muss weiter gehen, konsequent und ohne Ausreden. Daher stellen die Bundesräte Irene Partl, Klemens Kofler und weitere Bundesräte folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Mitglieder des Bundesrates Irene Partl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Schulpersonal“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die das Tragen eines Kopftuches sowie eine Verschleierung in öffentlichen Pflichtschulen für das gesamte schulische Personal, insbesondere Lehrerinnen, verbietet.“


(Beifall bei der FPÖ.)

19.04

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

TOP20 Unselbständiger Entschließungsantrag: Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Schulpersonal von Irene Partl

Präsident Peter Samt: Der von den Bundesräten Irene Partl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Schulpersonal“ ist genügend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Julia Deutsch. Ich erteile es ihr.

RN/137

19.05

Bundesrätin Mag. Dr. Julia Deutsch (NEOS, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und eventuell auch, falls Sie sich noch via Livestream bei uns eingefunden haben! Diese Regierungsvorlage greift mehrere zentrale Fragen des schulischen Zusammenlebens auf, und für mich als Parlamentarierin ist dabei entscheidend, wie wir die Probleme lösen: mit Maßnahmen, die tatsächlich im Schulalltag wirken. 

Eine dieser Maßnahmen ist die Suspendierungsbegleitung. Suspendierungen haben grundsätzlich immer die Ultima Ratio zu sein: Sie kommen dann zum Einsatz, wenn von einem Kind oder einem Jugendlichen oder einer Jugendlichen eine akute Gefahr für sich selbst oder für andere ausgeht. Was aber bisher oft gefehlt hat, war eine strukturierte Begleitung danach, denn eine Suspendierung ohne Begleitung heißt in der Realität: kein Unterricht, keine Struktur und keine pädagogische Aufarbeitung. Das erhöht die Gefahr, dass sich Konflikte und problematische Verhaltensmuster verfestigen und letztendlich in einem dauerhaften Ausschluss oder einem Schulabbruch enden. Genau da setzt diese Novelle jetzt an. 

Mit der verpflichtenden Suspendierungsbegleitung schaffen wir erstmals bundesweit verbindliche Standards, die auch wirklich klarmachen: Eine Suspendierung ist kein Ausschluss auf Zeit, sondern ein pädagogischer Auftrag. Das bedeutet, die betroffenen Schülerinnen und Schüler erhalten während der Suspendierung eine strukturierte pädagogische und auch psychosoziale Begleitung. Ursachen von Fehlverhalten werden aufgearbeitet und nicht einfach verdrängt, und die Rückkehr in die Schule wird gezielt vorbereitet und nicht dem Zufall überlassen.

Die Schule kann allerdings auch nicht alles alleine tragen. Wenn die Reintegration in den Schulalltag funktionieren soll, dann braucht es die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten – und ja, damit kommen auch verbindliche Mitwirkungspflichten. Das ist nichts anderes als ein Zeichen der gemeinsamen Verantwortung.

Der zweite zentrale Punkt sind die Perspektivengespräche. Wir wissen, gerade an mittleren und höheren Schulen verlassen Jugendliche das Bildungssystem oft in einer Phase, in der sie eigentlich am meisten Orientierung bräuchten, und da darf nicht weggesehen werden. Dahinter stehen persönliche, familiäre oder auch schulische Faktoren. Es ist ja nicht nur ein einziger Grund, aus dem dieser Schulabbruch kommt, und diese Faktoren müssen gesehen werden.

Mit den Perspektivengesprächen wird nun etwas, das vielerorts eh bereits informell passiert – und auch erfolgreich passiert –, nun verbindlich und systematisch verankert. Wir hören zu: Warum kommt es überhaupt dazu? Wir lernen aus dem Feedback zum Schulklima und zu schulischen Rahmenbedingungen, und vor allem eröffnen wir die konkreten nächsten Schritte, das heißt, in andere Schulen, in andere Ausbildungswege oder andere Unterstützungsangebote. Auch da geht es natürlich um die Einbindung der Eltern und, wenn nötig, von Schulpsychologie, Sozialarbeit oder Jugendcoaching. Dies schafft im Endeffekt ein Netzwerk, das Jugendliche nicht fallen lässt, sondern auffängt, denn eines ist für mich hier auch wichtig zu betonen: Die Bildungspolitik endet ja nicht vor der Schultür und auch nicht mit dem Abmelden eines Kindes.

Die hier diskutierte Regierungsvorlage enthält darüber hinaus auch die Regelung zum Kopftuchverbot für unmündige minderjährige Mädchen. Der Hintergedanke dieser Maßnahme ist der Schutz dieser unmündigen Mädchen und die Stärkung ihrer Selbstbestimmung. Die Maßnahme ist so im Regierungsprogramm verankert, sie ist aber auch, das möchte ich schon auch sagen, eine besonders sensible Maßnahme. Gerade wenn es um Grundrechte, Religionsfreiheit und Gleichstellung geht, braucht es besondere Sorgfalt. 

Diese Maßnahme erlangt aus diesem Grund auch viel Aufmerksamkeit und erhält auch von verschiedenen Seiten durchaus Kritik, und als Parlamentarierin möchte ich hier auch offen und ehrlich sagen: Das Ziel war da, ein verfassungskonformes Gesetz zu schaffen. Ob es verfassungskonform ist, das obliegt nicht mir, sondern es obliegt dem VfGH, zu entscheiden. Das liegt an dem Rechtsstaat, in dem wir leben, und der Gewaltentrennung, für die wir uns alle starkmachen und die wir zu achten haben.

Die Ankündigung, vor den VfGH zu gehen, gibt es bereits. Das heißt, wir wissen, dass diese Prüfung passieren wird, und sie wird zeitgerecht passieren. Ob ein verfassungskonformes Gesetz gelungen ist, werden wir also rechtzeitig erfahren. Und das betrachte ich persönlich auch als Ausdruck eines funktionierenden Rechtsstaats. 

Und damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, komme ich zum Ende meiner letzten Rede des heutigen Tages und auch in diesem Jahr und zu den nahenden Feiertagen, die für manche Menschen vielleicht nicht so wichtig sind, für manche mögen sie auch sehr fordernd sein, das dürfen wir auch nicht vergessen, aber für viele sind diese Feiertage auch ein Grund zur Freude und eine schöne Zeit mit den Liebsten – ich hoffe natürlich, dass die meisten von Ihnen zu letzterer Gruppe zählen. 

Ich möchte an dieser Stelle auch einmal Danke sagen: Ich darf seit mittlerweile einem guten halben Jahr Teil dieser Länderkammer sein, und ich freue mich tatsächlich, ein Teil davon zu sein, dass ich sehr gut aufgenommen worden bin, vollkommen fraktionsübergreifend – also herzlichen Dank dafür. 

Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage, ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch und ich freue mich darauf, Sie alle froh und munter im neuen Jahr in diesem Saal wiederzusehen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

19.11

Präsident Peter Samt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Margit Göll. Ich erteile es ihr.

RN/138

19.11

Bundesrätin Margit Göll (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Heute geht es um Kinder, im Besonderen um Mädchen, und es liegt in unserer Verantwortung, hier auch zu handeln. Wir haben uns schon öfter mit dem Thema auseinandergesetzt: Wie können wir unsere Schulen sicher machen? Schule muss ein sicherer Ort sein, ein Ort der Freiheit, ein Ort der Selbstbestimmung, aber auch ein Ort der Gleichberechtigung. 

Das Kinderkopftuch ist kein harmloses religiöses Symbol, es ist ein Zeichen der Kontrolle, aber auch ein Zeichen der Unterdrückung, und es sagt Mädchen: Du musst dich verdecken, du musst dich schützen, denn du bist nicht frei! – Das Kopftuchverbot an Schulen ist deshalb Schutz für diese Mädchen, Schutz vor Druck, Schutz vor Zwang und Schutz vor Rollenbildern, die nicht in unser Land passen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Partl [FPÖ/T].)

In Österreich stehen wir für gleiche Chancen für Mädchen und Frauen, das ist ja heute ein sehr wichtiges Thema, die Gleichberechtigung, und natürlich auch für Gleichberechtigung an unseren Schulen. Und wer hier leben will, muss sich auch an unsere Werte halten. Immerhin sind 73 Prozent der Bevölkerung für dieses Verbot. 

Also: Schule muss ein Ort sein, an dem Mädchen lernen dürfen, ohne Angst, ohne religiösen Druck und ohne das Gefühl, sich vor fremden Blicken schützen zu müssen. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist hier ein wirklich historischer Schritt und ein wichtiger Schritt für unsere Mädchen, aber auch für unsere Frauen. 

Nun möchte ich noch ganz kurz zu den Suspendierungsmaßnahmen kommen. Schulen müssen für unsere Kinder und Jugendlichen sichere Orte zum Lernen, aber auch zur persönlichen Entwicklung sein, und deshalb muss auch hier klar gesagt werden: Wer stört oder Gewalt ausübt, muss auch klare Konsequenzen spüren! Und wir wissen – und darüber haben wir auch schon diskutiert und hier gesprochen –: Die Suspendierungen erfolgten bisher ohne wirkliche Lösungen und ohne Perspektive für das ausgeschlossene Kind, und wir wollen diese Kinder auf keinen Fall im Stich lassen. 

Jetzt soll sich das grundlegend ändern: Es wurde ein großes Maßnahmenpaket für die verpflichtende Suspendierungsbegleitung an unseren Schulen geschnürt – und ich betone es noch einmal: Kein Kind soll da alleine gelassen werden! –, mit Begleitung, mit einer Perspektive, aber natürlich auch mit vielen Gesprächen, denn, das ist auch angesprochen worden, Perspektivenlosigkeit ist eine der größten Gefahren für unsere Kinder, aber natürlich auch für uns als Gesellschaft. 

Schule muss ein gewaltfreier Raum sein, mit mehr Schulsozialarbeit, mit mehr Schulpsychologie und klaren Standards. Für unsere Kinder ist das wichtig, aber natürlich auch für unsere Zukunft, und ich bitte euch daher um Zustimmung. – Vielen Dank. 

Abschließend darf ich mich auch noch beim Herrn Präsidenten für seine umsichtige Präsidentschaft, für seine Führung bedanken. 

Ich wünsche allen Mitarbeitern, aber auch euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein ruhiges und friedliches Weihnachtsfest im Kreise eurer lieben Familie, im Kreise eurer Lieben und natürlich einen guten und positiven Blick in das Jahr 2026, mit Zuversicht und Optimismus, damit wir auch gut ins neue Jahr starten und weiterhin für dieses Land arbeiten können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Mitgliedern des Bundesrates von der SPÖ.)

19.15

Präsident Peter Samt: Danke, Frau Kollegin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. Ich erteile es ihm. 

RN/139

19.15

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte und liebe Kollegen im Bundesrat! Liebe Freunde hier und zu Hause! Grüß Gott! Na ja, die Realität scheint angekommen zu sein: Das Kopftuchverbot kommt – eine Forderung, die wir schon seit Jahren aufgestellt haben. 

Was wir aber wirklich brauchen, ist ein generelles Kopftuchverbot an allen unseren Schulen und selbstverständlich auch für alle Lehrerinnen und alle, die in der Schule tätig sind. 

Was mich stört, ist: Selbstverständlich, wir könnten daraus ein Gesetz mit Zweidrittelmehrheit machen. Warum passiert das eigentlich nicht? Wir hätten ja die Zweidrittelmehrheit; das ist eigenartig. 

Durch die unkontrollierte Massenzuwanderung sind alle unsere Systeme ausgereizt und überfordert, besonders unser Schulsystem. Zu dem, was die Pfarrerstochter aus der DDR vorgegeben hat – die Willkommenskultur und den Ausspruch: „Wir schaffen das“, und das Teddybärwerfen auf diversen Bahnhöfen –, muss ich sagen: Jetzt ist Schluss mit lustig, denn jetzt sind sie da und die Katastrophe ist da!

Wenn wir heute über Schulen reden, dann fast nur mehr im negativen Sinne: Wir reden über Analphabeten nach neun Schuljahren, wir reden über Gleichgültigkeit (Ruf bei der SPÖ: Zur Tagesordnung!), über Respektlosigkeit, wir reden – was noch ein bisschen ärger ist – aber auch viel über Mobbing, über Gewalt und über Wegweisung. Wir müssen tatsächlich Kinder wegweisen, woanders beaufsichtigen, weil sie in der Schule nicht mehr unterzubringen sind. Das ist natürlich ein Worst Case, so furchtbar schlecht kann man eigentlich gar nicht agieren. 

Aber da möchte ich Frau Göll doch gratulieren: Du hast die Kurve gekriegt, du sagst das jetzt auf einmal auch. – Danke schön. (Ruf bei der ÖVP: Was? Was sagt sie? – Bundesrat Wanner [SPÖ/Sbg.]: Das war der Heuler jetzt, der Heuler des Abends! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler [ÖVP/Sbg.]: Was sagt sie? Was hat sie jetzt gesagt? – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Was du (in Richtung Bundesrätin Göll) gesagt hast. (Ruf bei der ÖVP: Was sie gesagt hat! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Später.

Ich möchte noch einmal auf das Kopftuchverbot zurückkommen. Unter Atatürk hat es in der Türkei selbstverständlich ein Kopftuchverbot gegeben. Atatürk hat in ganz wenigen Jahren die Türkei zu einem modernen Staat reformiert. Wollt ihr jetzt wirklich den umgekehrten Weg gehen oder was soll das sein? (Beifall bei der FPÖ.)

Alles über Bord werfen, alle Errungenschaften, die wir mühsam erworben und erarbeitet haben? – Nein, wir werden für dieses unser Leben kämpfen, für unsere Einstellung, wir wollen leben, so wie wir leben wollen, und das werden wir mit allem, was wir haben, verteidigen. 

Da möchte ich schon auf die Doppelmoral zurückkommen: Ihr redet von einer Herdprämie, wenn sich eine Mutter um ihr eigenes Kind kümmert, und dann wollt ihr die Frauen und Mütter verstecken? Deswegen heißt es ja auch nicht mehr Mutter-Kind-Pass, sondern Eltern-Kind-Pass. Das ist genau das, was ihr aussagen wollt. (Bundesrätin Lassnig [ÖVP/Ktn.]: Auch wieder die falsche Rede!) – Nein, es ist nicht die falsche Rede, ich weiß schon, was ich rede. 

Darum sage ich: Wir werden unseren Lebensstil nicht ändern, und was wir auf gar keinen Fall akzeptieren werden, das ist Gewalt an unseren Schulen. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag 

der Mitglieder des Bundesrates Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „9-Punkte-Maßnahmenkatalog für eine gewaltfreie Schule“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Umsetzung der dargestellten Maßnahmen des 9-Punkte-Maßnahmenkatalogs für eine gewaltfreie Schule beinhaltet.“ 


Ich möchte mich auch noch bei den drei grünen Grazien für den netten Brief zu Weihnachten bedanken. Ich muss sagen, ich weiß schon, dass wir fast immer nicht einer Meinung sind, trotzdem aber bin ich mit sage und schreibe allen von euch per Du. Und das ist schon interessant: dass man sich danach doch zusammenraufen und normal miteinander reden kann. Dafür bin ich euch allen dankbar. 

Außerdem wollte ich euch noch von mir und von Irene Partl frohe Weihnachten wünschen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.20

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

TOP20 Unselbständiger Entschließungsantrag: 9-Punkte-Maßnahmenkatalog für eine gewaltfreie Schule von Klemens Kofler

Präsident Peter Samt: Der von den Bundesräten Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „9-Punkte-Maßnahmenkatalog für eine gewaltfreie Schule“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Christoph Wiederkehr. Ich erteile es ihm.

RN/140

19.21

Bundesminister für Bildung Christoph Wiederkehr, MA: Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, hier im Bundesrat sein zu dürfen – bei dieser so friedlichen und vorweihnachtlichen Stimmung. (Allgemeine Heiterkeit.) Da wird man richtig inspiriert, was hier fraktionsübergreifend an Liebe verstreut wird. Das ist auch schön und gut so.

Ein wichtiges Thema heute: dass Kinder in der Schule Entfaltung erfahren sollen, dass Kinder die beste Bildung erhalten sollen, um so ein selbstständiges Leben führen zu können. Eine Grundbedingung für so eine geglückte Bildung ist ein gewaltfreies Klassenzimmer, dass Kinder, aber auch Lehrpersonen frei von Angst und von Gewalt Bildung erleben dürfen und angstfrei in die Schule gehen können, denn mit Angst lernt es sich nicht gut, Angst ist ein Hindernis für einen guten Bildungsweg.

In diesem Zusammenhang muss man auch die Probleme, die wir haben, benennen, auch die Probleme, die in den letzten Jahren aufgetreten sind, nämlich dass wir mehr kulturelle Konflikte und auch mehr Gewalt als noch vor zehn Jahren in den österreichischen Klassenzimmern haben. Das sehen wir an der Anzahl der Suspendierungen, die sich in den letzten fünf Jahren verdreifacht hat. Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, allerdings sind es deutlich zu viele, und deshalb ist es notwendig, konsequent dagegen zu agieren. Und genau deshalb gibt es dieses Gesetzespaket. Ich bin froh, dass diese Regierungsvorlage von vier von fünf Parteien im Nationalrat beschlossen worden ist, und bitte auch heute hier im Bundesrat um Zustimmung, weil dieses Paket Schulen sicherer macht und damit Bildung in Österreich verbessert.

Es beinhaltet vier Bereiche, in denen es deutliche Verbesserungen gibt. 

Das ist erstens die Suspendierungsbegleitung, auf die auch schon eingegangen worden ist, nämlich dass Kinder, die Gewalt an anderen verüben, eine Gefahr für sich selber oder andere darstellen, nicht einfach von der Schule suspendiert werden, ohne zu wissen, was sie dann machen. Das ist nämlich auch ein gewisser Freibrief: ab ins Einkaufszentrum zum Abhängen, ab in den Park, um Freunde zu treffen. Das wird auch mit Stolz auf Social Media gepostet. Das ist kein zeitgemäßer Umgang mit Kindern, die für sich selber oder andere eine Gefahr darstellen.

Diese Suspendierungsbegleitung ist natürlich nicht nur eine Form der Reflexion und Sanktion, sondern – viel wichtiger – beinhaltet auch eine pädagogische und psychosoziale Betreuung, damit die Kinder wieder in die Regelklassen zurückfinden, resozialisiert werden und damit eine gute Bildung für sich und auch die Klassengemeinschaft erfahren können. Das ist ein Paradigmenwechsel, wie wir mit Suspendierungen in unserem Land umgehen.

Das ist zweitens ein Perspektivengespräch, nämlich dass Jugendliche, die die Schule abbrechen oder von der Schule verwiesen werden, nicht ohne Perspektive aus der Schule verwiesen werden, sondern dass man mit ihnen auch bei Schulverweis Optionen erläutert, nämlich andere Perspektiven aufzeigt. Das ist deshalb so wichtig, weil Menschen, die keine Perspektive mehr haben, oft eine Gefahr auch für andere darstellen. 

Wir haben den tragischen Fall aus Graz in der Dreierschützengasse auch hier im Bundesrat diskutiert, wo der Attentäter keine Perspektive mehr hatte, die Schule abgebrochen hat. Genau diese Maßnahme, dass an allen Schulen, an denen es Schulausschlüsse oder -abbrüche gibt, Perspektivengespräche verpflichtend stattfinden müssen, ist auch ein Resultat dieses Ereignisses.

Drittens beinhaltet dieses Paket das Kopftuchverbot. Ich finde, das ist hier auch sehr ehrlich und auch richtig diskutiert worden. Es ist natürlich eine Abwägung von Grundrechten, ich bin aber ein bisschen anderer Meinung als Sie. Für mich ist es eine Abwägung des Grundrechts auf Religionsfreiheit und der Grundwerte der Kinderrechte. 

In Bezug auf die Kinderrechte ist es für mich sehr klar, dass unter 14-Jährige in der freien Entwicklung geschützt werden müssen und wir als Gesellschaft eine Verantwortung gegenüber unmündigen Minderjährigen haben, dass sie sich frei entwickeln können – insbesondere junge Mädchen –, frei von patriarchalen Strukturen, frei von Bevormundung, frei von Gruppenzwang in unserer liberalen, demokratischen Gesellschaft entfalten können. Das Kopftuch für unter 14-Jährige ist genau das Gegenteil davon, deshalb wird dieses Verbot zu mehr Freiheit und Entfaltung von jungen Mädchen führen. 

Aber natürlich ist es eine Abwägung des Grundrechts auf Religionsfreiheit. Es ist aber in Österreich so, dass man erst ab 14 religionsmündig ist, dass wir schon jetzt sagen, nämlich im Verfassungsrang, dass unter 14-Jährige keine vollständige eigenständige religiöse Entscheidungsfreiheit haben. Darum halte ich es für gerechtfertigt, auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, ein Kopftuchverbot bis 14 einzuführen.

Ich bin aber anderer Auffassung, nämlich dass es gut ist, dass es kein Zweidrittelgesetz im Sinne einer Verfassungsbestimmung ist. Wir haben in Österreich schon zu viel im Verfassungsrang, ich glaube, Kleidervorschriften sind keine Verfassungsbestimmungen, wenn man unsere Verfassung wirklich ernst nimmt. Und ja, es ist auch gut, wenn der Verfassungsgerichtshof über die verfassungsgemäße Ausführung des Gesetzes entscheiden kann. 

Das Ziel von mir und der Regierung war es ja, ein verfassungskonformes Gesetz vorzulegen, und ich bin zuversichtlich, dass dies gelungen ist. Wir haben uns auch die damalige Entscheidung, ein Kopftuchverbot einzuführen, sehr genau angesehen und beraten, was wir verbessern können, was der Verfassungsgerichtshof damals entschieden hat, und auch – auch das ist angesprochen worden – beachtet, was in der Begutachtung hereingekommen ist. Alle diese Aspekte wurden einbezogen, um so ein gutes, sinnvolles, hoffentlich – und wahrscheinlich – verfassungskonformes Gesetz vorzulegen, aber die Letztentscheidung hat in Österreich der Verfassungsgerichtshof. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Und der vierte Aspekt, den ich herausgreifen möchte, weil er ein Querschnitt über die ersten drei Punkte ist, ist die Verantwortlichkeit von Eltern, nämlich die Verantwortlichkeiten der Erziehungsberechtigten gegenüber ihren Kindern, auch einen Teil in der Bildungsarbeit zu leisten, sich auch für die Bildung der eigenen Kinder einzusetzen. Ich bin der Auffassung, dass die allermeisten Eltern das auch wollen, wir haben aber auch Fälle, wo Eltern ihren Beitrag nicht erfüllen und sich weigern, mit der Schule ins Gespräch zu kommen. 

Beispielsweise ist es bei Suspendierungen immer wieder vorgekommen – so auch meine frühere Erfahrung als Wiener Bildungsstadtrat –, dass manche Eltern das Gespräch mit der Schule verweigert haben, obwohl die Kinder von der Schule suspendiert worden sind. Ich finde, das ist in unserer Gesellschaft inakzeptabel. Es muss, wenn Probleme entstehen, miteinander geredet werden. 

Lehrkräfte sind von Eltern zu respektieren, und um Probleme zu lösen, muss miteinander geredet werden, Lehrkräfte gemeinsam mit den Eltern und den betroffenen Schülerinnen und Schülern, weil man bei Problemen nur gemeinsam Lösungen finden kann. Und diese Gesetzesvorlage ist die Garantie dafür. Wenn Eltern nicht kooperieren, kann es in einem Eskalationsmechanismus auch Sanktionen geben, nämlich Verwaltungsstrafen bis 800 Euro bei Verweigerung der Beteiligung an Suspendierungsgesprächen oder auch wenn das Kopftuchverbot von Eltern nicht ernst genommen wird. 

Wichtig dabei ist, auch beim Kopftuchverbot, dass es nicht zu einem Beziehungsabbruch von Schülern und Schülerinnen zur Lehrkraft kommt, dass die Behörde und nicht die Lehrkraft das Verfahren einreicht, dass, wenn diese Beziehungsarbeit im Klassenzimmer dann heikel ist, wenn ein Kopftuch getragen wird, nicht die Klassenlehrkraft sanktioniert, sondern als Erstes ein Gespräch mit der Direktion stattfindet und dann durch die Behörde ein Verfahren eingeleitet wird, um so die gute Beziehung, die gute Bildungsarbeit im Klassenzimmer nicht zu gefährden.

Das ganze Paket dient dazu, dass Schule ein sicherer Ort, ein gewaltfreier Ort ist, damit sich alle Kinder, alle Jugendlichen in unserem Land gut und frei entfalten können. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung und wünsche auch frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

19.29

Präsident Peter Samt: Danke, Herr Bundesminister. 

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sebastian Stark. Ich erteile es ihm.

RN/141

19.30

Bundesrat Sebastian Stark, BA MSc (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zu dem wichtigen Beschluss des Kinderkopftuchverbots möchte ich abschließend noch einen Blick auf die Begutachtungsphase werfen. Von den vielen abgegebenen Stellungnahmen waren nämlich gerade unter den negativen mehr als 90 Prozent Privatstellungnahmen und davon wiederum mehr als 80 Prozent von Männern. Wenn das nicht zeigt, warum wir dieses Kinderkopftuchverbot brauchen, dann weiß ich auch nicht weiter. (Beifall bei der ÖVP und bei Mitgliedern des Bundesrates von der FPÖ.)

Mit dem Kinderkopftuchverbot für unter 14-Jährige an allen Schulen wird ein wichtiger Schritt für die Freiheit junger Mädchen im Rahmen der Kinderrechte und gegen den politischen Islam und die Untergrabung unserer liberalen westlichen Werte gesetzt. Es geht immerhin nicht um ein einfaches Kleidungsstück, sondern um eine grundsätzliche Einstellung, Geisteshaltung und ein Symbol eben dieser. 

Schade ist, dass dieses Zeichen nicht einstimmig gesetzt wird. Trotz teilweise positiver Wortmeldungen auf Social Media oder auch im Nationalrat seitens der Grünen konnte man sich leider nicht zur Zustimmung überwinden. Ich dachte eigentlich, dass es progressiv und feministisch sei, sich gegen das Patriarchat zu stellen. (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Tät ich auch glauben!) Wenn man das ernst meint, dann darf man auch auf dem Auge der ehrkulturellen Unterdrückung nicht blind sein. Da wäre ein einstimmiger Beschluss wertvoll gewesen. (Beifall bei der ÖVP und bei Mitgliedern des Bundesrates von der FPÖ.)

Die FPÖ darf ich aber auch daran erinnern, dass das heute beschlossene Kinderkopftuchverbot weiter reicht, als das damals unter Schwarz-Blau beschlossene Verbot nur an öffentlichen Volksschulen. Auch das sollte man nicht vergessen. (Ruf bei der FPÖ: Deshalb haben wir mitgestimmt!)

Ich möchte mich dennoch für die Zusammenarbeit in diesem für mich halben Jahr im Hohen Haus bedanken. Es gab viele konstruktive Beschlüsse, manchmal auch mehr oder weniger konstruktiven Streit, aber vor allem gute gemeinsame Arbeit. Kollegin Jagl hat es vorhin auch erwähnt: Wir haben alle unterschiedliche Wege zum Ziel vor Augen, aber wir wollen doch gemeinsam das Beste für Österreich. Daran sollten wir, glaube ich, in der täglichen Arbeit immer öfter und immer wieder denken: wie groß der gemeinsame Nenner eigentlich ist. Ich wünsche euch, Ihnen allen frohe Weihnachten, schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich freue mich, wenn wir uns 2026 wiedersehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Mitgliedern des Bundesrates von SPÖ und FPÖ sowie der Bundesrätinnen Deutsch [NEOS/W] und Jagl [Grüne/NÖ].)

19.32

Präsident Peter Samt: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

RN/142

Abstimmung

Präsident Peter Samt: Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Irene Partl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Schulpersonal“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen. 

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein weiterer Antrag der Bundesräte Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „9-Punkte-Maßnahmenkatalog für eine gewaltfreie Schule“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen. 

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.