1789/J-BR BR
Eingelangt am:15.03.2001

DRINGLICHE ANFRAGE

gem. § 61 Abs. 3 GO - BR


 
der Bundesräte Roswitha Bachner, Hedda Kainz, Brunhilde Fuchs, Marizzi
und GenossInnen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend die unsozial - treffsichere Besteuerung der Unfallrenten
Unter dem zynischen Titel "Hebung der sozialen Treffsicherheit" wurde von der FPÖVP -
Koalition ein Kahlschlag im Sozialsystem mit einem unvorstellbaren Kürzungsvolumen von
knapp 8 Milliarden Schilling durchgeführt. Dieser Sozialraubzug der FPÖVP - Koalition übertraf
alle Befürchtungen, die bereits im Vorfeld von Organisationen wie Volkshilfe, Österreichischer
Pensionistenverband, Caritas, Diakonie, Katholischer Familienverband und vielen anderen im
Interesse der Menschen in unserem Land tätigen Institutionen geäußert wurden. Durch dieses
Belastungspaket werden untere und mittlere EinkommensbezieherInnen in einem Ausmaß
getroffen, das viele von ihnen an den Rande ihrer Existenz bringt.
Dieses Paket trägt die "Handschrift der sozialen Kälte": Der beispiellose Sozialabbau wird auf den
Rücken von BezieherInnen von Unfallrenten, auf den Rücken von Arbeitslosen, auf den Rücken
von StudentInnen und Pensionistinnen und vor allem auf den Rücken von Familien ausgetragen.
Sämtliche Befürchtungen, das Verständnis der FPÖVP - Koalition von sozialer Treffsicherheit
würde darin bestehen, die unteren und mittleren Einkommensschichten abzukassieren, haben sich
bestätigt. Die Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung von PartnerInnen ohne Kinder ist
ein weiterer Anschlag vor allem auf PensionistInnen und Ehepaare in strukturschwachen,
ländlichen Gebieten, wo Frauen nach jahrelanger beruflicher Tätigkeit und Beitragszahlungen
vielfach keinen Arbeitsplatz gefunden haben und noch immer nicht finden.
Die von der Koalition selbst durchgeführten Berechnungen der finanziellen Auswirkungen der
einzelnen Maßnahmen - in den Erläuterungen zum Budget und zum Budgetbegleitgesetz
nachzulesen - ergeben für das Jahr 2001 eine Steigerung der Belastungen der Österreicherinnen
und Österreicher insbesondere durch Steuererhöhungen und Einführung neuer Steuern um 30
Milliarden Schilling.
Die Maßnahmen des Budgetbegleitgesetzes 2001 sind ein massives Belastungspaket, das
zusammen mit dem Belastungspaket 2000 und den Pensionskürzungen dazu führen wird, dass am
Ende dieser Legislaturperiode die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen um jährlich 43,4 Mrd.
ATS weniger Einkommen haben werden als heute. Unternehmer und Selbstständige hingegen
werden jährlich über 3,4 Mrd. ATS mehr verfügen. Die blau - schwarze Regierung ist im vollen
Bewusstsein und mit "Treffsicherheit" auf die Schwächsten in der Gesellschaft losgegangen und
hat ihnen 8 Milliarden Schilling jährlich weggenommen.
Die Aussage des ÖVP Klubobmannes Dr. Khol, dass die Regierungsfraktionen vom
Finanzminister Grasser mit falschen Zahlen versorgt wurden, kann nur mit Kopfschütteln zur
Kenntnis genommen werden. Wenn Dr. Khol schon von seinem Regierungskollegen mit
unrichtigen Zahlen versorgt wurde, so hätte er doch wohl über Monate die Möglichkeit gehabt,
den Argumenten und Berechnungen der SPÖ Gehör zu schenken, die in Nationalrat und Bundesrat
wiederholt geäußert wurden.
Die Auswirkungen dieser unsozialen Politik sind im Heft 27 der WIFO MONATSBERICHTE
1/2001, in der Zusammenfassung zur Bewertung der Budgetpolitik nachzulesen:
"Die vierte Phase ("Erhöhung der sozialen Treffsicherheit") verwischte den Eindruck sozialer
Ausgewogenheit wieder, indem sie zum Teil auf sozial schwächere Anspruchsberechtigte abzielte.
Ins gesamt ergibt das Mosaik der Einzelmaßnahmen das Bild, dass die Begünstigung der breiten
Mehrheit der Bevölkerung, die Anfang 2000 eingetreten ist und im Prinzip auf Dauer angelegt
war, schon nach kurzer Zeit zu Lasten eben dieser großen Teile der Bevölkerung wieder teilweise
zurückgenommen werden musste. Die Konsolidierungsmaßnahmen trafen und treffen ab Anfang
2001 besonders die Bezieher niedriger (nicht unbedingt der niedrigsten) und mittlerer
Einkommen, die ein Jahr zuvor als stärker begünstigt erschienen."

Wie aus diesen Anmerkungen erkennbar ist, wurden die positiven Effekte der Steuerreform 1999,
welche die Handschrift der SPÖ trägt, für die Klein - und Mittelverdiener durch diese Regierung
umgehend zunichte gemacht.
Die blau - schwarze Regierung geht nun - im Gegensatz zur SP - dominierten Bundesregierung - im
vollen Bewusstsein und mit Treffsicherheit auf die Schwächsten in der Gesellschaft los. Seit
1. Jänner 2001 werden nun Unfallrenten besteuert; und dies hat dramatische Auswirkungen auf die
Betroffenen. Damit werden den Menschen mit Behinderungen durch diese Invalidensteuer
insgesamt zwei Milliarden Schilling abgenommen.
Es zeigt von unglaublicher sozialer Kälte und Rücksichtslosigkeit, dass die FPÖVP - Koalition die
Besteuerung der Unfallrenten damit argumentiert, dass dadurch so genannte Überversorgungen
zurückgenommen würden.
In Wahrheit trifft diese Maßnahme Menschen, die ein schweres Schicksal ertragen müssen, weil
sie meist durch Arbeitsunfälle Behinderungen erlitten haben. Sie bekommen zum Großteil eine
extrem geringe Pension und geraten durch die Besteuerung der Unfallrente in ungeheure
finanzielle Schwierigkeiten, die sie an den Rand existenziell abfederbarer Möglichkeiten bringen.
Hier wird Pauperisierung durch die schwarz - blaue Bundesregierung bewusst vorangetrieben.
In Österreich sind insgesamt 108.000 Menschen betroffen, vor allem ArbeiterInnen und
BäuerInnen, die nach einem Arbeitsunfall Versehrtenrente bekommen. Über 60 Prozent der
Unfallrentner sind bereits in Pension. Die Besteuerung der Unfallrente bedeutet durchschnittlich
eine Pensionskürzung von rund 30 Prozent monatlich, viele wissen nicht, wie sie auf Grund der
blau - schwarzen Belastungslawine künftig finanziell über die Runden kommen sollen.
Die von Regierungsvertretern vorgebrachte Behauptung, durch die Besteuerung der Unfallrenten
würden Überversorgungen zurückgenommen, ist angesichts der Einkommenslage fast aller
UnfallrentnerInnen unhaltbar. Im Ergebnis handelt es sich um eine massive Leistungskürzung, die
zu einem Gutteil Menschen mit niedrigem Einkommen trifft. Das Gesamteinkommen der
PensionistInnen (Pension und Unfallrente zusammen) liegt im Durchschnitt bei knapp über 14.000
Schilling brutto. Die erwerbstätigen UnfallrentenbezieherInnen erhalten Unfallrenten in einer
durchschnittlichen Höhe von 3.000 Schilling brutto.
Die Folgen sind massive Steuermehrbelastungen:
Betroffen sind also ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen mit niedrigen Einkommen - und die
Kürzungen sind massiv:
Ein Pensionist mit 12.000 Schilling brutto an Alterspension und 3.000 Schilling Unfallrente
verliert im Jahr über 10.000 Schilling netto.

Die Vertreter der FPÖVP Koalition haben immer wieder diese unsoziale Massnahme verteidigt
und die massiven Einwendungen der SPÖ VertreterInnen zurückgewiesen.
So zum Beispiel die Generalsekretärin der ÖVP Rauch Kallat:
"Verantwortungsvolle Politik heißt, dass man zu gemeinsamen Beschlüssen auch in
Wahlkampfzeiten steht und die Menschen nicht durch populistische Aussagen verunsichert",

sagte heute, Samstag, ÖVP - Generalsekretärin Maria Rauch - Kallat zur öffentlichen Diskussion um
die Besteuerung der Unfallrenten. Die Besteuerung der Unfallrenten sei Teil des von ÖVP und
FPÖ beschlossenen Gesamtpaketes zur sozialen Treffsicherheit, bei dem es vor allem auch
darum gegangen sei, die Integration von behinderten Menschen in den Arbeitsmarkt zu
erleichtern. Das werde durch die Beseitigung von Ungleichbehandlungen im Steuersystem
ermöglicht. "Dazu stehen wir",
so die ÖVP - Generalsekretärin. (OTS039, 24.02.2001)
Massive Proteste und Aktivitäten von Betroffenen haben dazu geführt, dass der Landeshauptmann
von Kärnten in der Pressestunde vom 25.2.2001 gezwungen war, die Argumentation der SPÖ
autzugreifen:
Haider: "Ich sage Ihnen überhaupt, ich glaube, dass der wirkliche Fehler bei der ganzen
Budgetsanierung der war, dass man ein verhältnismäßig unbedeutendes finanzielles Volumen,
soziale Treffsicherheit von ein paar Milliarden Schilling, überhaupt angegangen hat als
Maßnahme der Budgetsanierung. Das bringt unterm Strich aber nicht sehr viel
. Bei den
Unfallrenten haben sie 2 Milliarden Einnahmen, eine Milliarde geben sie wieder in eine
Behindertenoffensive hinein, sozusagen, um Arbeitsplätze für Behinderte zu schaffen. Wenn das
auf dem Rücken von wirklich armen Leuten ausgeht, der dann stau 16.000 Schilling im Monat
dann 10.000 hat oder einer, der 10,000 hat, hat halt dann nur mehr 7.000 Schilling, 8.000
Schilling. Das kann niemand verantworten."

Noch verworrener stellt sich die Situation im Falle des Verhaltens von FPÖ - Politikerin Partik -
Pable dar. Nachdem sie acht Mal im Nationalrat gegen die Aufhebung der
Unfallrentenbesteuerung gestimmt hat, erklärte sie in einer Presseaussendung des Freiheitlichen
Pressedienstes, dass sie die Aufhebung der Besteuerung der Unfallrenten rückwirkend fordert: "Es
sei nun zu hoffen, dass von Regierung eine rasche und menschliche Lösung gefunden werde. Es
habe sich nämlich gezeigt, dass die Besteuerung der Unfallrenten zu Härtefällen geführt habe."
(OTS034, 3.3.2001)
Nach dieser doch sehr aussagekräftigen Presseaussendung stimmte Partik - Pablé im Nationalrat
wiederum drei Mal gegen der Aufhebung der Unfallrentenbesteuerung, um auch danach wiederum
in die Medien zu treten und eine Aufhebung der Unfallrentenbesteuerung wiederum zu fordern.
Diese wiederholte völlige Irreführung der Bürgerinnen und Bürger durch die FPÖ - Politikerin
Partik - Pablé und die erhebliche Diskrepanz zwischen Gesagtem und tatsächlichen politischen
Verhalten können durch nichts anderes erklärt werden, als durch die Versuche der FPÖ, innerhalb
des Wiener Wahlkampfes eine bestimmte WählerInnengruppe falsch zu informieren, um so ein für
die FPÖ günstiges Stimmverhalten zu bewirken. Dies ist auf das Schärfste zu verurteilen.
Die sozialdemokratischen Bundesräte hoffen, dass die hier versammelten Bundesräte im
Gegensatz zu jenen Abgeordneten, die im Nationalrat ihr politisches Amt ausführen, autonom
genug sind, sich hinter diese sozialen Forderungen zu stellen und für eine Abschaffung der
Besteuerung der Unfallrenten zu stimmen. Die Regierung hat bis jetzt immer wieder nur
angekündigt, Härtefälle ausgleichen zu wollen, im Grunde ist aber nichts geschehen. Daher
fordern wir die sofortige Abschaffung der Unfallrentenbesteuerung.
Die SozialdemokratInnen haben die Besteuerung der Unfallrenten von Anfang an abgelehnt, weil
wir es nicht zulassen, dass die Regierung mit dieser Maßnahme auf die Schwächsten in der
Gesellschaft losgeht. Von "sozialer Treffsicherheit" kann wahrlich nicht die Rede sein. Die
Besteuerung der Unfallrenten ist vielmehr ungerechtfertigt, unsozial und führt zu sozialen
Härtefällen.
Insgesamt stellt die klar erkennbare Politikgestaltung der neuen Koalition ein aggressives
Vorgehen gegen ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen dar, ist mit dem Geist der
Konsensdemokratie unvereinbar und führt damit zu einer Gefährdung der gesellschaftlichen
Stabilität und des sozialen Friedens und höhlt damit auch die Grundlagen des österreichischen
Wohlfahrtsstaates aus.
Diese FPÖVP - Koalition ist mit dem Anspruch angetreten an ihren Taten gemessen zu werden,
daher stellen die unterfertigten Bundesräte folgende

Dringliche Anfrage:


1. Ist es nicht unsachlich ein Einkommen zu besteuern, das der Gesetzgeber selbst in der Höhe
ohne Besteuerung konzipiert hat?
2. Warum wurde Klubobmann Dr. Andreas Khol von den ExpertInnen des Finanzministeriums
mit unrichtigen Zahlen versorgt? Welche Zahlen waren das im Detail?
3. Wurden gegen diese ExpertInnen Disziplinarverfahren eingeleitet?
4. Wie man Ihrer Budgetrede entnehmen konnte, wollten auch Sie gewisse unsoziale Wirkunger
der Besteuerung der Unfallrenten nicht herbeiführen. Sind Sie und die Bundesregierung ein
Opfer der Kholschen "Speed kills" Regieanweisung geworden?
5. Wenn nein, wie erklären Sie sich diese eklatanten Fehler in der damaligen Regierungsvorlage
deren Opfer die Ärmsten der Armen wurden?
6. Obwohl die Sozialdemokratie für die gänzliche rückwirkende Aufhebung der Besteuerung dei
Unfallrenten eintritt und von der blau - schwarzen Koalition permanent niedergestimmt wird:
Wann werden Sie endlich im Ministerrat eine Vorlage zu diesem Gegenstand beschließen?
7. Wann rechnen Sie mit einer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt?
 
 
Unter einem wird gem. § 61 Abs. 3 GO - BR verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die
Tagesordnung dringlich zu behandeln.

Geschichte des Dokuments Zurück zur Home Page

HTML-Dokument erstellt: Mar 19 11:38