Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Mittwoch, 9. April 2025
„Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“
Stenographisches Protokoll


Tagesordnung

I. Eröffnung und Begrüßung

„Übergänge im Lebenslauf – warum Brücken bauen wichtig ist“
Präsidentin des Bundesrates Dr. Andrea Eder-Gitschthaler

II. Keynote

„Altern und intergenerationale Solidarität“
ao. Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Franz Kolland (Universität Wien)

III. Panel 1 „Hürden und Hilfen beim Pensionsübergang“

„Psychologische und emotionale Hürden beim Übergang in den Ruhestand“
Dr. Georg Henning (Deutsches Zentrum für Altersfragen)

„Die Rolle der Familie und Gesellschaft beim Übergang in die Pension“
Mag. Pia Müllauer (Kepler-Universitätsklinikum)

„Engagement und Sinnfindung im Ruhestand“
Ingrid Korosec (Österreichischer Seniorenbund)

IV. Panel 2 „Prävention“

„Finanzielle Vorbereitung auf die Pension“
Mag. Andreas Zakostelsky (Wirtschaftskammer Österreich)

„Rechtliche Vorbereitung auf die Pension“
Mag. Isabel Rippel-Schmidjell (Salzburger Patientenvertretung)

„Gesundheit im Ruhestand: Präventive Ansätze“
Mag. Gudrun Braunegger-Kallinger (Fonds Gesundes Österreich)

„Wohnpsychologie: Planung für Wohnen im Alter“
Dr. Barbara Perfahl (Die Wohnpsychologin e.U.)

V. Panel 3 „Pflege und Betreuung“

Elisabeth Anselm (Hilfswerk Österreich)

Birgit Gerstorfer (Pensionistenverband Österreichs)

Dr. Sabine Rödler (Verein Friedrich-Karl-Weniger-Gesellschaft)

VI. Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden des Bundesrates

VII. Schlussworte der Präsidentin

Präsidentin des Bundesrates Dr. Andrea Eder-Gitschthaler

 

 

Inhaltsverzeichnis

Sitzungsbeginn

9.00 Uhr

RN/1

Sitzungsende

13.08 Uhr

RN/46

I. Eröffnung und Begrüßung

RN/2

„Übergänge im Lebenslauf – warum Brücken bauen wichtig ist“ 

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler 

RN/3

II. Keynote

RN/5

„Altern und intergenerationale Solidarität“

ao. Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Franz Kolland 

RN/6

III. Panel 1 „Hürden und Hilfen beim Pensionsübergang“

RN/7

Dr. Georg Henning 

RN/8

Mag. Pia Müllauer 

RN/9

Ingrid Korosec 

RN/10

Diskussion:

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP/T)

RN/12

Abg. Christoph Steiner (FPÖ)

RN/13

Bundesrat Martin Peterl (SPÖ/NÖ)

RN/14

Doris Wagner, BEd MEd 

RN/15

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ/Ktn.)

RN/16

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS/W)

RN/17

Abg. Paul Stich (SPÖ)

RN/18

Bundesrätin Amelie Muthsam (SPÖ/NÖ)

RN/19

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/OÖ)

RN/20

IV. Panel 2 „Prävention“

RN/21

Mag. Andreas Zakostelsky 

RN/22

Mag. Isabel Rippel-Schmidjell 

RN/23

Mag. Gudrun Braunegger-Kallinger 

RN/24

Dr. Barbara Perfahl 

RN/25

Diskussion:

LAbg. Philipp Könighofer (FPÖ/Stmk.)

RN/27

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ/Ktn.)

RN/28

LAbg. Philipp Gerstenmayer (FPÖ/NÖ)

RN/29

Abg. Mag. Verena Nussbaum (SPÖ)

RN/30

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP/Vbg.)

RN/31

Bundesrat Sandro Beer (SPÖ/W)

RN/32

Abg. Rudolf Silvan (SPÖ)

RN/33

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ)

RN/34

LAbg. Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP/NÖ)

RN/35

V. Panel 3 „Pflege und Betreuung“

RN/36

Elisabeth Anselm 

RN/37

Birgit Gerstorfer 

RN/38

Dr. Sabine Rödler 

RN/39

VI. Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden des Bundesrates

RN/40

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP/Stmk.)

RN/41

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W)

RN/42

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ/Sbg.)

RN/43

VII. Schlussworte der Präsidentin

RN/44

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler 

RN/45

 

 

 

RN/1

Beginn der Enquete: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin des Bundesrates Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Vizepräsident des Bundesrates Michael Wanner, Vizepräsident des Bundesrates Markus Stotter, BA.

RN/2

I. Eröffnung und Begrüßung

„Übergänge im Lebenslauf – warum Brücken bauen wichtig ist“

RN/3

9.00

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Einen schönen guten Morgen! Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass ich Sie heute hier im Hohen Haus in unserem Bundesratssaal begrüßen darf. Sehr geehrter Herr Vizepräsident Michael Wanner und Herr Vizepräsident Markus Stotter! Sehr geehrte Zweite Landtagspräsidentin Sabine Binder, Sie sind ja schon eine treue Besucherin unserer Enqueten! Sehr geehrter Herr Fraktions­vorsitzender Himmer! Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender Schennach! Sehr geehrte Frau Fraktionsvorsitzenderstellvertreterin Marlies Doppler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Referentinnen und Referenten! Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf ORF III und via Livestream des Parlaments! Ich begrüße Sie noch­mals ganz herzlich zu unserer heutigen Enquete des Bundesrates mit dem Titel „Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“. Das ist ja auch mein Thema für den Salzburger Vorsitz hier im Bundesrat, und daher habe ich auch dieses Thema für die Enquete gewählt. 

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“ – das wusste schon im fünften Jahr­hundert vor Christus Heraklit von Ephesos. Wir brauchen ja nur in unsere Zeit zu schauen: Es ist uns allen bewusst, wir leben in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen. Der demografische Wandel, veränderte Familienstrukturen und neue gesellschaftliche Herausforderungen verlangen von uns ja geradezu, über Generationen hinweg Brücken zu bauen. 

Übergänge im Lebenslauf – seien es der Eintritt ins Berufsleben, der Wechsel in eine neue Lebensphase oder der Ruhestand – sind zentrale Einschnitte, die jede und jeden von uns betreffen. Diese Über

gänge zu begleiten, zu erleichtern und Generationen miteinander zu verbinden, ist zentrale Aufgabe unserer Gesellschaft. Für viele Menschen ist zum Beispiel der Eintritt in die Pension mit gemischten Gefühlen verbunden. Er eröffnet einerseits große Freiheiten und Möglichkeiten, neue Interessen zu verfolgen, Hobbys zu pflegen, Freundschaften weiter zu festigen, andererseits kann das aber auch mit dem Verlust der sozialen Kontakte durch das Nicht-mehr-im-Erwerbsleben-Stehen verbunden sein. 

Das stellt viele Menschen vor große Herausforderungen, denn Arbeit gibt Struktur, Sinn und auch oft ein Gefühl der Wertschätzung. Und ein plötzlicher Wegfall kann zu Identitätskrisen oder psychischer Belastung führen. Deshalb ist es essenziell, den Übergang gut zu planen und sich frühzeitig auf diesen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten – sei es durch ehrenamtliches Engage­ment, Hobbys oder soziale Netzwerke, jeder hat da seinen persönlichen Plan. 

Auch für Familien ist der Pensionseintritt eines Angehörigen mit Veränderungen verbunden. Partnerinnen und Partner müssen sich neu an den Alltag miteinan­der gewöhnen, wieder zusammen gewöhnen, was natürlich bereichernd, aber auch herausfordernd sein kann. Ich denke da nur daran, wenn auf einmal der Mann anfängt, sich um den Geschirrspüler zu kümmern, den er vorher ja gar nicht registriert hat. 

Zudem übernehmen auch viele Pensionierte wichtige Aufgaben in der Familie, sei es in der Kinderbetreuung oder in der Pflege von Angehörigen. Ihre Rolle wandelt sich: vom Erwerbstätigen hin zum aktiven Familienmitglied, das oft auch eine ganz große Stütze für die jüngere Generation ist. Ich denke nur an die Omas und Opas, die so viel in der Kinderbetreuung machen. 

Auf gesellschaftlicher Ebene stellt der demografische Wandel große Herausforde­rungen an das Pensionssystem. Wir hören das jetzt tagtäglich und lesen auch sehr viel darüber. Die Zahl der Pensionistinnen und Pensionisten steigt, während die der Erwerbstätigen sinkt. Natürlich wird dadurch unser Sozialsystem belastet und nachhaltige Lösungen sind gefragt. Dazu gehören aus meiner Sicht zum Beispiel ein Nachdenken über die Flexibilisierung des Pensionseintritts­alters, Anreize für längeres Arbeiten und die arbeitenden Seniorinnen und Senioren auch zu entlasten. Diese Maßnahmen stehen bereits im Regierungsüber­einkommen; wir werden sicher darauf schauen, dass sie auch rasch umgesetzt werden. 

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, ich wehre mich ganz entschieden dagegen, dass Seniorinnen und Senioren primär als Belastung für das Budget betrachtet werden, nur weil Mittel daraus zur Ergänzung der laufenden Pensionszahlungen herangezogen werden; Sie kennen die Diskussion, die derzeit stattfindet. Es gibt ja auch das Versicherungsprinzip, ein zentrales Fundament der Sozialversicherungen, und es besagt, dass Versicherte gemein­sam für Risiken aufkommen, die eine einzelne Person kaum oder gar nicht tragen kann. Die Damen und Herren, die in Pension sind, haben über das gesamte Erwerbsleben hinweg kontinuierlich Pensionsbeiträge geleistet, die dieses System jetzt auch weiterfinanzieren. 

Und – das ist mir besonders wichtig – die älteren Menschen leisten einen erheblichen Beitrag zur Gesellschaft – sei es durch ihr Wissen, ihre Erfahrung oder ihr ehrenamtliches Engagement. So mancher Verein könnte nicht ohne die aktiven Seniorinnen und Senioren tätig sein. Auch als Konsumentinnen und Konsumenten spielen sie eine bedeutende Rolle in der Wirtschaft: Man denke nur an die vielen Seniorenreisen, die zahlreiche Branchen beleben. Die Seniorinnen und Senioren sind auch wichtige Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. 

Ein zentraler Aspekt unserer heutigen Diskussion ist die Solidarität zwischen den Generationen. Das Miteinander von Jung und Alt ist eine wesentliche Säule unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. Es geht darum, sehr geehrte Damen und Herren, Verantwortung zu übernehmen – für sich selbst, aber auch für die anderen. Die Älteren geben ihre Erfahrungen weiter, während die Jüngeren neue Perspektiven und frische Ideen einbringen. Dieser Austausch ist unerläss­lich für eine gesunde, resiliente Gesellschaft. 

Dabei ist es wichtig, dass jede Generation einen gerechten Beitrag zur Zukunfts­sicherung leistet. Bildung, Beschäftigungsmöglichkeiten und eine nachhaltige Wirtschaftspolitik müssen daher so gestaltet werden, dass junge Menschen ihre Zukunft aktiv mitgestalten und gleichzeitig das soziale Gefüge unseres Landes stärken können. Zudem leben wir in einer Welt, die zunehmend von inter­nationalen Krisen und Migrationsbewegungen geprägt ist. Diese Herausforderungen betreffen alle Generationen und erfordern eine gemeinsame Anstrengung zur Integration und gesellschaftlichen Kohäsion.

Migration kann auch eine Chance für eine alternde Gesellschaft sein, birgt aber auch Herausforderungen, insbesondere im Bildungsbereich, am Arbeitsmarkt und in der sozialen Integration. Daher, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein nachhaltiger Dialog zwischen den Generationen wichtig. Er kann dazu bei­tragen, Vorurteile abzubauen und eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, in der sich Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Alter einbringen können.

Die heutige Enquete beleuchtet diesen Dialog aus verschiedenen Blickwinkeln. Unser Programm führt uns von der psychologischen Bewältigung des Ruhe­standes über die Rolle der Familie und Gesellschaft bis hin zur finanziellen und gesundheitlichen Vorsorge für das Alter. Und es freut mich sehr, dass wir so renommierte Expertinnen und Experten für diese Enquete gewinnen konnten, die uns hoffentlich wertvolle Einblicke und Anregungen geben können.

Meine Damen und Herren, wir haben heute die Gelegenheit, gemeinsam in einen offenen Dialog zu treten, um unsere gesellschaftlichen Probleme ein Stück weit gemeinsam zu lösen. Unsere Gesellschaft kann nur bestehen, wenn sie im Miteinander wächst. Wir brauchen diese Brücken zwischen den Gene­rationen, damit Wissen, Erfahrungen und Werte weitergegeben werden können und unsere Gesellschaft von der Vielfalt der Lebensrealitäten profitiert.

Ich lade Sie daher ein, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen, Ideen auszutauschen und Lösungsansätze zu entwickeln. Lassen Sie uns gemeinsam an einer Gesellschaft arbeiten, die Zusammenhalt, Respekt und Solidarität lebt!

Ich wünsche uns allen einen erkenntnisreichen und inspirierenden Vormittag und freue mich schon auf die vielen interessanten Vorträge. – Vielen Dank. (Beifall.)

9.10


RN/4

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich darf zu Beginn noch einige organisatorische Hinweise geben: Es wird während der Enquete zwei Diskussionsrunden geben. Diese bieten Zeit für Beiträge der Teilnehmer:innen. Sofern sie sich zu Wort melden möchten, bitte ich die diskussionsberechtigten Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich jeweils mit den vorgedruckten Karten, die sich in dieser Enquetemappe – die müssten überall aufliegen – befinden, schriftlich anzumelden und diese meinem Team zu meiner Linken zu übergeben. Das kann auch ab sofort geschehen. Ihr Name und Ihre Organisation werden in die Rednerlisten aufgenommen und Ihr Beitrag sollte die Dauer von 3 Minuten nicht überschreiten. In Anbetracht der Gott sei Dank so zahlreichen Teilneh­merinnen und Teilnehmer ersuche ich Sie, diese Redezeit auch wirklich einzuhal­ten.

Über die heutige Enquete wird ein Stenographisches Protokoll verfasst, das in einiger Zeit auf der Internetseite des Parlaments abrufbar sein wird.

Im Salon des Bundesrates – das ist hier drüben – stehen Erfrischungen bereit, und nach der Enquete, ab circa 13 Uhr, darf ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren, alle zu einem informellen Gedankenaustausch bei einem Buffetempfang in die Säulenhalle einladen.

Zum Auftakt wird uns Herr Univ.-Prof. Dr. Franz Kolland vom Institut für Soziologie der Universität Wien, der eigentlich schon ein sehr lieber Besucher und Vortragender bei unseren Enqueten ist, in seiner Keynote einen Einblick über das Altern in intergenerationaler Solidarität geben. Ich freue mich, dass Sie den Bundesrat auch in diesem Halbjahr mit Ihrer Expertise bereichern. – (In Richtung des bereits am Redner:innenpult stehenden Referenten Kolland:) Ich darf die Namen der anderen Redner:innen auch noch kurz vorlesen, Herr Professor.

Dr. Georg Henning ist vom Deutschen Zentrum für Altersfragen in Berlin zu uns gekommen, um uns über die psychologischen und emotionalen Hürden beim Übergang in den Ruhestand zu informieren. Vielen Dank, dass Sie den weiten Weg nach Wien erneut nicht gescheut haben und heute da sind.

Welche Rolle spielen Familie und Gesellschaft beim Übergang in die Pension? Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich für die Familienarbeit? Darüber wird Mag.a Pia Müllauer vom Kepler-Universitätsklinikum Neuromed Campus Linz zu uns sprechen. Herzlich willkommen in der Länderkammer!

Präsidentin Ingrid Korosec, Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes und Österreichs Paradebeispiel für Engagement für Seniorinnen und Senioren, wird uns Möglichkeiten des Sinnfindens und des ehrenamtlichen Engagements vorstellen. Liebe Ingrid, vielen Dank, dass du heute bei uns im Bundesrat bist!

Im zweiten Panel widmen wir uns der Prävention. Mag. Andreas Zakotelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensions- und Vorsorgekassen, und Mag.a Isabel Rippel-Schmidjell, Leiterin der Salzburger Patientenvertretung, geben uns Einblicke in die finanziellen und rechtlichen Vorbereitungen auf die Pension. Vielen Dank, dass Sie, dass du eure, Ihre Expertise dazu heute einbringen werdet.

Präventive Ansätze zur Gesundheit im Ruhestand stehen im Anschluss im Mittelpunkt unseres Interesses. Mag.a Gudrun Braunegger-Kallinger vom Fonds Gesundes Österreich wird uns darlegen, wie wir mit altersbedingten Verän­derungen am besten umgehen können. Vielen Dank für Ihren wichtigen Bei­trag.

Ich freue mich, dass wir das zweite Panel mit einem Beitrag über Wohnpsychologie abschließen können. Wir haben das ja bereits in Salzburg gemacht, und es ist ein Aspekt, der meiner Meinung nach bisher viel zu sehr vernachlässigt wurde. Wohnpsychologin Dr. Barbara Perfahl wird uns über gute Planung für das Wohnen im Alter informieren. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben und heute hier in Wien sind.

Als von den Fraktionen nominierte Expertinnen und Experten darf ich im Panel 3, das im Zeichen von Pflege und Betreuung steht, Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerks Österreich, Birgit Gerstorfer, Vizepräsidentin des Pensionistenverbandes Österreichs, und Dr. Sabine Rödler, Präsidentin des Vereins Friedrich-Karl-Weniger-Gesellschaft, bei uns begrüßen.

Jetzt haben Sie einen kurzen Überblick bekommen, was Sie erwartet.

RN/5

II. Keynote

„Altern und intergenerationale Solidarität“

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich darf gleich mit dem Aufruf des ersten Vortragenden beginnen und darf Sie jetzt zur Keynote zum Thema „Altern und intergenerationale Solidarität“ von Herrn Univ.-Prof. Dr. Franz Kolland einladen. 

Dazu ersuche ich Sie, Herr Professor, Ihren Beitrag vom Rednerpult aus zu halten und die Zeit von 20 Minuten nicht zu überschreiten. Ich darf darauf hin­weisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt. – Herr Professor, Sie haben ja schon Erfahrung, ich bitte um Ihre Ausführungen.

RN/6

9.15

ao. Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. Franz Kolland (Universität Wien): Danke vielmals. Wir werden die Redezeit auch einhalten.

Ich werde heute zuerst ein bisschen etwas über das Altern sagen, dann über Altersbilder, werde auch das Thema der Altersdiskriminierung ansprechen, weil das im Zusammenhang mit der Frage der Generationenbeziehungen sehr wichtig anzusprechen ist, und dann etwas mehr über Generationen sprechen, wobei es mir mehr um die familialen Generationen geht. Ich werde heute nicht über Pensionsversicherungen oder den Generationenvertrag sprechen. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Zunächst stellt sich, wenn man mit so einer Enquete oder so einer Fragestellung beginnt, immer die Frage: Was ist denn überhaupt Alter? Wir können aus der Perspektive der Sozialwissenschaften soziale Altersmarker finden: Alter hat etwas mit Großelternschaft zu tun. Das ist eine positive Rolle, die es für das Alter gibt. Es hat etwas mit der Senioren-Bahncard zu tun. Wenn Sie diese als solche ausgehändigt bekommen, dann sind Sie irgendwie in einer anderen Lebensphase. Es hat mit dem Rentenalter zu tun. Der Übergang in die Pension, in die Rente hat für viele Menschen etwas mit Alter zu tun und leider wird es sehr oft mit Ruhestand als ein Ist-gleich-Zeichen gesetzt. Es hat auch etwas mit Gebrechlichkeit im höheren Alter zu tun, also mit Abhängigkeit, mit Pflege. Es hat auch mit dem Rentnerbeige zu tun. Hier einmal ein neues Bild: König Charles mit Camilla, die hier als Rentnerbeige tragende Personen auftreten.

Ein Punkt, den die Frau Präsidentin – danke, Frau Präsidentin, für die Einladung – heute schon angeführt hat: Wenn wir jetzt über Alter sprechen, gehen wir vom Individuum weg, gehen wir auf die gesellschaftliche Ebene. Da gibt es diesen Begriff der Ageing Society, der alternden Gesellschaft. Die WHO hat festgelegt, dass bei 7 Prozent dieser Personen über 65 eine alternde Gesellschaft gegeben ist – wir werden gleich sehen, dass das für Österreich schon lange gilt – und wir sprechen inzwischen von Super-ageing Societies, wenn der Prozentsatz der über 65-Jährigen 20 Prozent übersteigt. Ich greife hier auf die WHO zurück. Wir haben schon länger solche Diskussionen, weil es ja immer um die Frage geht: Wie ist die Generationenverteilung oder die Altersgruppenverteilung?

Wenn Sie sich den Bevölkerungsaufbau in Österreich anschauen, haben wir da 1994 15 Prozent, 2024, heute, haben wir die alternde Gesellschaft in diese Richtung erreicht – aber an sich schon früher, schon 1994 – und wir werden jedenfalls 2044 bei 27 Prozent liegen, wo Japan schon heute steht. Japan hat heute schon deutlich mehr als 27 Prozent über 65-Jährige, es zeigt uns also in vielerlei Hinsicht ein Bild, auf das man hinschauen kann, und sieht, wie alternde Gesellschaften ausschauen.

Aber Vorsicht, und das ist mein erstes Learning, meine erste Botschaft, die ich Ihnen vermitteln möchte – die Frau Präsidentin hat schon darauf hingewiesen –: Wir müssen aufpassen, dass wir mit einer solchen Bestimmung einer Ageing Society nicht gleichzeitig eine Etikettierung in eine Richtung vornehmen, die ich als problematisch sehe, nämlich dass viele alte Menschen so gewissermaßen ein Pflege- und ein Pensionsproblem sind.

Ich spreche aus der Perspektive der Altersforschung und der Gerontologie von einer Longevity Society, nämlich dass wir in einer Gesellschaft der Langlebigkeit sind, und dass wir diese Langlebigkeit als eine Dividende sehen, als einen Gewinn in der menschlichen Entwicklung, in der Conditio humana, und nicht als etwas, was wir zunächst als Problem definieren. Wir müssen das als solches anders sehen und hier die Vorteile des längeren Lebens, dass alte, hochaltrige Menschen kulturell, kreativ tätig sein können, in den Blick nehmen und sie nicht weitgehend als eine Belastung verstehen.

Darum geht es auch um Gesundheitsvorsorge. Wenn ich von Langlebigkeit spreche, dann ist sehr rasch die Prävention im Spiel. Wer gestern ferngesehen hat: Das schaut ja nicht gut aus. Diese 1,5 Prozent sind ja schäbig! Ich möchte das hier an dieser Stelle erneut mit großer Emotion sagen: Ich halte es für einen schäbigen Zugang zum Alter und auch zu den Menschen, einen so geringen Anteil der Gesundheitsausgaben für die Prävention und für die Gesundheitsförde­rung auszugeben. 

Ich möchte Sie noch auf etwas Weiteres beim Altern der Gesellschaft hin­weisen, nämlich dass das sozial ungleich vor sich geht. Ich möchte Ihnen eine ganz neue Studie zeigen, die zeigt, wie unterschiedlich sich Demenz je nach sozialem Status – also: wo Sie herkommen, welche wirtschaftlichen, sozialen Bedingungen Sie vorfinden – entwickelt. Ich rate Ihnen allen, die Sie hier sitzen: Schauen Sie sich den ersten Teil hier an, also den ganz linken Teil dieser Grafik! Der zeigt Ihnen, dass Upward Mobility das Risiko, Demenz zu bekommen, verringert. Schauen Sie also, dass Sie noch Präsident:in werden! Schauen Sie, dass Sie noch Direktor:in werden! (Heiterkeit.) Dann haben Sie ein verringertes Risiko, Demenz zu bekommen. Bleiben Sie nicht dort, wo Sie sind! Das Risiko wird Sie erreichen – es wird Sie sowieso erreichen, aber wenn Sie diese Aufwärts­mobilität auch im mittleren Alter weiter vorantreiben, haben Sie Gewinne. Wir sehen das sehr deutlich in den Studien.

Was wir in den Generationenbeziehungen als Problem haben, sind sehr viele Stereotype. Die gehen in beide Richtungen. Die gehen in Richtung der Alten, die gehen aber auch in Richtung der Jungen. Wir haben, was ich so bezeichne, einen Jugendwahn und gleichzeitig eine Altersangst. Wir stehen ja vor dem Alter schreckerstarrt da, wir wollen zwar gerne alt sein, aber das soll möglichst gesund, also voll fit sein. Wir ertragen es kaum, dass wir sozusagen eine gewisse Gebrechlichkeit und dergleichen entwickeln. Wir haben Vorstellungen: Alte Menschen wohnen im Pflegeheimen, sie wohnen bei ihren Kindern und sie vereinsamen rasch – alles Stereotype, die als solche nicht gültig sind. 

Wir schreiben auch sehr rasch irgendwelche Erscheinungen im Alltag dem Alter zu. Es ist aber nicht immer alles altersbezogen. Ich kam zum Beispiel mit 50 ins AKH in die Augenambulanz und bei mir wurde festgestellt, ich habe eine altersbedingte Makuladegeneration. Dann habe ich zu der jungen Ärztin gesagt: Schauen Sie mich bitte einmal an! Bin ich der altersbedingte Degenerierte? Wenn Sie das noch einmal sagen, komme ich nicht mehr zu Ihnen! – Seitdem wird das im AKH nicht mehr gesagt, und das ist schon lange her, kann ich Ihnen nur sagen. Ich habe eine sehr frühzeitige Degeneration gehabt und ich verbitte mir solche Zuschreibungen. Verstehen Sie? Sie alle sollten sich dagegen wehren. Oft wird das Alter verwendet, obwohl das Problem gar nichts mit dem Alter zu tun hat, sondern ein gesundheitliches Problem ist. Es ist aber kein Altersproblem. Das ist ein sehr wichtiges Thema, das wir da immer wieder haben.

Ich komme zu einem anderen Punkt. Ich habe leider keine Zeit, zu fragen, wie alt Sie sind, und wie alt Sie sich fühlen, aber ich würde einmal darauf schließen: Zeigen Sie nur einmal kurz auf – ich will ja, dass Sie munter werden –: Wie viele von Ihnen fühlen sich jünger, als sie nach dem Kalender sind? Bitte aufzeigen! (Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer:innen zeigt auf.) – Na bravo! Das ist genau das, was wir eigentlich nicht wollen. (Heiterkeit.) Warum wollen wir das nicht? Wie alt wollen Sie denn sein? Das heißt ja doch, dass Sie das Alter verneinen, als solches ablehnen. Passen Sie auf, wenn Sie so etwas tun!

Auf der anderen Seite ist es gut, wenn man sich jünger fühlt. Frau Präsidentin Korosec verwendet diese Geschichte ja auch immer gerne. Dieses sich jünger fühlen heißt ja, dass man etwas für sich tut, es ist also ambivalent, denn gesellschaftlich hat es sozusagen seine Probleme. Die Folge dieser Dinge ist nämlich Altersdiskriminierung, die wir aus dem Amerikanischen mit dem Begriff des Ageism, also die Vorurteile gegenüber Älteren, übernommen haben. Institutionen sind nicht immer freundlich. Wenn Sie als älterer Mensch in ein Krankenhaus kommen, na bitte, also ich möchte Ihnen das nur vergönnen. Sie werden es schon sehen: Wenn Sie mit 80 niemanden haben, der Sie ins Krankenhaus begleitet, dann werden Sie es nicht ganz einfach haben. Ich sage es Ihnen nur. 

Da beginnt manchmal eine Schamlosigkeit, die mich wirklich furchtbar ärgert, weil ich das doch des Öfteren erlebe. Es gibt sozusagen diese diskriminierenden Handlungen. Die gibt es sogar beim Billa. Verstehen Sie: Sie stehen dann als alter Mensch an der Kasse. Was machen Sie gerade? Sie zählen das Geld aus der Geldtasche heraus. Was machen Sie gerade? Sie machen gerade einen Demenztest. Das ist nämlich einer der Demenztests, um Demenz festzustellen: Kann ich das Geld aus der Geldbörse heraus zählen. Aber was ist? Die anderen sagen: Das geht nicht. – Tun Sie das nicht mehr! Machen Sie bitte bei der Kasse keinen Demenztest mehr, er wird Ihnen nicht gut bekommen, denn die anderen hinter Ihnen haben keine Freude, wenn Sie als alter Mensch dort sind, wenn die Jungen gerade einkaufen gehen. Das muss sich ändern. Die müssen sich gegenseitig akzeptieren. Wo ist denn da bitte das Problem?

Es geht ja auch um eine Entschleunigung in einer Gesellschaft, die manchmal ein bisschen zu schnell ist. Auch das hat mit Generationenbeziehungen zu tun. Die Generationen sind halt in der Geschwindigkeit unterschiedlich. Na gut, akzeptieren Sie das als Vielfalt und nicht als: Das eine muss Modell der anderen sein.

KI ist auch eine Herausforderung, die wir in den Altersbildern sehen. Wir sehen nämlich einen Ageismus, wir sehen in der Entwicklung der KI, dass sie das Alter nicht zureichend abbildet. Es gibt zu wenige Daten über alte Menschen, diese sind unzureichend, und es gibt ein Bild zu den Alten, das auf Krankheit und auf Rückzug abstellt, und das führt in der KI zu einem Bias. Das führt dazu, dass wir in der künstlichen Intelligenz – wir sind schon in der nächsten Phase, nicht mehr in der Digitalisierung – wieder etwas erleben, was wir schon in der Digitalisie­rungsentwicklung gesehen haben. Hier gibt es die Stereotype und die führen dazu, dass dann auf einmal alte Menschen per Algorithmus höhere Prämien zahlen müssen und sich dann wieder wehren müssen. Dann muss die Frau Präsi­dentin wieder ausreiten und sagen: Wir kämpfen für die alten Menschen in unserer Gesellschaft. 

Wir sehen auch auf Tiktok eine Entwicklung. Wer von Ihnen ist denn bitte auf Tiktok? (Einzelne Teilnehmer:innen zeigen auf.) – Also: Da sollten Sie schon hin und wieder hineinschauen, wenn Sie sich mit alten Menschen oder mit Genera­tionen beschäftigen. Sie dürfen nicht sagen: Die sind böse und die interessieren mich nicht. Schauen Sie bitte zumindest hin und wieder hinein, damit wir nicht dauernd von fremden Sternen reden!

Wir sehen hier eine Untersuchung, die im „Gerontologist“ veröffentlicht wurde, laut der wir negative Begegnungen mit den Babyboomern haben. Die Jungen sagen, dass es konfliktive Werte gibt und umgekehrt sehen wir, dass die Baby­boomer von den jüngeren Generationen abgewertet werden.

Noch ein Punkt zur Altersdiskriminierung in Österreich: Wir haben – tatsächlich nicht sehr oft, aber wir haben – eine höhere Diskriminierung im Alter und das darf nicht sein. Es ist eher so: Wir haben wahrscheinlich eine viel größere latente Altersdiskriminierung als eine manifeste, weil es gar nicht so leicht ist, zur Gleichbehandlungsanwaltschaft zu gehen und etwas einzuklagen – außer in der Arbeitswelt, dort ist ja auch die gesetzliche Grundlage gut geschaffen.

Wir kommen nun zu den Generationen. Wir können uns einerseits das Verhalten von Personen nach ihrem Alter anschauen. Wir können uns aber auch das Verhalten von Menschen entlang ihrer Generationszugehörigkeit anschauen. Wir sind alle in einer bestimmten Zeit geboren und wir verstehen uns oft besser mit denen, die in derselben Zeit geboren sind: Ah, du bist auch so ein Jahrgang, auch ein guter! Da war der Wein sehr gut. Oder: Da war er nicht so gut, da war er sauer. – So teilen wir uns ja manchmal ein. Generation hat also etwas mit Identität zu tun: Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die historisch ähnliche Erfah­rungen gemacht hat. Das bezeichnet man hier als Identität.

Die Frage ist, auch an Sie alle: Welcher Generation gehören Sie an? Die Antworten sind gemischt. Es ist gar nicht so leicht, sofort herauszufinden, wo man als solches hingehört. Oft können die Befragten, vor allem jüngere, nicht sofort sagen, wo sie hingehören. Sie bestreiten nämlich, dass sie typische Vertreter:in von einer bestimmten Generation sind. Was ist viel leichter? – Das muss man sich vor Augen halten: Es ist viel leichter, zu sagen: Da gehöre ich nicht dazu, na, der bin ich sicher nicht!, als zu sagen: Da gehöre ich dazu!

Also: Aus der Kriegsgeneration ist sicher keiner mehr hier. Es sind ja viele an sich aus der Generation X, würden aber sagen: Nein, da gehöre ich nicht hin! Sie werden ja dann immer jünger. Zur Gen Z werden Sie nicht gehören. Aber sagen wir einmal: zu X nicht, sondern es gibt hier Differenzierungen. 

Ich zeige Ihnen noch einmal den Bevölkerungsaufbau entlang der Generationen: Das ist nicht nur ein Altersaufbau, sondern wir sehen im Aufbau der Bevölke­rung auch die Generationen, von der Silbergeneration bis herunter zur Generation Alpha. Jetzt sind wir ins griechische Alphabet übergewechselt, die nächsten Generationen werden dann Alpha, Beta und so weiter heißen. Also jetzt haben wir einmal die Buchstaben abgearbeitet, jetzt machen wir in dieser Darstellung weiter.

Welche Bedeutung hat es, dass wir unterschiedliche Größen haben? – Wir haben Generationen, die in der Geburtenzahl unterschiedlich groß sind. Der interessante Aspekt hier an der ganzen Geschichte ist folgender – auch das hat die Frau Präsidentin heute schon angesprochen –, wir haben uns das jetzt noch einmal genauer angeschaut, wir hüten uns noch, das an die Öffentlichkeit zu bringen: Es schaut so aus, dass der Rückgang der Geburten sehr stark über die Migration ausgeglichen wird, also dass das nicht stimmt, dass wir da unter­schiedlich große Generationen haben. Aber das trauen wir uns jetzt nicht zu veröffentlichen – das sage ich jetzt auch nur einmal unter Anführungsstrichen –, dazu brauchen wir gute Daten, das müssen wir gut belegen. Das ist unsere Aufgabe. Das werden wir auch in Zukunft angehen und das zeigen. Ich habe das jetzt das erste Mal in den Daten von Mitarbeitern von mir gesehen. Ich war sehr überrascht, das zu sehen, wie das im Verlauf ausschaut und wie wir da durch andere zuschichten und dass wir da bei Weitem nicht diese Klüfte haben, wie wir sie nur auf Basis österreichischer Geburten als solche haben.

Ich möchte Ihnen nur zwei Generationen zeigen, nämlich die Generation Y und die Gen Z. Die Generation Y: freiheitsliebend, rebellisch, arrogant, multitasking­fähig; die Work-Life-Balance und ein lockerer Umgang mit Hierarchien stehen für sie im Vordergrund, sie agieren still und leise. So ein Bild gibt es aus der Literatur. Die Gen Z werden Sie am wenigsten kennen. Die haben nämlich Angst vor der Speisekarte und Angst vor dem Telefonieren. Das werden Sie schon gehört haben. Warum haben sie Angst vor dem Telefonieren? Bitte rufen Sie niemanden aus der Gen Z an! Wissen Sie, was die glauben? – Dass jemand gestorben ist!, weil man eben nicht telefoniert, und wenn jemand anruft, dann muss jemand gestorben oder bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein. Also vermeiden Sie das! Texten Sie mit denen, anstatt zu telefonieren, denn das passt denen gar nicht. Da sagen sie: Na wer ist denn das? Aus welchem Jahrhundert kommen denn Sie daher? – Diese Generationen sind sehr wichtig, in verschiedenerlei Hinsicht: soziale Konflikte, Familien. Auch das ist immer so eine gewisse Schwierigkeit, man muss aufpassen, wenn man diese Gen Z anspricht.

Zwei letzte Folien, weil ich glaube, meine Redezeit ist gleich um: Was wir in den Generationenbeziehungen brauchen, sind Kontakte. Wir haben in einer Studie, die wir vor 25 Jahren gemacht haben, festgestellt, es gibt sehr wenige intergene­rationale Kontakte außerhalb der Familie. Außerhalb der Familie sind wir sehr stark unter Gleichaltrigen unterwegs und weniger mit Menschen, die sehr viel älter oder sehr viel jünger sind. Die sehen wir einfach nicht. Es gibt nur die Kirche, die altersgemischt ist, aber da gehen wir ja nicht mehr hin. Also wo sehen Sie diese? Beim Heurigen gibt es das übrigens auch, das ist auch noch eine Möglichkeit.

Was wir in unserer Gesellschaft sehr stark sehen, ist familiale Solidarität. Ich möchte da auf meine Arbeiten, auf unsere Arbeiten in Niederösterreich hinweisen. Ich mache ja schon seit 30 Jahren Pflegebedarfsprognosen, und was ich sehe: In der Familie ist die Solidarität ungebrochen, auch der Zusammenhalt, die Sorge um die anderen. Das hat sich zwar innerhalb verändert, aber diese Solidarität ist ungebrochen vorhanden. Wir müssen jedoch etwas in Richtung Zukunft tun, wir dürfen uns nicht darauf ausruhen und glauben, das wird eins zu eins so weitergehen.

Ich möchte vielleicht noch ein letztes Bild zeigen, nämlich: Was lernen wir von einer über 100-Jährigen? Es wurde ihr ja auch zu ihrem Geburtstag gratuliert – und was sagt sie, was das Geheimnis ihrer Langlebigkeit ist? – „Ich bin jung, hübsch und freundlich.“

Ich schließe noch mit einer Anekdote auch zu einer 100-Jährigen – das ist bitte nicht empfehlenswert, das schreiben Sie nicht mit, machen Sie das nicht! –: Ein Arzt kommt zu einer 100-Jährigen nach Hause, die macht ihm die Tür auf und kommt ihm eine Zigarette rauchend entgegen. Da sagt der Arzt zu ihr: Ja, was machst denn du da? Wieso rauchst denn du? Darauf sagt sie: Ja, ich habe drei Ärzte vor Ihnen gehabt, und die haben mir alle verboten, dass ich rauche – sind aber schon alle gestorben. – Danke vielmals für Ihr Zuhören. (Heiterkeit und Beifall.)

9.34

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Herr Professor, auch für die Zeitdisziplin. Sie waren sogar 1 Minute kürzer, aber das ist eh gut, wir können die Zeit brauchen.

RN/7

III. Panel 1 „Hürden und Hilfen beim Pensionsübergang“

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum Panel 1 mit dem Thema „Hürden und Hilfen beim Pensionsübergang“. 

Dazu ersuche ich die Referentinnen und Referenten ihren Beitrag vom Redner­pult aus abzugeben und die Zeit von 20 Minuten nicht zu überschreiten. Ich darf neuerlich darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt.

Als Erstem darf ich Herrn Dr. Georg Henning um seinen Beitrag zum Thema „Psychologische und emotionale Hürden beim Übergang in den Ruhestand“ zum Rednerpult bitten. – Bitte, Herr Professor.

RN/8

9.35

Dr. Georg Henning (Deutsches Zentrum für Altersfragen): Herzlichen Dank für die Einladung, Frau Präsidentin! Herzlichen Dank, dass Sie mir hier heute zuhören. Ich werde Ihnen heute etwas zu psychologischen und emotionalen Hürden beim Übergang in den Ruhestand vorstellen. Nachdem wir jetzt die Gesellschaft betrachtet haben, werde ich ein bisschen auf das Individuum zurückkommen. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Anfangen möchte ich mit einem Zitat von Professor Eric Kandel, dem österreichisch-amerikanischen Neurowissenschafter und Nobelpreisträger, der vor ungefähr zehn Jahren in einem Interview gesagt hat: „Gehen Sie auf keinen Fall in den Ruhestand!“, er hat uns also gewarnt. Für ihn ist der Ruhestand etwas Nega­tives. Er war damals schon 85 Jahre alt und war immer noch fast jeden Tag im Labor und hat seine Studien durchgeführt.

Uns wird jetzt in meinem Vortrag die Frage begleiten: Sollten wir dieser Warnung folgen? Sollten wir vielleicht versuchen, niemals in den Ruhestand zu gehen? Zu Beginn werde ich kurz auf psychologische Chancen und Hürden im Ruhestandsübergang eingehen, dann ein paar Befunde dazu vorstellen, wie Menschen diesen Übergang erleben, wie sie sich verändern. Dann werde ich kurz, auch wenn ich Psychologe bin, doch darauf eingehen, was man vielleicht aus politischer Sicht mit beeinflussen kann, und am Ende kommt es zu einem Fazit, wo wir auch noch einmal über Herrn Kandels Einstellung zu diesem Thema reden wollen.

Psychologische Chancen und Hürden im Ruhestandsübergang: Wie eingangs schon erwähnt, ist der Ruhestand so eine Art zweischneidiges Schwert. Es gibt zentrale Chancen im Ruhestandsübergang: Man wird von negativen Arbeits­bedingungen befreit, die ja jeder von uns vermutlich auch hat, manche mehr, und es gibt einen Gewinn an Autonomie und Selbstständigkeit. Man kann inner­halb der eigenen finanziellen und gesundheitlichen Möglichkeiten sein Leben freier gestalten, zumindest frei von arbeitsbedingten Einschränkungen.

Zentrale Herausforderungen stellen sich uns aber auch, und darum soll es hier größtenteils gehen, wie der Titel schon verrät. Zum einen ist der Ruhestand eine Art symbolischer Übergang ins höhere Alter, und damit müssen wir umgehen. Wir müssen auch einen Ersatz finden für das, was an unserer Erwerbsarbeit, in unserem Erwerbsleben positiv war. Wie eingangs schon erwähnt, ist der Ruhe­standsübergang eine Art Übergang in das, was wir Alter nennen, in die Lebensphase Alter – wir sprechen ja auch von der Altersrente –, und das kann ein Problem sein.

Wie Herr Professor Kolland schon erwähnt hat, sind unsere Bilder vom Alter häufig negativ. Alt werden, alt sein ist für viele von uns verbunden mit sozialen und körperlichen Verlusten, mit Inaktivität, mit einer Art Abstieg auch vom sozialen Status. Zum einen bedeutet das, dass Menschen Ängste vor dem Ruhestand entwickeln können, das bedeutet aber auch, dass es zu selbsterfül­lenden Prophezeiungen kommen kann. Wir wissen, dass Menschen mit einem eher negativen Altersbild sich auch dann später im Alter weniger aktiv bemühen, ihren Lebensstil beizubehalten, zum Beispiel weiterhin körperlich aktiv zu bleiben, und dann erfüllt sich sozusagen diese Prophezeiung an sich selber und man hat auch negativere Outcomes.

Der Ruhestandsübergang ist also eine kritische Phase, weil man versuchen muss, mit diesen negativen Altersstereotypen umzugehen und denen etwas entgegenzusetzen. Die wichtige Aufgabe ist dabei, Ruhestand als eine neue Lebensphase zu begreifen, wie viele andere Lebensphasen, in denen wir auch Herausforderungen hatten, aber auch Chancen, und nicht als reinen Abstieg und Abschied von dem, was das Leben ausgemacht hat. 

Ich habe als zweiten Punkt genannt: die positiven Aspekte der Erwerbsarbeit ersetzen. Also ich hoffe doch, dass für Sie alle die Erwerbsarbeit außerhalb der finanziellen positiven Faktoren auch psychologisch wertvoll ist. Das bedeutet in den Worten von Marie Jahoda, dass die Arbeit sogenannte latente psycholo­gische Funktionen erfüllt: Die Arbeit gibt uns eine gewisse Zeitstruktur – wir wissen, wann der Tag beginnt, wann der Arbeitstag endet; wir können unsere Mahlzeiten, unsere alltäglichen Aktivitäten darum strukturieren –; wir bekommen im besten Fall positive Sozialkontakte; die Arbeit gibt uns Status und Identität – Identität als Teil der Erwerbstätigen, aber auch als Teil einer bestimmten Berufsgruppe, vielleicht auch aufgrund der Position, die man inne­hat –; man verfolgt gemeinschaftliche Ziele und hat eine regelmäßige Tätigkeit. Das könnte man jetzt noch ergänzen: Zum Beispiel fühlt man sich vielleicht auch besonders gut, wenn man sich bei der Arbeit kompetent fühlt, aber auf jeden Fall kann die Arbeit diese positiven Effekte haben.

Jetzt muss man auch wieder sagen, dass nicht jeder Beruf diese Funktionen im selben Maße erfüllt, und für nicht alle von uns ist der Beruf von gleicher Wichtig­keit, um diese Bedürfnisse zu erfüllen – also nicht jeder von uns bekommt den Großteil seiner Sozialkontakte über die Arbeit –, aber wenn diese Arbeit besonders zentral für uns ist, dann wird die Anpassung an den Ruhestand natürlich schwieriger.

Eine weitere Funktion der Arbeit, die manchmal vergessen wird – gerade auch im Alter –, ist die Gesundheitsförderung. Die Arbeit kann durch intellektuelle Stimulation und körperliche Aktivität zu unserer Gesundheit beitragen. Wir wissen auch, dass gerade Altersverläufe, das kognitive Altern und auch das sonstige gesundheitliche Altern davon abhängig sind, wie aktiv wir sind, sowohl geistig als auch körperlich. Und wenn wir jetzt auf der Arbeit eben besonders aktiv sind, muss dieser Verlust an Aktivität im Ruhestand irgendwie ausgeglichen werden. Tun wir das nicht, bleiben wir nicht so aktiv im Ruhestand, wie wir es im Arbeitsleben waren, dann kann das der Gesundheit schaden. Wir sagen auch: Use it or lose it, also was nicht weiter genutzt wird, das verliert man. 

Aber auch hier noch einmal: Nicht jeder Job ist unbedingt gesundheits­förderlich. Nicht bei jedem Beruf ist es wirklich ein großer Verlust für die Gesundheit, wenn man damit aufhört, sondern für manche ist der Ruhestand dann endlich die Möglichkeit, sich gesundheitsbewusst zu verhalten, und man wird, wie eingangs erwähnt, von negativen Arbeitsbedingungen befreit.

In der Diskussion um den Ruhestandsübergang als psychologische Heraus­forderung ist mir immer wichtig, zu betonen, dass Menschen nicht einfach passiv in den Ruhestand gehen und schauen, was dann kommt; nein, im besten Falle weiß man natürlich schon vor dem Ruhestand, dass man irgendwann das Erwerbsleben beenden wird. Das bedeutet, Menschen planen, Menschen bereiten sich vor. Wir sehen schon in den Jahren vor dem Ruhestand, dass sich die sozialen Netzwerke stärken und teilweise vergrößern, wir sehen Ablöse­prozesse von der Arbeit, sowohl psychologisch als auch im Sinne von reduzierten Stundenzahlen oder Veränderung der Aktivitäten.

Wenn die Menschen im Ruhestand sind, dann werden sie auch aktiv. Wir sehen, dass Menschen ihre Kontakte stärker pflegen, gerade mit Freundinnen und Freunden, mit den Nachbarinnen und Nachbarn und auch mit Menschen, mit denen sie früher zusammengearbeitet haben. Menschen suchen sich neue Freizeitaktivitäten; das freiwillige Engagement nimmt zu; und immer häufiger arbeiten Menschen auch parallel zum Rentenbezug, eben weil sie durch die Arbeit im Ruhestand weiter diese Funktionen, die ich eingangs erwähnt habe, erfüllen können, aber natürlich auch aus finanziellen Gründen – und nicht jeder kann und möchte im Ruhestand arbeiten.

Wie wird der Ruhestand erlebt? Wie verändern wir uns? Wenn wir jetzt einmal auf große Studien schauen, bei denen viele, viele Menschen befragt worden sind, dann kommen – nach diesen Herausforderungen, die ich Ihnen geschildert habe, kommt das vielleicht überraschend – die meisten aber ganz gut zurecht.

Hier ist ein Befund aus einer Studie, die bei uns am Institut durchgeführt wird – der deutsche Alterssurvey, eine sehr große Längsschnittstudie –, und hier sind Daten von 2023. Da wurden die Teilnehmenden, wenn sie schon im Ruhe­stand waren, gefragt: Wenn Sie sich an Ihren Übergang in den Ruhestand zurückerinnern, was würden Sie sagen, inwieweit hat Sie dieses Ereignis belas­tet? – Und wenn Sie nach ganz rechts schauen, sehen Sie: Über 60 Prozent sagen: Überhaupt nicht, und weitere ungefähr 18 Prozent sagen: Kaum. – Also wir haben hier 80 Prozent, für die der Ruhestand anscheinend wirklich kein Problem darstellt. So kritisch scheint es zunächst einmal nicht zu sein. Wichtig aber auch jetzt schon einmal: Hier gibt es jeweils so 5 bis 6 Prozent, die sagen, es hat sie sehr oder ziemlich belastet.

Wie verändern wir uns über den Ruhestand? – Das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit bleiben im Durchschnitt eher stabil, also auf die generellen altersbedingten Veränderungen hat es wenig Einfluss, ob man in den Ruhestand geht. Oft gibt es kurzfristig so einen kleinen Anstieg, vielleicht eine Befreiung von den Arbeitstätigkeiten. Später, im hohen Alter gibt es dann im Durchschnitt einen Abbau an Wohlbefinden und psychischer Gesundheit, aber das ist jetzt vermutlich nicht die Schuld des Ruhestands, sondern eben von anderen altersbedingten Erlebnissen.

Auch die kognitive Leistungsfähigkeit, die ich auch schon erwähnt hatte, wird unter Umständen vom Ruhestandsübergang beeinflusst. Das ist aber sehr stark davon abhängig, wie ich schon erwähnt hatte, was uns der Beruf eigentlich an kognitiver Stimulation, an intellektueller Aktivität gegeben hat, und was wir im Ruhestand verwirklichen können. 

Die körperliche Aktivität – das vielleicht auch am Rande, auch wenn es nichts genuin Psychologisches ist – steigt zunächst einmal an, also Menschen werden im Ruhestand aktiver, als sie es vorher waren – außer, muss man sagen, Menschen, die in körperlich sehr aktiven Berufen waren. Natürlich werden auch diese in ihrer Freizeit Aktivitäten finden, die können das aber häufig nicht ausgleichen.

Aber jetzt kommen wir noch einmal auf diese 5 oder 6 Prozent, die ich eingangs erwähnt hatte, die vom Ruhestandsübergang jeweils sehr belastet oder belastet waren. Der Ruhestandsübergang ist sehr individuell und kann auch Krisen beinhalten, kann aber auch besonders positiv erlebt werden. Also ich habe das hier einmal schematisch dargestellt: Hier ist der durchschnittliche Verlauf vom Wohlbefinden über den Übergang in den Ruhestand, da passiert jetzt nicht viel. Das ist vermutlich auch die größte Gruppe, aber individuelle Verläufe sind da sehr unterschiedlich. Manche Menschen erleben den Ruhestand eben eher als Krise, für manche ist er eine Erholung. Zentral ist da der individuelle Gewinn oder Verlust an Ressourcen – und jetzt sind das nicht nur finanzielle, sondern eben auch gesundheitliche, soziale und psychologische.

Was hilft uns nun, gut in den Ruhestand überzugehen? – Da gibt es ein paar Faktoren, die ich jetzt einmal Schutzfaktoren nennen würde: ein Gefühl von Kontrolle und Autonomie; soziale Unterstützung, ein Netzwerk, das eben auch durch krisenhafte Momente begleitet; alternative soziale und sportliche Akti­vitäten, die uns helfen, das zu finden, was uns vielleicht die Arbeit an Positivem gegeben hat; und auch bereits vor dem Übergang eine gewisse Distanz zur Arbeit. Vom Ruhestand profitieren besonders diejenigen, denen ihr Job vielleicht nicht ganz so sehr Spaß gemacht hat, wobei ich jetzt niemandem empfehlen möchte, sich einen Beruf zu suchen, der ihm keinen Spaß macht, aber trotzdem macht es vielleicht Sinn, diese Zentralität der Arbeit, die ich eingangs erwähnt habe, vor dem Ruhestand schon ein bisschen zu reduzieren und eben auch schon andere Bereiche im Leben zu finden, die einem wichtig sind. Aber auch Persönlichkeitsfaktoren spielen eine Rolle – die kann man jetzt mit der Politik wenig beeinflussen –, wie zum Beispiel emotionale Stabilität und Extraversion, also besonders aktiv im Umgang mit anderen zu sein. 

Es gibt natürlich auch Risikofaktoren: Unter welchen Umständen fällt uns die Anpassung eher schwer? – Bei einem unfreiwilligen Ruhestand, wer also gezwungen ist, in den Ruhestand zu gehen – sei es aus gesundheitlichen Gründen, aber auch, weil er oder sie eben keine neue Arbeit findet –, dann sehen wir immer wieder große Probleme in der Anpassung an den Ruhestand, damit umzugehen, quasi plötzlich aus dem Erwerbsleben geschoben zu werden, nicht planen zu können, das nicht selber entscheiden zu können. Und auch generell bei gesundheitlichen Einschränkungen, bei finanziellen Problemen und schlechter sozialer Einbindung kann der Ruhestand zu einem Problem werden.

Da ich heute hier vor Ihnen spreche und nicht wie sonst vor Psychologinnen und Psychologen, geht es jetzt noch einmal kurz um die Politik. Natürlich gibt es wenige Studien dazu, mit welchen Reformen man die Ruhe­standsqualität beeinflussen kann, aber trotzdem erlaube ich mir, ein paar Punkte zu erwähnen:

An welchen Punkten könnte die Politik die Qualität des Übergangs beeinflus­sen? – Zum einen durch Verhinderung von Altersarmut, damit Teilhabe gesichert sein kann; durch eine Verbesserung gesellschaftlicher Altersbilder – das lässt sich natürlich nicht per Beschluss feststellen, sondern muss ein gesamtgesell­schaftliches Projekt sein –; durch eine Förderung von sozialer Integration auch durch kommunale Angebote, die eben Teilhabe auch ohne eine Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen; durch Coachingangebote zur Unterstützung, wenn Menschen Probleme haben, mit dem Übergang in den Ruhestand zurecht­zukommen; und auch, wie die Frau Präsidentin eingangs erwähnt hat, durch eine gewisse Flexibilität bei Art und Zeitpunkt des Ruhestands, zum Beispiel durch die Möglichkeit der Weiterarbeit im Ruhestand ohne größere bürokratische Hürden für diejenigen, die es möchten und können.

Kommen wir nun zum Fazit: Ist der Ruhestandsübergang jetzt generell eine essenzielle Krise, um die wir uns Sorgen machen müssen? – Nein. Der Übergang in den Ruhestand kann zwar wie viele Übergänge in unserem Leben heraus­fordernd sein, für die meisten Menschen ist er aber keine Krise. Es gibt aber Risikogruppen, das darf man auch nicht vergessen: Auch wenn der Großteil der Menschen gut in den Ruhestand übergeht, gibt es Menschen, die starke Probleme und vielleicht auch psychische Erkrankungen entwickeln können. Risikofaktoren sind vor allem geringe individuelle Ressourcen und mangelnde Autonomie in der Entscheidung für den Ruhestand. Da kann die Politik eben mit verschiedenen Maßnahmen ansetzen.

Der eingangs erwähnten Warnung vor dem Ruhestand – „Gehen Sie auf keinen Fall in den Ruhestand!“ – würde ich jetzt nicht zustimmen. Natürlich bietet der Ruhestand Herausforderungen, aber auch Chancen. Ich würde vorschlagen, uns auf Letztere zu konzentrieren und diese zu nutzen. – Vielen Dank für die Auf­merksamkeit. (Beifall.)

9.51

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Herr Dr. Henning, für Ihre Ausführungen.

Ich darf nun als Nächste Frau Mag.a Pia Müllauer um ihren Beitrag zum Thema „Die Rolle der Familie und Gesellschaft beim Übergang in die Pension“ ersuchen. – Bitte, Frau Mag.a Müllauer.

RN/9

9.52

Mag. Pia Müllauer (Kepler-Universitätsklinikum): Danke schön. – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, heute zu Ihnen über die Rolle der Familie und Gesellschaft beim Übergang in die Pension sprechen zu dürfen. In meiner täglichen Arbeit als Gerontopsychologin beschäftige ich mich mit Menschen im höheren oder hohen Lebensalter. Diese Menschen sind meist an Demenz oder anderen psychischen Störungen erkrankt. Das zu behandelnde Thema betrifft diese Personengruppe zwar nicht unmittelbar selbst, jedoch gehören die Angehörigenberatung und -betreuung ebenfalls zu meinen Arbeitsschwer­punkten. Die meisten Angehörigen und Zugehörigen dieser Patientengruppe befinden sich für gewöhnlich mitten in der Übergangsphase vom Erwerbsleben in die Pension, insofern liegt es mir heute sehr am Herzen, Ihnen theoretische und vor allem praxisrelevante Überlegungen näherzubringen.

Wie wir schon gehört haben, stellt der Übergang in die Pension als Entwicklungs­aufgabe eine Herausforderung für den Einzelnen dar. Neben der körperlichen und der psychischen Gesundheit, den finanziellen Ressourcen und dem Ausmaß der Freiwilligkeit des Übergangs in die Pension stellen die psychosozialen Aspekte wie soziale Eingebundenheit und Unterstützung, Engagement in sinnerfüllten Aktivitäten und der Erhalt der Tagesstruktur wichtige Faktoren zur erfolgreichen Anpassung an eine neue Lebensphase dar. Das Ziel eines Entwicklungsprozesses wie des Übergangs in die Pension sollte sein, dass die neue Lebensphase akzeptiert wird und von der betreffenden Person in die eigene Identität integriert werden kann.

Andernfalls kann es zu einer Entwicklungskrise kommen, wenn die Balance zwischen Risikofaktoren und internalen und externalen Ressourcen zur Bewälti­gung der Anforderungen fehlt. Solche Krisen können weiterführend in psychische Erkrankungen wie beispielsweise eine Depression münden. Insofern kann die Pension auch als Chance für neue Aktivitäten, intellektuelle Entfaltung oder bestehende Hobbys verstanden werden; man hat mehr Zeit für Familie und Freunde, gesellschaftliches Engagement und außerberufliche Aktivitäten, während die berufliche Belastung nach und nach abnimmt.

Bekanntermaßen spielen die soziale Einbettung und das Engagement im Leben auch eine zentrale Rolle hinsichtlich der psychischen Gesundheit im Alter. Vor allem zielgerichtetes Engagement in der Pension hat nachweislich positive Effekte auf die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden, wenn die Tätigkeit von einem selbst als bedeutungsvoll wahrgenommen wird.

Der positive Übergang in die Pension braucht jedoch adäquate Voraus­setzungen und Auseinandersetzung. Das trifft nicht nur auf die Person selbst zu, sondern auch auf die Familie und die Gesellschaft als soziales Umfeld. Es ist daher von Bedeutung, sich der Risikofaktoren bewusst zu sein, um auf Sinn­krisen beim Übergang in die Pension möglichst frühzeitig und adäquat reagieren zu können. Der Familie und der Gesellschaft kommt dabei eine unter­stützende Funktion zu.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu bedenken, dass der Verlust der Arbeit, wie wir schon gehört haben, nicht nur die finanzielle Situation betrifft, sondern auch psychosozial stabilisierende Faktoren der Arbeit beim Eintritt in die Pension verloren gehen. Der Erfolg des Übergangs hängt also neben der monetären Sicherheit und der Gesundheit auch stark von der erfolgreichen Bewältigung der psychosozialen Herausforderungen ab.

Dazu möchte ich zunächst einen Überblick geben: Einer der größten psycho­sozialen Faktoren der Arbeit ist die Strukturierung des Tagesablaufes. Der Wegfall der täglichen Arbeitsroutine kann, wie wir ebenfalls bereits gehört haben, zu einem Gefühl der Orientierungslosigkeit führen, daher ist es wichtig, in der Pension die Strukturen zu finden, um den Tag weiterhin sinnvoll auszugestalten.

Der Verlust von Arbeitskollegen und täglicher sozialer Interaktion kann zu Einsamkeit führen. Die verstärkte Abhängigkeit von der Familie als Hauptquelle der sozialen Unterstützung kann zu einem Gefühl der Überforderung bei allen Familienmitgliedern führen. Daher ist es wichtig, die bestehenden Kontakte zu pflegen und nach Möglichkeit neue soziale Netzwerke aufzubauen. Das kann bereits in der Übergangsphase in die Pension beginnen.

Die Arbeit gibt Menschen Aktivität und definierte Ziele vor, man kann Fähig­keiten unter Beweis stellen und erlangt dadurch Anerkennung und Wert­schätzung. Die arbeitsbezogenen Planungs-, Gestaltungs- und Entscheidungs­möglichkeiten fallen jedoch beim Eintritt in die Pension nach und nach weg. Es kann daher zu einem schleichenden oder auch einem abrupten Einschnitt im Erleben der eigenen Handlungskompetenz und damit zu einem Verlust von Anerkennung kommen. Besonders bei Menschen, die ihre berufliche Identität mit dem Selbstwert verknüpfen, kann es während der Übergangsphase zu einem starken Gefühl des Bedeutungsverlustes kommen. Daher ist es wichtig, sich mit der Verschiebung von Werten und Zielen auseinanderzusetzen.

Eine besondere Herausforderung beim Austritt aus dem Arbeitsleben ist außerdem, wie wir gehört haben, der Verlust der beruflichen Rolle. Das kann mit Anpassungsschwierigkeiten verbunden sein. Viele Menschen definieren sich über ihre Arbeit, sie gibt ihnen Struktur, soziale Anerkennung, Sinn – mit der Pensionierung entfällt dieser zentrale Aspekt. Es bedarf also einer Neugewich­tung und Neuausrichtung der eigenen Rollen im sozialen Umfeld. Pensionierte übernehmen oft neue Aufgaben, sei es als Großeltern, pflegende Angehörige oder unterstützende Partner. Viele Menschen suchen nach Möglichkeiten, sich weiterhin gebraucht zu fühlen. Manche entscheiden sich für Weiterbildung oder geringfügige Beschäftigung, um weiterhin eine berufliche Rolle in reduziertem Umfang beizubehalten, andere engagieren sich in sozialen und kulturellen Projekten, um eine neue sinnstiftende Rolle zu finden. Gerade in dieser Findungs­phase benötigt es daher verständnisvolle Unterstützung durch das soziale Umfeld.

Zu bedenken ist auch, dass in vielen Fällen die Rollenneugewichtung durch äußere Umstände determiniert ist. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf den wesentlichen Einfluss von Betreuungs- und Pflegeaufgaben hinzuweisen. Pflegeaufgaben können bereits im Arbeitsleben mit alltäglichen Aufgaben kollidieren beziehungsweise treten als zeitintensive zusätzliche Aufgabe hinzu. Gerade beim Übergang in die Pension kann beispielsweise die Pflege dementer Eltern sogar zur dominierenden Aufgabe werden, die somit zum bestimmenden Aspekt der eigenen Rolle im sozialen Umfeld wird.

Wenn eine Person mehrere Rollen innehat, wie beispielsweise die eines Arbeit­nehmers und die eines Großelternteils, kann es schwierig sein, die notwendigen Ressourcen, insbesondere Zeit und Energie, aufzubringen, um alle Rollen angemessen zu erfüllen. Das kann zu Stress und Überforderung führen, da die Person gezwungen ist, Prioritäten zu setzen und möglicherweise einige Verpflichtungen zu vernachlässigen. Je stärker die Anforderungen und Erwartungen an die verschiedenen Rollen miteinander konkurrieren, desto mehr kann das gleichzeitige Ausüben mehrerer sozialer Rollen entsprechend der Rollenkonflikt­theorie zu schwerwiegenden zwischenmenschlichen und persön­lichen Kon­flikten und Belastungen führen.

Der Übergang in die Pension kann weiters die Dynamik in einer Partnerschaft verändern. Die Neuorganisation des Rollengefüges betrifft nicht nur die individuellen Rollen, sondern auch Partnerrollen und Paarrollen. Während die Pensionierung für viele Paare eine Chance ist, mehr Zeit miteinander zu verbringen, kann sie auch zur Herausforderung führen, wenn die Erwartungen und die Bedürfnisse nicht übereinstimmen. Während der Erwerbszeit sind Paare oft an feste Tagesstrukturen gebunden und gewöhnt, diese sind durch die Arbeit, die Freizeit und familiäre Verpflichtungen geprägt. Mit der Pension entfällt dieser äußere Rahmen. Für manche Paare bedeutet es mehr gemein­same Unternehmungen und eine Vertiefung der Beziehung, andere empfinden es als Belastung, wenn der Partner oder die Partnerin ständig da ist. Besonders dann, wenn einer der beiden Partner vor dem anderen in Pension geht, kann es zu Anpassungsschwierigkeiten kommen.

Die Pensionierung bedeutet für viele Paare und Familien eine Neuverhandlung ihrer Rollen und ihrer Routinen. Es stellt sich die Frage, wie Aufgaben neu verteilt werden, etwa bei Haushalt, Organisation des Alltags oder Betreuungs­aufgaben. Konflikte können entstehen, wenn traditionelle Rollenstrukturen obsolet werden und eine neue Aufgabenverteilung erforderlich ist.

Im unmittelbaren sozialen Umfeld ist ein häufiges Problem, dass unterschied­liche Vorstellungen davon bestehen, wer wofür verantwortlich ist. Es kann in einer Partnerschaft vorkommen, dass einer der Partner in der Pension zum ersten Mal eine neue Aufgabe übernimmt wie zum Beispiel das Kochen oder das Einkaufen. Das kann eine Umstellung für alle Beteiligten bedeuten. Ein Problem kann auch dahin gehend bestehen, dass von Pensionistinnen und Pensionisten erwartet wird, dass sie ihren Alltag nach anderen Familienmitgliedern ausrichten. Es ist daher wichtig, zu berücksichtigen, dass Menschen weiterhin ihren eigenen Freiraum für Hobbys, soziale Kontakte oder andere Tätigkeiten brauchen. Erwartungen sollten aufeinander abgestimmt werden, Kommunikation, gegenseitige Rücksichtnahme und die Bereitschaft, neue Routinen zu entwickeln, sind entscheidend für eine erfolgreiche Anpassung des Individuums und der Familie an die neue Lebensphase. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Letztlich ist die Pensionierung keine Pause, sondern ein Übergang in eine neue Lebensphase, in der man Rollen bewusst neu definieren und gestalten kann. Die tragende Rolle der Familie und Gesellschaft darf nicht unbeachtet bleiben. Frühzeitige und proaktive Planung der Pensionierung durch kognitive Vorbereitung wie einer Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen und Werten für die Zeit nach der Pensionierung und Auseinandersetzung mit den Veränderungen der eigenen Rollen innerhalb der Gesellschaft und der Familie haben also einen Einfluss auf eine gelungene Bewältigung dieser Entwicklungsaufgabe. Die Antizipation des Übergangs in die Pension durch erste Planungsprozesse beginnt bereits einige Jahre vor dem Ende der Erwerbstätigkeit. Eine positive Erwartungshaltung hilft dabei, diesen Übergang in einen neuen Lebens­abschnitt erfolgreich zu gestalten. 

Die Familie und in weiterer Folge die Gesellschaft können bei dieser Planung der Pensionierung unterstützend zur Hand gehen, indem man sich der inner- und außerpsychischen Veränderungen bewusst ist. Seitens der Familie kann beispielsweise gemeinsam über zukünftige Ziele und Aktivitäten nachgedacht werden. Durch klare Absprachen, die Berücksichtigung individueller Freiräume und gegenseitige Unterstützung kann dieser Prozess erfolgreich gestaltet werden. Es ist wichtig, innerhalb der Familie zu evaluieren und gegebenenfalls neu zu verteilen, um Identitäts- und Sinnkrisen vorzubeugen. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Vereinbarungen können helfen, sicher­zu­stellen, dass die Verteilung der Aufgaben fair und ausgewogen bleibt. Regelmäßige Gespräche über Erwartungen, Wünsche und Sorgen können helfen, Missverständnisse zu vermeiden. 

In Österreich gibt es einige Programme, die darauf abzielen, Menschen bei der Vorbereitung in den Ruhestand zu unterstützen. Allerdings sind diese meist stärker auf die finanziellen Aspekte fokussiert. Ein gesellschaftspolitischer Ansatz könnte darin bestehen, bestehende Programme zum Übergang in die Pension und psychologische und soziale Komponenten zu erweitern, um eine ganzheitliche Vorbereitung auf den Ruhestand zu ermöglichen. Das könnte durch staatliche Unterstützung und Kooperation mit psychologischen Fachkräften oder sozialen Einrichtungen stattfinden. 

Ein entsprechendes präventives Programm der Ressourcenaktivierung wurde beispielsweise von Seiferling und Michel 2017 auf Basis eines ressourcen­basierten Modells entwickelt und könnte beispielsweise für weitere Überlegungen herangezogen werden. Das Programm soll dabei helfen, bereits vor der Pension psychologische Ressourcen wie Optimismus und Selbstwirksamkeit individuell zu stärken, Kompetenzen oder Ziele für die Zeit nach der Pension vorzubereiten und soziale Ressourcen und materielle Ressourcen zu aktivieren. Im Verlauf sollen generell Ziele für die Pension entwickelt und Strategien erarbeitet werden, um diese Ziele zu erreichen und mögliche Hürden auf dem Weg dorthin zu überwinden. 

Wie wir aus der Forschung wissen, ist es ein Bestreben von Personen, in der Pension weiterhin aktiv und eingebunden zu bleiben. Dabei ist es nicht von Bedeutung, um welche Form der Weiterbeschäftigung es sich handelt, ob es sich um bezahlte oder unbezahlte Tätigkeiten handelt, solange die Tätigkeit von der Person selbst als passend und möglichst zufriedenstellend wahrgenommen wird. Die wesentliche Funktion der Einbindung besteht in der Aufrecht­erhaltung der eigenen Handlungskompetenz und der Tagesstruktur. 

Welche Rolle haben nun die Familie und die Gesellschaft bei der Prävention sozialer Isolation, des Verlustes der Alltagsstruktur oder von Handlungs­kompetenzen? – Durch regelmäßigen Kontakt mit der Familie und Freunden kann sozialer Isolation vorgebeugt werden. Zudem stärken regelmäßige Treffen und gemeinsame Aktivitäten die Bindung. Es ist wichtig, soziale Kontakte aktiv zu pflegen und neue Netzwerke aufzubauen. Gesellschaftliche Netzwerke wie Freunde, Nachbarn und Gemeinschaftsgruppen bieten ebenfalls eine wichtige soziale Unterstützung, um Einsamkeit zu vermeiden und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu geben. 

Der Übergang in die Pension bietet die Chance, neue Traditionen zu schaffen und bestehende zu pflegen. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kann durch verschiedenste Aktivitäten innerfamiliär oder außerfamiliär, durch gesell­schaftliche Angebote erreicht werden. Dazu zählen zum Beispiel das Aus­probieren neuer Hobbys oder das Verfolgen neuer Interessen. Es bieten aber auch sportliche Aktivitäten mit der Familie oder Freunden beziehungs­weise die Mitgliedschaft in Vereinen oder die Teilnahme an Reisegruppen die Möglich­keit, neue Leute kennenzulernen oder bestehende Freundschaften zu pflegen. Die Nutzung von Bildungsangeboten ermöglicht das Erlangen neuer Fertigkeiten, geistig aktiv zu bleiben sowie das Knüpfen sozialer Kontakte. Die Nutzung von kulturellen Angeboten bietet nicht nur Unterhaltung, sondern auch die Möglichkeit, sich weiterzubilden, neue Interessen zu entdecken sowie mit anderen in Austausch zu treten. Ehrenamtliches Engagement und Freiwilligenarbeit kann nicht nur eine sinnvolle Beschäftigung sein, sondern auch soziale Kontakte und ein Gefühl der Erfüllung, Sinnhaftigkeit und Zugehörigkeit fördern. 

Generationenübergreifende Projekte können ebenfalls zur Förderung von Sinnfindung und zu Selbstwert- und Identitätsstiftung zum Beispiel durch Mentoring- oder Coachingkonzepte beitragen. Durch die Weitergabe von Wissen kann die eigene Handlungskompetenz in einer neuen Rolle wirksam erfahren werden. Das betrifft nicht nur den beruflichen Kontext, vielmehr kann generationenübergreifender Austausch auch in der Familie, mit den Nachbarn oder in anderen Gemeinschaftsgruppen und Vereinen stattfinden. Die Weitergabe von Wissen und Erfahrung an jüngere Generationen sind wichtige Quellen der Lebensbedeutung für Pensionistinnen und Pensionisten. 

Ein wichtiger Aspekt des Erlebens der eigenen Handlungskompetenz stellt in Zukunft nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die Bewahrung der technologischen Autonomie dar. Unterstützungsangebote bei der Nutzung moderner Technologien können das Gefühl der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit stärken. Es gibt diverse Möglichkeiten, die technologische Autonomie der angehenden Pensionistinnen und Pensionisten zu fördern und zu erweitern. Einerseits kann familiär generationenübergreifend Hilfe angeboten werden, andererseits können spezielle Bildungsangebote oder Initiativen zur Medienkompetenz auf die entsprechenden Möglichkeiten aufmerksam machen. Spezielle Apps können beispielsweise die Benutzer­freundlichkeit von Smartphones und Tablets altersadäquat verbessern. Andere Apps oder Plattformen können wiederum den Austausch und gemein­schaftliche Aktivitäten fördern und koordinieren. 

Die Familie kann also eine wichtige Stütze sein und dazu beitragen, den Über­gang in die Pension positiv zu gestalten. Die Familie stellt oft die erste und wichtigste Unterstützung bei Anpassungsprozessen dar. Die Familie kann emotionale Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben der Pensionierung geben, indem sie Trost, Verständnis und ein Zugehörigkeitsgefühl beim Abschied aus der Arbeitswelt bereithält. Die Familie kann aber auch praktisch unterstützend sein, zum Beispiel im Haus­halt, bei der Nutzung neuer Technologien oder bei der Bewältigung gesund­heitlicher Probleme. 

Eine Herausforderung hinsichtlich dieser praktischen Hilfestellungen kann allerdings sein, das richtige Maß an Unterstützung zu finden, ohne die Autonomie des Betroffenen zu untergraben. Dabei ist es wichtig, die Bedürfnisse und Wünsche zu respektieren und gleichzeitig die notwendige Hilfe anzubieten, um die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu stärken. In Partnerschaften ist es wichtig, eine Balance zwischen Nähe und Eigenständigkeit zu finden. Gemein­same Aktivitäten sollten sich mit individuellen Freiräumen abwechseln, sodass beide Partner ihre Interessen weiter verfolgen können. 

Ein grundlegendes Verständnis der berichteten innerpsychischen Veränderungen und Herausforderungen in dieser Übergangsphase kann helfen, Konflikte und Krisen zu vermeiden. Maßnahmen zur Förderung der sozialen Teilhabe älterer Menschen dürfen ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. Nicht alle Menschen haben Zugang zu entsprechenden Netzwerken oder fühlen sich in der Lage, neue Kontakte zu knüpfen. Es ist daher wichtig, Barrieren abzu­bauen und inklusive Angebote zu schaffen, die allen zugänglich sind. 

Zu den gesellschaftlichen Aufgaben gehört es, die Suche nach sinnstiftenden Aufgaben und Betätigungsfeldern zu unterstützen, indem zum Beispiel für ehrenamtliche Tätigkeiten spezielle Suchmaschinen oder Plattformen bereit­gestellt werden. Es ist wichtig, eine breite Palette an Möglichkeiten anzu­bieten und bei der Auswahl an Integration zu helfen. 

Die Flexibilität des Übergangs in die Pension kann aber auch durch entsprechende organisationale Bedingungen beeinflusst werden. Eine altersentsprechende Personalstrategie stellt das Ermöglichen eines gleitenden Übergangs in die Pension dar, wodurch Betroffene sich langsam aus dem Berufsleben zurück­ziehen können. Gesellschaftliche und betriebliche Maßnahmen, wie Altersteilzeit­regelungen und flexible Pensionseintrittsmodelle können den Übergang in die Pension erleichtern und individuell anpassbar machen, sodass die notwendigen zu bewältigenden psychosozialen Entwicklungsaufgaben adäquat gemeistert werden können. 

Gesellschaftliche Netzwerke, politische Rahmenbedingungen und organisationale Strukturen stellen ein wichtiges Fundament dar, um den Übergang in die Pension zu erleichtern. An- und Zugehörigennetzwerke helfen, die psychosozialen Verluste und Veränderungen abzufangen und Entwicklungs- und Anpassungs­krisen zu vermeiden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

10.09

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön für die Ausfüh­rungen. 

Ich darf weiters Frau Präsidentin Ingrid Korosec zu ihrem Beitrag bitten. Das Thema lautet: „Engagement und Sinnfindung im Ruhestand“. – Bitte, Frau Präsidentin. 

RN/10

10.09

Ingrid Korosec (Österreichischer Seniorenbund): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke für die Einladung. Ich bin sehr gerne gekommen und freue mich natürlich sehr, dass der Saal so voll ist. Das heißt, das Thema berührt offenbar sehr viele. 

Wir haben jetzt – wenn ich von der Keynote von Prof. Kolland, die sowieso immer ein Highlight ist, absehe – zwei Referate gehört, die sehr interessant waren, sehr theoretisch, wogegen ich jetzt aus der Praxis erzähle. Ich meine, ich habe täglich sehr viel mit Menschen zu tun, die vor der Pension stehen, und ich habe mit vielen Menschen zu tun, die in der Pension sind – und da sehe ich schon gewisse Unterschiede.

Es freut mich, dass angeblich so viele so gern in der Pension sind und sich so gut einleben. Ich glaube, dass es da auch ein Stadt-Land-Gefälle gibt, dass es in einer Großstadt viel schwieriger ist – da kommt es teilweise zur Vereinsamung. Am Land ist alles einfacher. Ich lebe in der Großstadt, komme aber vom Land und kenne das Landleben, und da schaut die Welt ganz anders aus. Da hat man eben die Nachbarin oder den Nachbar, der einen mitnimmt, der sagt: Ich gehe heute walken; kommst du mit? – Da besteht ein anderes Zusammengehörigkeits­gefühl. In einer Großstadt sind wir sehr viele Menschen, die in einem Haus wohnen – weiß Gott wie viele –, und man kennt kaum jemanden, und das hat natürlich schon auch damit zu tun. 

Ich möchte einmal versuchen, das ein bisschen darzustellen: Viele Menschen erleben den Schritt in die Pension mit gemischten Gefühlen – das einmal grundsätzlich. Es gibt viele, die nicht mehr wertgeschätzt werden, die das Gefühl haben, man will eigentlich schon ganz gerne, dass sie nicht mehr da sind. Na, da geht man natürlich gerne in die Pension, da sagt man: Gott sei Dank! – Es gibt aber auch viele, viele Menschen – und das ist bei Weitem die Mehrheit –, die gerne berufstätig sind. Und das erwarte ich mir auch und hoffe ich auch, denn dass wir davon ausgehen, dass man in den letzten Jahren eh schon sagt: Na, eigentlich möchte ich eh schon in Pension sein!, das wollen wir ja nicht. Das wäre auch für die Gesellschaft schlecht. Wir brauchen ja die Mitarbeiter, die aktiv sind und gerne dabei sind.

Daher ist es gemischt: Von manchen ist es, wie ich gesagt habe, lange ersehnt, weil die Voraussetzungen nicht so sehr stimmen, von anderen gefürchtet. Denn der Schritt in die Pension ist nun einmal ein Abschied – das ist einmal festzu­halten –: ein Abschied von Routinen, ein Abschied vom gewohnten Kollegenkreis, mit dem man mehr Zeit verbracht hat als mit der Familie oder mit Freunden. Für manche – das wurde auch erwähnt – ist es auch ein Abschied von einer Rolle, über die man sich jahrzehntelang definiert hat und die plötzlich weg ist. Daher ist, würde ich sagen, der Übergang in die Pension nicht etwas, was mit einem Knopfdruck erledigt ist – dass man sagt: so, zack! –, sondern er ist ein ganz tiefgreifender Wandel – emotional, sozial, aber auch finanziell –, und genau deshalb müssen wir diesen Wandel bestmöglich vorbereiten und begleiten. 

Und wer sich rechtzeitig – das ist ja gerade von Ihnen beiden angeführt worden – mit der Zeit nach dem Erwerbsleben auseinandersetzt und diese aktiv plant – nicht planen lässt, sondern aktiv plant –, kann die Pension als erfüllte und sinnstiftende Lebensphase erleben, anstatt in ein Pensionsloch zu fallen. – Letzteres passiert nicht gleich. Am Anfang sind alle happy und sagen: Na wunderbar, ich brauche nicht um diese Zeit aufzustehen, ich brauche das nicht zu machen, ich kann da jetzt entscheiden. Man genießt es zunächst einmal – aber langsam werden die Anrufe von ehemaligen Kollegen und Wegbegleitern seltener, oder man wartet vergeblich und perspektivlos, bis sich die Frage stellt oder man zur Feststellung gelangt: Na, und das war’s jetzt?

Wir planen unser ganzes Leben lang, alles wird geplant – völlig richtig –, von der Familie über Urlaube und Feste bis zu Karrieren, aber viele haben nicht gelernt – und daher ist auch diese Veranstaltung heute so wichtig –, ihre Pension zu planen. Da platzt man irgendwie hinein. Dabei sollte neben der finanziellen Absicherung vor allem die rechtzeitige Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen und Wünschen erfolgen und die Zeit danach eigentlich etwas Selbst­verständliches sein – denn es ist, unter guten Voraussetzungen, eine lange Zeit danach. 

Ich sage immer: Man kann ein neues Leben beginnen, wenn man in Pension geht. Wir haben im Durchschnitt 25, 30 Jahre vor uns, und wenn man gesund ist – darauf komme ich dann auch gleich zu sprechen, dass wir eben nicht gesund sind, dass die Prävention total fehlt und dass wir mit 61,4 Jahren eigentlich schon krank in die Pension gehen, während Menschen in anderen Ländern, und ich denke da an skandinavische Länder, erst acht bis zehn Jahre später die Gesundheit verlieren; wir haben da also einen enormen Nach­holbedarf, und es ist ganz wichtig, dass das auch von der Gesellschaft entsprechend anerkannt wird; 1,5 Prozent für die Prävention ist ja direkt ein Witz –, also immer unter dieser positiven Voraussetzung, ist die Pension eine große Chance, eine Chance, im Alltag des Lebens vergrabene Talente wieder auszugraben. 

Ich muss Ihnen sagen, gerade in Seniorenorganisationen lernen Sie Künstler kennen, die gar nicht wissen, dass sie Künstler sind, denn in der Jugend haben sie ganz nett gemalt, dann hat sich das ganze Leben anders abgespielt – durch Familie, Beruf und so weiter –, und jetzt kommen sie drauf, was sie alles können. Wir haben da jährlich Ausstellungen, und dort sind wirklich großartige Sachen zu sehen. Sie können sich an vergessene Träume erinnern, sich für Dinge interessieren, für die man eben nie Zeit hatte. Aber das muss alles vorbereitet sein, das kommt nicht auf Knopfdruck.

Wie ich schon erwähnt habe, ist die Gesundheit natürlich ganz wichtig. Was brauchen wir dafür aber? – Wir brauchen die Prävention. Und ich sage ganz offen: Prävention fängt bei der Geburt an. Immer nur zu glauben: Na ja, jetzt bin ich 60, und da zwickt’s mich und da ist etwas, es wäre vielleicht doch ganz gut, ein bisschen was zu machen!, ist auch noch gut – jede sportliche Betätigung ist gut, egal in welchem Alter; ich habe heute schon meine Sportstunde hinter mir, so wie jeden Tag, weil ich das für selbstverständlich halte und es mir guttut –, aber da muss einfach viel mehr gemacht werden. Das muss schon im Kindergarten, in der Schule vermittelt werden. Das ist eine Querschnitt­materie, da kann man nicht sagen: Der ist verantwortlich!, und da ist es mit Geld allein nicht getan, sondern da braucht es die richtige Einstellung, da brauchen Sie die Lehrkräfte, die die entsprechende Einstellung dazu haben, da brauchen Sie entsprechende Unterstützung. Es ist jedenfalls ganz, ganz wichtig, dass die Prävention wirklich mit der Geburt oder manchmal schon vor der Geburt anfängt. – Ich muss aufpassen, denn ich komme dann immer gleich ins Schwärmen. Also: Prävention ist ganz wichtig.

Angebote der bewussten Pensionsplanung – rechtzeitig –, Pensionscoaches sind auch erwähnt worden: Da soll man durchaus auch Unterstützung annehmen, Plattformen, auf denen man sich vernetzen kann, ausprobieren, sich engagieren kann, ganz ohne Druck, aber mit Perspektive. Das muss man aber schon Jahre vorher machen. Es ist ja ein so langer Lebensabschnitt, der da vor uns liegt – hofft man zumindest, es kann dann auch anders kommen –, aber dass man ihn plant? Da kann man so viel verwirklichen, aber das muss man wirklich planen. Man plant oft andere Dinge, die nur kurzfristig sind, aber was man sich langfristig wünscht, plant man nicht. Also da ist viel zu tun. 

Ein gelungener und ein gesunder Pensionsantritt ist eben die Voraussetzung für einen angenehmen Ruhestand. Was heißt eigentlich Ruhestand? – Es wird Sie nicht verwundern, wenn ich von diesem Begriff überhaupt nichts halte. Für mich klingt das nach Stillstand – und Stillstand ist etwas, das ich mir überhaupt nicht vorstellen kann –, nach abwarten. – Sich engagieren, freiwillig, mit Begeisterung und Erfahrung, das soll man tun – also nicht Ruhestand. Das Wort Ruhestand ist schon etwas, was man eigentlich überdenken sollte, mit dem man sich gar nicht auseinandersetzen sollte.

Das bedeutet, ein neues Leben zu beginnen, neue Aktivitäten zu setzen, und da gibt es natürlich, das ist ja gesagt worden, viele Pensionistinnen und Pensio­nisten, vor allem eben, viel mehr im ländlichen Bereich, die unglaublich viele Aktivitäten setzen, die ein Netzwerk haben und das natürlich nützen. Sie nützten das bis zu einem gewissen Grad auch während ihrer Arbeitszeit, und jetzt freuen sie sich natürlich, dass sie mehr Zeit dafür haben. Sie reisen miteinander, daher: Wir beleben die Wirtschaft mit, das ist ja direkt ein Witz bitte – 25 Prozent des Privatkonsums, das sind 50 Milliarden Euro, werden von den Senioren ausgegeben, weil wir eben reisen, weil wir eben dementsprechende Tätigkeiten ausüben; wir lernen Neues, wir helfen, wir engagieren uns freiwillig, mit Begeisterung und mit Erfahrung. Wir sind bitte ein Expertenpool! Das darf man nie vergessen. 

Für viele ist nämlich der Ruhestand kein Rückzug, sondern ein Aufbruch in eine neue Phase, und ich sage – ich behaupte das, weil ich es wirklich aus Erfahrung weiß –: Für manche Menschen ist es die beste Phase ihres Lebens. Wenn junge Leute das hören, dann werden sie sagen, das ist verrückt, das kann doch nie sein. Es ist aber so, dass manche Menschen ihr ganzes Leben viel mehr unter Druck und Zwang waren als jetzt in der Pension, in der sie sich entfalten können und in der sie dann tun und lassen können, was sie wollen. Man war nie so selbstbestimmt, als man es in der Pension sein kann, immer unter der Voraus­setzung: gut geplant.

Und doch ist es so, dass viele der heute aktiven und engagierten Pensionisten den gelungenen Neustart natürlich auch ihren Familien verdanken, wobei: Aus Erfahrung weiß ich, dass gerade im Familienkreis nicht immer die ganz tolle Übereinstimmung da ist. Man ist schon für die Enkel da, aber das so wirkliche Einbinden hat es früher gegeben – ob das immer so freiwillig war, möchte ich auch in Zweifel ziehen –, das war selbstverständlich. Aber dass sich alle Enkel­kinder und Kinder so freuen, wenn sie sich dann eben auch um die Oma kümmern müssen? – Das Angenehme: ja; aber immer: Die Oma musst du anrufen!, Hast du die Oma schon angerufen? – Wir haben heute gehört, die wollen nicht telefonieren, da wird nur geschrieben – ich weiß das auch von mir. Meine Kinder sagen zu meinen Enkelkindern: Du, die Nonna – ich bin die Nonna –, hast du die Nonna schon einmal angerufen?, Die Nonna ist ja neugierig, wie es dir bei der Prüfung gegangen ist! – Na, man hört einfach: Die haben andere Sorgen. Die sollen sie auch haben, also ich warte nicht darauf. Ich sage immer, ich erfahre es schon, wenn es notwendig ist. Daher: Das Familienumfeld zu viel einzuplanen, was gern gemacht wird – das sollen sie tun, aber wenn sie das Gefühl haben, sie müssen, dann ist es, glaube ich, nicht so positiv.

Natürlich sind aber viele im Vereinsleben verwurzelt, was man dann eben stärker ausleben kann. Nicht alle haben das Glück, dass das familiäre Umfeld sehr stark ist – oder sehr viele haben dieses Glück nicht –, weil die Kinder in der ganzen Welt verstreut sind. Wir leben ja in einer anderen Welt als vor 50, 60 Jahren, und weil sich diese Welt verändert, weil Familienstrukturen, traditio­nelle Netzwerke schwächer werden, braucht es heute mehr denn je diese gute Vorbereitung, diese Begleitung, diese Ermutigung beziehungsweise den Mut, wie ich immer sage, sich auch neu zu erfinden. Man kann ja durchaus, wenn man in Pension ist, etwas ganz anderes machen, und dieses Engagement – Gott sei Dank wird ja auch sehr viel anderes gemacht – ist eben mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Es ist ein Schlüssel zu Sinn, zu Zugehörigkeit und Selbstverwirklichung. Wer sich engagiert, bleibt mit der Gesellschaft, mit anderen, aber auch mit sich selbst verbunden. 

Und dieses Engagement ist kein kleiner Beitrag, es ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft, unseres Landes. Ich sage Ihnen nur ein paar Zahlen: Laut Statistik Austria engagieren sich 51,3 Prozent zwischen 60 und 69 Jahren freiwillig. Selbst bei den über 80-Jährigen sind dies noch mehr als 25 Prozent. Bei den Senioren, und das ist eine sehr solide Berechnung, hat der ehren­amtliche Beitrag – mit Pflege zu Hause – einen Gegenwert von 8,6 Milliarden Euro im Jahr! 

8,6 Milliarden Euro im Jahr – wissen Sie, was das heißt? – Das ist zum Beispiel das Budget 2024 für Familie und Jugend. Das waren nämlich 8,6 Milliarden Euro – nur als Größenordnung. Na, stellen Sie sich vor, diese Freiwilligenarbeit wäre nicht da! Dann hätten wir noch um 8,6 Milliarden Euro mehr Schulden! Ich möchte damit nur sagen, wie wichtig gerade die Senioren sind, wie wichtig es ist, dass sie diese Freiwilligenarbeit machen, die unterschiedlichst ist: von Heim­besuchen und Betreuung von Enkeln über Arbeit in Kulturveranstaltungen bis zu Nachbarschaftshilfe und so weiter und so fort. 

Diese Leistungen werden nicht bezahlt, aber ich sage Ihnen: Sie sind unbezahl­bar! Sie sind leider aber sehr oft auch unbedankt und unbemerkt. Da sind die Senioren eigentlich viel zu bescheiden und machen sich unbemerkt. Ich bin der Meinung, und ich sage das auch, man soll sich auch bemerkbar machen, denn alles, was nicht bemerkt wird, schätzt man nicht. Es gilt schon: Tue Gutes und rede darüber! – Da ist was dran. Ich ermuntere die Senioren immer ein bisschen, es zu tun, aber das auch zu sagen. Das kann man ruhig bemerken, denn dass es im Stillen passiert, ist zu wenig.

Natürlich gibt es aber auch viele Senioren, die nicht nur freiwillig arbeiten, sondern bei denen das aus finanziellen Gründen notwendig ist, und auch das ist sehr gut so. Deshalb ist mir das so wichtig, und ich habe mich da unglaublich engagiert. Seit mehr als zehn Jahren engagiere ich mich für längeres Arbeiten in der Pension und dafür, dass das aber zu Bedingungen stattfindet, dass es finanziell auch machbar ist. Wir haben den ersten Schritt vor einem Jahr gemacht, und jetzt ist es im Regierungsprogramm verankert: Mit 1.1.2026 soll es kommen, über eine Flattax, denn das Problem war: Wenn man ein bissel etwas verdient hat, ist man in eine andere Steuerstufe gekommen, weil es zusam­mengerechnet wurde, es hat sich nicht gelohnt. Das wird jetzt entkoppelt: Die Pension ist das eine, und das, was man verdient, das andere. Das wird mit einer Flattax mit 25 Prozent und keinen anderen Sozialabgaben verrechnet. Ich bin überzeugt, dass das sehr, sehr viele Seniorinnen und Senioren machen werden, aus der finanziellen Überlegung heraus – aber wir brauchen es auch!

Wir brauchen es, wir wissen, wie die Geburtenrate ist. Wir brauchen jährlich entweder 32 000 Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, oder eben Seniorinnen, Senioren, die weiterarbeiten – nicht voll, sondern eben in Teilzeit, als Experten. Die braucht man nicht lang einzuschulen, die können das, sie haben diese Arbeiten ein ganzes Leben lang gemacht, und daher – ich muss mich zusammennehmen, dass ich zum Schluss komme – bin ich sehr froh darüber, und ich hoffe, dass sich das auch gut anlässt. Daher müssen wir folgende Botschaft in die Gesellschaft tragen: Wer sich engagiert, wer arbeitet, wer mitgestaltet, auch im Alter, leistet einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft und soll daher wertgeschätzt und unterstützt werden. 

„Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“ ist ein guter Titel. Gerade in schwierigen Zeiten, die wir haben, in einer Phase des Umbruchs, der Verunsicherung muss man Brücken zwischen Generationen bauen, die Gene­rationen verbinden, gemeinsam die Gegenwart und die Zukunft gestalten – etwa beim gemeinsamen Sporteln, weil davon die Rede war. Na, wo trifft man sich? – Ich treffe sehr viele junge Leute – viel, viel mehr junge als alte, muss ich sagen – beim Sport, und ich habe dadurch wirklich wunderbare Freundschaften mit 20-Jährigen. Das heißt, das kann man schon, das muss man halt nur tun. Man muss es tun. 

Sehr geehrte Damen und Herren, ich muss Schluss machen – ich könnte noch so viel erzählen –: Wir sprechen heute über Brücken: Brücken zwischen Lebensphasen, Brücken zwischen Generationen, Brücken zwischen Vergangen­heit, Gegenwart und Zukunft. Der Ruhestand ist nicht das Ende der Geschichte, es ist ein neues Kapitel, für viele das freieste und vielleicht sinnvollste. Damit dieses Kapitel gelingt, müssen wir eben weiter an den Rahmenbedingungen und an der Wahrnehmung arbeiten. 

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Frau Präsidentin, darf ich Sie an dieses unmögliche rote Lämpchen vor Ihnen erinnern, das das Ende der Rede­zeit anzeigt? Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen. Danke.

Ingrid Korosec (fortsetzend): Denn wer im Alter Sinn erfährt, gibt Sinn weiter. 

(In Richtung Vorsitzender Vizepräsident Wanner:) Ich bin schon gehorsam. (Beifall.)

10.31

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke, Frau Präsidentin. 

Wir sind nun am Ende von Panel 1. Ich bedanke mich für die Redebeiträge. 

RN/11

Diskussion

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen jetzt zur anschließenden Diskussion zu Panel 1. 

Ich darf an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass die Dauer der Redebeiträge 3 Minuten nicht überschreiten soll, und bitte alle Redner, das auch einzuhalten. Ich werde auf die Zeitdisziplin schauen. Ich darf weiters darauf hinweisen, dass das Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Schluss zu leuchten beginnt, am Ende der Redezeit ist es dann ein Dauerleuchten; vorher blinkt es. Die Redner:innen werden gebeten, die Rede unter Nennung ihres Namens und ihrer Institution am Rednerpult zu halten.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Neurauter. – Ich bitte Sie, Frau Bundesrätin, um Ihre Rede.

RN/12

10.33

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Referentinnen und Referenten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte, werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Mein Name ist Klara Neurauter, ich bin Bundesrätin aus Tirol, von der Österreichischen Volkspartei, und ich möchte auch mit diesem provokanten Satz beginnen: „Gehen Sie auf keinen Fall in den Ruhestand!“ Diese Aussage des Nobelpreisträgers hat viele sehr über­rascht, aber ich habe gerade gestern zufällig auch Herrn Dr. Drexel im Fernsehen gehört, der ein ähnliches Problem angesprochen hat: „Irrtum Ruhestand“, hat er gesagt. 

Ich werde in wenigen Monaten 75 Jahre alt und bin seit elf Jahren in Pension, allerdings keine Minute im Ruhestand. Warum kann ich das sagen? – Weil ich schon vor meiner Pensionierung und verstärkt natürlich in der Pensionszeit mit Einsatz und Freude als Funktionärin im Seniorenbund tätig bin. Aus dieser Erfahrung heraus möchte ich hier auf die wichtige Rolle von Vereinen für Senioren hinweisen. Da gibt es spezifische Programme für Menschen im Pensionsalter, die sehr wichtig sind. 

Wir haben von den Vorrednern gehört, gerade auch von Präsidentin Korosec: Es ist ein Unterschied, ob man im ländlichen Bereich älter wird oder in einer Stadt, überhaupt in einer größeren Stadt. Wenn dann die gewohnte Tages­struktur wegfällt, sind neue Aufgaben notwendig. Bewegung geistiger und körperlicher Art ist äußerst wichtig, um möglichst lange gesund zu bleiben. Und das Wichtigste: offen und neugierig für die Zukunft sein. Das gelingt sehr gut in Gemeinschaften. Diejenigen, die sich in Institutionen oder Vereinen engagieren, können neue Kontakte knüpfen beziehungsweise Kontakte erhalten. Diejenigen aber, die in der Pension arbeiten wollen oder müssen, müssen wir durch Anreize fördern, damit ihre Kompetenzen der Wirtschaft auch weiterhin zugute­kommen. 

Wer keine neuen Aufgaben sucht, gibt sich oft selbst auf. Bereits vor Beginn der Pension soll die neue Lebensphase bedacht und organisiert werden. Es darf kein Gefühl der Leere und mangelnder Wertschätzung entstehen, denn die Folgen könnten Vereinsamung und Depressionen sein. Eine sinnstiftende und erfüllende Aufgabe bringt Zuversicht und Lebensfreude; das zeigt sich aber auch jetzt schon, dass die Senioren wirklich Stützen der Gesellschaft sind. 

Die Teilnahme an den vielfältigen Angeboten von Seniorenvereinen, die fast täglich Kurse, Seminare, Kultur- und Sportveranstaltungen, Ausflüge und so weiter anbieten, ist bereichernd und erfüllend, denn der letzte Lebensabschnitt soll nicht allein auf der Couch, sondern selbstbestimmt in vielfältiger Weise gemeinsam mit Gleichgesinnten verbracht werden, sodass dieser Lebensabschnitt zu einem guten, wenn nicht sogar zum besten Abschnitt wird. (Beifall.)

10.36

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön. 

Als nächster Redner ist Nationalratsabgeordneter Christoph Steiner vorge­sehen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

RN/13

10.37

Abgeordneter Christoph Steiner (FPÖ): Vielen Dank, Herr Vizepräsident. – Ja, es ist mir eine große Ehre, aber zugleich auch eine Riesenfreude, dass ich als ehemaliges Mitglied dieser Kammer wieder einmal an diesem Rednerpult stehen darf, auch wenn es nur für 3 Minuten ist. 

Wir haben jetzt viel über Psychologie, über Probleme beim Eintritt, beim Übergang in die Pension gehört; wir haben viel über das Thema Psychologie gehört. Was meiner Meinung aber ganz wichtig ist und dazugehört und auch aufgearbeitet gehört – und über das hat heute keiner gesprochen –, ist das Thema Corona. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl [ÖVP/Stmk.].) – Ich höre schon: Mah, mah! Da höre ich es schon wieder heraus: Mah, mah, mah! – Das müsst ihr euch anhören! Wir haben euren Wahnsinn auch anhören müssen (Beifall) –in dieser Zeit. 

Der Umgang, Herr Kollge Schwindsackl, mit älteren Personen in dieser Zeit: Zusperren von Gasthäusern – soziale Kontakte sind ganz wichtig für Pensionisten –; den Familien hat man den Besuch in den Altenwohnheimen verwehrt, Enkelkinder wurden als Todesbringer bezeichnet, Todesengel; Testregime, Impfregime; Bewohner in Altersheimen wurden geimpft, ohne die Zustimmung der Angehörigen einzuholen. Die Impfpflicht war auch maß­geblich für den Personalnotstand in den Pflegeheimen verantwortlich. Menschen aus der Generation Aufbau Österreich, wie man sie nennt, haben oft ganz alleine in den Altenwohnheimen sterben müssen, oft mit dem letzten Gedanken: Warum ist niemand von meiner Familie da? Was habe ich ihnen angetan, dass sie in den letzten Minuten meines Lebens nicht mehr an meiner Seite sind? 

Was hat man in dieser Zeit unseren Eltern und Großeltern angetan? Was hat man in dieser Zeit der Psyche dieser Personen angetan? – Erkrankungen, Trauer, Willenlosigkeit, Verlassenheit, Abgeschobensein. 

Die letzte Minute (auf das blinkende rote Lämpchen auf dem Redner:innenpult blickend), es leuchtet: Ich werde den Umgang vieler politischer Entscheidungs­träger – viele sitzen auch heute hier – mit meinen Großeltern niemals – nie­mals! – vergessen, ein Leben lang nicht; und verzeihen erst recht nicht. Eine Entschuldigung für diese Zeit, vor allen Dingen bei jenen Personen, die das miterlebt haben, diesen psychologischen Wahnsinn in den Altenwohnheimen, die jetzt noch leben – viele sind ja mittlerweile leider schon verstorben –, wäre längst überfällig. Annehmen werde ich diese Entschuldigung schon, sollte sie jemals kommen, sollte es diesen Charakter bei den Entscheidungsträgern überhaupt geben. Verzeihen allerdings werde ich nie, was mit den Großeltern in dieser Zeit aufgeführt worden ist, und auch Ihnen nicht, Herr Schwindsackl, Ihren Zwischenruf. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl [ÖVP/Stmk.].) – Danke. (Beifall.)

10.40

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Peterl.

RN/14

10.40

Bundesrat Martin Peterl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Steiner, gleich am Anfang möchte ich sagen: Wir reden hier nicht über Krankheiten, wir reden über die Zukunft und über Gesundheit und über den Übertritt in die Pension.

Ich darf gleich zu Beginn sagen: Ich bin weder pensionsreif noch sehne ich mich nach dem sogenannten Ruhestand (Abg. Steiner [FPÖ]: Das war ein kurzer Kommentar!), sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, aber gerade deswegen ist mir dieses Thema heute besonders wichtig, denn ich sehe es als unsere gemeinsame Verantwortung als politisch Handelnde, als Gesellschaft, jene Brücken zu bauen, die Generationen miteinander verbindet. Ich sehe mich nicht nur in der Pflicht, für meine eigene Generation gute Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern auch dafür, dass unsere Kinder und Enkelkinder einmal in eine sichere und würdige Pension übertreten können.

Damit das gelingt, muss diese soziale Brücke auf einem stabilen Fundament stehen. Für dieses Fundament sind wir, nämlich als Politikerinnen und Politiker, verantwortlich. Die neue Regierung hat da wichtige Schritte angekündigt, nämlich die Förderung der beschäftigten älteren Menschen und die Anerken­nung von Pflegekräften als Schwerarbeiter:innen. Beides ist richtig, beides ist überfällig und beides ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen eine Arbeitswelt schaffen, die es Menschen ermöglicht, in Gesundheit und Würde älter zu werden, und die ihnen die Freiheit lässt, den Übergang in den Ruhestand selbst zu gestalten. Wir müssen es schaffen, das faktische Pensionsantrittsalter, damit es dem gesetzlichen auch tatsächlich entspricht, anzuheben, nicht durch Druck, sondern durch Anreize, Förderung, Fürsorge und Vorsorge. 

Wenn wir es richtig machen, liegt in diesem Übergang eine große Chance. 

Erstens: Menschen können länger arbeiten, weil sie es wollen und weil sie es gesund können, Herr Kollege Steiner, gesund können. (Abg. Steiner [FPÖ]: Richtig!)

Zweitens: Der Übergang in die Pension wird zu einem Moment der Freude und nicht der Unsicherheit.

Eines dürfen wir nicht vergessen: Unsere Pensionistinnen und Pensionisten sind kein Auslaufmodell, sie sind ein tragender Pfeiler unserer Gesellschaft. Ich weiß - -

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Darf ich auf die 3 Minuten Dauer hinweisen? (Abg. Steiner [FPÖ]: Er hat noch nicht fertig vorgelesen!)

Bundesrat Martin Peterl (fortsetzend): Letzter Satz: Ich weiß aus eigener Erfahrung: Ohne unsere Großeltern würde im Familienalltag vieles nicht funk­tionieren. Lassen wir uns von dem Ziel leiten, miteinander zu wachsen und Brücken zwischen den Generationen zu bauen! – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall.)

10.44

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Sektionschefin Doris Wagner. 

RN/15

10.44

Doris Wagner, BEd MEd (Bundesministerium für Bildung): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bundes­rates! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir haben heute schon viel gehört, generationsübergreifend. Lassen Sie mich den Blick der Bildung und Schule etwas in diesen Raum bringen, denn das heutige Generalthema umspannt alles, von den kleinen Kindern bis zu den älteren Menschen. Daher: „Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“ kann nur gemeinsam sein, und da sehe ich wirklich eine wesentliche Rolle auch von Bildung und Schule.

Sehr geehrte Frau Präsidentin Korosec, Ihr Beitrag hat mich auch an eine Veranstaltung an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich erinnert, an der ich letzte Woche teilgenommen habe. Dort geht es um das Thema Service Learning, Lernen durch Engagement. Da werden junge Damen und Herren einfach in Form von Projekten angeleitet, generationsübergreifend zu arbeiten. Ich kann Ihnen sagen: ein toller Erfolg! Sich nämlich generations­übergreifend und gesellschaftlich auszutauschen, das eigene Umfeld der Familie zu erleben, sich aber darüber hinaus auch mit Menschen in Freiwilligen­organisationen auseinanderzusetzen, Projekte in Altersheimen zu machen, diese Umspannung zwischen Schule, Schülerin und Schüler, und der älteren Generation halte ich für ganz, ganz wertvoll. Dieses gesellschaftliche Engage­ment mit außerschulischen Partnern wollen wir bewusst auch zukünftig in unseren Lehrplänen sehr stark verknüpfen und vor allem so ein bisschen auch als Best-Pratice-Beispiel für das Fach Demokratiebildung mit hinein­nehmen.

Es bringt auf beiden Seiten sehr positive Erfahrungen – für die jungen Menschen, sie lernen einfach von den Erfahrungen der älteren Generation, und auch die ältere Generation kann die Sichtweisen der Jugendlichen viel besser verstehen. Es geht um die Übernahme von sozialer Verantwortung, es geht um gegen­seitige Unterstützung und es geht auch um die Frage nach Sinn und Sinnstiftung. Die Phase des Ruhestandes hat dabei besondere Bedeutung, aber ältere Gene­rationen bringen sich auch gut und gern in das schulische Leben ein.

Lassen Sie mich noch ein Best-Practice-Beispiel bringen: unsere Lesepatinnen und Lesepaten an den Schulen. Was wären wir ohne sie, nämlich wirklich: ältere Menschen, die sich engagieren, um vorzulesen, mit Schülerinnen und Schülern zu lesen und da einfach die Lesekompetenz, die Lesefreude und die Lesemotivation zu stärken?

Ich kann nur sagen: Es gibt viele gelungene Beispiele in Schule und in Bildung. Lassen Sie uns diese zwischenmenschlichen Beziehungen ausbauen, denn alles, was man in der Schule gut lernt und auch gut verinnerlicht, hat man ein Leben lang! Und in diesem Sinne von Engagement und Sinnstiftung: Lasst uns miteinander wachsen und lasst uns weiter diese Brücken bauen! – Vielen Dank. (Beifall.)

10.47

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön. 

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mertel. 

RN/16

10.48

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Zuerst einmal recht herzlichen Dank für die Referate. Recht herzlichen Dank auch an Salzburg für dieses Thema – ich glaube, es ist ein Thema, das uns alle bewegt. Ich möchte das Thema aus einer anderen Sicht beleuchten, nämlich aus der Sicht der Jugend, denn das Leben ist etwas Wunderschönes, und man sollte auch der Jugend sagen, dass ihr schöne Jahre bevorstehen, wenn sie diese Jahre auch leben will.

Ich möchte mit einem positiven Beispiel beginnen. Ich bin mit dem 20. Lebens­jahr in den Berufsfußball eingestiegen und habe circa zehn Jahre dort verbracht. Als ich 19, 20 Jahre alt war, habe ich gemerkt, dass ich unbedingt in diese Mannschaft hineinwachsen möchte – vergleichbar damit, nach der Ausbildung in das Berufsleben zu kommen. Mit 24, 25, 26 habe ich gespürt, dass ich ein echter Leistungsträger bin, und als ich 30 war, habe ich schon gemerkt, dass meine Erfahrung gewünscht und im Endeffekt auch geschätzt wird. Genau so ist es auch im weiteren Berufsleben gewen, das ich dann 40 Jahre weiter verlängert habe, denn als älterer Mensch und erfahrener Mensch hat man immer das Interesse, der Jugend auch etwas weiterzugeben.

Man braucht im Leben eigentlich auf der einen Seite diese Jugend, die kraftvoll, inspirierend ist, nach Innovation strebt, ein Gespür für den Trend hat, und auf der anderen Seite die Erfahrung der älteren Menschen. Nur so können wir in einem Staat optimal zusammenleben. Ich muss der jungen Generation sagen: Stärke ergibt sich durch ein optimales Zusammenleben der Generationen. Wir brauchen letztendlich alle Generationen vertreten, die sich auch verantwor­tungs­bewusst verhalten.

Was meine ich damit? – Ich möchte jetzt sagen, dass die ältere Generation – und das ist ausführlich besprochen worden – von Haus aus bestrebt ist, weiter­zuleben. Und Sie, Frau Präsidentin Korosec, sind mit Ihrer Eloquenz, mit Ihrer Sprache und mit Ihrer Ausdrucksform das beste Beispiel dafür, dass es ein Leben nach dem Ruhestand gibt. Es gibt nämlich keinen Ruhestand, wenn man gewillt ist, das Leben für die Jugend mitzugestalten.

Lassen Sie mich vielleicht noch eine eigene Anregung anbringen: Ich glaube, dass das gesetzliche Rentenalter, das Pensionsantrittsalter auf 65 festgelegt werden muss. Sie haben es aber gezeigt: Es wird neue Modelle geben, es wird clevere Modelle geben, durch die wir über diese gewohnte Lebensarbeit, die wir geleistet haben, hinaus zusätzliche sinnhafte Arbeit finden und leisten! Dem­entsprechend werden wir auch unsere Jugend begeistern und mit Begeisterung, mit Vertrauen, aber letztendlich auch mit Zuversicht in die nächsten Jahre gehen. – Danke. (Beifall.)

10.51

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Sumah-Vospernik. 

RN/17

10.51

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst möchte ich dir, sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Andrea, für das Thema dieser Enquete danken, denn bei uns NEOS rennst du mit dem Thema „Brücken der Generationen bauen“ offene Türen ein. Seit unserer Gründung kämpfen wir dafür, dass die Interessen der jungen Generation berücksichtigt und nicht immer kleingeredet werden. Kinder können nicht für sich selbst eintreten, sie können in der Politik keine Stimme abgeben. Umso wichtiger ist es, dass wir Politikerinnen und Politiker unsere Kinder und Enkelkinder immer mitdenken, dass wir Politik für kleine Leute machen. Denn ganz ehrlich: Die Themen Pensionen und Pensionsreform begleiten die heimische Innenpolitik seit Jahrzehnten, und seit Jahrzehnten ist in dem Bereich nichts weitergegangen, und jetzt haben wir die Situation, dass ein Drittel des Budgets in die Pensionen fließt.

In diesem Zusammenhang, wenn man vom Versicherungsprinzip spricht, muss man, wenn man ehrlich ist, Folgendes sagen: Man zahlt selbst für rund zehn Jahre in die Versicherung ein, und wenn man mit 65 in Pension geht – und das ist noch die Minderheit –, bekommt man bei durchschnittlicher Lebens­erwartung aus den Pensionskassen für rund 17 Jahre etwas ausbezahlt – und es ist gut, dass wir immer älter werden. Schon in diesem Best Case, also bei der Höchstbeitragsgrundlage und einer durchschnittlichen Lebenserwartung, besteht ein Gap von sieben Jahren, und deswegen müssen wir über die Finanzierung des Systems reden.

Die Österreicherinnen und Österreicher gehen heute im selben Alter in Pension wie in den Siebzigerjahren, sie werden aber glücklicherweise durchschnittlich neun Jahre älter und treten auch später ins Berufsleben ein, weil sie längere Ausbildungen absolvieren. 

Das Pensionssystem lebt vom fairen Gleichgewicht zwischen der älteren Generation und der jungen Generation. Das war schon immer so, kommt aber immer mehr in Schieflage. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir Brücken zwischen den Generationen bauen und dabei hoffentlich die Zukunft unserer Kinder nicht aus den Augen verlieren, denn das ist hoffentlich auch ein Anliegen der Eltern und Großeltern. Wir NEOS werden uns in der Bundes­regierung mit aller Kraft für die Erhöhung des Pensionsantrittsalters – zumindest des faktischen – einsetzen. Prof. Kolland hat ja schon die Longevity-Gesellschaft angesprochen und es wurde auch mehrfach gesagt, dass das Erwerbsleben an sich ja eine Bereicherung ist, auch im Alter.

Daher sehen wir NEOS das Thema Flexibilität und individuelle Lösungen wie die Teilpension als wesentlichen Schlüssel. Wir müssen vom Alles-oder-nichts-Prinzip wegkommen, hin zu einer flexiblen, attraktiven, klar geregelten Teilpension. Die Lösungen der Experten liegen schon jahrelang auf dem Tisch, sie sind eigentlich nicht wegzudiskutieren. Jetzt müssen sie endlich umgesetzt werden. Das wünsche ich uns allen, ob groß, ob klein, ob jung, ob alt im Sinne eines fairen Miteinanders, im Sinne eines neuen, fairen Österreichs. – Vielen Dank. (Beifall.)

10.54 

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön. 

Als Nächster ist Herr Nationalratsabgeordneter Stich zu Wort gemeldet. 

RN/18

10.54

Abgeordneter Paul Stich (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frau Präsidentin hat zu Beginn gesagt, dass Pensionistinnen und Pensionisten ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft sind, nicht nur in ihren individuellen Altersklassen, sondern vor allem auch für ganz viele junge Menschen und heranwachsende Menschen.

Ich hatte das Glück, als junger Bua ganz viel Zeit bei meinen Großeltern verbringen zu dürfen, ich konnte ganz viel von ihnen lernen und so quasi auch den Eintritt ins Leben entsprechend gestalten. 

Manche sehen die Welt als Generationenkonflikt, in dem es darum geht, Jung und Alt gegeneinander auszuspielen. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Zusammenhalt bedeutet, zwischen Generationen Brücken zu bauen, genau diese Trennlinie zwischen Jung und Alt nicht zuzulassen, denn der Ausbil­dungsplatz meiner künftigen Kinder steht in keinem Widerspruch zur Pension meiner Mama, die als Kindergärtnerin arbeitet und in rund 15 Jahren in Pension gehen wird. 

Dennoch ist es für diese Brücke wichtig – und das ist unsere Aufgabe als politische Vertreter:innen –, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Wir leben im Zeitalter der Unsicherheiten. Das betrifft vor allem auch die­jenigen Leute, die künftig in Pension gehen werden, Leute meiner Generation, Leute, die jeden Tag auf zwei Füßen stehen und entsprechend ihren Beitrag leisten.

Welches Problem beinhaltet das in Bezug auf die Pension und in Bezug auf diese Brücke, die es zwischen den Generationen zu bauen gilt? Wir wissen, dass Unsicherheit ein großer Risikofaktor auf ganz vielen Ebenen ist. Unsicherheit macht krank, Unsicherheit sorgt dafür, dass natürlich in weiterer Folge auch die Lebenserwartung sinkt, weil dieser künftige Stress einfach belastend für die Art und Weise, sich zu entwickeln, ist.

Die ständige Angst um die eigene Existenz ist eine Sache, die wir politisch entsprechend attackieren müssen, und so ist gute Generationspolitik auch vielfältig. Gute Generationspolitik bedeutet, dass Menschen meiner Generation, Menschen in Ausbildung sich keine Sorgen machen müssen, ob sie einmal einen guten Job bekommen. Gute Generationspolitik bedeutet, dass Menschen, die jeden Tag auf zwei Füßen stehen und ihren Beitrag leisten, sich keine Sorgen machen müssen, ob das Geld zum Überleben reicht. Gute Generations­politik bedeutet, dass man sich keine Sorgen machen muss, ob man sich am Ende des Monats die Miete leisten kann oder nicht, und gute Generationspolitik sorgt auch dafür, dass Menschen in Beschäftigung bleiben können. Wir haben es heute auch schon gehört: Im Durchschnitt haben Österreicher:innen 61 gesunde Jahre – das ist fern von dem Ziel, mit 65 in Pension zu gehen, und das ver­deut­licht unseren Anspruch.

Politik für den Alltag heißt, dass wir Generationspolitik übergreifend denken, dass ganz viele Menschen genauso wie ich in den Genuss kommen, mit ihren Großeltern, die nach einem langen Arbeitsleben auch gute Jahre in der Pension verbringen können, aufwachsen zu können. Das ist der Anspruch und daran werden wir arbeiten. – Vielen Dank und Freundschaft. (Beifall.)

10.57

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön. 

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Muthsam.

RN/19

10.57

Bundesrätin Amelie Muthsam (SPÖ, Niederösterreich): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf heute als jüngste Vertreterin dieser Kammer (Beifall) und daher als tatsächliche Kennerin und Vertreterin der heute schon sehr viel zitierten Generation Z hier stehen. Ich darf mich meinen Vorrednern dahin gehend anschließen, dass wir als junge Generation natürlich eine ganz andere Perspektive auf die Pension haben. Die meisten von uns blicken nicht mit großer Vorfreude darauf, sondern vielleicht auch mit sehr viel Unsicherheit – nicht, weil uns das Thema nicht interessiert oder weil wir uns keine Gedanken darüber machen, wie wir uns darauf vorbereiten, sondern weil es für viele von uns einfach noch sehr weit weg, aber gleichzeitig auch bedrohlich nahe wirkt.

Immer wieder hören wir: Unser Pensionssystem ist so, wie es jetzt gestaltet ist, nicht zukunftsfähig, für uns als junge Generation wird irgendwann nichts mehr da sein. Die ältere Generation wird oft nur als Kostenfaktor dargestellt. Wir erleben ein Ausspielen der Generationen: Jung gegen Alt, Anspruch gegen Zukunft. Und genau da beginnt ja das Problem: Anstatt Lösungen zu suchen, sehen wir Ängste und Misstrauen. 

Wie wir heute bereits sehr ausführlich gehört haben, ist der Übergang in die Pension kein bloßer Eintritt in den Ruhestand. Plötzlich fehlen das Team, der Austausch, die Aufgabe und oft auch das Gefühl, in der Gesellschaft gebraucht zu werden. Genau dieser plötzliche Wegfall ist eine der größten Hürden, und zwar nicht nur für die Leute, die in Pension gehen, sondern auch für uns junge Menschen und für diejenigen, die im Berufsleben bleiben. Für uns junge Menschen ist dieser Moment oft ebenso herausfordernd, denn mit dem Wegfall von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen verschwindet nicht nur sehr viel Wissen, es verschwinden auch Vorbilder, Ansprechpersonen und Vertrauenspersonen. Wir übernehmen plötzlich Verantwortung, oft ohne Vorbereitung, ohne Begleitung, und das in einem Arbeitsumfeld, das immer schneller und komplexer wird.

Und ja, es gibt auch strukturelle Ängste. Viele von uns erleben bereits heute, was es heißt, in unsicheren Arbeitsverhältnissen zu stehen: befristete Verträge, Teilzeit, ständige Umbrüche. Vor allem junge Frauen stellen sich die Frage: Wie kann ich vorsorgen, wenn meine Erwerbsbiografie durch Sorgearbeit unterbrochen ist? 

Der Pensionsübergang ist also nicht nur das Ende einer Karriere, er ist vor allem auch für uns als Gesellschaft ein Prüfstein dafür, wie ernst wir den Generationenvertrag wirklich nehmen. 

Wir müssen das Vertrauen in unser Pensionssystem wiederherstellen: durch faire Löhne und sichere Arbeitsplätze, denn Beschäftigungspolitik ist bekanntlich die beste Pensionspolitik. Also lasst uns aufhören, Generationen gegeneinander auszuspielen, und ganz nach dem Motto der heutigen Enquete Brücken bauen, auf denen Erfahrung und Zukunft gemeinsam gehen können. Das ist auch der beste Weg, um Hürden beim Pensionsübergang zu beseitigen. – Vielen Dank. (Beifall.) 

11.00

Vorsitzender Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Hauschildt-Buschberger. 

RN/20

11.00

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Danke, Herr Vizepräsident. – Auch ich möchte mich bedanken bei dir, liebe Frau Präsidentin, dafür, dass wir dieses wichtige Thema in einer Enquete diskutieren. Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin Bundesrätin aus Oberösterreich für die Grünen und ich möchte noch einmal zum Beginn dieser Enquete, auf Sie, Herr Professor Kolland, zurückkommen. 

Sie haben sehr treffend beschrieben, dass die verschiedenen Generationen ihre verschiedenen Spezifika haben und eben in unterschiedlichen Lebens­realitäten leben. Was mich persönlich in letzter Zeit sehr beschäftigt hat, ist nämlich die Frage: Was brauchen diese zukünftigen Generationen, um im Leben gut weiter voranschreiten zu können, nämlich in den Altersübergang zu gehen? Ich nenne es persönlich: Alter neu denken. – Damit meine ich nicht nur finanzielle Aspekte, sondern genau die veränderten Situationen, die wir jetzt auch in der derzeitigen Arbeitswelt oder auch im Privaten haben. (Vize­präsident Stotter übernimmt den Vorsitz.)

Ich persönlich gehöre der Generation X an, ich bin eine auslaufende Boomerin. Meine Enkelin wird bereits 17 Jahre alt sein, wenn ich mein gesetzliches Pensionsantrittsalter mit 65 habe, und da wird der Inhalt meines weiteren älteren Lebens sicher nicht die Großelternschaft sein. 

Ich spreche dabei auch an, dass wir jetzt schon in digitalen Welten arbeiten. Und was mir auch ganz wichtig und wesentlich ist – und da muss ich wieder auf Sie verweisen –: Ein Hauptpunkt wird es sein, dass wir eben gesund im Alter sind. Durch die Gesundheit im Alter eröffnen sich noch einmal ganz neue Perspek­tiven. 

Damit komme ich auch schon zu dem Potenzial, das alte Menschen in sich bergen. Das angehäufte Wissen und Können, das sind Schätze, die wir auf keinen Fall liegen lassen dürfen. Deshalb möchte ich auch noch einmal die Lanze brechen – und das ist mir eigentlich heute das Wesentliche –: Wir müssen jetzt mit den Menschen reden, die zukünftig in Pension gehen, wir müssen jetzt darüber reden, was sie dann brauchen werden. 

Was heute die Lebensrealität der Menschen ist, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen, muss sich nämlich nicht mit dem decken, was ich beziehungsweise was meine Generation im Alter möchte. Deshalb möchte ich da wie gesagt eine Lanze brechen und außerdem die Brücke zum Generationendialog spannen: Wir müssen miteinander in Kontakt treten und dann miteinander die Brücke erhalten, die sicher schon da ist. – Danke. (Beifall.)

11.03

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Herzlichen Dank. 

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Debatte. 

RN/21

IV. Panel 2 „Prävention“ 

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Wir kommen nun zu Panel 2, den Referaten zum Thema „Prävention“.

Ich ersuche wieder die Referentinnen und Referenten, ihren Beitrag vom Redner:innenpult aus abzugeben, wobei die Redezeit von 7 Minuten pro State­ment nicht überschritten werden soll.

Ich darf zu Beginn Herrn Obmann Mag. Andreas Zakostelsky um seinen Beitrag zum Thema „Finanzielle Vorbereitung auf die Pension“ bitten. – Bitte, Herr Obmann.

RN/22

11.03

Mag. Andreas Zakostelsky (Wirtschaftskammer Österreich): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich gratuliere und danke der Präsidentin des Bundesrates für die Wahl des Themas und für die Durchführung der inter­essanten Veranstaltung. Allerdings verstehe ich dabei die angesprochene Brücke nicht nur als Brücke zwischen Generationen, zwischen einzelnen Alters­gruppierungen, sondern ich glaube, wenn wir in Richtung Zukunft denken, ist auch ganz wichtig, die Brücken über die ideologischen Grenzen, über die ideologischen Gräben zu sehen, wenn wir wirklich für die Menschen, für die jungen Menschen im Lande eine positive Zukunft gestalten wollen. 

Das ist wohl ganz besonders wichtig beim Pensionssystem, über das sehr oftdiskutiert wird, oft aus der ideologischen Perspektive heraus. In Wahrheit eint uns, auch wenn wir uns international umsehen, eines: Wir müssen unser Pensionssystem zukunftsfit machen, und zukunftsfit heißt hier in erster Linie, dass wir Nachholbedarf bei der zweiten und bei der dritten Säule haben. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Ich spreche natürlich heute ein bisschen pro domo als Obmann des Fach­verbandes der Pensions- und Vorsorgekassen. Wir vertreten die zweite Säule, das sind die sogenannten Betriebspensionen. – Und für alle, die es nicht genau präsent haben: Die dritte Säule sind die individuellen privaten Pensionen; da kann jeder bei einer Bank, bei einer Versicherung oder bei einer Fondsgesell­schaft für sich ganz individuell ein Produkt abschließen. 

Wenn wir uns dieses System ansehen – wir haben es bei den Grafiken auch eingeblendet, aber man kann es sehr schnell zusammenfassen: Das Hohe Haus hier würde nicht so gut dastehen, wenn die Verteilung der Säulen in etwa gleich aussehen würde wie beim Pensionssystem. International sind diese drei Säulen, die ich angesprochen habe – staatliche Pension, Firmen- beziehungs­weise betriebliche Pensionen und die privaten, individuellen –, in etwa gleich oder zumindest mit einer stärkeren Gleichgewichtung vergeben. 

In Österreich sind wir es anders gewohnt: Wenn jemand das Wort Pensionen in den Mund nimmt, denken wir an die sogenannte staatliche Pension, GSVG-Pension, ASVG-Pension und so weiter. Und tatsächlich kommen heute, wie man in der Grafik sieht, 91 Prozent der Pensionen aus dieser Pensionssäule heraus; aus der zweiten und dritten Säule sind es zurzeit rund 4,5 Prozent – gerundet hier 4 Prozent, gerundet dort 5 Prozent. 

Was bedeutet das aber? – Das bedeutet, dass wir in Österreich auf etwas verzichten. Wir unterhalten uns immer darüber, wie groß die Lücke ist und wie das in Zukunft aus dem Staatshaushalt finanzierbar sein wird. Das war in Wahrheit nur das eine Thema, das Umlageverfahren. Das hat seine Herausforde­rungen, hat aber auch seine Wichtigkeit, das soll überhaupt nicht in Abrede gestellt werden. Wir verzichten in Österreich aber darauf, die Einladung zu einem weiteren Pensionszahler auszusprechen, und das ist die internationale Wirtschaftsentwicklung. 

Die zweite und dritte Säule haben die Aufgabe, die Gelder, die uns anvertraut werden, für die wir verantwortlich sind, die wir managen und verwalten, an den internationalen – das ist für viele Österreicher:innen ein ganz gefährliches Wort – Finanz- und Kapitalmärkten zu veranlagen. Das unterscheidet sich natür­lich sehr wesentlich vom staatlichen Pensionssystem.

Es gibt kein System, das besser ist, und es gibt auch weltweit kein System, das nur Vorteile hat. Stabil ist ein System, wenn es die Vorteile, die jede der einzelnen Säulen mit sich bringt, ein bisschen kombiniert. Es gibt unterschiedliche wirtschaftliche Lagen, Entwicklungen, unterschiedliche politische Entwick­lungen, wo die Säulen eben ihre Stärken ausspielen können, wobei manchmal da, manchmal dort mehr Risiko drinnen steckt. Im Moment sind die kapitalgedeckten Systeme angesichts dessen, was sich da gerade jenseits des Teiches entwickelt, natürlich unter Druck. Ja, das wird uns sicher in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigen, wenn man sich hingegen die Historie anschaut, wissen wir: Auch da geht es wieder in die andere Rich­tung. ­Deswegen soll man die Kraft nicht nur auf eine Säule legen, das ist, glaube ich, wirklich ein ganz entscheidender Punkt. 

Wenn wir ganz kurz zum staatlichen Pensionssystem schauen: Wir wissen, vor Kurzem, im Jahr 2000, haben in etwa vier Aktive mit dem, was sie monatlich an Pensionsversicherungsbeiträgen ablieferten, einen Pensionisten beziehungs­weise eine Pensionistin finanziert, wenn man so will. Das hat sich inzwischen rapide geändert, mittlerweile sind es weniger als drei; und in Kürze, kann man ruhig sagen – 2040 klingt weit weg, das ist in 15 Jahren –, sind es nicht einmal mehr zwei Aktive, die eine Pension zu tragen haben. 

Dieses System ist gut und richtig, bekommt allerdings weitere Sprengkraft. Da gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, die man noch hereinbringen könnte, aber nehmen wir allein das Thema Teilzeitarbeit: Von diesen Aktiven, von denen wir gerade gesprochen haben, waren Mitte der 70er-Jahre noch gute 6 Prozent, 6,5 Prozent in Teilzeit beschäftigt, heute sind es immerhin ein Drittel. Und Teilzeitarbeit bedeutet auch Teilzeitpension, was vielen zuerst noch nicht bewusst ist. 

Wie gesagt, da gibt es viele Faktoren. Der zeitliche Rahmen, das weit aus­zuführen, ist hier nicht gegeben, aber nicht umsonst sieht man in den Ländern, die – ich sage es noch einmal – die internationale Wirtschaftsentwicklung durch die Veranlagung an den Märkten mit reingenommen haben, um die Pensionen mitzuzahlen, nämlich die Erträge, die da erwirtschaftet werden, da nutzbar zu machen, dass das mehr Stabilität für das Gesamtsystem bringt.

Deswegen: Anstelle eines klassischen Dreisäulenmodells in der Darstellung habe ich das hier schichtenspezifisch aufgetragen. Das ist ein bisschen so das internationale Bild, dass die erste Säule natürlich die Basis ist, die sogenannten staatlichen Pensionen. Darüber hinaus aber doch erkennbar in diesem Bild: breit abgesicherte Betriebspensionen, möglichst breit ausgerollt für alle Menschen im Lande; und dann schon etwas spezifischer – da heißt es dann immer: wer es sich leisten kann – ist die dritte Säule, wo jemand dann für sich selbst auch noch besonders vorsorgt. 

Um Ihnen ein kurzes Bild zu geben: Die Pensionskassen in Österreich gibt es jetzt schon – oder erst, wie man will – seit 30 Jahren, international wahr­scheinlich seit 50 oder 80 Jahren, je nachdem, wohin man schaut. – Das rote Lämpchen leuchtet. Ich kann mich noch an meine Zeit im Nationalrat erin­nern, die Redezeitbeschränkung ist immer sehr streng einzuhalten. 

Sie haben hier einige Eckdaten: Es sind mittlerweile rund 25 Prozent der unselbstständig Erwerbstätigen, die in den Genuss eines Pensionskassen­systems in Österreich kommen, also einer Betriebspension; da ist Ausbau­fähigkeit gegeben. Es sind rund 30 oder 29 Milliarden Euro im System drinnen, und pro Jahr wird eine Gesamtsumme von 900 Millionen Euro an die Pensio­nisten des Systems ausbezahlt. Damit sind die Pensionskassen der zweitgrößte Pensionszahler in Österreich nach den staatlichen Pensionen. Durchschnitts­pension haben Sie hier auch: 417 Euro 14 Mal im Jahr ausbezahlt. 

Ganz wichtig: Sie sehen hier Balken, die nach oben führen und einige wenige auch nach unten. Das ist die internationale Wirtschaftsentwicklung, die sich in den Kursen natürlich abbildet. Deswegen weiß man auch: Die Vorsorge für die nächsten Generationen, über die wir uns alle hier im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Themen Gedanken machen, bedeutet Langfristigkeit. Und in der Langfristigkeit haben Sie hier aufgetragen den Durchschnitt der Ent­wicklung pro Jahr, die Verzinsung könnte man sagen: gute 5 Prozent im Jahr. Das ist ein sehr solides Ausmaß.

Es gab beim Pensionskassensystem ein altes System, seit 20 Jahren gibt es ein neues System. Manchmal hört man, dass es da irgendwelche Probleme gab. Die beziehen sich, das sei kurz angesprochen, alle auf das alte System. Der Gesetz­geber hat längst reagiert. Wir befinden uns seit 20 Jahren im neuen System, und da sind wir sehr performant unterwegs. 

Um dem Ende entgegenzukommen: Beim Wifo hat man sich das im Rahmen einer Studie sehr genau angesehen. Prof. Felbermayr hat diese Studie gerade im Jänner des heurigen Jahres präsentiert. Aus dieser Studie geht Folgendes hervor: Mit einer Beitragsleistung von beispielsweise 2,5 Prozent der Bruttolohn­summe – das ist also die Summe, die Unternehmen für ihre Mitarbeiter tätigen – ergibt sich eine Erhöhung der Gesamtpension um bis zu 19 Prozent beziehungsweise zwischen 15 und 19 Prozent, um präzise zu sein. Es ist jedenfalls eine gute Ergänzung. 

Forderung an die Politik – in Wahrheit könnte ich dieses Chart auch schon sofort einpacken, ich möchte Ihnen aber drei Punkte dazu sagen –:

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Herr Obmann, bitte zum Schlusswort kommen! 

Mag. Andreas Zakostelsky (fortsetzend): Die Alterssicherungskommission, die bisher ihren Namen nicht verdiente, weil sie sich nur mit einer Säule beschäftigt hat, soll sich in Zukunft entsprechend dem Regierungsprogramm mit allen drei Säulen auseinandersetzen. Es soll laut Regierungsprogramm einen General­pensionskassenvertrag geben, damit alle Österreicherinnen und Österreicher in den Genuss einer Zusatzpension kommen können. 

Das ist eigentlich die frohe Botschaft: Die jüngeren Menschen im Lande werden in Zukunft, glaube ich, Pensionen aus allen drei Säulen beziehen können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

11.12

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Vielen Dank für die Ausfüh­rungen. 

Ich darf nun die Leiterin der Salzburger Patientenvertretung, Frau Mag. Isabel Rippel-Schmidjell, um ihren Beitrag zum Thema „Rechtliche Vorbereitung auf die Pension“ ersuchen. – Bitte, Frau Patientenanwältin.

RN/23

11.13

Mag. Isabel Rippel-Schmidjell (Salzburger Patientenvertretung): Danke, sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Es freut mich, heute über ein Thema zu sprechen, das uns alle betrifft: die rechtliche Vorbereitung auf die Pension im Bereich der medizinischen Versorgung und Selbstbestimmung. 

Das Recht auf Selbstbestimmung ist ein fundamentales Patientenrecht. Jeder Mensch hat das Recht, über sich selbst, über eine medizinische Behandlung, selbst zu bestimmen; ob dies vernünftig oder unvernünftig ist, er darf es selbst tun. 

Was ist aber zu tun, wenn man dazu nicht mehr in der Lage ist, wenn man seine Entscheidungsfähigkeit aufgrund vielleicht einer schweren Erkrankung, einer Demenzerkrankung verliert? – In solchen Fällen sind entweder gesetzliche Vertreter vorgesehen oder vorsorglich zu treffende Instrumente. 

Zwei Regelungen möchte ich heute herausnehmen: die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht. In beiden Fällen kann man sicherstellen, dass seine eigenen Wünsche umgesetzt und respektiert werden. 

Eine Patientenverfügung ist eine Willenserklärung, mit der im Vorhinein schon festgelegt wird, welche medizinischen Maßnahmen abgelehnt werden sollen – für den Fall, dass man selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Eine Vorsorge­voll­macht: Hier wird eine Vertrauensperson benannt, die im Fall des Verlustes der Entscheidungsfähigkeit für einen selbst eine medizinische Behandlung bewilligen beziehungsweise genehmigen kann. Auf die beiden Regelungen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht möchte ich im Näheren noch einzeln eingehen. 

Die Patientenverfügungen sind im Patientenverfügungs-Gesetz geregelt. Es gibt nach dem Patientenverfügungs-Gesetz verbindliche und unverbindliche Patientenverfügungen. Damit eine Patientenverfügung eine verbindliche Patientenverfügung ist, müssen im Gesetz definierte Voraussetzungen erfüllt sein. 

Diese sind zum einen: Die Person muss zum Zeitpunkt der Errichtung ent­scheidungsfähig sein. Zweitens muss diese Patientenverfügung schriftlich aufgesetzt werden. Es muss ein ärztliches Gespräch, eine ärztliche Aufklärung stattgefunden haben. Der Arzt beziehungsweise die Ärztin hat eben auch festzustellen, dass die Entscheidungsfähigkeit gegeben ist und warum sie glaubt, dass die Folgen einer Patientenverfügung zutreffend eingeschätzt werden. 

Im weiteren Schritt müssen die medizinischen Maßnahmen, die abgelehnt werden, in einer Patientenverfügung genau definiert werden. 

Der nächste Schritt ist dann die Errichtung vor einer Notar:in, Rechtsanwält:in oder vor einer Vertreter:in der Patientenvertretungen oder eines Erwachsenen­schutzvereins. Und wenn dieser Errichtungsakt erfolgt ist, ist diese Patienten­verfügung rechtlich bindend; das heißt, die Behandler:in muss sich an diese Patientenverfügung halten. 

Eine verbindliche Patientenverfügung wirkt acht Jahre lang, danach muss sie bei einer Ärzt:in erneuert werden. Sollte man in diesen acht Jahren die Entscheidungsfähigkeit verlieren, bleibt die Patientenverfügung natürlich bestehen. 

Es gibt aber jetzt auch Patientenverfügungen, die nicht alle diese Merkmale aufweisen. Diese Patientenverfügungen werden im Gesetz als „andere(r) Patientenverfügungen“ bezeichnet. Diese anderen Patientenverfügungen sind Orientierungshilfen für die Behandler:in. Generell gilt: Je mehr Merkmale von einer verbindlichen Patientenverfügung in einer anderen Patienten­verfügung enthalten sind, desto bindender sind sie auch. 

Patientenverfügungen können jederzeit widerrufen werden. Bei einem medizini­schen Notfall geht natürlich dieser vor. Da braucht nicht nach einer Patientenverfügung gesucht werden. Patientenverfügungen werden derzeit in Registern von Notariats- und Rechtsanwaltskammer abgespeichert, es ist aber vorgesehen, dass eine Abspeicherung in der Elektronischen Gesundheits­akte, in Elga, kommen wird. 

Während sich eine Patientenverfügung direkt an die ärztliche Behandler:in wendet, ist bei einer Vorsorgevollmacht eine dritte Person dazwischengeschaltet. Mit einer Vorsorgevollmacht wird, wie anfangs schon gesagt, eine Vertrauens­person benannt, die im Falle des Verlustes der Entscheidungsfähigkeit über medizinische Behandlungen bestimmen kann. Das kann aber auch auf rechtliche und auf finanzielle Angelegenheiten ausgedehnt werden. 

Auch eine Vorsorgevollmacht ist vor einer Notar:in oder Rechtsanwält:in schriftlich aufzusetzen. Zum Zeitpunkt der Errichtung einer Vorsorgevollmacht muss die Entscheidungsfähigkeit gegeben sein. Eine Vorsorgevollmacht kann auch jederzeit widerrufen werden und wird gültig mit Eintritt des Vorsorgefalls, das heißt mit Verlust der Entscheidungsfähigkeit. 

Wichtig ist auch noch zu betonen: Eine Vorsorgevollmacht wirkt erst dann, wenn sie auch im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen ist. 

Ein weiteres Instrument, mit dem die Selbstbestimmung auch zum Ausdruck gebracht werden kann – um das am Rande auch noch zu erwähnen –, ist seit Jänner 2022 die Möglichkeit, eine Sterbeverfügung abzuschließen. Seit Jänner 2022 gibt es das Sterbeverfügungsgesetz, und dieses bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der assistierte Suizid möglich ist beziehungsweise wann eine Sterbeverfügung errichtet werden kann. 

Eine Sterbeverfügung kann von einer sterbewilligen Person, die zum Zeitpunkt der Errichtung volljährig und entscheidungsfähig ist, errichtet werden. Es muss eine unheilbare, zum Tod führende Erkrankung oder eine schwere dauerhafte Krankheit mit unerträglichem Leid vorliegen. Die sterbewillige Person muss von zwei Ärzt:innen aufgeklärt werden, darunter von einer Palliativmediziner:in. Frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung – beziehungsweise bei terminaler Phase zwei Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung – kann eine Sterbeverfügung schriftlich bei einer Notar:in oder bei einer Patienten­vertretung errichtet werden. Eine Sterbeverfügung gilt ein Jahr, es sei denn, die sterbewillige Person gibt in diesem Jahr zu verstehen, dass sie die Sterbe­verfügung nicht mehr haben möchte, oder widerruft diese. 

Das rote Lamperl hier am Pult leuchtet – ich komme auch schon zu meinem Schlusswort: Die rechtliche Vorbereitung auf die Pension ist ein umfassender Prozess, der frühzeitig begonnen werden sollte. 

Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten, Sterbeverfügungen, aber auch Testamente, auf die ich aufgrund der Kürze der Zeit nicht eingehen konnte, sind essenzielle Instrumente, um sicherzustellen, dass die eigenen Wünsche respektiert werden. 

Eine gut geplante Vorsorge ist aber auch wichtig, um Angehörige zu entlasten, indem sie Unsicherheiten reduziert und mögliche Konflikte vermeidet. Zudem schafft eine rechtliche Vorsorge auch Klarheit für das medizinische Personal, sodass Behandlungsentscheidungen im Sinne der Patient:innen umgesetzt werden können. – Vielen Dank. (Beifall.)

11.20

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Vielen Dank für die Ausführungen. 

Nun darf ich Frau Mag.a Gudrun Braunegger-Kallinger um ihren Beitrag zum Thema „Gesundheit im Ruhestand: präventive Ansätze“ bitten. – Bitte, Frau Magistra, Sie dürfen 15 Minuten sprechen.

RN/24

11.20

Mag. Gudrun Braunegger-Kallinger (Fonds Gesundes Österreich):: Danke. – Ich freue mich sehr, heute hier sprechen zu dürfen, und möchte zum Thema „Gesundheit im Ruhestand: Präventive Ansätze“ an ganz viele Punkte anschließen, die heute bereits erwähnt worden sind. Ich vertrete den Fonds Gesundes Österreich. Ganz kurz zum Fonds Gesundes Österreich: Wir sind eine Förder­stelle, eine Kompetenzstelle und eine Drehscheibe für Gesundheitsförderung. Wir setzen österreichweit Programme um oder fördern diese. Wir erzeugen Wissen und stellen das Wissen allen zur Verfügung. Ich möchte das heute auch betonen. Ich habe ganz viele Links drinnen. Alles, was wir erzeugen, steht kostenlos für alle zur Verfügung, und wir freuen uns, wenn es verwendet wird. Wir informieren die Bevölkerung über Themen der Gesundheitsförderung, zum Beispiel über Ernährungsempfehlungen, Bewegungsempfehlungen. Ich habe zu diesen Themen heute Informationen mitgebracht. 

Bevor ich zu den Themen, zum gesunden Alter, komme, möchte ich ganz kurz auf die Einflussfaktoren auf die Gesundheit und das Konzept der Gesund­heitsförderung eingehen. (Die Rednerin unterstützt in der Folge ihre Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.) 

Das ist die Regenbogengrafik, die es schon sehr lange gibt, die aber nach wie vor aktuell ist. Da sehen wir: Welche Einflussfaktoren auf die Gesundheit gibt es denn? – Unten im Kreis sehen wir so etwas wie das Alter, das Geschlecht, die Erbanlagen. Daran kann man nicht viel verändern. In den Bogen darüber sehen wir aber ganz viele Möglichkeiten, bei denen wir als Gesellschaft ansetzen können. 

Wir haben es schon gehört: Der orange Kreis, da geht es um die Individuen: Risikoverhalten, Ernährung, Bewegung. Wie geht man mit Stress um? Da gilt es anzusetzen, die Menschen zu unterstützen, Gesundheitskompetenz zu fördern.

Aber darüber hinaus – auch das haben wir gehört –, im gelben Kreis: Die Menschen sind in soziale Netzwerke, in kommunale Netzwerke eingebettet: ein großer Einflussfaktor auf Gesundheit. Da gilt es, diese positiv zu beeinflussen und zu stärken. Wir haben auch schon ganz viel von Vereinsamung gehört. 

Der grüne Bereich sind Themen wie – auch das werden wir hören –: Wie leben die Menschen, wie wohnen die Menschen, wie ist der Arbeitsplatz, haben sie Schichtarbeit oder andere Belastungen am Arbeitsplatz, welche Bildungs­chancen haben sie, wie ist die Verpflegung, wie ist die Gesundheitsversorgung et cetera?

Der blaue Kreis – und der wird leider aktuell immer wichtiger –, das sind Fragen wie der Klimawandel, die Erhitzung, die Hitzepole, Krieg und Frieden, aber auch ganz aktuell der Handelskrieg. Also: Wie ist die gesellschaftliche Situation in diesen Bereichen? 

Ganz viele dieser Aspekte sind menschengemacht und daher auch potenziell durch uns Menschen beeinflussbar. 

Ich gehe noch einmal kurz zurück: Unser Ansatz ist einerseits, direkt bei den Menschen anzusetzen, aber insbesondere auch bei diesen anderen Aspekten. Ich hoffe, ein paar Ideen heute mitgebracht zu haben, um die Themen, die wir schon angesprochen haben, vielleicht mit einzelnen Komponenten, was wir denn tun können, zu unterstützen.

Ich freue mich auch deshalb, dass ich heute hier sprechen darf, weil diese Grafik auch veranschaulicht: Alle Politikbereiche sind mitverantwortlich für Gesund­heit, alle Politikbereiche profitieren aber auch von der Gesundheit der Menschen. 

Der Fonds Gesundes Österreich setzt Initiativen um und unterstützt Maßnahmen, die Lebenswelten der Menschen gesundheitsförderlicher zu gestalten. Im Folgenden habe ich jetzt zwei Beispiele, zunächst das gesunde Altern am Arbeitsplatz. Wir haben dazu schon viel gehört: Demografischer Wandel bedingt auch älter werdende Belegschaften, intergenerationelle und gesundheit­liche Herausforderungen in den Betrieben. In vielen Branchen gilt es, die Mitarbeiter:innen möglichst lange gesund am Arbeitsplatz zu halten. Ich sage nur: Gesundheitsbereich, Pflegebereich, Bildungsbereich. 

Der Ansatz der betrieblichen Gesundheitsförderung ist eine Intervention am Arbeitsplatz. Es ist eine Unternehmensstrategie, die versucht, sich anhand von Qualitätskriterien für die Gesundheit der Menschen im eigenen Betrieb ein­zusetzen. Es gibt große Netzwerke, Gütesiegel. Ganz viele Betriebe verpflichten sich dazu.

Wir haben in einem neueren Programm das betriebliche Übergangsmanagement lanciert, fördern Projekte dazu und setzen gemeinsam mit Betrieben das Thema „Altersfreundlichkeit des Arbeitsplatzes“ um. Sie können vielleicht auch kurz überlegen: Wie ist das in Ihren Betrieben? Oder wie ist es gewesen? Es geht darum, die Organisationskultur und das Klima in Betrieben so zu gestalten, dass ältere Mitarbeiter:innen entsprechend ihren Kompetenzen und Bedürfnissen wertgeschätzt werden. 

Mit dieser Initiative wollen wir gemeinsam mit Betrieben das Ziel verfolgen, die Übergänge in die späte Erwerbsphase, aber auch dann in die Pensio­nieru­ng – wir haben es heute schon gehört – aktiv gemeinsam mit den Betroffenen, aber auch mit den Verantwortungsträgern im Betrieb zu gestalten. Diese leiten dann gemeinsam bedarfsorientierte Maßnahmen in den Gesprächen, in den Programmen nach den Ebenen des betrieblichen Übergangsmanagements – das sehen Sie da – ab. Unser Ziel ist, dass diese auch strukturell im Betrieb verankert werden. 

Das heißt zum Beispiel, eine altersgerechte Führungs- und Organisationskultur zu etablieren, zum Beispiel bereits zehn Jahre vor dem Ausstieg aus dem Berufsleben in Mitarbeitergesprächen einmal zu thematisieren: Ja wie stellen Sie sich denn das vor, wie stellen wir uns das vor, wie stellen Sie sich auch das Leben nach der Arbeit vor? 

Es heißt, eine altersgerechte Arbeitsgestaltung zu überlegen: Vielleicht gibt es Arbeitsbereiche, für die ein Mensch nicht mehr so geeignet ist, aber vielleicht gibt es andere, in denen die Menschen besser eingesetzt werden können. 

Es heißt, eine altersgerechte Laufbahngestaltung noch anzusprechen: Haben Sie jetzt die Möglichkeit, noch einmal auf die Tube zu drücken, noch einen Karriere­schub zu machen, oder sagen Sie, eigentlich wollen Sie sich schön langsam zurückziehen und den Kolleg:innen den Vortritt lassen, oder möchten Sie sich noch in einem anderen Arbeitsfeld einbringen? 

Es geht um wertschätzenden Wissenstransfer, auch an die jüngeren Generationen. Ganz viel Wissen ist in den Köpfen der älteren Mitarbeiter:innen, das nicht verschriftlicht ist. Da geht es darum, vielleicht mit Mentoringprogrammen oder anderem dieses Wissen zu sichern und auch die jüngeren Kolleg:innen zu unterstützen. 

Es geht auch noch um eine arbeitsbiografische Reflexion mit individuellen Gesprächen, auch im Hinblick darauf: Was wollen Sie denn nach der Pensionierung tun?, und darum, rechtzeitig zu planen, damit eben nicht dieses Pensionsloch kommt.

Also Ziel ist, in den Betrieben diese Strukturen zu etablieren, damit rechtzeitig die Mitarbeiter:innen unterstützt werden, aber auch natürlich der Betrieb profitiert, denn – Sie wissen, viele suchen dringend nach Fachkräften – wenn so ein Klima in einem Betrieb herrscht, ist es ja auch positiv für jüngere Kolleg:in­nen, dort zu arbeiten.

Ist man dann aber aus dem Betrieb ausgeschieden – wo sind die Menschen? –, dann geht es um gesundes Altern in den Regionen, in der Gemeinde, in Stadt­teilen, in Nachbarschaften, dann sind die Menschen insbesondere dort zu finden. Mit zunehmendem Alter verbringen sie nämlich mehr Zeit im Zuhause. Gemeinden, Städte sind ein wichtiger Ansatzpunkt für gesundes Älterwerden. Dort wird der öffentliche Raum gestaltet. Dort wird geschaut: Können die Menschen mobil sein? Dort wird geschaut: Gibt es Wohnformen, wo die Menschen gut aufgehoben sind, gibt es ein Miteinander der Generationen, gibt es so etwas wie Engagement und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben? Was tun wir als Gemeinde, als Stadtteil, um die Menschen mitzunehmen? 

Das unmittelbare Lebensumfeld älterer Menschen sind vor allem die Nachbar­schaften. Da wissen wir, viele Menschen sind in der Nachbarschaft gut eingebunden. Gleichzeitig sehen wir aber auch da: Mit zunehmenden gesund­heitlichen Problemen – Einschränkungen der Mobilität; man verliert vielleicht die Angehörigen oder Bezugspersonen – kann es zu Isolation und Einsamkeit kommen. Das gilt es zu verhindern. Wir haben auch schon gehört, dass das negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat: erhöhte Sterblichkeit, Depression, Demenz, kognitive Dysfunktionen. 

Also wichtig ist, dass sich die Menschen engagieren können, sei es in Vereinen oder – auch dazu haben wir schon viele Beispiele gehört – auch anderen Bereichen. Wichtig ist, das zu unterstützen und zu fördern. 

Nachbarschaftliche Netzwerke können die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unterstützen und damit die Gesundheit fördern. Das wird auch in internatio­nalen Programmen so gesehen. Wir haben seit ungefähr zwölf Jahren die Initiative: Auf gesunde Nachbarschaft! Wir lancieren da Programme und Projekte, die in den Regionen umgesetzt werden. Das Ziel ist eben, genau diese Nachbarschaft zu fördern und die Menschen in den Nachbarschaften zu halten, nicht nur ältere Menschen, auch jüngere Menschen. Aktuell haben wir einen Fokus auf ältere Menschen mit dem Thema Einsamkeit.

Die Kampagne setzt auf drei Ebenen an. Einerseits unterstützen wir die Menschen vor Ort und fördern Programme. Es ist immer wichtig, dass vor Ort geschaut wird: Was brauchen bei uns die Menschen konkret?, um genau maßgeschneiderte Angebote dort anzubieten.

Wir bringen die Umsetzer:innen dieser Programme zusammen, machen Schulungen, evaluieren, erzeugen Wissen, stellen das zur Verfügung. Es gibt eine Website, Auf gesunde Nachbarschaft!, mit ganz vielen Beispielen dafür, was man in der Gemeinde machen kann.

Dazu kleine Beispiele: Bei Spazierbuddys geht es darum, die Menschen zusammenzuholen, gemeinsam aktiv zu sein, spazieren zu gehen, ein bisschen Bewegung zu machen. Das Café LE.NA ist ein niederschwelliger Begegnungs­raum – im besten Fall ist das immer kostenlos –, wo gemeinsam Aktivitäten gestartet werden können. Sie kennen alle das Modell Essen auf Rädern. In einem Projekt wurde das umgedreht: Nicht das Essen wurde zu den Menschen gebracht, sondern die Menschen wurden abgeholt und zum gemeinsamen Essen, zum gemeinsamen Austausch und zu gemeinsamen Aktivitäten gebracht. Solche Beispiele sind das.

Abschließend – auch das haben wir heute schon mehrfach gehört – zur Vielfalt der Alternsbilder: Welche Bilder haben wir vom Altern? Wir sind der Meinung, dass positive Altersbilder auch zum besseren Älterwerden bei­tragen.

Wir haben da gemeinsam mit dem Dialog gesund & aktiv altern Initiativen gesetzt, einen Leitfaden „Neue Bilder des Alter(n)s“ entwickelt. Da geht es darum: Wie können wir wertschätzend über das Alter, das Älterwerden kommunizieren? Sie finden da einen Download. Da ist zum Beispiel die Frage: Wollen wir alle jung bleiben oder wollen wir lieber gesund und gut altern? Um solche Themen geht es da, weil wichtig ist: Wie reden wir denn über das Älterwerden?

Es gibt einen E-Learningkurs dazu – der dauert ein paar Minuten; den können Sie sich anschauen –, und es gibt einen kurzen Film zu Altersbildern, dazu, wie vielfältig sie denn sind, mit dem ich auch abschließen möchte. Ich hoffe, das klappt jetzt. (Es folgt eine Videoeinspielung.) – Vielen Dank. (Beifall.)

11.34

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Vielen Dank für die Ausführungen. 

Zuletzt darf ich Frau Dr. Barbara Perfahl um ihren Beitrag zum Thema „Wohn­psychologie: Planung für Wohnen im Alter“ ersuchen. – Bitte, Frau Doktor.

RN/25

11.34

Dr. Barbara Perfahl (Die Wohnpsychologin e.U.):: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Ihnen heute ein paar Gedanken zum Thema Wohnen im Alter präsentieren, und zwar aus wohnpsychologischer Perspektive. 

Damit Sie meinen Beitrag ein bisschen besser fachlich einordnen können, möchte ich gern eingangs ein paar Worte zum Thema Wohnpsychologie sagen, denn erfahrungsgemäß ist dieser Begriff nicht sehr bekannt. Die Wohn­psychologie oder, etwas weiter gefasst, die Architekturpsychologie ist ein wissenschaftliches Fachgebiet innerhalb der Psychologie, das sich bereits seit ungefähr Mitte der 1970er-Jahre mit dem wechselseitigen Verhältnis zwischen dem Menschen und seiner gebauten Umwelt befasst. Das Schöne an der Wohnpsychologie ist, die Erkenntnisse aus den Studien und aus der Forschung sind sehr direkt und mit einem großen Nutzen in die Praxis über­tragbar.

Die Wohnpsychologie befasst sich im Grunde mit zwei Kernfragen – wenn man das so ein bisschen einschmilzt –, nämlich mit der Frage: Wie wirken Räume auf den Menschen und wie kann man im Umkehrschluss optimale Räume gestalten? Und die zweite Frage ist: Was braucht das Individuum zum glücklichen Wohnen? 

Daraus ergeben sich jetzt allerlei Themen rund ums Thema Wohnen und Raumgestaltung, immer aus der Perspektive des Menschen, und natürlich dann auch ganz speziell Fragen zum Wohnen in bestimmten Lebensabschnitten, bei bestimmten Lebensaufgaben und mit den zugehörigen Wohnbedürfnissen, die sich daraus ergeben.

Wohnen im Alter ist jedenfalls ein Thema, mit dem sich die Wohnpsychologie eingehend befasst, weil sich halt die Anforderungen ans Wohnen über diese verschiedenen Lebensphasen zum Teil drastisch ändern.

Gleichzeitig ist Wohnen für den Einzelnen ein ganz, ganz wichtiger Teil seiner Lebensqualität und seiner Lebenszufriedenheit. Unsere Wohnung ist ja Basis für unser tägliches Leben, sie ist Ausgangspunkt für alle unsere Aktivitäten. Sie ist aber gleichzeitig auch der Ort, wohin wir uns zurückziehen, wo wir uns erholen, wo wir Kräfte sammeln können. 

So gesehen sind das Wohnen, unsere Wohnung und unsere Wohnzufriedenheit ein ganz wichtiger Faktor für die Gesundheit. Also man kann sagen, für die Lebensqualität ist ein zufriedenes, den eigenen Bedürfnissen angemessenes Wohnen elementar.

Jetzt ist die Frage: Wie wohnen denn eigentlich Menschen im Alter oder im hohen Alter in Österreich? – Wenn man sich die Zahlen anschaut, kann man sagen: Sie wohnen überdurchschnittlich oft allein, auf überdurchschnittlich großer Wohnfläche und überdurchschnittlich oft in einem Einfamilienhaus. Um nur eine Zahl von vielen, die es gibt, zu nennen: Der durchschnittliche Ein­personenhaushalt von einem Menschen über 64 Jahre hat im Durchschnitt 85 Quadratmeter. 

Das heißt, es ist eigentlich eine sehr komfortable Wohnsituation. Gleichzeitig bringt aber das Alter bestimmte Anforderungen mit sich. Das entsteht aus zwei Bereichen: zum einen aus familiären Veränderungen – die Kinder sind aus dem Haus, der Partner wird häufig verloren, entweder durch Scheidung oder durch Tod –, und zum anderen gibt es körperliche Veränderungen im Alter, die dann für die allermeisten irgendwann auch körperliche Einschränkungen heißen.

Diese Art des Wohnens führt in Kombination mit diesen Veränderungen zu Problemen beim Wohnen. Das geht los, wenn oftmals die Wohnung oder das Haus subjektiv als zu groß empfunden wird. Es werden dann zum Teil Räume oder in Einfamilienhäusern ganze Etagen nicht bewohnt. 

Es kommt irgendwann zu einer Überforderung mit den Aufgaben in Haus und Garten. Der Haushalt kann nicht mehr so bewältigt werden, wie man das gern möchte. 

Es gibt das Problem der Leistbarkeit. In der Pension wird ein deutlich höherer Anteil vom Einkommen für das Wohnen verwendet. Manchmal werden die Wohnungen einfach gar nicht mehr leistbar. 

Es gibt auch das Thema Barrierefreiheit. Viele dieser Wohnungen und Häuser sind nicht barrierefrei, und es ist oftmals auch gar nicht klar, ob die Pflege, wenn sie dann notwendig ist, dort auch im notwendigen Ausmaß leistbar und möglich ist.

Es gibt auf dem Land auch noch das Thema der langen Wege. Wenn Wohnungen, Häuser nur mit dem Auto erreichbar sind und das Auto als Transportmittel wegfällt, führt das nicht selten zur Reduktion der sozialen Anbindungen bis hin zur Vereinsamung. Frau Präsidentin Korosec hat aber natürlich recht: Das Thema Vereinsamung ist auch ein Stadtthema.

Also wir haben dann ab einem bestimmten Punkt hohe Wohnbelastungen, oder zumindest passt die Wohnsituation nicht mehr zu den Bedürfnissen und den Anforderungen.

Was wäre der logische Schritt? – Der logische Schritt wäre eine Veränderung dieser Wohnsituation. Das könnte ein Umzug in eine kleinere, barrierefreie, günstigere Wohnung sein. Das kann aber auch sein: der Umbau oder die Anpas­sung der vorhandenen Räume mit einer altersgerechten Ausstattung.

Es gibt inzwischen vielfältige Möglichkeiten. Es gibt bauliche Möglichkeiten, technische Möglichkeiten, es gibt vor allem aber ganz viele Modelle, wie Wohnen anders aussehen kann, angefangen damit, dass das Einfamilienhaus in zwei Wohneinheiten aufgeteilt wird und man sich jemand anderen dazu­holt. Es gibt das Modell Hilfe für Wohnen, wo zum Beispiel ein Student zu einem älteren Menschen zieht, dort mithilft und dafür dort wohnen kann. Damit entsteht dieser Generationenkontakt, der ja an anderer Stelle vermisst wird. Es gibt Mehrgenerationenwohnungen auch in der Familie. Es gibt gemeinschaft­liche Wohnformen, alles Mögliche. Also da gäbe es viel Auswahl und viele Möglichkeiten.

Die Erfahrung ist aber, dass es bei den Betroffenen ganz große Widerstände gegen Veränderung gibt und sie sich überhaupt erst ganz spät mit Thema beschäftigen. Die meisten Menschen fangen erst ungefähr mit 75 oder 80 Jahren an, über dieses Thema nachzudenken; und zwar dann, wenn schon wirklich Probleme da sind. Wenn es dann Veränderungen in der Wohnsituation gibt, dann sind die gar nicht selten erzwungen. Man muss quasi von heute auf morgen raus aus der Wohnung, und das ist, muss man sagen, bis hin zu trauma­tisch für die Betroffenen, zumindest ist es aber eine deutliche Einschränkung und Beeinträchtigung der Zufriedenheit und der Lebensqualität.

Das heißt, obwohl natürlich jedem eigentlich bewusst ist, dass man selber und seine Bedürfnisse sich mit dem Alter verändern, wird das Thema Wohnen in dem Zusammenhang überhaupt nicht angeschaut, und spannenderweise sind auch finanzielle Anreize oft kein ausreichender Anreiz, dass sich etwas ver­ändert. 

Jetzt stellt sich natürlich aus wohnpsychologischer Sicht die Frage: Warum ist das so? Was sind die Gründe dafür, dass es da so große Widerstände gibt? Es gibt ein paar Konzepte in der Wohnpsychologie, die erklären können, warum bei den Personen einfach große Probleme oder Widerstände vorhanden sind, sich mit dem Thema zu befassen.

Vorwegschicken muss man in dem Zusammenhang, dass Räume immer affektive Räume sind. Das heißt, jeder Raum, in den wir reinkommen, löst bei uns Emotionen aus. Das kann positiv sein oder negativ, das kann sehr stark sein oder ganz schwach, sodass es uns gar nicht bewusst wird. 

Die eigenen Wohnräume sind in der Regel sehr positiv besetzt, und das liegt an den psychologischen Mechanismen, die in diesem Zusammenspiel Mensch und Wohnraum greifen. Der zentrale Mechanismus, den es da gibt, ist die soge­nannte Aneignung. Wir Menschen haben die ganz grundsätzliche Tendenz, uns unsere Umgebung zu eigen zu machen, sie an unsere Bedürfnisse anzupassen und zu gestalten. Das ist gerade für Wohnräume zentral. Aneignung ist der Prozess, der aus irgendwelchen Räumen meine persönlichen Wohnräume werden oder aus irgendeinem Haus mein Zuhause werden lässt.

Das heißt, ich richte die Räume nach meinem Geschmack ein, ich schaffe per­sönliche Bezüge, und ich bewohne und nutze sie nach meinen Bedürfnissen. Die Erfüllung dieser Wohnbedürfnisse – das sind mehrere, so etwas wie Sicher­heit, Erholung, Gemeinschaft, aber auch Gestalten oder ästhetische Bedürf­nisse – ist wiederum zentral für die Wohnzufriedenheit. Wenn die Aneignung gelingt, dann fühle ich mich wohl in meinen Räumen, und, das ist der ent­scheidende Punkt, ich binde mich an sie. 

Dazu gibt es ein weiteres Phänomen, die sogenannte Ortsbindung. Je länger wir an bestimmten Orten verweilen, desto stärker binden wir uns emotional daran. Wenn jemand 30 Jahre in der gleichen Wohnung gelebt hat, ist er emotional total daran gebunden.

Das geht aber noch einen Schritt weiter. Diese Bindung, muss man sagen, ist ja fast eine Verzahnung, es gibt nämlich darüber hinaus auch das Phänomen der Ortsidentität. Das besagt, kurz gesagt, dass die Räume, unsere Wohnräume, Teil unserer Ich-Identität werden. Die Ich-Identität ist nämlich zum großen Teil aus Erinnerungen an Erlebnisse der Lebensspanne zusammengesetzt, und Erinnerungen sind immer ortsgebunden, denn die Erlebnisse haben immer irgendwo statt­gefunden. Das heißt, Orte, an denen ich sehr viel oder sehr wichtige Dinge erlebt habe, baue ich quasi in meine Ich-Identität ein. Die werden, wenn man so möchte, Teil von mir selber. Deshalb können Räume auch Repräsentanten für Lebensabschnitte werden. Also mein Zuhause ist Stellvertreter für mein ganzes Leben oder einen Teil davon. 

Dann haben wir noch ein viertes Phänomen, das Änderungen häufig entgegen­steht, und das ist das sogenannte Wohnzufriedenheitsparadoxon. Man hat nämlich festgestellt, wenn man Menschen befragt, wie zufrieden sie mit ihrer Wohnsituation sind, dass sie, wenn es da gravierende Probleme gibt, diese oft ausblenden. Der Klassiker ist die Befragung der Menschen, die in der Frank­furter Einflugschneise wohnen. Wenn man die befragt, wie zufrieden sie sind, sagen sie: superzufrieden. Wenn man sagt: Ja, und was ist mit dem Lärm? – Ach ja, den Lärm gibt es auch. – Aber mit dem Wohnen sind sie sehr zufrieden. Das heißt, beim Zufriedenheitsurteil beim Wohnen werden Störungen oder Probleme oft ausgeblendet. Wenn ich aber erstmal subjektiv zufrieden bin, habe ich auch keinen Anreiz, etwas zu verändern. 

Wenn man zusammenfassend auf diese Phänomene schaut, kann man sagen: Wohnräume sind identitätsstiftend. Wir sind eben emotional gebunden, und gerade für ältere und alte Menschen schaffen Wohnräume eine große Sicherheit: Mein Zuhause ist auch mein Sicherheitsanker in der Welt. Das erklärt natürlich, warum die Menschen starke Widerstände empfinden, irgend­etwas zu verändern, und sich lange nicht damit befassen möchten. Es helfen die besten rationalen Argumente nichts, wenn die Emotion da ist. 

Wie kann man jetzt damit umgehen und wie kann man dafür sorgen, dass Menschen im Alter glücklich, zufrieden und altersgerecht wohnen können und alle Wohnbedürfnisse, die sie dann haben, erfüllt sind? Aus wohnpsycholo­gischer Sicht sind zwei Faktoren entscheidend: Zum einen ist es die frühzeitige Information für das rechtzeitige Planen. Ich bin wieder bei Frau Präsidentin Korosec: Die Planung, und zwar die frühzeitige, ist das Thema.

Wohnen im Alter muss ein Thema werden. Je früher sich die Menschen damit beschäftigen, desto besser. Ideal wäre eben ein Zeitpunkt ungefähr um die 60 Jahre, nicht zwingend für eine Veränderung, sondern für die Auseinander­setzung mit dem Thema. Es geht beim Istzustand los: Was ist mir denn jetzt wichtig beim Wohnen? Was sind jetzt meine Wohnbedürfnisse? Wie bin ich jetzt mit meinem Wohnen zufrieden? Was sind denn die Herausforde­rungen, die dann im Alter auf mich zukommen? Und was wären mögliche Lösungen dafür?

Wie gesagt, es gäbe genug. Es geht nicht immer darum, dass man aus den eigenen Räumen hinausgeht. Manchmal geht es nur um eine Anpassung der Räume. Aber es müssen Lösungen formuliert werden, und ideal wäre es, wenn man, ich sage einmal mit 65, einen Plan A, einen Plan B und einen Plan C hat. Je nachdem, was dann das Leben in den Jahren so bringt, hat man Möglichkeiten, sich dann zu verändern, und zwar nicht aus Zwang heraus von heute auf morgen, sondern man ist dann quasi emotional gewappnet. Das ist eigentlich der Punkt: Es geht um diese Auseinandersetzung mit dem emotio­nalen Prozess.

Eine Veränderung, gerade was das Wohnen betrifft, ist nämlich ein Prozess. Das ist nichts, was man innerhalb von drei Tagen macht, sondern da geht es genau um diese Auseinandersetzung mit dem Jetzt, mit dem Übergang und mit dem Morgen. Dann hat man nämlich auch (in Richtung Dr. Henning), wie Sie es in Ihrem Vortrag vorhin thematisiert haben, Kontrolle und Autonomie. Damit erhält man quasi seine Kontrolle und Autonomie, wenn man selber Pläne hat, wie man das dann machen kann. 

Der zweite Punkt, der aus meiner Sicht wichtig wäre, sind konkrete Angebote zur Unterstützung, und zwar, wenn dann wirklich der Zeitpunkt zur Verän­derung gekommen ist, dass man dann konkrete Unterstützung bei den behörd­lichen, technischen oder organisatorischen Themen hat. Wenn es zu einem Umzug kommt, muss auch der organisiert werden. Ein Umzug bedeutet für viele Leute eine logistische Herausforderung oder auch Überforderung.

Unterstützung kann man sich zum Beispiel in der Form vorstellen, dass jemand kommt, die Bücher aus dem Bücherregal in die Kiste packt und in der neuen Wohnung wieder auspackt; aber, und das ist natürlich mir als Psychologin ein besonderes Anliegen, vor allem sollte es auch eine emotionale Unterstützung und Begleitung bei diesem Prozess der Loslösung vom Alten und des Ankommens im Neuen geben. Wir haben Gott sei Dank in der Psychologie gute Möglich­keiten, Menschen bei solchen Veränderungsprozessen zu begleiten. Gerade die Wohnpsychologie könnte da eben einen guten Beitrag für die Beratung und Unterstützung sowohl der Betroffenen als auch der Institutionen leisten. 

Dann könnte die Veränderung des Wohnens im Alter – und ich verwende jetzt die Formulierung von Herrn Dr. Henning – auch weniger ein Abschied und mehr eine Chance sein. – Vielen Dank. (Beifall.)

11.50

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Vielen Dank für die Ausfüh­rungen. Panel 2 ist damit abgeschlossen. Ich bedanke mich für Ihre Beiträge.

RN/26

Diskussion

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Wir gelangen nun zur anschließenden Diskussion zu Panel 2. 

Ich darf auch an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass die Redebeiträge die Dauer von 3 Minuten nicht überschreiten sollen, und ersuche gleichzeitig, diese Vorgabe einzuhalten. Ich darf weiters darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt. Bitte geben Sie Ihre Wortmeldungen vom Rednerpult unter Nennung Ihres Namens und Ihrer Institution ab!

Zu Wort gemeldet ist Herr Landtagsabgeordneter Philipp Könighofer. 

RN/27

11.50

Philipp Könighofer (Abgeordneter zum Steiermärkischen Landtag, FPÖ): Danke, Herr Vizepräsident! Geschätzte Teilnehmer! Ich darf aus Sicht der Steiermark als Abgeordneter auf das Thema eingehen und aufgrund des sehr eng gefassten Zeitkorsetts nur ganz kurz auf die Referenten replizieren, die im Vorfeld ihre Vorträge gehalten haben.

Frau Mag. Müllauer hat bereits im ersten Abschnitt von sozialer Einbettung gesprochen, Frau Mag. Braunegger-Kallinger hat das Thema Einsamkeit dann etwas breiter beleuchtet, und diese war gerade aus wohnpsychologischer Sicht auch ein Thema bei Frau Mag. Perfahl. Sie werden es ahnen: Ich darf mich dem Thema Vereinsamung annähern, das auch in der steirischen Landesregierung entsprechend Berücksichtigung gefunden hat, nämlich im Regierungsprogramm „Starke Steiermark. Sichere Zukunft.“.

Wieso sollten wir uns dieses Themas annehmen? – Es gibt ja einige Studien, auch aus der Steiermark, weshalb dieses Thema vor allem ältere Menschen betrifft. So wurde im vergangenen Jahr eine Studie mit 600 Befragten veröffentlicht, also einer repräsentativen Stichprobe, dass immer mehr Menschen von Anonymität und Einsamkeit geplagt werden, und die Studienautoren legen auch dar, dass vor allem jüngere und ältere Menschen davon betroffen sind. Fast verdoppelt hat sich im Vergleich zum Jahr 2014 der Anteil jener Personen, die ihre Nachbarn oder Nachbarinnen nur vom Sehen kennen.

Es ist hier also eine deutliche Entwicklung spürbar und auch entsprechend belegt. Jüngst wurde von einer steirischen Organisation auch das Thema Einsamkeit wieder in den Fokus gerückt und eine stärkere Fokussierung von den politischen Verantwortungsträgern eingefordert.

Die steirische Landesregierung hat das wie erwähnt in ihrem Regierungs­programm bereits verankert. Ganz kurz nur dazu: Vielfach ist es noch ein Tabu­thema, vielfach ist es ein Thema, das beiseitegeschoben wird. Ich glaube, das ist ein falscher Zugang, und Veranstaltungen wie diese hier geben durchaus die Möglichkeit, das Thema Vereinsamung in den Fokus zu rücken. In der Stadt Graz wurde im Jahr 2020 bereits ein Maßnahmenpaket dahin gehend verab­schiedet. Ich bin guten Mutes, dass es auch auf landespolitischer Ebene in der grünen Mark gelingt.

Wir werden auch sehen, inwieweit sich die neue Bundesregierung dieses Themas annimmt. Unter einem Punkt im Regierungsprogramm ist von Einsamkeit im Alter zu lesen. Man wird sehen, ob – wie von vielen Organisa­tionen gefordert – auch ein Aktionsplan folgt. In den Niederlanden wurde bereits im Jahr 2018 ein Pakt gegen Einsamkeit geschlossen, da sich mehr als die Hälfte der über 75-Jährigen einsam fühlt. Ich glaube also durchaus, dass das ein gesellschaftliches Thema ist, dem wir uns offen nähern sollten. Es war ja auch im Rahmen der Grafik - -

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Ich bitte um das Schlusswort.

Philipp Könighofer (fortsetzend): - - kommunale Netzwerkarbeit genannt. Ich hoffe darauf, dass wir in Zukunft vielleicht in etwas breiterem Rahmen auch auf das Thema Einsamkeit eingehen dürfen. – Danke schön. (Beifall.)

11.54

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Herzlichen Dank.

Zu Wort gelangt Frau Mag. Claudia Arpa

RN/28

11.54

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Vortragende, Kolleginnen, Kollegen, werte Zuhörende! Ich bin ja Bundesrätin aus Kärnten, und deswegen möchte ich den Kärntner Fokus auch noch in die Enquete einbringen.

Wir haben ja heute schon gehört: Das Leben hört mit 60 beziehungsweise mit 65 nicht auf, und die Frage ist ja, wie wir das Arbeitsleben so gestalten, dass alle Menschen ihre Talente und Erfahrungen weiterhin einbringen können. Dazu haben wir schon einiges gehört. Wir wissen ja auch von der Problematik, dass die hohe Arbeitslosigkeit auch ältere Menschen betrifft, und kurz vor dem Pensionsantritt ist sie oft noch höher. Das trifft gleichermaßen Männer wie Frauen.

Ich möchte gerne noch auf Herrn Mag. Zakostelsky eingehen, denn Sie haben vorhin gesagt, Teilzeit ist ein Thema. Ich glaube, dass das Problem auch ist, dass ältere Arbeitnehmende oft gekündigt werden. Da kann ich zwar nicht aus eigener Erfahrung sprechen, aber aus meinem persönlichen Umfeld berichten: Immer wieder kommt das vor, und das ist natürlich auch eine große Proble­matik, da spielt auch die Psychologie eine Rolle, und wir alle sind da gefordert.

Wir sollen ja sicherstellen, dass ältere Arbeitnehmer die Unterstützung bekommen, die sie benötigen, um gesund zu bleiben. Dazu haben wir heute auch schon einiges gehört, eben flexible Arbeitszeiten, ergonomische Arbeitsplätze, aber auch gezielte Präventionsmaßnahmen. Dann gibt es natürlich auch noch den Übertritt in die Pension.

Lassen Sie mich dazu ein Beispiel aus Kärnten erzählen, denn wir haben ja dort die Pflegenahversorgung eingeführt. Die Pflegenahversorgung beruht nämlich auf zwei Säulen: Auf der einen Seite unterstützen wir Menschen, die Pflegebedarf haben, das heißt, die Community-Nurse oder die Pflegenah­versorgung kommt zu den Menschen nach Hause, erkennt, was die Familie braucht, unterstützt bei Anträgen – möglicherweise brauchen sie ein Pflegebett oder was auch immer. Die zweite Säule, die auch gut angenommen wird, ist das Ehrenamt.

Das heißt, wir versuchen, Menschen mitzunehmen, sie zu schulen, die sind auch vom Land Kärnten mitversichert und können dann auch als Spazierbuddies eingesetzt werden, aber auch mit den Menschen zum Arzt gehen beziehungsweise sie auch gut unterstützen, sodass wir einfach das Miteinander in der Gesell­schaft gut leben können.

Was wir in meiner Gemeinde – ich bin ja auch Vizebürgermeisterin – in Frantschach-St. Gertraud auch noch haben, ist ein gemeinsamer Mittagstisch. Das heißt, wir als Gemeinde laden einmal im Monat die ältere Bevöl­kerung ein – wenn auch jemand Jüngerer mit dabei sein möchte, kann er auch gerne mit dabei sein –, gemeinsam zu essen, weil wir festgestellt haben: Eines der großen und wesentlichen Dinge ist das Miteinander in einer Gemeinde, und deswegen gefällt es mir auch so gut, dass wir besprochen haben, wie man Gemeinschaft in einer Gemeinde gut lebt. Das bringt immer ein gutes Miteinander.

Wohin ich auch noch einen Fokus lenken möchte, ist das Thema Wohnen. Auch da sind wir als Gemeinde immer sehr gefordert, weil Menschen einfach nicht aus ihren Wohnungen oder Häusern ausziehen möchten, wir kennen diese Problematik. Man muss ja auch bedenken: Wenn Menschen kurzfristig in ein Pflegeheim müssen – da reden wir von 20 Prozent der Bevölkerung –, ist es für sie oft ein großer Schock. Wir im Bundesland Kärnten unterstützen ja jede Initiative, Menschen möglichst lange zu Hause zu unterstützen!

Dass wir Generationen miteinander verbinden - -

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Bitte um das Schlusswort!

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (fortsetzend): Mah, ich bin das so gewohnt. 

Herzlichen Dank sage ich fürs Zuhören! (Beifall.)

11.58

Vorsitzender Vizepräsident Markus Stotter, BA: Herzlichen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Landtagsabgeordneter Philipp Gerstenmayer. 

RN/29

11.58

Philipp Gerstenmayer (Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag, FPÖ): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Expertinnen und Experten! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Name ist Philipp Gerstenmayer, ich bin Landtagsabgeordneter für die FPÖ in Niederösterreich, und ich möchte nicht nur Brücken zwischen Generationen schlagen, sondern auch zwischen Teil 2 und Teil 3 dieser Enquete, weil ich der Meinung bin, dass die finanzielle Vorsorge im Alter gerade für die Pflege ein ganz wichtiger Punkt ist. Ich möchte Ihnen in der Kürze der Zeit eine Geschichte aus meinem persönlichen Umfeld erzäh­len, und zwar:

Meine Großmutter, Jahrgang 1927, hat eigentlich ein – natürlich bis auf die Jugendzeit, wie man sich vorstellen kann – schönes Leben gehabt, hat eine Familie gegründet, ist auch bis ins hohe Alter sehr gesund gewesen, hatte dann leider mit 89 Jahren – da war sie schon verwitwet – einen Unfall mit Ober­schenkelhals- und Hüftbruch. Sie wurde operiert, konnte nicht mehr allein leben. Meine Eltern haben gesagt, sie nehmen sie natürlich in ihr Eigenheim auf. Mein Vater hat dann viele Zehntausend Euro in die Hand genommen und noch ein bisschen umgebaut, damit man mit dem Rollstuhl von A nach B kommt. Leider Gottes ist es halt schlimmer geworden, ging dann nicht mehr, und es wäre eine 24-Stunden-Pflege vonnöten gewesen, was bei einer Eigen­pension von knapp 1 000 Euro nicht möglich ist. Deswegen ist es so wichtig, dass wir einen bundesweiten Pflegescheck haben, weil die Pflege zu Hause einfach die beste ist, aber mit Kosten von 3 000 Euro plus nicht für alle möglich ist.

Ergo wurde sie dann in einer Pflegeanstalt aufgenommen, was auch nicht so einfach war, denn es gibt Pflegeheime in gewissen Regionen, die haben eine Warteliste, da muss man salopp gesagt wirklich Angst haben, ob man es erlebt, dass man dort einen Platz bekommt, weil so viele Menschen warten.

Im Endeffekt war es, als sie dann reingekommen ist, ziemlich problematisch. Sie war todunglücklich, und ich habe das gar nicht verstanden. Als ich sie dann öfters besucht habe, habe ich gemerkt: Ja, die Mitarbeiter sind teilweise angespannt, nicht immer freundlich, oft muss man sie auf der Station suchen – ähnlich wie im Baumarkt, wenn Sie einmal einen Mitarbeiter brauchen, vielleicht kennen Sie das. Und ich habe mir gedacht: Das kann es ja nicht sein. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Mit der Zeit – ich habe meine Großmutter ja auch öfters unter der Woche besucht – habe ich auch mit den Mitarbeitern gesprochen und da kommt man dann schon drauf, dass das für die Mitarbeiter auch nicht einfach ist, weil es einfach Stresssituationen gibt, man hört nur: Doppelschichten, Urlaubsver­tre­tung, Personalmangel. Ich habe das dann schon verstanden, dass das für die Leute dort nicht so einfach ist. Das ist ein ganz, ganz schwerer Beruf direkt am Bürger, am Menschen. Statistikmäßig kommt jeder Dritte einmal in die Situation eines Pflegebedürfnisses. In die Situation könnten wir alle kommen. – Deshalb auch an dieser Stelle schon einmal ein großes Dankeschön an alle Pflegekräfte in den Heimen in Österreich. (Beifall.) 

Worauf ich hinaus möchte, ist, dass da einfach ein Riesenbedarf ist, denn unser Pflegesystem hinkt auf einem Bein. Wir haben einen Personalnotstand, dass – auf gut Deutsch – die Tür nicht zu geht. Alleine in Niederösterreich fehlen uns in den nächsten zehn Jahren über 10 000 Pflegekräfte. Ich glaube, dass kein Steuerzahler und keine Steuerzahlerin und vor allem nicht die Generation meiner Großeltern – die es ja mittlerweile leider Gottes eh nicht mehr gibt –, die das Land nach dem Krieg noch aufgebaut haben und ein Leben lang hier gearbeitet haben, am Ende des Tages Bittsteller sein dürfen und von einem hinkenden System abhängig sein dürfen, denn jeder Mensch in Österreich hat einen Lebens­abend verdient, der menschlich ist, und auch die entsprechende Pflege dazu. – Vielen Dank. (Beifall.)

12.01

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Verena Nussbaum.

RN/30

12.01

Abgeordnete Mag.a Verena Nussbaum (SPÖ): Danke, Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich auch hier heute an dieser Enquete teilnehmen kann. Ich glaube, was uns alle Generationen eint, ist das Bedürfnis nach Sicherheit. Das ist einerseits die finanzielle Sicher­heit, bei der natürlich der Umstieg vom Erwerbsleben in die Pension ein großes Thema ist. Dazu muss ich sagen, dass das Umlageverfahren – so, wie unser staatliches Pensionssystem funktioniert – aus meiner Sicht noch immer das sicherste ist. Ich kann mich noch erinnern: Ich habe vor über 30 Jahren studiert und da ist mir auch schon immer gesagt worden: Du wirst nie mehr eine Pension kriegen, das System ist nicht sicher! – Jetzt habe ich noch viele Jahre vor der Pension, aber ich gehe davon aus und bin mir auch sicher, dass es weiterhin möglich sein wird. 

Aber nicht nur die finanzielle Sicherheit ist wichtig, sondern auch die soziale Sicherheit. Wir wissen: Die Gesundheit ist unser höchstes Gut. Dazu möchte ich eben ein paar Worte verlieren, und zwar: Wir wissen, wir werden immer älter, und darum ist eine der wichtigsten Aufgabenstellungen in unserer Zeit, das Gesundheits- und Pflegesystem zukunftsfähig zu gestalten.

Wir genießen für unser solidarisch finanziertes Gesundheitssystem im Gegensatz zu anderen Ländern ein hohes Ansehen. Das österreichische System ist super, aber wir wissen, wir haben eine gewisse demografische Entwicklung: Wir werden Gott sei Dank alle viel älter, aber die gesunden Lebensjahre hinken hinterher. In Österreich gab es seinerzeit die Zerschlagung der Gebietskranken­kassen. Auch in der medizinischen Versorgung haben sich Probleme und Schwachstellen aufgetan, wodurch Sparstifte angesetzt wurden und die Gesund­heitsversorgung ein bissl an den Rand gefahren wurde. 

Darum sehe ich das schon so, dass wir unser System zukunftsfit machen müssen und dass wir natürlich auch auf die medizinische Versorgung schauen müssen. Da freut es mich, dass wir in unserem Regierungsprogramm auch einen Ausbau der wohnortnahen Gesundheitsversorgung haben. Man muss auch schauen: Wie kommen wir zu Personal im Gesundheits- und im Pflegebereich?, denn es kann auch nicht sein – das ist ein ganz wesentlicher Punkt –, dass wir sehr viele Pflegekräfte ausbilden, die die Branche dann aber nach einigen Jahren wieder verlassen, weil die Arbeitsbedingungen die Menschen so belasten, dass sie sagen: Mir gefällt der Beruf, aber ich kann ihn selber nicht mehr weiter ausführen. – Da müssen wir hinschauen. Da ist es sehr wichtig, dass wir als Bundesregierung dazu einen Schwerpunkt im Regierungsprogramm gesetzt haben, denn wir sagen: Wir müssen unbedingt die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern.

Wesentlich ist meiner Meinung nach, dass wir diese Herausforderung im Gesundheits-, aber auch im Pflegebereich nur gemeinsam meistern können. Das heißt, wir brauchen den politischen Willen, langfristige Investitionen und ein klares Bekenntnis zu einer sozialen Gerechtigkeit, denn unser Ziel ist es auf jeden Fall, dass wir in Österreich weiterhin ein System haben, das niemanden zurücklässt und allen Menschen in Österreich die beste Versorgung garantiert – nicht nur heute, sondern auch in Zukunft. – Danke schön. (Beifall.)

12.05

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs.

RN/31

12.05

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst noch kurz auf etwas zurückkommen, was Kollege Gerstenmayer vom Niederösterreichischen Landtag gesagt hat. – Sie haben gesagt: 24-Stunden-Pflege ist die beste Form der Pflege. Natürlich ist es auch eine gute Form der Pflege, aber Sie haben dann auch ein paar Sätze später gesagt: Wir haben einen Engpass bei den Pflegern. Also eigentlich sollten wir ja eher schauen, dass das Pflegepersonal in den Pflegeheimen arbeitet und nicht nur einzelne Personen zu Hause betreut. Wir haben in Vorarlberg zum Beispiel leer stehende Betten, weil wir zu wenig Pflegepersonal in den Pflegeheimen haben, und darum wäre es wichtig, dass pro Pfleger mehr Menschen betreut werden können.

Meine Schwiegermutter ist selber auch – beziehungsweise war, jetzt ist sie in Pension – Pflegerin, also Krankenschwester, in einem Pflegeheim. Sie hat uns gesagt, sie möchte nie eine 24-Sunden-Pflege; wenn Sie einmal nicht mehr selber auf sich schauen kann, dann möchte sie, dass sie in ein Pflegeheim kommt. Also auch diese Form, möchte ich einfach sagen, ist eine gute Form der Pflege und ich möchte nicht, dass man das schlechtredet.

Ich möchte jetzt noch auf das Thema eingehen, das Mag. Zakostelsky ange­sprochen hat, und zwar die finanzielle Vorbereitung auf die Pension. Dabei geht es mir vor allem um die Frauen. Die Pension ist ja ein Lebensabschnitt, den wir alle genießen möchten, und dafür braucht es aber auch eine rechtzeitige und durchdachte finanzielle Vorbereitung. Besonders Frauen stehen dabei oft vor großen Herausforderungen, denn ihr Risiko für Altersarmut ist deutlich höher als das der Männer. Ein wesentlicher Grund dafür ist natürlich, dass sehr viele Frauen aufgrund von Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen über Jahre hinweg Teilzeit arbeiten oder auch Erwerbspausen einlegen, und das wirkt sich dann massiv auf die Pensionshöhe aus. Die gesetzliche Pension alleine reicht oft nicht aus, viele Frauen verlassen sich dann auf ihren Partner, aber das ist manchmal trügerisch, denn viele Ehen werden heutzutage geschieden oder manch ein Partner stirbt früh. Das weiß man vorher nicht und darum, finde ich, ist es sehr wichtig, dass wirklich jeder für sich selber eine Pensionsvorsorge macht und das auch gut plant.

Darum habe ich auch sehr gut gefunden, dass Sie die zweite und dritte Pensions­säule angesprochen haben. Das ist natürlich sowohl für Frauen als auch für Männer sehr wichtig. Als ergänzende Maßnahmen sollte man sich eine private Pensionsversicherung und langfristige Anlagestrategien anschauen. Auch wenn es finanziell herausfordernd ist, monatlich Geld für die Pension für die zweite oder dritte Pensionssäule auf die Seite zu legen, so zählt vor allem die Kontinuität; auch kleine Beträge summieren sich dann über viele Jahre zu einer wertvollen Absicherung. Je früher man beginnt, desto besser. 

Ein weiteres Thema, das ich noch ganz kurz ansprechen möchte, ist das frei­willige Pensionssplitting. Dabei kann ja ein Teil der Pensionsbeträge des besser verdienenden Partners auf denjenigen übertragen werden, der in der Familie die unbezahlte Betreuungsarbeit geleistet hat. Dieses Modell kann eine wertvolle Möglichkeit sein, um Altersarmut bei Frauen zu reduzieren, doch es wird noch viel zu selten genutzt. Daher mein Appell an alle: Reden Sie auch mit Ihrem Partner früh genug darüber, vereinbaren Sie diese Möglichkeit des freiwilligen Pensionssplittings! Eine gut geplante Pension sorgt für ein sorgenfreies Leben im Alter. – Vielen Dank. (Beifall.)

12.09

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sandro Beer

RN/32

12.09

Bundesrat Sandro Beer (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere heutige parlamentarische Enquete hat nicht nur einen klingenden Titel – sie ist als Auftrag zu verstehen. „Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“: Es ist ein Aufruf zur Verbindung und zur Verantwortung und zum gemeinsamen Gestalten unserer Gesellschaft. Auf der Metaebene zusammenfassend: Brücken bauen bedeutet immer, etwas zu überqueren: Unterschiede, Distanzen, vielleicht aber auch Missverständ­nisse. Eine der wichtigsten Brücken, die wir bauen können, ist jene zwischen den Generationen, sie ist mit Sicherheit kein Luxus, sondern eine absolute Not­wendigkeit in einer Gesellschaft, die immer älter und immer vielfältiger wird. Ein zentraler Baustein in dieser Sache ist die Prävention, die in diesem Panel heute auch schon sehr eindrucksvoll von den Expert:innen bekräftigt wurde. – Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. 

Unser Ansatz, gesund in Pension zu gehen und aus einer Beschäftigung heraus in Pension zu gehen, muss klare Priorität haben. Dabei gilt es vor allem, gesunde Arbeitsplätze unter Berücksichtigung der jeweiligen unterschiedlichen Tätig­keiten zu schaffen und allen Branchen und arbeitenden Menschen gegenüber mit Respekt zu begegnen. Gute und faire Arbeitsmarktpolitik stärkt unsere Pensionen nachhaltig. Denn nur, wenn wir vorausschauend handeln, ermöglichen wir ein Altern in Würde sowie eine lebenswerte Pension und damit auch ein friedliches und unterstützendes Miteinander der Generationen. 

Wir haben heute gehört, was in der Prävention konkret zu berücksichtigen ist. Es beginnt bei finanziellen und rechtlichen Vorbereitungen auf den Ruhe­stand. Ein geklärter Umgang in Bezug auf Vorsorgevollmachten und finanzielle Absicherungen verhindert Abhängigkeit und Konflikte. Wir haben gehört, ein oft übersehener, aber immer wichtigerer Bereich ist die Wohnpsychologie: Wie leben wir? Wie werden wir im Alter leben? Wie kann ein Zuhause aussehen, das Sicherheit, Orientierung und soziale Anbindung bietet, anstatt Einsamkeit zu fördern? Wir müssen zusammen generationsübergreifend denken und inves­tieren und ein klares Bekenntnis dazu abgeben. Das beginnt bei barrierefreien Wohnungen und endet nicht zuletzt bei gemeinschaftlichen Wohnmodellen, die das Miteinander fördern. 

Doch all das gelingt nur dann, wenn wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen, mit Respekt und Würde und mit einem offenen Herzen: Respekt vor der Lebensleistung der Älteren – wir haben heute von der sogenannten Elitetruppe gehört –, aber auch Respekt vor den Ideen und dem Tempo der Jüngeren. Solidarität wird nie eine Einbahnstraße sein, sie braucht Begegnung, sie braucht Zuhören und das Bewusstsein, dass jede Generation die andere braucht. Wenn wir diesen Geist kultivieren, entsteht eine Gesellschaft, in der nicht jede Altersgruppe für sich kämpft, sondern eine, in der wir füreinander einstehen. Lassen Sie uns also heute nicht nur über Prävention und über das Brückenbauen sprechen, lassen Sie es uns gemeinsam leben – als Politik, als Institutionen, aber vor allem als Menschen. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

12.13

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter zum Nationalrat Rudolf Silvan.

RN/33

12.14

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus Nationalrat und Bundesrat! Ich möchte auf die Pensionen eingehen. Wenn wir über Pensionen sprechen, dann haben die meisten von uns Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer im Kopf, die wenigsten wahrscheinlich Bäuerinnen und Bauern oder ehemalige Selbstständige. Ich möchte dazu ausführen, dass es Fakt ist, dass die Pensionen der ASVG-Pensionisten, also die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zu 83 Prozent durch Sozialversicherungsbeiträge gedeckt sind, bei den Selbstständigen sind es 49,2 Prozent und bei den Bäuerinnen und Bauern 21,4 Prozent; ganz zu schweigen von den Beamtenpensionen, die man sich noch einmal extra, genauer anschauen muss. 

Und wenn man von den Ausgaben für die Pensionistinnen und Pensionisten spricht, dann ist das nur die halbe Rechnung. Man muss auch von den Einnahmen sprechen, denn Pensionistinnen und Pensionisten zahlen Sozialversicherungs­beiträge, zahlen Lohnsteuer, und wie wir heute schon gehört haben, sind sie auch Konsument:innen. Wenn man das also in Gegenrechnung stellt, kommt man bei Weitem nicht mehr auf einen so hohen Betrag. Die Beschäftigungs­quote bei den 55- bis 64-Jährigen hat sich seit 2002 verdoppelt – also die Aussage, dass sich da nichts getan hat, ist nicht richtig. 

Wir haben seit 2003 die Pensionsreform unter der Regierung Schüssel/Riess-Passer erlebt, die findet mit 40 Jahren Durchrechnungszeitraum bis 2028 den Vollausbau. Wir hatten vorher – bis zum Jahr 2003 – die besten 15 Jahre zur Pensionsberechnung. Das half vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern, die in jungen Jahren im Akkord gearbeitet haben, die viele Überstunden gemacht haben, die später nicht mehr so konnten; und es half vor allem Frauen, die vor der sogenannten Babypause Vollzeit gearbeitet haben und nachher, wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraußen waren, ebenso wieder Vollzeit gearbeitet haben. Diese Regelung nutzte diesen Frauen. Jetzt schadet den Frauen dieser 40-jährige Durchrechnungszeitraum, bei dem Teilzeit eingerechnet wird, bei dem Arbeitslosenzeiten eingerechnet werden und dergleichen mehr. 

Zur Teilzeit möchte ich sagen: Die meisten Menschen wollen nicht von sich aus Teilzeit arbeiten. In den Lebensmittelkonzernen werden Sie in den Filialen eine Vollzeitarbeitskraft finden, das ist die Filialleiterin, der Rest der Kolleginnen und Kollegen sind meistens teilzeitbeschäftigt. Das wirkt sich auch auf die Frauengesundheit aus, nämlich die schlechtere Pension, dieser sogenannte Pensiongap geht immer mehr auseinander. Der letzte Frauengesundheits­bericht hat gezeigt, dass die Lebenserwartung der Frauen stagniert und dass die gesunden Jahre der Frauen abnehmen. Die Finanzierung für Pensionen und Gesundheit – wir haben das heute schon gehört – muss alternativ gedeckt werden. – Lassen Sie mich das noch ausführen, obwohl das Lämpchen gleich durchgehend leuchten wird, das ist nämlich ganz wichtig. 

Es wird alles oder vieles durch Arbeit finanziert: durch Lohnsteuer, durch Sozial­versicherungsabgaben. Wir finanzieren kaum etwas durch andere Einnahme­quellen. Eine Studie der Technischen Universität und der Wirtschaftsuniversität gemeinsam mit der Arbeiterkammer hat gezeigt, dass von 100 Prozent Wertschöpfung, die in Österreich erwirtschaftet wird, nur noch 60 Prozent durch Händearbeit und durch Geistesarbeit erwirtschaftet werden, 40 Prozent durch künstliche Intelligenz, durch Robotik, durch Maschinen sozusagen, und dieser Anteil wird immer höher. In diesem Anteil wird keine Lohnsteuer bezahlt, wird keine Sozialversicherungsabgabe bezahlt. 

Darüber müssen wir uns Sorgen machen, darüber müssen wir nachdenken. Jede Regierung – egal welche, egal wie sie ideologisch aufgestellt ist – wird über dieses Thema einer Wertschöpfungsabgabe nicht hinwegkommen. – Vielen Dank für diese Enquete. (Beifall.)

12.17

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig.

RN/34

12.17

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren hier im Sitzungssaal und vor den Bildschirmen! Die Wissenschaft ermöglicht uns ein gesundes Altern, die Chirurgie ermöglicht uns die Beweglich­­keit, manchmal verändert sie unser Aussehen – nicht immer zum Besten –, aber die Wissenschaft ist dazu da, um auch die Menschen entsprechend gesund älter werden zu lassen. 

Viele Menschen haben den eigenen Trieb, freiwillig zu arbeiten. Ich sehe oft Probleme in dem, was älteren Menschen da vorgeworfen wird, zum Beispiel in unserem Bezirk das Thema Zeitbank. Dort werden Menschen teilweise zu kleinen, gewerblichen Tätigkeiten übergeleitet, etwa die Reparatur eines Wasser­hahns oder eines Daches, vielleicht werden nur ein paar Schindeln ausge­wechselt. Auf einmal kommt die Wirtschaft und sagt: Da gibt es Probleme, das ist ja eine gewerbliche Tätigkeit! – Die Leute können das teilweise nicht selbst erledigen, weil sie nicht das Personal dafür haben. Da müssen wir den Menschen aber vielleicht mehr Freiwilligkeit zugestehen, weil auch das Thema zu Hause wohnen und die Vernetzung im ländlichen Raum ein ganz wichtiges ist. 

Wir sehen auch, dass der periphere Raum und der urbane Raum viele unter­schiedliche Ausgangspunkte haben. Die Vereinsamung findet meistens inden Städten statt, in den ländlichen Räumen sind die Seniorenorganisationen da, die Vereine – ob das Musikkapellen sind, Feuerwehren, bei denen generationsübergreifend zusammengearbeitet wird. An dieser Stelle richte ich all jenen einen großen Dank aus, die den Seniorinnen und Senioren ehren­amtlich Beistand und Hilfe leisten. 

Aber auch die Wohneinheiten werden sich in Zukunft verändern. Der Kollege aus Niederösterreich, glaube ich, hat das Beispiel aus Holland, aus den Niederlanden erwähnt. Da wird zurzeit vieles vorgelebt, wie generationsüber­greifend zusammengelebt werden kann, wie in Wohngemeinschaften, in Seniorenwohngemeinschaften zusammengelebt werden kann. Es soll aber auch angenommen werden. Es ist unsere Generation, die diese generationsüber­greifenden Lebensweisen vielleicht mehr leben sollte. Ich bin aus dem Innviertel, und der Innviertler sagt, einen alten Baum soll man nicht verpflanzen, der soll dort bleiben, wo er ist, aber ich glaube, wir müssen uns in Zukunft anders aufstellen. 

Die Generationen, die Jungen, die nachkommen, werden teilweise in den Städten ihre Studien absolvieren und dann dort wohnen. Wir müssen das Zusammen­leben irgendwo mit Freiwilligkeit, aber organisationsmäßig entsprechend selbst weiterentwickeln, und man muss sich Ziele setzen. 

Ich glaube, mein Ziel ist, mit 100 Jahren die Motorsäge zu starten. Vielleicht kommt Claudia Plakolm als Seniorenbundobfrau aus Oberösterreich und besucht mich dann beim 110. Geburtstag. (Heiterkeit.) 

In diesem Sinne: Alles Gute und danke schön für die Enquete. (Beifall.)

12.21

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Nun bitte ich Frau Landtagsabgeordnete Mag.a Marlene Zeidler-Beck um ihre Ausführungen. 

RN/35

12.21

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag, ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mit einem Dankeschön starten, einem Dankeschön an dich, liebe Frau Präsidentin, denn du hast nicht nur das Motto für den heutigen Tag vorgegeben, ich selbst habe dich hier immer als Brückenbauerin erlebt und vor allem auch als eine, die junge Frauen ganz besonders empowert. – Vielen Dank dafür. 

Ich möchte auch ein großes Dankeschön an meine Eltern sagen, die gerade auf meine kleine Tochter aufpassen und damit einmal mehr zeigen, wie wichtig Großeltern in einer Gesellschaft sind. Es gibt dieses schöne Sprichwort: Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen. Dieses afrikanische Sprichwort zeigt uns, glaube ich, wie wichtig Gesellschaft und Vielfalt sind, wenn es darum geht, Kinder großzuziehen. Meine kleine Tochter darf genau das erleben: von ihren gleichaltrigen Cousinen und Cousins, die als erste Spielkolleg:innen, als kleine Mini-Mes da sind, bis hin zu uns als Elterngeneration und eben zur Groß­elterngeneration, von der sie ganz andere Dinge lernt, vielleicht auch das eine oder andere mehr darf, aber auch das haben wir alle schließlich einmal genossen. 

Ich würde mir wünschen, dass wir genau diesen Gedanken, diesen positiven Zugang mitnehmen, dass nämlich jede Generation ihren Beitrag für eine Gesellschaft leistet, dass wir jeden mit seinen Fähigkeiten, mit seinen Kompe­tenzen wertschätzen, dass wir jeden aber auch zur Mitwirkung in die Pflicht nehmen, denn es braucht alle Generationen, um einen Staat zu machen. Ich bin davon überzeugt, nur dann können wir wirklich Brücken bauen, nur dann können wir gemeinsam wachsen und nur dann können wir den Herausforderungen der Zukunft, und davon gibt es ja viele, begegnen. Wenn ich dabei an uns in Niederösterreich denke: Wir haben gerade den Gesundheitsplan 2040 plus geschnürt, um den demografischen Herausforderungen zu begegnen. Da gibt es ganz, ganz viele Weichenstellungen, die in Zukunft auf uns warten. 

Ich stehe aber heute hier auch als Vertreterin einer Generation, die eigentlich so gar nicht mehr daran glaubt, dass sie einmal wirklich in Pension gehen wird, sagen wir, zumindest sehr laut daran zweifelt, dass sie dann wirklich davon wird leben können. Deswegen sind mir drei Dinge ganz besonders wichtig zu betonen: Zum einen appelliere ich an einen ganzheitlichen Blick auf das Thema Pensionen, wie ihn Mag. Zakostelsky heute schon angesprochen hat. Wir dürfen nicht nur über staatliche Pensionen sprechen. Wir müssen ganz besonders auch über die betriebliche und über die private Pensionsvorsorge sprechen. Wir müssen junge Menschen in der Finanzbildung stärken und auch ein Bewusst­sein dafür stärken. 

Ich möchte als Frau dafür appellieren, dass wir Frauen weiter stärken und dass wir insbesondere auch über eine automatisierte Form des Pensionssplittings laut nachdenken und Lösungen suchen. 

Ich möchte drittens auch auf den Ausbau der Kinderbetreuung zu sprechen kommen, denn der ist es auch, der den Eltern die Erwerbstätigkeit ermöglicht. Als Mutter freue ich mich, dass meine Tochter mit zwei Jahren in den Kindergarten gehen darf – in einen öffentlichen Kindergarten –, als Landtags­abgeordnete, als Gemeinderätin weiß ich aber auch, wie viel Herausforderung das ist und dass wir diese Herausforderungen nur gemeinsam stemmen können: Bund, Land und Gemeinden.

Ich glaube, genau das brauchen wir aber als Versicherung für die Zukunft für alle Generationen und um miteinander zu wachsen. – Vielen Dank. (Beifall.)

12.24 

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, daher schließe ich die Debatte. 

RN/36

V. Panel 3 „Pflege und Betreuung“

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir kommen nun zum Panel 3, den Referaten zum Thema „Pflege und Betreuung“. 

Ich ersuche wieder die Referentinnen und Referenten, ihren Beitrag vom Rednerpult aus abzugeben, wobei die Zeit von 7 Minuten pro Statement nicht überschritten werden soll. Wie bereits erwähnt beginnt das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken. 

Ich darf zu Beginn Frau Elisabeth Anselm um ihren Beitrag bitten. – Bitte schön, Frau Geschäftsführerin. 

RN/37

12.24

Elisabeth Anselm (Hilfswerk Österreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Damen und Herren hier und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Ich bin sehr dankbar, dass wir das Thema Pflege heute nicht aussparen. Ich weiß, es ist ein Thema, über das wir nicht so gerne sprechen, aber wir müssen darüber sprechen, Pflege ist ein Generationenthema.

Pflege ist ein Generationenthema weil 80 Prozent der Pflegegeldbezieher:innen zu Hause leben, weil viele von ihnen von Angehörigen gepflegt werden, und diese Angehörigen zu 41 Prozent ihre Kinder, Schwiegerkinder, Stiefkinder sind. Die 35 Prozent Ehe- und Lebenspartner und -partnerinnen, die ihre Lieben pflegen, sind jedenfalls immer auch Seniorinnen und Senioren, oft selber hoch­altrig, die einen riesigen Beitrag dazu leisten, damit diese Gesellschaft so funktioniert, wie sie es tut. Das ist ein riesiger Beitrag, den wir nicht übersehen dürfen. Pflegende Angehörige sind oft selbst schon im hohen Alter, die Kinder sind auch schon in ihren Sechzigern, manche schon in Pension. 

Wir alle wollen, dass die ältere Generation in Österreich einen würdigen Lebens­abend hat, dass wir möglichst lange zu Hause in der vertrauten Lebenswelt bleiben können – ein Wunsch, den die Menschen haben, aber auch ein Wunsch, der volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Das trifft sich ja nicht immer, aber in diesem Fall trifft sich das Gott sei Dank. Wir wollen Angehörige, pflegende Angehörige und Familienmitglieder mit dieser Aufgabe nicht alleine lassen. Pflege und Betreuung muss mit Qualität erfolgen und muss auch ressourcen­orientiert erfolgen. Das ist etwas, was ich vor allem jenen, die in der Politik stehen, nicht erzählen muss. Wir haben nicht nur bei den Finanzmitteln einen hohen Druck, wir haben auch einen hohen Druck beim Personal, nämlich beim Pflegepersonal. Das wurde schon angesprochen. 

Die Politik hat auf unterschiedlichen Ebenen einen Versorgungsgrundsatz ausgesprochen – vor allem für das Gesundheitssystem, aber er gilt genauso für die Pflege –, nämlich: digital vor ambulant vor stationär. Dieser Grundsatz ist meines Erachtens fachlich, organisatorisch und wirtschaftlich goldrichtig, denn wenn er gut umgesetzt wird, hilft er uns sicher, bedarfsgerecht und effizient zu versorgen. 

Wie steht es aber mit diesem Grundsatz in der Realität? Was haben wir da noch zu tun? Von wo aus starten wir? – Ich blende hier eine Folie ein, auf der Sie sehen, wie die Versorgungslandschaft in Österreich aussieht. (Die Rednerin unterstützt in der Folge ihre Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.) Man sieht hier, dass der Versorgungsanteil jener, die zu Hause leben – nämlich Pflegegeldbezieherinnen und Pflegegeldbezieher –, mit 85 Prozent sehr hoch ist, das heißt, wir pflegen und betreuen vor allem zu Hause und zu 15 Prozent in Pflegeheimen. 

Bevor ich näher auf diese Versorgungslandschaft, und was da vielleicht noch an Herausforderung auf uns wartet, damit wir das halten können, eingehe, ein Wort in aller Kürze zum Thema digital, ich komme am Schluss noch einmal darauf zurück: Digitalisierung muss uns nicht Angst machen, sie wird keine Menschen ersetzen, so viel ist einmal ganz klar, aber sie wird uns helfen, dass Menschen effizient arbeiten können, also dass Pflegekräfte digital dokumentieren können, was eine große Entlastung sein kann, oder dass Kontinuität und Sicherheit gewahrt werden, weil wir als Pflegedienste zum Beispiel in Zukunft dann auch auf Elga zugreifen können und unsere Daten dort einspeisen können, sodass die Versorgungskette in ihrer Kontinuität gut unterstützt ist. 

Da liegt Österreich im OECD-Vergleich noch ein Stück zurück. Da haben wir Aufholbedarf, aber es sind einige Weichenstellungen in diese Richtung schon erfolgt, was ich sehr positiv finde. Wir dürfen da aber nicht lockerlassen. Wir brauchen in der Langzeitpflege, damit die Digitalisierung voranschreitet, unbedingt einen Schub, das heißt, wir brauchen da sicher auch einen Fonds, der uns hilft, diese Digitalisierung so rasch wie möglich auf den Boden zu bekom­men, damit wir auch entsprechend effizient arbeiten können. 

Jetzt aber zurück zur Versorgungslandschaft: Diese Angehörigen, die die Menschen zu Hause so stark unterstützen und pflegen, werden das in vielen Fällen auch weiter tun. Es sind ja oft eben Partner, Ehepartner oder auch Lebensgefährten und -gefährtinnen. Bei den Kindern müssen wir beachten, dass die Wohnortmobilität sehr stark zugenommen hat, das heißt, dass da oft ein Stück Distanz zwischen dem Wohnort der alternden Eltern und dem der Kinder da ist, und wir müssen die steigende Frauenerwerbstätigkeit berücksichtigen, aber vor allem müssen wir berücksichtigen, dass der Pflegebedarf sich auch ein Stück verändert hat. 

Pflegebedürftig zu sein, heißt heutzutage, dass dies über mehrere Jahre so ist, also im Durchschnitt ist man in etwa sieben Jahre im Pflegegeldsystem. Das war vor 20, 30 Jahren noch sehr, sehr viel kürzer. Es ist ein großer Unterschied für einen Angehörigen oder eine Angehörige, ob man sich dieser Aufgabe viele Jahre zu stellen hat oder ob man dies einen überschaubaren Zeitraum lang tut. Das hat sich einfach verändert, das muss man der Fairness halber mit Blick auf die Angehörigen sagen. Auch die Komplexität hat sich verändert, ich erinnere nur an die Zunahme von Demenzerkrankungen. Das ist etwas, was für Angehörige oft sehr fordernd ist. Also auf die pflegenden Angehörigen müssen wir gut schauen, sonst wird es schwierig werden, dass wir diese Anteile halten oder auch nur annähernd halten können, wie wir sie da sehen. 

Ein Punkt, den ich schon angesprochen habe, sind die pflegenden Betreuungs­kräfte. Da möchte ich darauf hinweisen, weil das vorher gesagt wurde, dass die klassischen Pflegefachkräfte, diplomierten Fachkräfte und Pflegeassistenz­berufe, ein ganz eigener Bereich sind, der im Gesundheitsberuferegister hinterlegt ist. Das sind in etwa 158 000 Pflegefachkräfte. Wir haben dann zusätzlich noch Sozialbetreuungsberufe und auch Heimhilfen. 

Ein ganz eigener Bereich und nicht im Abtausch mit den klassischen Pflege­fachkräften sind die Personenbetreuer:innen in der 24-Stunden-Betreuung zu sehen. Das sind nicht dieselben Personen, also die laufen sich nicht gegenseitig den Rang ab oder können sich substituieren, das ist eine eigene Gruppe von Angelernten und zum Teil auch Laienpflegekräften mit viel Erfahrung, die eins zu eins im Haushalt pflegen, es ist eine andere Gruppe. Das ist oft ein Miss­verständnis, das nicht besonders günstig ist.

Hier sieht man etwas, das Sie vielleicht auch wissen sollten, nämlich dass die Pflegefachkräfte zu einem ganz großen Teil im stationären Bereich in den Spitälern, in den Pflegeheimen gebunden sind. Etwas, was ich Ihnen unbedingt noch mitgeben möchte, ist, dass auch im Bereich der Finanzierung die Mittel ganz deutlich in diesem langen Balken gebunden sind, das sind die stationären Dienste, also die Pflegeheime, der zweitgrößte Balken ist das Pflegegeld und der relativ kleine Balken ganz am Anfang sind die mobilen Dienste, noch viel kleiner ist der Balken bei der 24-Stunden-Betreuung. Also auch da sieht man, dass nicht nur sehr, sehr viel Personal, sondern auch Finanzmittel im stationären Bereich, den wir brauchen, gebunden sind, aber wir allen guten Grund haben, zu schauen, dass wir den Shift, den wir mit der Abschaffung des Pflegeregresses in Richtung der stationären Einrichtungen eingeleitet haben, was statistisch sichtbar ist, wieder auffangen und eindämmen. 

Was müssen wir daher tun? – Erlauben Sie mir noch vier Sätze: Wir müssen die Pflege in die Zukunft beamen, mit Digitalisierung Entlastung, Sicherheit und Kontinuität schaffen. Wir dürfen die Menschen nicht alleine lassen, wir müssen Betroffene und Angehörige besser begleiten und an der Hand nehmen. Wir müssen Unterstützung bieten, die wirklich hilft, also die Versorgungslandschaft intelligent und bedarfsgerecht weiterentwickeln. Wir müssen für Fairness für die Pflege zu Hause kämpfen, sei es in der 24-Stunden-Betreuung oder sei es in den mobilen Diensten und den wohnortnahen Angeboten. Ich könnte ganz, ganz viel darüber erzählen, Sie finden dazu zur freien Entnahme eine Unterlage, in der das ein bisschen genauer hinterlegt ist. Zur 24-Stunden-Bereuung wird Sabine Rödler heute noch etwas sagen. 

Mit diesen Worten – ich könnte noch viel mehr sagen, wie Sie alle sicher auch zu Ihren Themen – darf ich mich für Ihre Geduld bedanken und ein weiteres gutes Diskutieren und Auseinandersetzen mit diesen wichtigen Fragen wünschen. – Herzlichen Dank. (Beifall.) 

12.32

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste darf ich Frau Birgit Gerstorfer um ihren Beitrag bitten. – Bitte, Frau Vizepräsidentin.

RN/38

12.32

Birgit Gerstorfer (Pensionistenverband Österreichs): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Als Frau in den besten Jahren – ich darf ein bisschen auf Frau Präsidentin Korosec hinweisen –, als Frau in der besten Phase meines Lebens darf ich hier bei dieser Enquete sprechen und glaube, dass wir etwas gemeinsam haben, nämlich Erfahrungen. Wenn man im öffentlichen Leben steht, begegnet einem fast jede Woche, wie es bei mir ist, jemand, der nachfragt, wie es denn mit der Pflege aussieht und wie man helfen kann, Pflege zu organi­sieren, denn das ist wirklich eine Überforderung der Menschen und bringt manchmal sehr viel Verzweiflung in die Familien.

Als Interessenvertreterin für die ältere Generation vertrete ich den Pensionisten­verband. Auf unserer Seite, auf der Homepage kann man lesen, dass wir eine „menschenwürdige, leistbare Pflege für alle, die sie benötigen“, fordern. Das ist natürlich ein sehr komprimierter Satz, aber er beinhaltet die zentralste Forderung des Pensionistenverbandes: die Leistbarkeit, die eine Selbstverständ­lichkeit sein muss, die Menschenwürde, die eine Selbstverständlichkeit sein muss, und natürlich auch die Notwendigkeiten, die darum herum sind. 

Es konnten in der Vergangenheit schon viele Verbesserungen erzielt werden, viele Eckpfeiler, viele Eckpunkte sind erledigt, aber es ist sicher noch ein langer Weg vor uns, und die im Jahr 2019 versprochene Pflegereform ist noch nicht da. Es gab einzelne Verbesserungen, aber diese echte Pflegereform, der große Wurf, diese Pflegereform aus einem Guss, die fehlt. Es gibt nach wie vor einen riesengroßen Pflegekräftemangel, es gibt nach wie vor verschiedensten Verquickungen auf der finanziellen Ebene der unterschiedlichen Geldgeber und es gibt ein sehr, sehr buntes Leistungsspektrum, das eindeutig harmonisiert gehört.

Ich freue mich sehr, dass Sie jetzt so viel über pflegende und betreuende Angehörige gesprochen haben, denn im öffentlichen Diskurs findet diese Zielgruppe kaum Beachtung. Sie ist der größte Pflegedienst dieses Landes, das sieht man auf allen Folien, aber ich sehe keinen Balken für finanzielle Zuwendung für diese Zielgruppe. (Die Rednerin unterstützt in der Folge ihre Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Wie schaut die Pflege zurzeit in Österreich aus? – Wir haben auf der einen Seite tolle Pflegeeinrichtungen, wir haben tolle Pflegekräfte, die sich motiviert und engagiert zeigen und die viel Engagement und Herzblut in ihre Arbeit leben, aber auf der anderen Seite hat das System natürlich auch einen massiven Druck. Die Pflegekräfte sind oft überlastet, viele Menschen haben Schwierig­keiten, die notwendige Hilfe zu erhalten oder finden den Weg nicht zur notwendigen Hilfe. 

Was bedeutet das? – Wir müssen uns überlegen, wie wir auf all diese Heraus­forderungen reagieren. Die demografischen Zahlen, die wir heute gehört haben, zeigen uns, dass sich besonders mit Ende der Dreißigerjahre, wenn die Babyboomergeneration in das pflegebedürftige Alter kommt, diese Situation noch einmal massiv verschärfen wird und wir jetzt schon in diese Richtung Steuerungsmaßnahmen setzen müssen, damit wir da weiterkommen.

Wer ist dafür verantwortlich? – Natürlich die Politik. Die Pflegepolitik in Österreich ist aktuell von einer Dezentralisierung geprägt, es gibt viele Zuständig­keiten, tatsächlich viele unterschiedliche Grenzen, Bezirksgrenzen sind oft eine Hürde für Pflegebedürftige, die kaum überwindbar sind. Wir haben eine Vielfalt von unterschiedlichen Diensten, guten Diensten, die aber nicht überall zugänglich sind. Manchmal sind viele und weite Wege zu gehen, damit man das erreichen kann, und die finanzielle Belastung für die Familienange­hörigen oder die Pflegebedürftigen selbst ist auch enorm hoch.

Was ein Problem ist, ist die Verwobenheit der Zuständigkeiten von Gemeinden, Sozialhilfeverbänden, Ländern, Bezirksverwaltungsbehörden und Bund. Von überall wird ein bisschen mitgezahlt, in den Bundesländern, wenn man das vergleicht, ganz unterschiedlich, und das ist natürlich auch etwas, das die Kostenintensivität steigert und nicht reduziert. Wir müssen da auf jeden Fall ansetzen, wir müssen uns anschauen, wie wir die Pflegekosten gerechter verteilen können. Es ist einfach nicht hinzunehmen, dass Menschen, die in einem Bezirk in einem Bundesland leben, andere Leistungen erhalten als im Nachbarbezirk. In den Bundesländern ist es sowieso massiv unterschiedlich, das darf in Österreich nicht geduldet werden. 

Wir schließen Menschen von Leistungen ganz offiziell aus, denn für eine 24-Stunden-Betreuung – und ich betone: Betreuung, nicht Pflege – braucht man eine bestimme Raumkapazität, man braucht eine bestimmte Geldtasche, um sich das leisten zu können. Es ist eine Frage des Einkommens genauso wie bei der Kurzzeitpflege, die in jedem Bundesland anders geregelt ist, genauso wie bei Tageszentren, die es eh nur marginal gibt, aber in Oberöster­reich haben wir zumindest eine Spreizung zwischen 30 und 120 Euro pro Tag, und das ist einfach für viele gänzlich unleistbar.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte. Es ist ein anspruchsvoller Beruf, es muss da viel getan werden. Ich sehe dem mit Freude entgegen, dass die neue Bundesregierung die Pflege als eine Leistung einordnet, die in der Schwerarbeit angesiedelt sein wird. Das bedeutet wirklich etwas sehr Positives für die Menschen. Mir ist es auch wichtig zu sagen, dass der Pensionistenverband auf seine Mitglieder hört und sich natürlich anhört, was die zu sagen haben, da gibt es viele Hinweise.

Wichtig, wirklich wichtig ist die Verbesserung der Situation für pflegende und betreuende Angehörige. Wenn wir die nicht stärken, werden die Systeme danach noch viel stärker belastet sein und die Systeme danach schaffen das jetzt schon nicht, geschweige denn in Zukunft, wenn die vielen großen Geburtskohorten kommen und in die Pflege drängen. Wir brauchen eine Pflege­politik in Österreich, die die Herausforderungen stemmt, die weit in die Zukunft blickt, denn das ist ganz, ganz wichtig. 

Ich sehe, dass wir jetzt Diskussionen über das Pensionsantrittsalter führen: Wenn meine Kinder bis 67 arbeiten müssen, muss ich bis 93 durchhalten, bis sie in der Lage sind, mich zu unterstützen. Meine Mutter ist mit 55 in Pension gegangen, da war ihre Mutter 79. Das macht einen relevanten Unterschied für unsere Gesellschaft aus – im Übrigen auch in der Kinderbetreuung.

Ganz klar ist: Die Organisation der Pflege, die politischen Entscheidungen betreffen uns alle irgendwann einmal, entweder als pflegende, betreuende An- und Zugehörige oder als Betroffene. Dann sollen wir auf eine Vergangen­heit blicken, von der wir sagen können: Die Politik hat die richtigen Schritte gesetzt. – Danke schön. (Beifall.)

12.40

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Nun darf ich Frau Dr. Sabine Rödler um ihren Beitrag ersuchen. – Bitte, Frau Präsidentin.

RN/39

12.40

Dr. Sabine Rödler (Verein Friedrich-Karl-Weniger-Gesellschaft): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Teilnehmer hier und vor den Bildschirmen! Was Frau Gerstorfer und Frau Anselm gesagt haben, kann ich nur bestätigen. Ich stehe hier vor Ihnen als Angehörigenvertreterin und damit der größten Pflegegruppe, die es in Österreich gibt.

Täglich landen Problemfälle aus Österreich bei mir und deswegen möchte ich Sie gern einladen: Verlassen wir kurz die bemüht verbale Schreibtischebene aus Politik und Verwaltung! Kommen Sie mit mir auf drei Stippvisiten in die Wohnungen derer, die zu Hause gepflegt werden, und ihrer Familien – denn das, was bei ihnen nicht klappt, sind letztlich genau die Folgen dessen, dass man im System der Pflege und Betreuung zu Hause zu lang weggeschaut oder nicht hingeschaut hat. Es sind genau die Brücken, die nicht gebaut worden sind.

Fangen wir einmal an bei einer Mittfünfzigerin, die mit schwerer multipler Sklerose seit fünf Jahren im Rollstuhl sitzt! Warum? – Weil es bei ihr um das Thema Pflegegeld ging, eine ganz wichtige Unterstützung, die die Familien dringend brauchen. 3,5 Jahre hat ihr Kampf ums Pflegegeld gedauert. Warum? – Weil erst nach drei Jahren vor Gericht endlich auch ein Neurologe als Gutachter beigezogen wurde, der bestätigt hat, was drei Jahre zuvor schon in allen Befunden stand. Dazwischen haben ihr drei Gutachter unterstellt, dass sie simuliert: ein praktischer Arzt, ein Sportmediziner und eine Radiologin. Drei Jahre lang hat diese junge Dame kein Pflegegeld bekommen. Dass sie es dann endlich mit Pflegestufe 4 erhalten hat, war eine Erleichterung.

Gehen wir weiter zu Markus, der seine demente Mutter pflegt! Er wollte eigentlich nur eines, und zwar: Er wollte die Bewilligung der Kasse für die Inkontinenzhosenverordnung für seine demente Mutter. Nach Wochen kam die erste Ablehnung, denn der Kasse fehlte die Demenzdiagnose auf diesem Verordnungsschein. Die war leicht ergänzt. Nach Wochen wieder eine Ablehnung, weil die Kasse auch noch wollte, dass ein Hausarzt bestätigt, dass sich die Mama die Hose auch allein an- und ausziehen kann. Zwei Monate später bewilligt, aber mit folgendem Beisatz: Sie wissen schon, wenn die Mama dann schwerer inkontinent ist, zahlen wir es nicht mehr, weil die Einlagen dicker sind, das ist uns zu teuer. Geheimtipp: Einmal waschen im Schonwasch­gang halten die Einweghoserln schon aus.

Besuchen wir zum Schluss noch Lydia, eine gelähmte Patientin und selbst Betroffene, die in Oberösterreich wohnt! Sie hat sich nämlich mächtig im Bürokratiedschungel verirrt, als es darum ging, dass sie Hilfe beim Duschen brauchte. Zuerst hat das die Volkshilfe-Mitarbeiterin mitgemacht, aber nach Wochen kam die große Aufregung – sie darf das nämlich gar nicht. Ja, wäre Lydia schon 65, dann dürfte sie das schon, aber sie ist halt noch nicht 65, und da braucht es dann eine persönliche Assistenz. Dafür braucht es einen neuen Antrag. Das Formular muss man einmal bewältigen, das Informations- und Zuständigkeitsdickicht durchschauen, und wenn man Glück hat, hat man nach drei Monaten dann die persönliche Assistenz. Tüpfelchen am I ist vielleicht, dass es für die Pflegegeldbezieherin teurer kommt als für jemanden ohne Pflege­geldanspruch – und dass die Assistenz auch noch teurer als die Volkshilfe-Stunde war.

Ich könnte Ihnen noch zig solcher Geschichten erzählen, meine Redezeit ist aber knapp. 

Über all dem schwebt bei uns Familien das Damoklesschwert: Wie sollen wir das eigentlich zahlen? Es wurde angesprochen: 3 000 Euro pro Monat kostet allein die Betreuung. Miete, Wohnung, Strom sind darin noch nicht einge­rechnet. Das eigene Haus verkaufen, ein zweiter Job – und trotzdem wird das Minus am Konto oft monatlich größer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde mir heute nur eines wünschen: dass Sie sich an meine Worte erinnern. Und zwar nicht erst, wenn Sie selbst oder ein Familienmitglied es – hoffentlich nie! – brauchen, sondern schon morgen, wenn Sie wieder an die Schreibtische der Verwaltung und im Parlament zurückgekehrt sind, wenn Sie dort für unsere Zukunft die Weichen stellen.

Dem Finanzminister würde ich sagen – wenn er fordert, jeder wird seinen Beitrag leisten müssen –: Wir Angehörige tun das schon. Nur: Wenn es uns das System nicht leichter macht, organisatorisch und finanziell, dann können wir es nicht stemmen. Dann bleibt leider nur als einziger Ausweg einer der raren Plätze im durchsubventionierten und durchorganisierten Pflegeheim. Das kann wohl nicht im Interesse des Herrn Finanzministers sein, das kostet ihn nämlich mindestens das Doppelte, und schon gar nicht ist es im Interesse von uns Betroffenen, die dann nämlich nicht mehr die freie Wahl haben, ob sie daheim oder auch im durchaus guten Heim einen Platz finden.

Diese Betroffenen und ihre Familien, für die ich heute stellvertretend hier stehe, das sind letztlich Ihre Wähler, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete. Wir setzen auf Sie, dass Sie die Weichen für die Zukunft stellen – und zwar für eine gute Zukunft! –, dass sie die richtigen Brücken bauen, sodass das System der Betreuung daheim für Familien leistbar und auch bezahlbar bleibt. Denn auch Sie und Ihre Familien könnten morgen schon die Nächsten sein, die genau das brauchen, und dann soll es ein gutes System sein. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall.)

12.47

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Ausführungen. 

Damit ist Panel 3 abgeschlossen und ich bedanke mich nochmals für die sehr interessanten Beiträge.

RN/40

VI. Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden des Bundesrates

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Statements der Fraktionsvorsitzenden, und ich darf diese ersuchen, ihren Beitrag ebenfalls vom Rednerpult aus abzugeben und die Zeit von 5 Minuten pro Statement nicht zu überschreiten. Das Prozedere mit dem Lämpchen ist den Damen und Herren ja bekannt.

Ich darf zunächst, in Vertretung des Herrn Fraktionsvorsitzenden der ÖVP, Herrn Bundesrat Ernest Schwindsackl um seinen Beitrag ersuchen. – Bitte, Herr Bundesrat.

RN/41

12.48

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Vorweg herzlichen Dank für die Initiative für diese heute stattfindende großartige Enquete. Werte Vortragende! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer und Zuseherinnen und Zuseher! „Mit 20 hat jeder das Gesicht, das Gott ihm gegeben hat, mit 40 das Gesicht, das ihm das Leben gegeben hat, und mit 60“ – und darüber – das, „das er“, sie „verdient“ hat. – Zitat Dr. Albert Schweitzer.

Heute, anlässlich dieser hörens- und sehenswerten Enquete „Miteinander wachsen – Brücken der Generationen bauen“, ging es ja nicht um Gesichter oder gar um Verjüngungspräparate. Es ging um elementare inhaltsbetonte Beiträge, vom Altern und intergenerationaler Solidarität über die Hürden und Hilfen bei der Pension, beim Pensionsübergang, über Engagement und Sinnfindung im Ruhestand, über finanzielle und rechtliche Vorbereitungen bis zur Gesundheit. Wir wissen alle: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“, wie Schopenhauer das so wunderbar dargestellt hat. Wir haben heute einen bunten Frühlingsstrauß mit fundierten Exper­tisen von namhaften Expertinnen und Experten vorgetragen und präsentiert bekommen. Dafür ein herzliches Danke. 

Die Senioren und Seniorinnen stellen, wie wir auch schon gehört haben, einen großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Faktor in den Gemeinden, in den Bezirken und in den Ländern dar. Alleine in meinem Heimatbundesland Steiermark haben 365 712 Personen das sechzigste Lebensjahr über­schritten –und das bei einer Gesamteinwohnerzahl von rund 1 250 000 – und erfreuen sich, natürlich auch aufgrund der steirischen Lebensqualität, best­möglicher Gesundheit und Betreuung; ebenso übrigens auch in den anderen Bundesländern unseres wunderschönen Österreichs. 

Viele Senioren und Seniorinnen sind in ihrer Pension – auch schon angeführt – mit Enkerlbetreuung, in der Nachbarschaftshilfe und in sozialen Vereinigungen aktiv. Das ist ein enorm großer, unbezahlbarer Dienst an der Gesamtgesell­schaft. An dieser Stelle sei auch die Arbeit der ehrenamtlichen Seniorenverbände und der zahlreichen seniorenadäquaten Organisationen dankend erwähnt, die vielen älteren Menschen den Alltag durch ihr vielseitiges, umfangreiches, lehrreiches Angebot verschönern und auch erleichtern. 

Auch die zahlreichen Senioreninitiativen der Bundesregierung seien erwähnt: Anreize für das Weiterarbeiten in der Pension, Stichwort Älterenbeschäftigungs­paket – Arbeit in der Pension muss sich auch lohnen –; Maßnahmen gegen die Altersdiskriminierung, Beispiel: analoge Antragsoptionen der öffentlichen Verwaltung sind neben digitalen ebenso vorzusehen; Kontoüberziehungen; Kredite; die gesundheitlichen Eignungsuntersuchungen betreffend Führerschein ab 70 dürfen nicht vom Alter, sprich von der Geburtsurkunde, abhängig gemacht werden. Eine inklusive Gesellschaft bedeutet, niemanden zurückzulassen. Barrierefreiheit im Wohnbau und im öffentlichen Raum wurden auch bereits angeführt. Altersgerechte, klimafitte Städte, Sitzgelegenheiten, Ampelschaltungen, abgesenkte Gehsteige und vieles mehr stehen im aktuellen Regierungs­programm. Wir sind auf einem guten weiteren Weg, der dem heutigen Titel „Brücken der Generationen bauen“ auch gerecht wird. Wir Älteren sind nur etwas früher geboren. 

Schließen möchte ich mit George Orwell: „Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen“ etwas „eiliger an ihr vorbei“. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

12.53

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich darf nunmehr den Fraktionsvorsitzenden der SPÖ, Herrn Bundesrat Stefan Schennach, um seine Ausführungen ersuchen. – Bitte, Herr Fraktionsvorsitzender.

RN/42

12.53

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Danke sehr, Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist jetzt in kürzester Zeit – Herr Prof. Kolland und ich haben uns heute schon fast wie gute Freunde begrüßt – die dritte Enquete in sehr kurzer Zeit zu diesem Thema. Aus sozial­demokratischer Sicht begrüße ich, dass wir zu dieser bereits dritten Enquete zu diesem ganz, ganz wichtigen Thema zusammengefunden haben. 

Eines ist mir ganz besonders wichtig – niemand hat heute gesagt, dass das Umlageverfahren unsicher ist –, nämlich, dass die Pensionen sicher sind und dass man endlich in öffentlichen Debatten aufhört, Menschen, vor allem die Jugend, zu verunsichern. 

Zweitens: Letztes Mal gab es schon auch eine Meldung, bei der ich damals einen Einspruch erhoben habe, heute muss ich den Einspruch nicht erheben. Die allgemeine Forderung nach einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters war heute nicht zu hören, und das ist richtig so. Man kann nicht alle Berufe über einen Kamm scheren und darf nicht die Berufskarrieren, die körperliche und geistige Belastung in den verschiedenen Berufen einfach negieren und sagen, es wird zwei Jahre länger gearbeitet. – Das ist nicht notwendig und soll auch nicht sein!

Einige Dinge sind uns aber besonders wichtig, und zwar erstens, dass man gesund in die Pension geht, denn: Wie sieht es aus, wenn man krank in Pension geht oder wenn man aus einer Arbeitslosigkeit in die Pension geht? – Das ist menschenunwürdig. Und da haben auch die Unternehmen eine besondere Verantwortung, darauf zu achten, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesund, in einer gesunden Atmosphäre arbeiten und ihren Arbeitsplatz so lange wie möglich haben. Ich glaube, das ist ganz wichtig. 

Das Nächste ist: Die älteren Menschen in Betrieben sind Fachkräfte. Diese Fachkräfte gehören unterstützt und weitergebildet. Das ist eine ganz besondere Form der Verantwortung, die Unternehmen haben, dass es am Ende eine menschenwürdige und ausreichende Pension gibt. 

Das Riesenproblem – das haben heute die jungen Diskussionsteilnehmer auch angesprochen –, wenn wir Menschen viel zu lange in prekären Beschäftigungs­formen halten, wenn wir den Job viel zu lange hinauszögern und zehn Jahre lang in Praktika halten, ist, dass dann am Ende – und vor allem bei Frauen – eine entsprechende finanzielle Absicherung, was die Pensionen betrifft, fehlt. 

Aber eine solche Forderung habe ich heute schon gehört. Anfang der 2000er-Jahre sind wir hier in diesem Raum – also damals waren wir noch in einem anderen Raum, aber in dieser Kammer – Sturm gelaufen dagegen, das Umlage­verfahren auf die Börse und auf private Ebenen zu hieven. Heute sehen wir, wer für eine derart wahnsinnige Politik in Amerika wahrscheinlich zum Handkuss kommt: nämlich die Pensionsvorsorge und die Pensionskassen, denn jetzt stürzen die Börsen. 

Letzter Satz: Erstens, die Erwerbsmäßigkeit hat zugenommen – bei Männern ab 50 um plus 44; bei den Frauen hat sie sich sogar verdoppelt. Auch das tatsäch­liche Pensionsantrittsalter ist gestiegen. Bei Frauen von 56,8 auf 60,2 Jahre und bei Männern von 58,5 auf 62,2 Jahre. Wenn wir diese Zahlen um Invaliditäts- und Frühpensionen bereinigen, dann sind sie noch viel dramatischer und positiv. Das heißt, wir müssen alles daransetzen, Menschen zu befähigen, zum tat­säch­lichen Pensionsantrittsalter zu kommen. 

Da auch ein Appell an die Unternehmen: Ein Drittel aller österreichischen Unternehmen hat keine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über 60. Das ist eine Form der Diskriminierung, die nicht richtig ist. Frau Müllauer, bei Ihnen ist mir ein Satz aufgefallen. Ich habe unlängst mit einer Leiterin einer Senioren­residenz geredet, und die hat gesagt: Der Unterschied ist, wenn heute jemand zu uns kommt, ist die erste Frage nicht: Wann sind die Essenszeiten?, sondern: Gibt es hier freies W-Lan? Das heißt, wir sind in einer völligen Modernisierung, und das ist auch gut so. Danke schön an alle, die heute hier diskutiert haben, und an alle Referentinnen und Referenten. (Beifall.)

12.59

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zum Abschluss gelangt, in Vertretung des Fraktionsvorsitzenden der FPÖ, Frau Fraktionsvorsitzende-Stellvertreterin Marlies Doppler zu Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.

RN/43

12.59

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir vom Brückenbauen hören, denken wir unwillkürlich an etwas Verbindendes. Ufer werden miteinander verbunden; Täler werden miteinander verbunden; auch Generationen werden eben miteinander verbunden.

Wenn man Menschen über Generationen sprechen hört, fällt einem oft auf, dass sie über die Unterschiede sprechen. Anstatt das Verbindende vor das Trennende zu stellen, werden oft unnützerweise Vorwürfe kreiert: Die Alten sind ja zu nichts mehr zu gebrauchen!, sagen die Jungen. Mein Gott na, die Jungen sind ja viel zu unreif, um dies oder das zu erledigen!, sagen die Alten. Brücken bauen schaut anders aus. 

Miteinander wachsen bedeutet, voneinander zu lernen. Die älteren Generationen haben Erfahrungen, reiches Wissen, Weisheiten, die sie mit uns teilen können. Die jüngeren Generationen bringen in ihrer sprudelnden Art frische Ideen und Perspektiven ein, mit welchen wir die Welt verändern können. Es ist wie ein großes Puzzle: Jeder hat ein Stück und miteinander wird dann das Ganze kreiert.

Der Satz: Früher war ja alles besser! stimmt so nicht ganz. Was stimmt, ist, dass tatsächlich früher vieles anders war. Ob das tatsächlich besser war oder nicht, ist eine Frage der Interpretation und des Empfindens jedes Einzelnen. 

Etwas, das aus meiner Sicht früher tatsächlich besser war, war der Umstand, dass die Generationen enger miteinander verbunden waren. Kinder wurden großteils zu Hause erzogen, betreut, was zu einer engen Bindung zwischen Jung und Alt führte. Es ist ganz selbstverständlich gewesen, dass, sagen wir, die Älteren sich um die Jüngeren gekümmert haben. Sie haben uns nicht nur das Sprechen gelehrt, das Gehen, das Laufen, sondern auch das Lachen, das Teilen und das Leben. In ihren Geschichten finden wir Inspiration und in ihren Umarmungen fanden wir Geborgenheit.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Wenn nämlich die Zeit vergeht, kehrt sich dieses Verhältnis um. Die Jungen, die einst unter den schützenden Flügeln der Älteren aufwuchsen, werden nun zu denjenigen, die sich um die Alten kümmern. Sie geben zurück, was sie empfangen haben: Liebe, Für­sorge und Respekt.

Es ist ein wunderschöner Kreislauf des Lebens und zeigt, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein. Daher ist es auch wichtig, dass dieser wertvolle Kreislauf nicht unter die Mühlsteine der modernen Zeit gerät. In einer Welt, die sich ständig verändert, sollten wir nie vergessen, wie wertvoll diese Beziehungen über die Generationen hinweg sind. Sie lehren uns, dass wir alle Teil eines gesamten Bildes sind, dass wir in Generationen denken müssen. Die Alten und die Jungen, wir miteinander, wir gemeinsam bilden das Gesamtbild ab.

Es sollte eigentlich nicht wundern, dass in einer Zeit, in der die Familie als Solidar­gemeinschaft nicht mehr so als Normalzustand angesehen wird, die Heraus­forderungen in den Bereichen Pflege und Pensionen besonders groß sind. Daher braucht es mehr Unterstützung und Anerkennung für pflegende Angehörige und auch für jene mit Betreuungsverpflichtungen gegenüber Kindern. Es braucht mehr Unterstützung für Familien und weniger Bürokratie. Begreifen wir wieder die Familie als Keimzelle und Kern unseres Gemeinwesens, denn die stärkste Brücke befindet sich innerhalb der Familie. (Beifall.)

13.04

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die abschließenden Beiträge. 

RN/44

VII. Schlussworte der Präsidentin

RN/45

Vorsitzende Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Mir bleibt jetzt nur, Ihnen ganz herzlich für die Teilnahme zu danken, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Nationalrat, Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat und auch aus den Landtagen und Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, die Sie uns via Livestream zugeschaut haben. 

Ich habe die Diskussion als sehr interessant und vor allem beeindruckend empfunden, von welchen Seiten man dieses Thema beleuchten kann. Es ist ein Gesellschaftsthema, es ist nicht nur ein Seniorenthema, denn nur gemeinsam können wir die Probleme und Herausforderungen lösen. Ich darf mich bei den Referentinnen und Referenten für die sehr interessanten Beiträge bedanken. 

Ich habe Verschiedenes mitgeschrieben – hier nur ein paar Highlights für mich: Herr Professor Kolland hat gesagt, jeder soll noch Präsidentin oder Präsident werden. Also schauen wir mal, wie viele Präsidentinnen und Präsidenten wir bekommen. 

Dr. Henning hat mit der provokanten Aussage „Gehen Sie auf keinen Fall in den Ruhestand!“ von Eric Kandel versucht, uns in die Thematik einzuführen. Auch ich bin der Meinung, dass man nicht in den Ruhestand gehen, sondern immer etwas tun sollte. Manche sind anderer Meinung, aber das, haben wir gesehen, kann jeder für sich dann entscheiden.

Frau Mag. Müllauer hat auf die unterstützende Funktion der Familie hingewiesen und darauf, wie wichtig die Arbeit für die „Strukturierung des Tagesablaufes“ ist. 

Die von mir sehr geschätzte Frau Präsidentin Korosec hat uns Mut empfohlen, „sich selbst neu zu erfinden“. – Das tust du ja jeden Tag und das kann für uns nur Anregung sein, uns auch weiterhin neu zu erfinden und Neues auszu­probieren. 

Herr Dr. Zakostelsky hat uns gebeten, „Brücken (...) über die ideologischen Gräben“ zu bauen, um das Pensionssystem zukunftssicher zu machen. 

Frau Dr. Rippel-Schmidjell hat gesagt, dass wir selbstbestimmt vorsorgen sollen. 

Frau Mag. Braunegger-Kallinger hat uns gesagt, wie wichtig gesundes Altern und Gesundheitsförderung sind sowie „Altersfreundlichkeit des Arbeitsplatzes“ und altersfreundliche Städte und Gemeinden – auch da habe ich einiges mitgenommen; und dass die Altersbilder vielfältig sind, haben wir dann in dem eindrucksvollen Film gesehen. 

Frau Dr. Perfahl hat uns sehr eindringlich gezeigt, wie wichtig es ist, sich zu verändern, gerade wenn es um die Wohnsituation geht und man vielleicht doch den einen oder anderen Widerstand überwinden soll. Frühzeitige Planung und natürlich auch die korrekte Unterstützung sind wichtig.

Das abschließende Panel, in dem es unter anderem um Pflege und Betreuung zu Hause ging, war für mich auch sehr interessant, da ich mitgenommen habe, dass man die Menschen nicht alleine lassen soll. 

Von dir, liebe Elisabeth Anselm, habe ich mitgenommen, wie wichtig Fairness für die Pflege zu Hause ist; und du, liebe Birgit Gerstorfer, hast hingewiesen auf diese Verwobenheit der Zuständigkeiten, auf die Notwendigkeit einer gerech­teren Verteilung der Pflegekosten, auf das Problem der Leistbarkeit und darauf, dass die Situation der pflegenden Angehörigen verbessert werden muss.

Sehr beeindruckt haben mich die von Ihnen, Frau Dr. Rödler, gebrachten Beispiele aus der Praxis. Da kann man dann wirklich nachvollziehen, worum es da geht. Ich glaube, da sind wir dann alle mitgenommen worden und wissen um die Problematik dieses Pflegebereiches. 

Klar ist auch, dass wir uns jetzt nicht einfach an den Schreibtisch setzen und sagen, okay, wir hatten diese Veranstaltung, sondern wir müssen weiter helfen, weiter denken. Also vielen, vielen Dank! 

Danke auch für die Beiträge der Fraktionsvorsitzenden zu diesem Thema, die ich auch als sehr wertschätzend empfunden habe.

Mir war es wichtig, zu zeigen, dass die Seniorinnen und Senioren einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten. Das ist von allen Damen und Herren unterstrichen worden. Auch dafür bin ich sehr dankbar. 

Dann bleibt mir nur mehr übrig, Sie jetzt anschließend in die Säulenhalle zu einem Zusammentreffen zum Essen und Trinken und zu einem weiteren interessanten Austausch einzuladen. Vielen, vielen Dank dafür, dass Sie heute da waren und sich so intensiv in die Debatte eingebracht haben! (Beifall.) 


Die Enquete ist geschlossen.

RN/46

Schluss der Enquete: 13.08 Uhr

 

 

 

 

 


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