Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 93

gerichtshofes sind so gestaltet, daß tatsächlich jeder Richter seine Meinung einbringen kann und seiner Meinung zum Durchbruch verhelfen kann. Und ich erwarte, daß die Richter des Verfassungsgerichtshofes mit ihrer Meinung im Gerichtshof auftreten und versuchen, ihre Rechtsmeinung dann auch im Urteil verankert zu sehen und nicht anderswo. Ich glaube, daß es nicht gut ist, wenn diejenigen, die an einer Urteilsfindung mitwirken und ein Erkenntnis maßgebend bestimmen können, die ersten Kritiker dieses Erkenntnisses sind. Das ist falsch, und das ist für das Urteil und für die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes sicher nicht gut, meine Damen und Herren.

Mich hat auch das sehr überzeugt, was Bundesrichter Dr. Müller gesagt hat, der meinte: Wir brauchen natürlich ein sehr starkes Mitwirkungsrecht der Richter – dieses Mitwirkungsrecht soll unter Umständen sogar öffentlich sein –, aber wir brauchen die Solidarität mit dem Urteil, mit dem Erkenntnis, das einmal gefällt worden ist, und diese Solidarität ist eben nicht gewährleistet, wenn einzelne Richter ausbrechen und sagen können: Ich bin mit dem Urteil, mit dem Erkenntnis nicht einverstanden. Diese Solidarität mit dem Erkenntnis, mit dem Urteil ist aus meiner Sicht ganz wichtig und sollte beibehalten werden. Das ist auch das große Plus, das den Verfassungsgerichtshof heute auszeichnet, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich noch ein letztes Argument vorbringen, das der langjährige österreichische Richter im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Dr. Franz Matscher, geäußert hat. Er meinte nach 22jähriger Erfahrung mit dem Minderheitsvotum, daß die Unabhängigkeit des Richters zumindest gefährdet ist (Abg. Mag. Stadler: Das glaube ich auch! Bei dem Bestellungsmodus schon!), und ich meine, daß das schon aus diesem Grunde auch ein Gesichtspunkt ist, der mitzuberücksichtigen ist.

Entscheidend ist schlußendlich die Autorität eines Urteiles, die Autorität, die wir einem Erkenntnis des höchsten Gerichtshofes beimessen. Anhand dieser Frage – und zwar nur anhand dieser Frage – sollten wir entscheiden und überlegen, ob die Diskussion zu diesem Thema weitergeführt werden soll, und wir sollten auch entscheiden, ob es gut oder schlecht ist, wenn wir das Minderheitsvotum zulassen.

Wir sind zu der Meinung gelangt, daß es der Autorität des Gerichtshofes, der Autorität eines Erkenntnisses schaden würde. Aus diesem Grund können wir dieses Instrument nicht positiv bewerten. (Beifall bei der ÖVP.)

14.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlußwort.

Wir treten daher sogleich in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar über den Antrag des Verfassungsausschusses, das Stenographische Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema "Einführung des Minderheitsvotums am Verfassungsgerichtshof" III-151 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Für den Fall Ihrer Kenntnisnahme bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Das Protokoll ist daher einstimmig angenommen.

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1392 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (1443 der Beilagen)


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite