Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 152. Sitzung / 30

hinwegzusetzen. Dagegen wehre ich mich als Sozialdemokrat, und dagegen wehre ich mich auch als Mitglied des Freien Wirtschaftsverbandes im Sinne der klein- und mittelständischen Unternehmer. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte.

9.55

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Bereits 237 Dörfer in Österreich haben keinen Nahversorger mehr, allein in Tirol sind es 35. Dies ist sicher eine Entwicklung, die wir alle hier nicht wollen. Besonders betroffen ist natürlich der ländliche Raum mit seiner geringen Bevölkerungsdichte. Wird ein Supermarkt eröffnet, wird stets verkündet, wie viele Arbeitsplätze dadurch entstehen. Aber wie viele Arbeitsplätze durch ihn verlorengehen, wird nicht in Rechnung gestellt. Man müßte auch diese Rechnung anstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn im Dorf das letzte Geschäft zugesperrt hat, ergeben sich Schwierigkeiten in erster Linie für ältere Menschen, die kein eigenes Auto zur Verfügung haben, und für junge Mütter mit Kindern, deren Mann mit dem Auto zur Arbeit gefahren ist und die daher tagsüber ebenfalls über kein Auto verfügen.

Natürlich ist es auch eine Sache des Bewußtseins der Konsumenten. Ich kann nicht erwarten, daß das Lebensmittelgeschäft oder das Gemischtwarengeschäft im Dorf überlebt, wenn ich dort nur einkaufe, was ich im Supermarkt vergessen habe. Das wird ja leider vielfach so gemacht. Ich muß das mit allem Nachdruck ins Bewußtsein rufen. Wir von der Bäuerinnenorganisation haben heuer den Schwerpunkt "Nahversorgung" gesetzt, um diesbezüglich Bewußtsein zu schaffen. Wenn im Dorf ein Geschäft einmal zugesperrt hat und dann nach großen Protesten und mit Hilfe der Gemeinde wiedererweckt worden ist und wieder aufgesperrt wurde, dann ist dieses Bewußtsein weit eher vorhanden und dann wird auch das ganze Sortiment genützt. Es wird dort wieder viel mehr eingekauft.

Daß die Konzentration der Marktmacht sehr groß geworden ist, wissen wir. Damit ist aber auch eine Wettbewerbsverzerrung gegeben, denn Großmärkte kaufen wesentlich günstiger ein, und sie haben viele Voraussetzungen, die der Kleine so nicht hat. Ich bin dafür, daß wir ein Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis doch wieder einführen, denn Lockartikel drücken unsere Preise. Schauen Sie sich an, was in der letzten Sonntags-"Krone" angeboten wird: Schweinsschulter, das Kilo 29,90 S, Schweinsschnitzelfleisch, das Kilo 49,90 S. Was bewirkt das? – Es bewirkt, daß der kleine Metzgerbetrieb zusperren muß, daß er nicht mehr mitkommt, und es bewirkt, daß der Bauer zugrunde geht. Es ist ganz unmöglich, zu solchen Preisen zu produzieren, und es ist meiner Ansicht nach moralisch nicht zu vertreten, daß Lockartikel in solcher Zahl und zu solchen Preisen angeboten werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Vielfach liegt es aber auch an der Raumordnung und an den Ländern. Im Sinne der Raumordnung wird heute ein Einfamilienhaus dann am besten gefördert, wenn es auf einem sehr kleinen Grund steht, 600 Quadratmeter zum Beispiel. (Abg. Scheibner: Hier regt ihr euch auf, dabei macht ihr doch selbst in den Ländern und Gemeinden diese Politik! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Die Grundgröße spielt bei Großmärkten dagegen anscheinend eine zu geringe Rolle. Man müßte dafür sorgen, daß Großmärkte die Infrastrukturkosten zu tragen haben, daß mehrgeschoßig gebaut werden muß, daß Tiefgaragen errichtet werden müssen, denn sonst ist die Kostenwahrheit zwischen Großmarkt und Nahversorger überhaupt nicht gegeben.

Eine gut funktionierende Nahversorgung ist für das gesellschaftliche Leben im Dorf sehr wichtig. Zur Nahversorgung gehört natürlich auch die ärztliche Versorgung. Es gehört dazu, daß die Schule im Dorf bleibt. Wenn Politik als Aufgabe sieht, mehr soziale Gerechtigkeit zu bringen und eine Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens, so muß der Konzentration der Marktmacht entgegengewirkt werden. Markt allein kann es nicht sein. Es muß soziale Marktwirtschaft sein, ja es muß ökosoziale Marktwirtschaft sein.


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