Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 59

wird es kein noch so hartherziger Landtagsabgeordneter durchstehen, auf Dauer dagegenzustimmen. Warum sollten nicht auch in Landtagen Fünfparteien- oder Vierparteieneinigungen – je nach der Zahl der dort vertretenen Parteien; in den meisten Fällen abhängig von der Gerechtigkeit des Wahlrechtes –, einstimmige Beschlüsse zustande kommen, wenn sie hier im Hohen Hause heute möglich sind?

Bleibt mir zum Schluß zu sagen: Der Österreichische Rundfunk ist schon eine Enttäuschung! Auch wenn er sich rühmt, da relativ viel zu machen: Er macht zuwenig! All das, was schon geschehen ist, ist positiv zu sehen – ich möchte nicht, daß etwas zurückgenommen wird –, aber es ist zuwenig.

Wenn wir auch gehörlose Menschen in jeder Hinsicht ernst nehmen und in jeder Hinsicht integrieren wollen, dann müssen wir sie insbesondere am politischen Leben in größtmöglichem Umfang teilnehmen lassen. In diesem Verständnis engagiert sich auch das Liberale Forum bei eigenen Veranstaltungen für den Einsatz von Gebärdendolmetschern. Das ist aber noch nicht die Lösung. Die Lösung wäre in diesem Fall zum Beispiel, daß politische Diskussionen, die im Fernsehen ablaufen, überhaupt nicht mehr möglich sind, ohne daß auch ein Gebärdendolmetsch zum Einsatz kommt. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Der Punkt, den wir erreichen müßten, wäre, daß es bei überhaupt keinem Sendungsfenster, das sich von seiner Struktur her dafür eignet, Gebärdendolmetsche einzusetzen, mehr vorstellbar wäre, daß Hörende im Fernsehen anrufen und fragen, warum kein Gebärdendolmetsch im Einsatz ist. – Ich meine, bis zur Erreichung dieses Punktes ist noch ein weiter Weg zurückzulegen.

Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk sollte nicht warten, bis er vom Nationalrat aufgefordert wird. Er sollte das eigentlich selbst als öffentlich-rechtliche Aufgabe erkennen. Und da er auch gebührenfinanziert ist, dürfte auch das finanzielle Argument kein entgegenstehendes sein.

In diesem Sinne hoffe ich, daß dieser Appell, den ich von diesem Pult aus an den Rundfunk richte, erfolgreich ist, denn direkte Zugriffsmöglichkeiten sind in der Realität tatsächlich nicht vorhanden – aber die menschlichen Zugriffsmöglichkeiten müßten doch auch einmal genügen. Muß es immer ein Gesetzesbefehl sein, wenn es darum geht, etwas zu tun, was ohnedies alle als richtig bezeichnen? – Ich zweifle daran. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen sowie Beifallskundgebungen auf der Galerie.)

12.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Frau Abgeordnete, Sie haben eine Redezeit von 5 Minuten gewünscht. (Abg. Mag. Stoisits: 5 Minuten nur, oje!) Sie können auch mehr haben. – Bitte.

12.39

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedaure ganz besonders, daß Theresia Haidlmayr heute nicht hier sein kann – sie ist krank, das ist der Grund dafür –, denn Theresia Haidlmayr ist jene Person, die mich persönlich am meisten sensibilisiert hat für die Probleme von gehörlosen Menschen.

Ich bin von der heutigen Situation hier deshalb irgendwie positiv betroffen, weil ich heute etwas zum ersten Mal erlebe: daß Publikum im Nationalrat, nämlich Besucher und Besucherinnen, Beifall kundtun können, ohne daß der Präsident sie rügt. Das dürfen nämlich hörende Menschen nicht, die dürfen nicht klatschen – aber Sie dürfen es! Das berührt mich, das finde ich toll. Ich glaube, es ist für Sie eine außergewöhnliche Situation, daß Sie sozusagen einmal einen Vorteil haben. Es ist ein ganz kleiner, aber mich macht er nachdenklich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von Theresia Haidlmayr habe ich auch den heute bereits vom Kollegen Guggenberger verwendeten Ausdruck "people with special needs" zum ersten Mal gehört – das stimmt, ich sage das ehrlich. Ich finde diesen englischen Ausdruck als die beste Zusammenfassung, als den besten Ausdruck, wenn es um Menschen geht, die anders


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite