Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 88

Strauß: "getaufter Jude". Man hat diese Seite 110 herausgerissen und eine neue ohne diesen Zusatz wiedereingefügt. Die Strauß-Walzer waren damit "arisiert", und die Volksgenossen konnten sich guten Gewissens wieder dieser Musik erfreuen. – Das ist ein absurdes Detail am Rande dieser Vernichtungsmaschinerie.

Es wird immer wieder argumentiert: Warum rühren sich diese Ausgeraubten erst jetzt, warum nicht schon früher? – Erstens stimmt dieses Argument nicht, es wurden immer wieder diesbezügliche Vorstöße gemacht, und zweitens kommt noch etwas dazu, und auch hier möchte ich einen Betroffenen darüber sprechen lassen, Peter Herz,, Textdichter so bekannter Wienerlieder wie "In einem kleinen Café in Hernals":

"Meine Wohnung wurde nach meinem Auszug von Nazis geplündert; alles wurde weggeschleppt, darunter auch mein Markenalbum, das viele Raritäten aufwies, mir als wertvolles Relikt aus meiner Jugendzeit viel bedeutete. Was zählt das, was mir in der Nazizeit widerfuhr, aber gegen das unermeßliche Leid der vielen anderen? Fast nichts!" – Und das war auch die Überlegung dieser Betroffenen.

Robert Dachs hat es sich zu seinem Lebenswerk gemacht, diese ausgeraubte, vertriebene, vernichtete Kultur aufzuzeigen, und ich möchte ihm hier Anerkennung und Dank aussprechen. Er hat sehr oft über die Mühen der Archivarbeit berichtet und wie schwierig es ist, den Zugang zu diesen Archiven zu bekommen. Die Akten gab es ja: Penibel listete die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie, wie das die jüngst gefundenen Akten der VOEST zeigen, alles auf.

Es geht jetzt darum, daß nichts mehr verschwindet, daß Gerechtigkeit geschaffen wird, wo man sie noch schaffen kann, und daß Klarheit geschaffen wird. Wir wünschen der Historikerkommission bei ihrer schwierigen Arbeit viel Erfolg. Unser Antrag, dem meine Fraktion gerne die Zustimmung gibt, soll ihr diese Arbeit erleichtern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

14.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Morak. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.40

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Worum geht es hier? – Meine Vorrednerin hat darüber schon einiges erzählt. Ich lese dazu kurz folgenden Satz vor:

Die Bundesregierung wird ersucht, in allen Archiven der Behörden des Bundes und der nachgeordneten Dienststellen für die Zeit der Tätigkeit der Historikerkommission für den Erhalt der bestehenden Aktenbestände zu sorgen beziehungsweise die Vernichtung von Akten zu verhindern. – Zitatende.

Ich meine, daß diese Absicht in Ordnung geht, daß das löblich ist, daß das gut und redlich ist. Wir geben diesem Entschließungsantrag selbstverständlich auch unsere Zustimmung, das ist klar.

Ich denke nur, daß das Ganze ein bißchen zu kurz greift. Das Ziel dieses Hauses muß es sein, ein Archivgesetz zu machen, sodaß gesetzlich festgeschrieben wird, was aufgehoben und archiviert zu werden hat. Zweitens geht es um Richtlinien dafür, wann, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen skartiert wird. Drittens: Wie sind die Bedingungen für die Benützung dieser Archive?

Es gibt in praktisch allen europäischen Ländern Archivgesetze. Man muß in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß in Österreich der 20jährige Tiefschlaf des BKA dafür ausschlaggebend ist, daß verabsäumt worden ist, ein Archivgesetz zu schaffen. Historiker haben in den letzten 20 Jahren darauf hingewiesen, daß die nötige Klarheit für den Zugang zu Archiven fehlt, um entsprechend arbeiten zu können. Man muß als Politiker selbstkritisch anmerken, daß wir lange so getan haben, als wäre das ein "Orchideenthema". Ich denke, daß sich die Zeiten geän


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