Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 173

Auch diese Vertriebenen waren unschuldige Opfer! Dieser zu gedenken und moralisch oder finanziell Wiedergutmachung zu leisten, ist jedoch auch heute noch verpönt und wird allzuoft mit der "Totschlagkeule" des Faschismusarguments belegt. Aber im Unterschied zu den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus wurden die Henker und Mörder dieser Opfer nie gerichtet, sondern durch die Beneš-Dekrete freigesprochen und oft auch, wie der sogar im Westen umjubelte Staatspräsident des Prager Frühlings, General Ludvik Svoboda,XXXvgl.Häu gefeiert.

Meine Damen und Herren! Es ist sehr hoch an der Zeit, auch hier die Wahrheit auszusprechen und diesen Opfern endlich materiell, vor allem aber moralisch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Hören Sie doch endlich auch auf die Stimme Ihres Gewissens! Können Sie mir sagen, worin sich diese Opfer unterscheiden? Warum wurden jetzt zum Beispiel für die jüdischen Opfer des Krieges Bestimmungen auch betreffend Fristen aufgehoben? Warum können für diese – zu Recht! – Mittel flüssiggemacht werden? Und wieso haben diese Menschen, die Sudetendeutschen, kein Recht darauf, Herr Kollege Dietachmayr? – Diese Antwort haben Sie hier an diesem Pult ganz deutlich verweigert! Sie haben sich an Ihr Manuskript geklammert, wahrscheinlich weil Sie Ihr schlechtes Gewissen davon abgehalten hat, auf diese Frage zu antworten! Das ist die Realität hier in diesem Haus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann an Sie, meine Damen und Herren, nur appellieren: Zeigen Sie, daß Sie nicht zwischen solchen und solchen Opfern unterschieden! Zeigen Sie das mit Ihrem Abstimmungsverhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.38

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Vertriebenen ist sicherlich nie allein eine finanzielle und materielle. Jedes Mal, wenn wir hier ernsthaft solche Themen diskutieren, müssen wir bedenken, daß wir von dem Standpunkt auszugehen haben, daß immer dann, wenn Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen, Folterungen, Tötungen – vor allem in diesem Jahrhundert – erfolgt sind, Unrecht begangen wurde und diese Folterungen, Tötungen und Vertreibungen Unrecht waren und Unrecht bleiben. Das muß ein moralischer Grundsatz sein, zu dem sich alle sich zu Menschenrechten bekennenden Politiker unbedingt aussprechen müssen! (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens: Die Sudetendeutschen ereilte nach 1945 das Schicksal, daß sie brutal innerhalb weniger Stunden vertrieben wurden, und zwar rund 3,5 Millionen Menschen, wobei etwa 245 000 Menschen den Tod gefunden haben. Dieses Schicksal darf ganz einfach nicht vergessen werden! Die Frage ist nur, welche angemessenen Möglichkeiten wir haben. Denn wir können dieses Schicksal nicht Schilling um Schilling, Krone um Krone aufrechnen, um das Unrecht wiederum halbwegs auszugleichen, indem wir versuchen, die eine oder andere materielle Besserstellung zu erreichen. Vielmehr müssen wir alle gemeinsam die Frage beantworten, wie es uns gelingt, jene Dekrete, die unter dem Titel "Beneš-Dekrete" zusammengefaßt sind, aus der Welt zu schaffen. Mit diesen Dekreten ist Unrecht legalisiert und Unrecht als Recht deklariert worden. (Abg. Dr. Graf: Der Außenminister sagt das Gegenteil! – Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer.) Das heißt: Wir müssen gemeinsam in bilateralen und internationalen Bemühungen dieses Unrecht aus der Welt schaffen! (Abg. Dr. Graf: Sagen Sie das Ihrem Außenminister!)

Herr Kollege! Sie verstehen wenig davon, aber das ist egal, denn wer immer in der Frage mit uns übereinstimmt, daß die Beneš-Dekrete damals schon Unrecht waren und immer Unrecht bleiben werden, solange sie existieren, ist mir recht im Kampf gegen dieses Unrecht! Denn Unrecht muß beseitigt werden und kann nie Recht werden! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Sagen Sie das Herrn Dietachmayr!)


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