Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 156. Sitzung / 111

Heute stehen wir davor, daß wir letztlich helfen müssen, und zwar aus wahrem Eigeninteresse, Herr Nußbaumer. Wir müssen heute versuchen, dieses brasilianische Loch zuzuschütten – aus eigenem Interesse, weil wir kein Interesse daran haben, daß daraus ein schwarzes Loch wird, das die lateinamerikanische Wirtschaft in einen Strudel zieht.

Herrn Stummvoll ist zuzustimmen. Was er sagt, ist richtig. Daher wird diese Zusage, den österreichischen Anteil an dieser Hilfe hier zu beschließen, auch von den Liberalen mitgetragen.

Ganz kurz vier Punkte, die aufzeigen sollen, wo meiner Ansicht nach Reform wirklich nötig ist.

Der erste Punkt ist – ich habe ihn kurz angetönt –, die Nationalstaaten an ihre wirtschaftliche Verantwortung zu erinnern – dort liegt das erste Übel – und die internationalen Organisationen tätig werden zu lassen, bevor jene Situation eintritt, die in Brasilien ja absehbar war. Diese ist ja nicht explosiv oder implosiv eingetreten, sie war absehbar! Dort ist in den letzten Jahren bereits der Fehler passiert, und zwar im Einfluß auf die dortige wirtschaftliche Entwicklung.

Das zweite wird wohl sein, daß die Finanzanleger dieser Welt in einem neuen Weltfinanzsystem, das wir dringend brauchen, lernen werden müssen, daß Renditen zu lukrieren das eine ist, aber Verluste hinzunehmen das andere. Kapital kann nicht immer wachsen, Kapital muß auch vernichtet werden.

Der dritte Punkt ist die Reduzierung der Realzinsen unter das reale Wachstum. Nicht wir Österreicher werden das tun, wir werden es im weltweiten Finanzsystem diskutieren müssen. Die Realzinsen können nicht langfristig über dem realen Wachstum liegen, weil das ja heißen würde, daß das Kapital eben wesentlich schneller als die Wirtschaftsleistung wächst und über den Zinseszinseffekt einen immer größeren Teil der wirtschaftlichen Leistung an sich zieht, womit automatisch weniger für die Lohneinkommen übrigbleibt.

Und der vierte Punkt: Wir brauchen eine prinzipielle Reform in den internationalen Strukturen – ob das die Bank für den Internationalen Zahlungsausgleich ist, ob das der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank ist.

Herr Finanzminister! Das wird das österreichische Parlament nicht bestimmen, aber ich glaube, daß da eine Fülle von Aufgaben für Sie als europäischer Teilnehmer des ECOFIN-Rates und als Vertreter – soweit Sie es selbst sind – in den internationalen Organisationen vor Ihnen liegt, daß Österreich seine Stimme erheben und eine Reform einmahnen sollte, bevor wir im Strudel einer wirklichen europäischen Finanzkrise untergehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.44

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja im Finanzausschuß relativ ausführlich über diese Vorlage diskutiert, und es ist in der Tat seit der Diskussion im Finanzausschuß in Brasilien einiges passiert. Von Brasilien wurden jene Vereinbarungen, die mit dem IWF im Hinblick auf Budgetkonsolidierung und Währungsstabilität unter strikter Anbindung an den Dollar getroffen worden sind, nicht eingehalten. Es ist überhaupt keine Frage, daß auch aufgrund dieser Situation zwischen dem IWF und der brasilianischen Regierung neue Verhandlungen darüber stattfinden müssen, unter welchen Konditionen – der Betrag von 41 Milliarden Dollar ist noch nicht zur Verfügung gestellt worden, bisher sind 9 Milliarden Dollar geflossen – künftighin die von der Staatengemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel dann auch tatsächlich nach Brasilien fließen werden.

Ich gebe Ihnen schon recht, daß auch aufgrund der Ereignisse des letzten Jahres in verschiedenen Bereichen unserer Welt ein Überdenken der internationalen Finanzstrukturen und bei Bedarf auch entsprechender Finanzhilfen stattfinden muß.


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