Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 184

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Michael Krüger. – Bitte.

21.34

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Einwendungsdebatte haben Kollegen von meiner Fraktion bereits darauf hingewiesen, worum es der ÖVP bei dieser wichtigen Materie offensichtlich gegangen ist. Mit Recht sprechen Sie, Herr Justizminister, von einem Meilenstein. Ob dieser positiv oder negativ ist, wird von mir noch zu beleuchten sein. Sie kennen meine Einstellung dazu. Aber mit Recht sprechen Sie von einem Meilenstein, und mit Recht haben meine Kollegen darauf hingewiesen, daß es der ÖVP darum geht, daß dieses Gesetz hier zu einer wenig publikumswirksamen Zeit abgehandelt und beschlossen werden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der mit ihren Unterlagen beschäftigten Abg. Dr. Fekter.)

Denn ich kann eines an Ihren Mienen sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren – herzlichen Dank für den Applaus, Frau Kollegin Fekter! –, so lange kenne ich Sie bereits, und teilweise schätze ich Sie auch wirklich außerordentlich: Ich kann an Ihren Mienen förmlich erkennen, daß Sie in Wirklichkeit ein ganz negatives Gefühl beschleicht, wenn Ihnen durch die Vorsitzende des Justizausschusses nahegelegt wird, hier diesem Gesetz zuzustimmen. (Abg. Dr. Trinkl: So schlecht ist es nicht!)

Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, Herr Kollege Trinkl, und sagen, das sei keine Entkriminalisierung. Einigen wir uns einmal darauf, was es heißt, kriminell zu sein, eine kriminelle Handlung, eine strafbare Handlung zu begehen! Wenn Sie jetzt sagen: Abstrakt ist sie ja strafbar, weil sie noch im Gesetz pönalisiert ist, aber im konkreten Fall ist sie nicht strafbar – bitte, das ist doch ein Streit um des Kaisers Bart! In Wahrheit geht es um den größten Entkriminalisierungsschritt des Strafrechts seit Broda! Das sei einmal festgestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß Sie da zustimmen, wundert mich wirklich, weil Sie – Herr Kollege Trinkl und meine geschätzten Damen und Herren von der Volkspartei – sich damit in ein Boot mit denjenigen setzen, die den Gedanken der gefängnislosen Gesellschaft noch immer vor Augen haben, nämlich mit jenem Spektrum, das auf der linken Seite dieses Hohen Hauses vertreten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Trinkl: Nein! Das ist ein Irrtum!)

Meine Damen und Herren! Kollege Jarolim, ich muß dir eines sagen: Ihr seid da weit hintennach. Ihr seid mit eurer Gesellschaftspolitik hintennach. Schau einmal die Sicherheits- und Justizpolitik in England an, von deinem Parteifreund Tony Blair, der mit Recht sagt: "Law and order is a labour issue." Dort seid ihr noch lange nicht. Ihr seid auch mit diesem Gesetz nicht modern, das in Wirklichkeit die größte Entkriminalisierung bedeutet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier einmal mit einigen Unrichtigkeiten aufräumen. Ich darf bei Ihnen beginnen, Herr Minister. Es ist ganz einfach nicht richtig – ich bitte Sie, daß Sie sich davon distanzieren –, wenn Sie hier den Abgeordneten plausibel machen wollen, daß der außergerichtliche Tatausgleich nur bei Zustimmung des Opfers stattfindet. (Abg. Mag. Stadler: Lies es vor!) Genau dasselbe hat dann Herr Kollege Trinkl nachgebetet. Wie schaut es da aber wirklich aus?

Im § 90g Abs. 2 steht: "Der Verletzte ist in Bemühungen um einen außergerichtlichen Tatausgleich einzubeziehen, soweit er dazu bereit ist. Das Zustandekommen eines Ausgleichs ist von seiner Zustimmung abhängig, es sei denn, daß er diese aus Gründen nicht erteilt, die im Strafverfahren nicht berücksichtigungswürdig sind." (Abg. Mag. Stadler: So!) – Da haben wir es! Das ist ein ganz klares Schlupfloch!

Bleiben wir bei dem Beispiel von Frau Kollegin Schmidt. Meiner Ansicht nach – das muß ich Ihnen ehrlich sagen – ist die Würde jedes Menschen gleich, ob das ein Polizist ist oder nicht, aber gesetzt den Fall, daß das Opfer nicht bereit ist, zuzustimmen, dem Beschuldigten die Hand zu geben, weil dieser ihm beispielsweise die Zähne eingeschlagen hat, und das Gericht dann sagt, daß das keine berücksichtigungswürdigen Gründe sind, weil – das ist ja unglaublich! – er


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite