Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 195

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, der soeben referiert wurde, steht ebenfalls als korrekt eingebracht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

22.19

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eingangs muß ich der SPÖ wirklich gratulieren, und zwar aus vollster Überzeugung: Ihnen ist da etwas ganz Großartiges gelungen! Hätten Sie nämlich bei dieser Vorlage in die Begründung oder auch in die politische Argumentation die Erklärung hineingebracht, daß Sie mit dieser Vorlage einen großen Schritt hin zu Ihrem Ziel, der gefängnislosen Gesellschaft, machen wollen (Abg. Dr. Fekter: Nein, das wollen wir nicht!) – das hätte durchaus der Wahrheit entsprochen (Abg. Dr. Fekter: Nein, Herr Scheibner, das wollen wir nicht!) –, dann hätte sich hier natürlich, oder zumindest hoffentlich, Widerstand von seiten der ÖVP geregt. (Abg. Dr. Fekter: Natürlich!) – Natürlich, sagt Frau Fekter.

Aber so geschickt sind Sie schon, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion mit Ihren Kollegen von den Grünen und von den Liberalen, daß Sie wissen, daß Sie damit Probleme bekommen würden. Sie haben das Ganze daher statt "gefängnislose Gesellschaft" eben "Diversion" genannt (ironische Heiterkeit der Abg. Mag. Stoisits), und schon stimmt die ÖVP freudig zu. Frau Fekter argumentiert hier, obwohl sie das Gesetz anscheinend gar nicht so richtig gelesen hat (Abg. Dr. Fekter: Vielleicht kann ich gar nicht lesen!), und es gibt hier eine große Mehrheit für diesen Schritt hin zur gefängnislosen Gesellschaft.

Daß wir dazu unser klares Nein sagen, Frau Kollegin Fekter, das sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Auch von Ihnen sollte freilich ein Nein kommen, zumal Sie zumindest draußen vor dem Wähler immer so tun, als ob Ihnen die Rechte der Opfer ein Anliegen wären, und immer erklären, daß Sie alles tun, um der Kriminalität und den Kriminellen Schranken zu setzen.

Worum geht es denn in Wahrheit, meine Damen und Herren? – Sie haben eine Maßnahme, die vielleicht im Jugendstrafrecht nützlich ist, in dem man vor allem bei jugendlichen Ersttätern möglichst große Milde walten lassen und ihnen nach Möglichkeit einen Weg zurück in die Gesellschaft weisen soll, in das allgemeine Strafrecht übernommen: das Institut des außergerichtlichen Tatausgleiches. Sie haben damit in Wahrheit die Möglichkeit geschaffen, sich bei Delikten mit einer Strafdrohung bis zu fünf Jahren – und darunter fällt die große Mehrzahl der Delikte – durch eine Geldbuße oder durch irgendwelche angeblich sozialen Tätigkeiten von einer Strafe freizukaufen.

Man wird nicht einmal vor den Richter geführt, es gibt kein Urteil, es gibt nicht einmal eine Entscheidung wie etwa bei einer Strafverfügung. Da gibt es dann diesen Geldbetrag von 180 Tagsätzen – auch das ist ein merkwürdiges Strafmaß: Das ist ja gerade die Hälfte von der Höchstbemessung einer Geldstrafe.

Herr Justizminister! Da werden etwa die Tätigkeiten in sozialen Einrichtungen mit wenigen Wochen begrenzt, und außerdem – es wurde ja schon angesprochen – wird der Schadenersatz oder die Schadenswiedergutmachung von der Billigkeit für den Täter abhängig gemacht! – Man kann also wirklich nicht von einem Opferschutz, von einem Vorteil für die Opfer reden, sondern es wird vieles von dem, was wir auch in den letzten Tagen hier diskutiert haben, ad absurdum geführt.

Erinnern Sie sich doch, Herr Justizminister: Gestern haben wir hier eine Debatte geführt und waren alle einhellig der Meinung, daß man ein ganz furchtbares Delikt, nämlich die Beschneidung von Frauen, auch in Österreich der entsprechenden Strafe zuführen soll, daß man vom österreichischen Rechtsstaat aus ein klares Signal setzen soll, daß solche Handlungen eine schwere Körperverletzung darstellen und von uns geahndet werden. Mit dieser heutigen Maßnahme haben Sie all das, was gestern hier gesprochen wurde, ad absurdum geführt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite