Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 84

hoffe, daß diese Debatte hier auch noch ernster geführt werden wird, und nicht nur theatralisch! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Gute Rede! Ausgezeichnet!)

14.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.02

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Diese Debatte ist durch die Verquickung des Berliner Gipfels und der Kosovo-Frage tatsächlich etwas belastet. Denn die Inhalte hängen so wenig zusammen, daß es einfach unangenehm ist. Ich möchte mich daher ausschließlich der Frage der tragischen, verbrecherischen und menschenrechtswidrigen Ereignisse im Kosovo zuwenden und vor diesem Hintergrund den humanitären Anspruch der Republik Österreich verproben, in der Hoffnung, daß sich die Anstrengungen verbessern werden, und zwar insbesondere im politischen Raum.

Was die humanitäre Seite anlangt, hat Österreich nämlich gerade im politischen Raum sträflich versagt. Es hat in seiner Präsidentschaftsphase sträflich versagt. Wir haben heute wortreiche Ausführungen darüber gehört, daß sich der Konflikt im Kosovo, der jetzt in eine äußerst grausame Phase getreten ist, schon längst abgezeichnet hat. Wir haben heute auch gehört, daß manches schon 1998 zum Erkenntnisstand gehörte. Man mußte befürchten, daß sich dort Flüchtlingstragödien ereignen werden, und zwar dann, wenn der Konflikt weiter eskaliert und wenn – was dann, durchaus nicht überraschend, tatsächlich eingetreten ist – sich das Regime in Belgrad zwar Verhandlungen stellt, diese aber nicht redlich führt, sondern in Wahrheit konsequent den Weg seiner nationalistischen, gewalttätigen und mörderischen Politik weitergeht.

Hätte man die Phase der Präsidentschaft, insbesondere im Rat der Innenminister, dazu benützt, innerhalb der Union gemeinsame Regeln für das solidarische Handeln im Falle solcher Flüchtlingskatastrophen zu entwickeln, dann hätten wir jetzt die nötigen Werkzeuge zur Verfügung und wären nicht in der mißlichen Lage, daß sich durchaus zeigt, daß die Europäische Union sich in dieser Frage keineswegs vorbildlich verhält – und die Republik Österreich in ihren öffentlichen Äußerungen des dafür zuständigen Innenministers schon gar nicht. Denn der erste bedingte Reflex von Bundesminister Schlögl war: Wir nehmen überhaupt niemanden. – Der zweite Reflex war dann – was auch immer dazwischen geschehen sein mag –: Wir nehmen allenfalls bis maximal 5 000.

Zu diesem Zeitpunkt war von einer Hilfe vor Ort noch überhaupt nicht die Rede. Der erste Reflex war: Wir tun gar nichts. – Daß sich das mittlerweile gewandelt hat, kann ich nach den Worten des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten schon akzeptieren. Aber auch der Bundeskanzler hat wieder von "5 000 und allenfalls mehr" gesprochen.

Ich meine, es ist an und für sich zynisch, hier über Zahlen zu sprechen, wenn man weiß, daß die Flüchtlingszahl insgesamt bereits siebenstellig geworden ist, also die Millionengrenze weit überschritten hat, und daß es auch dann, wenn wir uns – so wie auch das Liberale Forum – dazu bekennen, daß wir nicht das Geschäft des Herrn Milošević betreiben dürfen, indem wir die ganze Region dort entvölkern und die Vertriebenen und die Flüchtlinge weit weg absiedeln, noch hinlänglich viele geben wird, die wir nicht in der Region werden halten können, weil sie besonderer Hilfe bedürfen, weil sie selbst unter brauchbaren Bedingungen dort nicht in einem Auffanglager verbleiben können, weil sie medizinischer Betreuung bedürfen et cetera, oder weil sie eben auch familiäre Anknüpfungspunkte in den Ländern der Union haben.

Wenn man sich die Zahlen vergegenwärtigt – sie werden vom UNHCR täglich veröffentlicht –, dann sieht man folgende Diskrepanz: In Österreich haben wir mit heutigem Stichtag 324 Flüchtlinge aufgenommen, in Deutschland sind 9 974 Flüchtlinge aufgenommen worden. Es war also offenbar möglich, eine wesentlich größere Zahl – auch unter Beachtung der Sicherheitsrisken, die es dort gibt – in ein Land zu bringen, das zur Aufnahme geneigt war.


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