Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 168. Sitzung / 91

eine überschießende Tendenz auf, das ist ganz logisch. Daher müssen klare Kriterien vorgegeben sein, die immer wieder revidiert werden müssen, damit es zu keiner überschießenden Tendenz kommt.

Derjenige, dem man eine Palette von Mitteln in die Hand gibt, ist, wenn er unkontrolliert arbeiten kann, dazu geneigt, das stärkste, das heißt, das für ihn erfolgversprechendste Mittel einzusetzen und nicht das gelindeste. Das liegt in der Natur der Sache. Es ist falsch, das dann nachträglich ausdrücklich zu moralisieren – wenn die Dienstaufsicht nicht funktioniert, wenn es keine Supervision, keine Schulungen und keine begleitende Betreuung gibt.

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen: Wie halten wir es oder wie hält es das Innenressort, aber auch die übrige Bundesverwaltung – in diesem Fall das Innenressort – mit dem Disziplinarrecht und seiner Anwendung?

Es existiert ein Disziplinarrecht, das offenbar überhaupt keine präventive Wirkung mehr entfaltet. Die Leute sind sich ganz sicher: Wenn wir bei Gericht mit einem blauen Auge davonkommen, dann ist das Disziplinarverfahren auch schon so gut wie erledigt. Eigentlich sollte das Disziplinarrecht dazu da sein, daß man selbst dann, wenn es noch nicht zu einer gerichtlich strafbaren Handlung gekommen ist, die betreffenden Beamtinnen und Beamten disziplinieren kann, indem man sie in die Schranken weist, innerhalb welcher sie arbeiten müssen, damit die Menschenrechte zum Beispiel nicht verletzt werden.

Daher ist ein wichtiger Aspekt für diesen Untersuchungsausschuß die Klärung der Frage: Wie wird das Disziplinarrecht bei Dienstpflichtverletzungen gehandhabt?, und zwar ohne den strafrechtlichen Aspekt zu vernachlässigen, aber er darf nicht im Vordergrund stehen, sondern er bildet den Hintergrund der Vorgangsweise, wie es abläuft. Denn wenn jemand von den Strafgerichten verurteilt wird, dann kann ich nur sagen ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) No na! Dann gehört ein Disziplinarverfahren her. Aber auch dann, wenn kein Strafverfahren abgelaufen ist, ist das notwendig. Aber daß das dem Abgeordneten Harald Ofner nicht gefällt, kann ich in diesem Fall nicht verstehen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Ofner: Ich höre gar nicht, was du sagst, aber du redest zuviel!) Wenn ich dich zur Firma Neuroth schicken muß, mußt du mir das rechtzeitig sagen, dort gibt es Hörgeräte.

Die Frage, die der Untersuchungsausschuß zu klären hat, ist der politische Gehalt der Abläufe, der politische Gehalt der Üblichkeiten, der politische Gehalt der Tatsache, daß drei Beamte stundenlang strafbare Handlungen begehen konnten, ohne ein Unrechtsbewußtsein zu haben, und ist schlußendlich die Vereinbarkeit unserer Vollzugspraxis im Bereich der Schubhaften und der Asylrechte mit den europäischen und internationalen Menschenrechtsstandards. Ich halte es für wesentlich, das im politischen Raum zu untersuchen. Das ist ausschließlich so zu betrachten, als ob es eine rein gerichtliche Sache wäre.

In diesem Sinne ersuche ich um Zustimmung zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

20.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schwemlein. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

20.38

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Tatsache ist, daß der Fall Marcus Omofuma bei uns allen Bestürzung ausgelöst hat. Richtig sind jene Maßnahmen, die in der Vergangenheit von seiten des Ministers eingeleitet wurden. Der Herr Bundesminister für Inneres hat jene wesentlichen Schritte gesetzt, die wir hier im Parlament und die Österreicherinnen und Österreicher von ihm erwartet haben.

Der Innenminister hat zum einen all das eingeleitet, was zur Aufklärung dieses Falles führen kann. Er hat gleichzeitig per Verordnung festgelegt, wie in Zukunft Abschiebungen vorgenommen werden sollen und dürfen. Und es wäre absolut verkehrt und falsch, von dieser Stelle aus


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