Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 181. Sitzung / 156

Gott sei Dank, Frau Kollegin Höbinger-Lehrer, war das noch nie notwendig, denn es ist unseres Wissens nach der erste tote Schubhäftling in Österreich, der unmittelbar in Gewahrsam der österreichischen Polizei gestorben ist. Aber ich möchte mich nicht mit Frau Kollegin Höbinger-Lehrer beschäftigen, denn dafür ist die Zeit zu schade.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, worum es geht, ist, die politische Verantwortung zu klären. Wenn sich der oder die eine oder andere die Mühe gemacht hätte, diese lapidaren dreieinhalb Seiten durchzulesen, dann würden Sie eine Ahnung davon haben, warum Kollege Kier und auch wir über diese lapidaren dreieinhalb Seiten so empört sind, und zwar nicht nur, weil diese dreieinhalb Seiten absolut nichtssagend sind, sondern was mich noch mehr empört, ist, daß Kollege Leikam, immerhin – immerhin! – Ausschußvorsitzender des Innenausschusses, gesagt hat: Genügt es Ihnen nicht, daß es eine Sondersitzung zum Thema Omofuma gab?

Herr Kollege Leikam! Am 1. Mai ist dieser bedauerliche Fall passiert. Am 2. Mai ist auch etwas passiert, nämlich die erste Falschmeldung, die erste Desinformation ist über den Äther gelaufen. Am 2. Mai hat der Korpsgeist, das Blocken, das Nur-ja-nichts-Weitersagen begonnen. Der Herr Bundesminister ist noch zehn Tage später mit betroffenem Gesicht hier gesessen und mußte im Parlament erfahren, daß ihn seine eigenen Beamten hinters Licht führen, daß sie ihm etwas anderes sagen als das, was tatsächlich die Wahrheit ist.

Das, meine Damen und Herren, sind nur einige Details aus diesem sogenannten Fall Omofuma, der nicht nur ein Fall Omofuma ist, weil Marcus Omofuma gestorben ist, und zwar in Begleitung und unter Beihilfe österreichischer Exekutivbeamter, sondern weil er aufgrund eines Systems gestorben ist, das diesen Fall zugelassen hat. Darum ist es, sehr geehrter Herr Vorsitzender des Innenausschusses, nicht die Frage einer Sondersitzung, einer dringlichen Anfrage der Opposition, sondern die Frage des Ernstnehmens der Probleme, die in diesen Strukturen stecken. (Beifall bei den Grünen.)

Das sind nicht lapidare dreieinhalb Seiten, mit denen sich weder die Menschenrechtsbewegung in Österreich noch auch die Kritiker in Ihren eigenen Reihen zufriedengeben werden. Mit dreieinhalb Seiten ist diese Sache nicht erledigt!

Darum unterstützen wir Ihre Fristsetzung, Kolleginnen und Kollegen der Liberalen, und darum unterstützen wir auch den Vorschlag, den Ausschuß für permanent zu erklären, denn da wären noch so viele Details zu klären, von denen wir unter Umständen heute noch gar nichts wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Eine zweite Feststellung: Es geht nicht allein um die drei Herren, die Marcus Omofuma – jetzt wörtlich genommen – in den Tod begleitet haben. Da haben Sie schon recht, und das haben alle gesagt: Die Gerichte sind aufgerufen, die strafrechtlich relevante Seite dieses Falles zu klären, die Gerichte sind aufgerufen, Recht zu sprechen über die drei, gegen die jetzt die Untersuchungen laufen. Aber keine Staatsanwaltschaft, Frau Kollegin Höbinger-Lehrer, untersucht die Strukturen, die das zulassen. Keine Staatsanwaltschaft hat sich bisher dafür interessiert, was eigentlich davon zu halten ist, daß man 1995 in Berichten an den Herrn Bundesminister für Inneres und jährlichen Berichten von "amnesty international" von groben Menschenrechtsverletzungen in den österreichischen Polizeistrukturen lesen konnte, und keiner kümmert sich darum. Das ist es, womit es sich zu beschäftigen gilt, das es aufzuklären gilt.

Wir werden – das kann ich Ihnen versprechen – hier den Mund nicht halten. Wir werden ihn so stark aufreißen wie nur möglich! Denn ich will nicht in einem Land leben, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden, in dem nur Korpsgeist in der Polizei herrscht!

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, für mich ist Polizeireform das Wesentliche. Für mich ist die Frage der Sicherheit eine Frage der Demokratie. Demokratie braucht Sicherheit, aber Sicherheit braucht auch Demokratie. Das ist es. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

18.06


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