Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 30. Sitzung / Seite 73

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Abgeordnetem Dr. Krüger vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt. Ich beziehe ihn in die Verhandlungen mit ein.

Zu Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Posch gemeldet. – Bitte.

20.16

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die heutige Sondersitzung zum Thema "anständige Ausländerpolitik" – was ja ohnehin Hohn spottet – sowie die Forderung der Rückführung arbeitsloser Ausländer soll nur einmal mehr die Ausländerdebatte sinnlos anheizen.

Die Bemühungen, ethnische Vorurteile zu bekämpfen, sind sehr, sehr anstrengend, weil Einzelerfahrungen zu Pauschalurteilen hochstilisiert werden und daher eine rationale Bewältigung des Problems in einer solchen Atmosphäre, einer solch aufgeheizten Stimmung sehr schwierig ist. Wenn das einzige Kriterium zur Einordnung von Personen oder Gruppen, die einzige Variable die Herkunft der Menschen ist, dann wird es mit dem Diskutieren schwierig. Und wenn noch dazu die Bewertung nach dem Schema anständig – unanständig, fleißig – faul, ordentlich – unordentlich erfolgt, ohne sämtliche Aspekte einer genauen Überprüfung zu unterziehen, dann wird es zur Gänze ungemütlich.

Die Tragödie im ehemaligen Jugoslawien hat hinlänglich gezeigt, wozu Menschen fähig sind – auch wenn sie jahrzehntelang Tür an Tür gelebt haben –, wenn alles, was nicht eindeutig als Freund identifizierbar ist, als potentieller Feind betrachtet und vernichtet wird.

Wir Sozialdemokraten lehnen jedenfalls eine Politik ab, die das Wertebewußtsein der eigenen Gruppe dadurch positiv stimuliert, daß andere, fremde Gruppen pauschal herabgesetzt werden, damit Mitglieder der Gruppe, die sich im sozialen Gefüge ganz unten befinden oder fühlen, Menschen finden, auf die sie trotzdem noch herabsehen können, damit der arbeitslose Inländer ein Feindbild im arbeitslosen Ausländer erblickt, damit Frustrationen und Aggressionen besser auf Außenstehende projiziert werden können. Wir brauchen keine Freund-Feind-Schemata. Wir werden es nicht zulassen, daß Fremdgruppen diabolisiert werden, daß sie zu Störenfrieden oder Sündenböcken werden zur Kompensation der eigenen Angst und der eigenen Hilflosigkeit.

Leider kann man derzeit in Europa durch das kalkulierte Spiel mit Ängsten, Emotionen und Ressentiments wahlpolitische Erfolge erzielen. Und leider ist Fremdenfeindlichkeit kampagnefähig, weil ein gewisser Resonanzboden für ausländerfeindliche Parolen und Appelle zweifellos vorhanden ist, weil es eben Menschen gibt, die ein stereotypes und verzerrtes Bild über Ausländer haben, und weil man damit offensichtlich bis jetzt bei Wahlen immer noch zulegen konnte – von einem Gewinnen derselben ist ohnedies keine Rede –, weil man mit halbwahren und pauschalen Vorurteilen, die an stereotypen Alltagsgeschichten wie der Geschichte mit der Hammelbraterei von Frau Partik-Pablé aufgehängt werden, Ressentiments vortrefflich befriedigen kann, weil man Ängste und Bedrohungsgefühle für ein paar wohlfeile Stimmen ausnützen kann.

Der Vorschlag zur Rückführungsaktion beziehungsweise zur Rückkehrerbeihilfe, wobei unbekannt ist, wie viele Ausländer dies in Anspruch nehmen würden, ist ein trauriger, aber wahrer Beweis: Das Problem wird ohnehin nur verschleiert. Das Problem ist nicht die Rückführung der Arbeitslosen in ihre Heimat, sondern die stete Aktualisierung des Fremdenhasses.

Da scheut man sich auch nicht, mit falschen Zahlen zu operieren, ob es jetzt 36 000 Ausländer sind oder 23 570, wie es das Arbeitsmarktservice ausweist. Das Problem kann damit ohnedies nicht gelöst werden. Es soll nur wieder vorgegaukelt werden, daß alle anderen Probleme des weltweiten Arbeitsmarktes mit dieser Ausländer-raus!-Strategie gelöst werden können.

Wenn es Herr Dr. Haider vom Ausgang dieser Sondersitzung abhängig macht, ob es im Herbst ein zweites Ausländer-Volksbegehren geben wird, dann sollte man der FPÖ sagen, er möge es starten, damit Österreich Dr. Haider die zweite verdiente Niederlage erteilt! (Beifall bei der SPÖ.)


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