Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 154

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Herren, wird jeder dritte Schulabgänger ein Maturant sein. Wir reden vom Wirtschaftsstandort Österreich. Wir reden von Milliardeninvestitionen und sind glücklich, daß etwa jetzt BMW oder Steyr investieren. Aber wir reden nicht von den Facharbeitern, die wir später einmal brauchen werden, um uns gegen die Tigerstaaten und gegen China oder Malaysia zu wehren. Denn dort werden enorme Investitionen vorgenommen. Und ich will, pointiert gesprochen, nicht, daß wir ein Volk von Jodlern und Schuhplattlern werden, das die Chinesen als folkloristisch fotografieren, weil wir keine Facharbeiter mehr haben.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Kollege Puttinger! Sie haben von meinem Bezirk geschrieben: Diesem Bezirk geht es heute so gut wie noch nie. Herr Bundesminister Farnleitner! Wir haben das modernste Ausbildungszentrum in Ternitz gehabt: mehr Privat, weniger Staat. Es wurde privatisiert. Ich bin nicht gegen die Privatisierung. Aber in diesem Fall hat man eiskalt das Ausbildungszentrum mit 260 hochqualifizierten Ausbildungsplätzen geschlossen. Es war keiner mehr da, der das finanziert hätte. Jetzt ist dort jemand anderer. Aber das macht Ihnen nichts! Lehrwerkstätten wurden zugesperrt, es wurde Geld vernichtet, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dort wurden in Summe 20 000 Lehrlinge in den letzten Jahren ausgebildet. Darüber geht man jedoch kalt hinweg.

Einerseits sehe ich heute die Investitionen der Europäischen Union, auf der anderen Seite lese ich im "Standard" vom Samstag: "Creditanstalt plant bis 1998 den Abbau von 1 000 Mitarbeitern." Das ist die Hälfte der Zahl der Mitarbeiter von Semperit, das sind viermal so viele wie bei Euro-Quartz. Freiwilligen Aussteigern wird der Abgang mit zusätzlichem Geld versüßt. Heute ist es so, daß jeder belohnt wird, wenn er Beschäftigte reduziert. Der Arbeiter oder der Angestellte hat ... (Zwischenruf des Abg. Meisinger. ) Kollege Meisinger! Die Debatte hatte ein hohes Niveau, bis Sie sich eingemischt haben! (Beifall bei der SPÖ.) Ich weiß schon, daß wir in der Regierung sind. Aber wenn man heute eine Debatte über die Zukunft der Bildungspolitik der österreichischen Lehrlinge führt, dann muß man manchmal auch auf andere hören. Ich habe Kollegen Ofner auch recht gegeben, weil er in der Analyse richtig lag. Das haben Sie, Kollege Meisinger, wahrscheinlich überhört.

Meine letzten zwei Sätze: Es gibt ein Papier, das ist von Ihnen, Herr Bundesminister, von Herrn Minister Hums, von Herrn Präsidenten Maderthaner und von Herrn Präsident Verzetnitsch unterschrieben. Jetzt höre ich, daß dieses wieder nicht gelten soll. Vielleicht können Sie uns darüber aufklären. Darin geht es nämlich um die Lehrlinge. Es geht um den ersten Schritt, und ich glaube, das ist sehr wichtig, denn die jungen Menschen – und das sind sehr viele – glauben an die Wirtschaft in dieser Republik. Wir sollten aber nicht nur mit Schlagworten wie "Karriere durch Lehre" operieren, sondern wir sollten diesen Menschen zumindest eine Waffengleichheit gegenüber den Maturanten geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte, Frau Abgeordnete. Redezeit: 4 Minuten.

21.12

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es hat sich heute nicht nur einmal erwiesen, daß in Österreich derzeit eine schlampige Politik gemacht wird. Und die derzeit übliche schlampige Berichterstattung leistet dem noch Vorschub, daß eine Ankündigungspolitik à la Kollegen Puttinger oder eine Ablenkungspolitik à la Kollegen Riepl noch stärker Fuß fassen kann! Daß all das auf dem Rücken der Jugend geschieht, über der wirklich das drohende Schwert der Jugendarbeitslosigkeit hängt, macht mich besonders traurig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Marizzi! Es war die SPÖ, die in den letzten Jahren diese Regierung dominiert hat. Sie sind mir heute bei Ihrer Wortmeldung aber wie ein Oppositionspolitiker vorgekommen. – Bisher verhielt es sich so, daß jeder zweite Schüler zwischen 15 und 18 Jahren seine Ausbildung über ein Lehrverhältnis erworben hat. Gegenwärtiges Faktum: Im Juli 1996 hat es 10 100 Lehrstellensuchende gegeben und nur mehr 4 400 offene Lehrplätze. Besonders gravierend ist die Situation in Tirol. Auch wenn von seiten der ÖVP diese Daten angezweifelt werden: Es sind die offi


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