Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 109

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45 Millionen Schilling vor – verkauft wurde diese Liegenschaft an die Gewerkschaft aber für 12,6 Millionen Schilling!

Herr Bundesminister! Können Sie mir konkrete Fälle nennen, in denen Österreicher auf eine Entschädigung in Österreich verzichtet und ihr Eigentum beziehungsweise den Erlös daraus aus Deutschland erhalten haben? Oder verhält es sich nicht vielmehr so, daß diese dann um ihre Entschädigung gänzlich umgefallen sind, also weder von Österreich noch von Deutschland etwas bekommen haben!

Meine Damen und Herren! Geschädigt wurden immer österreichische Staatsbürger. Nutznießer in diesem Fall ist die deutsche Bundesregierung, die jetzt mit dem Vermögen beziehungsweise aus dem Verkaufserlös ihr Budget sanieren kann. Verständnis dafür hätte ich noch, wenn es das österreichische Budget wäre!

Zu all dem ist es gekommen, weil die österreichische Bundesregierung sehr schlecht verhandelt beziehungsweise überhaupt diesen Vertrag mit der DDR 1987 abgeschlossen hat und nach dem Fall der Mauer mit der Bundesrepublik Deutschland nicht neu verhandelt hat, so, wie das andere Staaten getan haben. So müßte meiner Meinung nach ein Anwalt für die Staatsbürger auch handeln, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Er hat das Wort.

17.05

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn man sich als Bürger von der österreichischen Seite her der österreichisch-tschechischen Grenze nähert, dann kann man fast überall im Waldviertel und im Weinviertel zu den Grenzgendarmerieposten gehen und sich nach den Kindergräbern erkundigen.

Diese Gräber sind wie folgt zustande gekommen: Bei den Vertreibungen insbesondere im Jahr 1945 sind die Elendszüge, vor allem bestehend aus alten Menschen, aus Kindern, aus Frauen, zum Teil mit Säuglingen, über viele Dutzende Kilometer und mehrere Tage lang bis an die Grenze getrieben worden: ohne Wasser – man hat ihnen gesagt: "Wasser ist für das Vieh, nicht für die Menschen!" –, unter Kolbenschlägen und unter Erschießung aller Liegenbleibenden; es gab nichts zu essen und Vergewaltigungen überall dort, wo es sich nach Ansicht der Täter "ausgezahlt" hat.

Am schlechtesten haben das die Kinder überstanden. Sie mußten getragen werden, nicht nur die ganz kleinen, auch die etwas größeren, und sie waren zum Teil schon tot, als die Mütter mit den Kindern auf dem Arm die Grenze erreicht haben. An der Grenze haben dann österreichische provisorische Exekutivorgane den Vertriebenen zum Teil den Zutritt nach Österreich verweigert. Man hat gesagt: "Das sind deutschsprachige Tschechen, die haben in Österreich nichts verloren!" Man hat sie durch das Niemandsland wieder auf die tschechische Seite getrieben. Das ist mehrmals hin und her gegangen, mittlerweile waren nahezu alle kleinen Kinder verstorben. Die Mütter konnten sie gerade noch auf österreichisches Gebiet bringen, dort wurden unmittelbar neben den Grenzposten Massengräber ausgehoben, und die Kinder wurden ohne viel Formalitäten begraben. – Das sind die Kindergräber!

Ich empfehle Ihnen, Herr Haselsteiner, einmal an die Grenze zu fahren, sich zu erkundigen und sich ein paar Kindergräber dort oben anzuschauen! Dann wird Ihnen das Lachen und der Hohn vergehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich aber nicht auf das Drama, das sich damals in dieser Ecke Europas ereignet hat, beschränken, sondern ich möchte die Problematik der Menschenrechte und ihrer Verletzung ganz allgemein behandeln: Wenn es heute um Entschädigungen für Vorgänge, die sich in der damaligen Tschechoslowakei und dann später in der DDR ereignet haben, geht, dann bin ich zunächst dagegen, daß man sagt, daß dort irgend jemand sein Vermögen "verloren" hat.


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