Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 121

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Sie zementieren die bestehende Einkommensverteilung, Sie zementieren sie vor allem in jenen Bereichen, in denen es um den Zugang geht.

Ich denke, wenn wir über Familienpolitik reden, so ist nicht nur der Bereich der Bildung wichtig, sondern der Zugang zur Bildung ist wichtig. Wie findet ein Kind einen Zugang zur Bildung, zur Ausbildung? Wie findet ein Jugendlicher einen Zugang zu einem Lehrplatz, einen Zugang zu einem Beruf oder zu einer Berufskarriere? – Sie zementieren mit Ihrem Modell vorgegebene Einkommensstrukturen und verschärfen die Situation, die wir haben. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Der nächste Schritt ist die Einführung der Studiengebühren. Das ist logischerweise implizit in Ihrem Modell enthalten – bei dieser Zementierung von Einkommensverhältnissen.

Aber nicht nur das – Sie vermeiden den Begriff von Familieneinkommen. Sie vermeiden ihn, weil Sie nach wie vor in Ihrer Ideologie natürlich auch von der Individualbesteuerung ausgehen. Sie vermeiden ihn, aber Sie wenden ihn trotzdem an, und das kommt natürlich heraus, denn wenn beide Elternteile und die Arbeit beziehungsweise Nichterwerbsarbeit beider Elternteile als Grundlage zur Berechnung herangezogen werden, so ist das nichts anderes als ein Familieneinkommen. Was Sie damit verursachen oder erreichen, ist nichts anderes als eine Verfestigung genau jener Familienstrukturen, die völlig unzeitgemäß sind.

Eine Anknüpfung an das Unterhaltsrecht in der heutigen Zeit ist unzeitgemäß, denn es verstärkt die privaten Machtverhältnisse. (Beifall der Abg. Dr. Petrovic. ) Es verstärkt die Abhängigkeit der Kinder gegenüber den Eltern, und selbst dann, wenn die Kinder den Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern einklagen, schaffen Sie ein Klima der materiellen Abhängigkeit und der Macht anstelle eines familiären Klimas, wie es hier so vielfach beschworen wird.

Zuallerletzt noch: Es ist auch frauenfeindlich, weil Sie zwar die Hausarbeit bewerten – das ist positiv, Sie bewerten eine nichterwerbstätige Arbeit mit 8 000 S –, Sie rechnen sie aber zum erwerbstätigen Einkommen hinzu, und somit mindert das wiederum den Anspruch, den das Kind hat. Es mindert sozusagen die Leistung, die erbracht werden kann. In diesem Punkt ist es extrem frauenfeindlich! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben uns das auch näher angeschaut, und ich nenne Ihnen ein einziges Beispiel, bei dem das besonders auffallend ist, das ist jenes mit den fiktiven 8 000 S. Gehen wir von einer geschiedenen Frau aus, die in diesen Bereich fällt – also nicht berufstätig, 8 000 S –, den Sie hier heranziehen. Diese Frau bekommt eine Alimentationsleistung in der Höhe von 4 200 S, was bei Gott nicht viel ist – und dann nichts mehr. Nach Ihrem Modell bekommt sie keine Transferleistung mehr. So schaut Ihr Modell aus!

Es ist schlecht durchdacht, es schafft Ungleichheiten, es verschärft die Ungleichheiten, die wir heute haben, und es wirft eine Reihe von Fragen auf, die ich hier gar nicht thematisieren kann.

Das wirft folgende Fragen auf: Was ist bei Ihnen ein Einkommen? Sind Werkverträge Einkommen? Wird Einkommen aus Vermögen herangezogen? Was alles ist Einkommen? Wann wird ein Einkommen gerechnet? Wird es am Jahresende gerechnet, wenn es aus unselbständiger Arbeit stammt, oder wird es monatlich gerechnet? Wie gehen Sie vor? – Die Erfassung ist eine Frage für sich, und da geben Sie auch unter der Hand zu, daß das eine extreme Verteuerung der administrativen Kosten ergeben würde. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Mein Schlußsatz: Es ist kein taugliches Modell, weil es die ungerechte Verteilungssituation, die wir haben, zementiert. (Beifall bei den Grünen.)

17.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort gemeldet. – Sie haben das Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. Die Gesamtredezeit für Ihre Fraktion beträgt noch 9 Minuten.

17.20

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Liberale Forum hat ein Modell erarbeitet, das darauf hinausläuft, die Familien


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