Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 124

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Es ist schon x-mal zitiert worden: Wenn ein Alleinverdiener 25 000 S verdient und nur ein Kind davon erhalten muß, so hat er monatlich ein Minus von zirka 800 S. – Ich glaube, das muß man sich einmal ganz genau anschauen!

Abschließend: Ich würde mir wünschen, daß wir über Familienpolitik anders sprechen. Familienpolitik ist nicht nur Sozialpolitik. Familienpolitik ist viel, viel mehr. Wir müssen weg vom Gießkannenprinzip, weg von der Meinung, Familienpolitik sei Sozialpolitik, und hin in Richtung einer Bildungspolitik für Familie gehen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Weg von der Gießkanne meinen Sie?) Jawohl. Wir sollten mehr über Familienbildung nachdenken. Und eine "Familienbildung" hätten auch wir hier in diesem Plenarsaal dringend notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

17.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Haller. – Moment! Bitte um Entschuldigung. (Abg. Dr. Schmidt: Bitte, was soll das?)

Ich habe festgestellt: Ordnungsgemäß ist Frau Abgeordnete Haller gemeldet. (Abg. Dr. Schmidt: Sie ist nicht da! So kommen wir nicht weiter!) Ich höre die Version, daß sie abgemeldet wurde. Sie ist nicht im Saal. (Abg. Dr. Kostelka: Dann ist es vorbei, Herr Präsident!) Die Wortmeldung findet jedenfalls nicht statt. (Abg. Dr. Schmidt: Die Wortmeldung ist damit verfallen!)

Es gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete. Die Redezeit, die Ihnen noch zur Verfügung steht, beträgt 5 Minuten.

17.32

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die SPÖ setzt in ihren Familienförderungsmodellen stärker auf öffentliche Leistungen, sie setzt verbal auf den Ausbau von Kindergärten, von Betreuungseinrichtungen. Die ÖVP will – so verstehe ich das – die traditionelle, klassische Kernfamilie aufwerten, finanziell entlasten und staatliche Einrichtungen nur insofern für zuständig erklären, als diese traditionelle Kernfamilie, so wie es Morak gesagt hat, nicht funktioniert.

De facto passiert heute weder das eine noch das andere, sondern de facto passiert das, was mir zum Beispiel – ich bekomme viele solche Briefe – eine Frau aus dem 21. Bezirk schreibt: Ich bin 19 Jahre alt, verheiratet, habe ein Kind und bin derzeit in Karenz. Die Karenzdauer beträgt eineinhalb Jahre. Alle Gemeindekindergärten, aber auch Pfarrkindergärten nehmen Kinder erst ab drei Jahren. Privatkindergärten nehmen Kinder erst ab zwei Jahren. Nun frage ich Sie, wie es mir in den restlichen eineinhalb Jahren beziehungsweise im letzten halben Jahr möglich sein kann, arbeiten zu gehen. (Abg. Tichy-Schreder: Tagesmütter!) Mein Mann verdient nämlich nur zirka 14 000 S. Und mit diesen 14 000 S muß meine Familie alle Ausgaben, und das in einer Großstadt, bestreiten.

Das ist das Ergebnis der ÖVP-Familienpolitik, die, ach, die Familie so hochhält, sodaß es vielen Familien ergeht wie dieser 19jährigen Wienerin mit ihrem Kind und ihrem Mann, der 14 000 S verdient. Sie hat keine Möglichkeiten mehr; das sage ich Ihnen. Und all diese Kürzungen – von der Geburtenbeihilfe bis zur Dauer der Karenzzeit – haben Sie zu vertreten, nicht die Liberalen oder irgendeine andere Oppositionspartei in diesem Haus. (Abg. Fink: Nichts gekürzt!)

Zum zweiten: Es stellt sich auch die Frage nach Ihrem Familienbegriff. Dieser hängt offenbar am Reisepaß. Gerade jetzt nach den Erklärungen der Bischöfe mutet das umso komischer an. Wie erklären Sie denn, daß Sie erstens ausländischen Eltern, deren Kinder im Ausland sind, die Kinderbeihilfe gestrichen haben, daß diese Eltern zweitens keinen Unterhaltsabsetzbetrag haben und daß sie drittens aber auch ihre Kinder aufgrund erfüllter Quoten nicht herholen können? Ist das keine Familie? Wird das nicht mehr vom umfassenden christlichen Anspruch und von Ihrem Prinzip der Familie erfaßt? Ich finde das doch sehr merkwürdig und zugleich sehr, sehr traurig. Ich hoffe, daß sich auch hier eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer findet, der das einklagt, denn ich bin überzeugt, daß die Versagung aller drei Möglichkeiten sicherlich verfassungswidrig ist. (Beifall bei den Grünen.)


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